Ich bin ja selbst Naturwissenschaftler. Es ist klar, dass komplexen Phänomenen ein komplexes Bedingungsgefüge zugrunde liegen muß. Die Naturwissenschaft hat sich zunächst damit geholfen, Systeme im "Gleichgewicht" mit einer dominierenden Ursache zu beschreiben, und dabei von andern (wichtigen) Bedingungen zu abstrahieren, klassisch: Vernachlässigung von Reibungskräften bei Bewegungsgesetzen.
Das geht aber bei bestimmten Systemen nur eingeschränkt oder überhaupt nicht: z.B. Wettermodelle.
Weiter oben habe ich schon die Vermutung geäußert, dass die Systemtheorie mit ihrer Vorstellung von Rückkopplungen dem Bedingungs- und Ursachengefüge, wie es in der buddhistischen Philosophie aufgefasst wird, womöglich am nächsten kommt.
ich beziehe mich hier auf http://www.palikanon.com
DN15 https://palikanon.com/digha1/dn15.html
SN36.6 https://palikanon.com/samyutta/sam36.html#s36_6
S.12.24. https://www.palikanon.com/samyutta/sam12_30.html#s12_24
Das ist sehr interessant und zeigt, dass schon im Tripitaka (den drei Körben der Lehrreden) keine lineare Vorstellung von monokausaler Verursachung vorherrscht. Auch die wechselseitige Bedingtheit wird schon erörtert in den Beispielen, z.B. in der Lehrrede über die Ursachen in Absatz 20ff.
21. 'Durch Bewusstsein bedingt ist Name und Materie (ein Individuum)', wenn das so gesagt wird, soll man, Ānanda, das in dieser Weise verstehen, wie Name und Materie (ein Individuum) durch Bewusstsein bedingt ist: Wenn aber, Ānanda, das Bewusstsein nicht in den Mutterschoß eintreten würde, würde dann Name und Materie im Mutterschoß heranreifen?" - "Nein, das nicht, Verehrungswürdiger." - "Wenn, Ānanda, das Bewusstsein, nachdem es in den Mutterschoß eingetreten ist, sich wieder zurückziehen würde, würde dann hier Name und Materie (ein Individuum) geboren?" - "Nein, das nicht, Verehrungswürdiger." - "Wenn das Bewusstsein von einem kleinen Kind, einem Jungen oder Mädchen sich abtrennen würde, könnte dann Name und Materie (ein Individuum) zu Fortschritt, Wachstum und Fülle kommen?" - "Nein, das nicht, Verehrungswürdiger." - "Daher, Ānanda, ist dies der Grund, ist dies die Ursache, ist dies die Entstehung, ist dies die Bedingung für Name und Materie (ein Individuum), nämlich das Bewusstsein."
22. 'Durch Name und Materie (ein Individuum) bedingt ist Bewusstsein', wenn das so gesagt wird, soll man, Ānanda, das in dieser Weise verstehen, wie Bewusstsein durch Name und Materie (ein Individuum) bedingt ist: Wenn, Ānanda, Bewusstsein in Name und Materie (ein Individuum) sich nicht festsetzen würde, würde in der Zukunft Leid entstehen durch Geburt, Altern und Sterben?" - "Nein, das nicht, Verehrungswürdiger." - "Daher, Ānanda, ist dies der Grund, ist dies die Ursache, ist dies die Entstehung, ist dies die Bedingung für das Bewusstsein, nämlich Name und Materie (ein Individuum). Insofern Ānanda, wird man geboren, altert, stirbt, scheidet dahin, wird wieder geboren. Insofern ist die Möglichkeit für Benennung, die Möglichkeit zu definieren, die Möglichkeit für Erklärungen, das ganze Gebiet der Weisheit und so lange läuft der Daseinskreislauf weiter, bis verstanden wird, dass sich Name und Materie (ein Individuum) und Bewusstsein gegenseitig bedingen
Interessanterweise sind die sich gegenseitig bedingenden "Name und Materie" und "Bewusstsein" der Ausgangspunkt, von dem die Verursachung geschildert wird.