Daniel M. Ingram und seine Lehre


  • ja, natürlich, dem stimme ich zu, lieber Erbreich. Letztendlich fürchten wir uns nur, solange wir uns noch identifizieren, also ein Persönlichkeitsglaube noch vorhanden ist. Denn solange sind wir - an welcher Stelle auch immer - noch verletzlich, verletzbar, schwanken zwischen Wohl und Wehe hin und her und sind somit nicht frei. Erst wenn wir die Wurzel dieser Schwankungen erkannt haben und die Weiche (was für ein schönes Wort!) stellen können, fahren wir auf dem richtigen Gleis. ;)
    _()_ Monika

  • Falls jemand mitliest, der Interesse an einer Diskussion über die Erleuchtungsstufen hat - ausgehend von Daniel M. Ingrams Text, Kapitel "Modelle der Erleuchtungsstufen", erster Abschnitt "das Vierpfadmodell" (Seiten 175-186) - würde mich das sehr freuen.


    Nachdem ich Jahrzehnte das von Ingram "Begrenztes Emotionsmodell" benannte Modell vertreten habe, bin ich aufgrund meiner eigenen Überprüfung meiner Erfahrungen seit zwei Jahren ebenfalls davon abgekommen. Ich denke heute nicht mehr, dass es darum geht, dass die Triebe eliminiert werden, sondern darum, unter die Triebe nicht mehr versklavt zu sein. Das ist auch das, was ich selber erlebe.


    Ein weiterer, meines Erachtens sehr stichhaltiger, Beweis dazu bietet mir die Überlieferung, dass der Buddha nach seinem vollständigen Erwachen trotzdem noch von "Mara" versucht werden konnte. Wer oder was ist denn Mara? Hier folge ich der Interpretation Nyanatilokas im Bwtb, der schreibt: "Mara... ist die Personifikation der die Weltmenschen überwältigenden Leidenschaften und Begehrensobjekte".


    Es ist also keineswegs so, dass diese Leidenschaften im Geist des erwachten Menschen nicht mehr in Erscheinung treten (dies die Aussage des "begrenzten Emotionsmodells"), offensichtlich treten sie sogar bei einem Buddha noch auf, der Unterschied besteht vielmehr darin, dass der erwachte Mensch davon nicht mehr überwältigt wird, das heisst, er kann sein Agieren in der Situation (relativ) frei wählen (umso freier, je weiter er fortgeschritten ist auf dem Pfad).


    Wollen wir darauf warten, dass in unserm Geist keinerlei "Ich-Ansicht", keinerlei "Zweifel", keinerlei "Verhaltensmuster" mehr auftauchen, dann werden wir bis zum St.Nimmerleinstag warten mit der Realisierung schon nur des Stromeintritts, geschweige denn mit der Realisierung der höheren Stufen, auf denen es - mit dem Umgang mit Gier und Hass in vielen und äusserst subtilen Formen - so richtig losgeht. Es ist nicht so, dass Mara dem Anagami nicht mehr in Form des Sinnlichkeitstriebes in Erscheinung treten würde, es ist aber so, dass der Anagami durch den Sinnlichkeitstrieb nicht mehr überwältigt, nicht mehr durch ihn versklavt werden kann.


    Somit ist selbst dem vollständig erwachten Menschen noch die ganze Bandbreite des emotionalen Erlebens zugänglich, nichts ist beschnitten oder verdrängt, nichts wird ignoriert. Angst vor negativen Emotionen wird dadurch hinfällig, sie dürfen im Geist in Erscheinung treten, ebenso wie Mara dem Buddha in Erscheinung treten durfte. Der Massstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht daher nicht darin, dass die Triebe nicht mehr in Erscheinung treten würden, sondern darin, wie mit diesen Erscheinungen umgegangen wird.


    Wie erlebt ihr das?
    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • erbreich:


    Ich denke heute nicht mehr, dass es darum geht, dass die Triebe eliminiert werden, sondern darum, unter die Triebe nicht mehr versklavt zu sein. Das ist auch das, was ich selber erlebe.


    Ja, dem stimme ich zu - auch aus eigener Erfahrung.


    Zitat

    Ein weiterer, meines Erachtens sehr stichhaltiger, Beweis dazu bietet mir die Überlieferung, dass der Buddha nach seinem vollständigen Erwachen trotzdem noch von "Mara" versucht werden konnte. Wer oder was ist denn Mara? Hier folge ich der Interpretation Nyanatilokas im Bwtb, der schreibt: "Mara... ist die Personifikation der die Weltmenschen überwältigenden Leidenschaften und Begehrensobjekte".


    Nein, dem stimme ich nicht zu, wenn ich auch keine mit Buddha vergleichbare Erwachte bin, so sehe ich doch, wie alle möglichen Versuchungen so weit an Macht verlieren, dass sie schlackerpuppenartig in der Ecke liegen und keineswegs irgendeine Versuchung wert sind. Und die, die noch nicht erprobt sind, werden genau so zum Verlöschen gebracht wie alles bisherige.


    Zitat

    Es ist also keineswegs so, dass diese Leidenschaften im Geist des erwachten Menschen nicht mehr in Erscheinung treten (dies die Aussage des "begrenzten Emotionsmodells"), offensichtlich treten sie sogar bei einem Buddha noch auf, der Unterschied besteht vielmehr darin, dass der erwachte Mensch davon nicht mehr überwältigt wird, das heisst, er kann sein Agieren in der Situation (relativ) frei wählen (umso freier, je weiter er fortgeschritten ist auf dem Pfad).


    Dem stimme ich nicht zu. Genau so wie die Dinge meiner Kindheit nur dann noch Wirkung auf mich haben, wenn ich meinen romantisch verklärten Vergangenheits-Gefühlen und Träumen dafür Raum gebe, genau so ist es auch mit allen anderen Erscheinungen. Sie verlieren ihren Wert und daher auch die Notwendigkeit, überhaupt zur Wahl zu zwingen. Der Buddha wählt nicht mehr. Und der Arahant auch nicht, selbst ein Stromeingetretener verlässt den Pfad des Wählens bereits, seine Weichen sind gestellt. Er legt die Geleise während er die Lok fährt mit zunehmendem Tempo.


    Zitat

    Wollen wir darauf warten, dass in unserm Geist keinerlei "Ich-Ansicht", keinerlei "Zweifel", keinerlei "Verhaltensmuster" mehr auftauchen, dann werden wir bis zum St.Nimmerleinstag warten mit der Realisierung schon nur des Stromeintritts, geschweige denn mit der Realisierung der höheren Stufen, auf denen es - mit dem Umgang mit Gier und Hass in vielen und äusserst subtilen Formen - so richtig losgeht. Es ist nicht so, dass Mara dem Anagami nicht mehr in Form des Sinnlichkeitstriebes in Erscheinung treten würde, es ist aber so, dass der Anagami durch den Sinnlichkeitstrieb nicht mehr überwältigt, nicht mehr durch ihn versklavt werden kann.


    Auch dem stimme ich nicht zu, ist doch der Stromeintritt sogar für einen Trinker möglich gewesen, nur weil er die Reife einer vom Baum fallenden Frucht besaß und Buddhas Worte spontan Einlass zu ihm fanden.


    Zitat

    Somit ist selbst dem vollständig erwachten Menschen noch die ganze Bandbreite des emotionalen Erlebens zugänglich, nichts ist beschnitten oder verdrängt, nichts wird ignoriert. Angst vor negativen Emotionen wird dadurch hinfällig, sie dürfen im Geist in Erscheinung treten, ebenso wie Mara dem Buddha in Erscheinung treten durfte. Der Massstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht daher nicht darin, dass die Triebe nicht mehr in Erscheinung treten würden, sondern darin, wie mit diesen Erscheinungen umgegangen wird.


    Ja, dem stimme ich zu.


    Ich wünsche Dir ein freies und von Gewissheit getragenes Licht-Fest, lieber Erbreich
    _()_ Monika


    PS: Ich kann Dir gern die Textstellen raussuchen, falls sie Dir nicht präsent sind, aber heute klappt das nicht mehr ;)
    [/quote]

  • Hallo Monika


    Danke für Dein Statement.
    Mein eigentliches Anliegen ist in den beiden Zitaten, die du mit "Ich stimme zu" beantwortet hast, enthalten:

    monikamarie:
    erbreich:


    Ich denke heute nicht mehr, dass es darum geht, dass die Triebe eliminiert werden, sondern darum, unter die Triebe nicht mehr versklavt zu sein. Das ist auch das, was ich selber erlebe.


    Ja, dem stimme ich zu - auch aus eigener Erfahrung.


    monikamarie:
    erbreich:

    Somit ist selbst dem vollständig erwachten Menschen noch die ganze Bandbreite des emotionalen Erlebens zugänglich, nichts ist beschnitten oder verdrängt, nichts wird ignoriert. Angst vor negativen Emotionen wird dadurch hinfällig, sie dürfen im Geist in Erscheinung treten, ebenso wie Mara dem Buddha in Erscheinung treten durfte. Der Massstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht daher nicht darin, dass die Triebe nicht mehr in Erscheinung treten würden, sondern darin, wie mit diesen Erscheinungen umgegangen wird.


    Ja, dem stimme ich zu.


    Lassen wir dazu noch einmal Daniel Ingram zu Worte kommen:


    Wie auch immer der zweite Pfad vermindert oder überwindet teilweise die nächsten beiden Befleckungen (die vierte und fünfte) und an diesem Punkt werden wir genötigt, in die schlüpfrige Diskussion um das Non-Dualitäts-Modell und das begrenzte Emotionsmodell zu gehen. Der grundlegende Unterschied zwischen diesen Modellen ist, dass das begrenzte Emotionsmodell sagt, dass gewisse grundlegende menschliche Emotionen und ihre damit verbundenen Manifestationen nie wieder auftauchen können, Punkt, Ende der Geschichte.

    Das Non-Dualitäts-Modell behauptet, dass die Illusion des Spalts erniedrigt oder ganz eliminiert wird und deswegen gibt es weniger Gemütsstörungen, die aufgrund des Versuches den Spalt zu behandeln entstehen. Entweder dadurch, dass man auf die andere Seite geht (fundamentale Anziehungskraft), den Spalt größer macht (fundamentale Aversion) oder das ganze Dharma ausblendet (fundamentale Unwissenheit). Weil es auch hier weniger Gemütsstörungen gibt und mehr grundlegende Klarheit, mag das emotionale Implikationen haben und einem erlauben, fähiger und glücklicher zu handeln oder das Leben zu ertragen. Aber das ist nicht dasselbe wie zu sagen, dass gewisse grundlegende emotionale Energien nie wieder in der Lage sein werden zu entstehen.

    Es gibt überwältigende Fakten, dass das begrenzte Emotionsmodell von seiner besten Seite her gesehen sehr romantisch und von seiner schlechtesten her komplett fantastisch ist, obwohl es auch etwas Gültiges in seiner eigenen rohen und schwerfälligen Art hat. Jedoch ist das andere, das begrenzte Handlungsmodell (Anm: das aussagt, dass gewisse Handlungen z.B. dem Arahat überhaupt nicht mehr möglich seien), von seiner besten Seite her irreführend und von seiner schlechtesten Seite her kompletter gefährlicher Unsinn. Dasselbe würde für Modelle von garantierter limitierter Neuropathologie gelten und den Begrenzungen ihrer einhergehenden Manifestationen. Das begrenzte Emotionsmodell erzeugt verschiedene Probleme, wenn es buchstäblich auf die Weise, wie es von den Theravādins ausgesprochen wird, genommen wird, insbesondere wenn wir jenseits der drei Befleckungen, die vom Stromeingetretenen „überwunden“ werden, kommen. Die Sprache des begrenzten Emotionsmodells fängt an sehr zweifelhaft zu werden, wenn wir darüber sprechen, dass „Gier/ Lust und Hass“ eliminiert werden, das heißt, wenn wir über den dritten Pfad reden.

    Beim zweiten Pfad scheint es eine Art erhöhter emotionaler Elastizität oder emotionaler Intelligenz zu geben, die sich um die geistige Aktivität solcher Dinge wie starkes Begehren und Aversion dreht. Das ist automatisch und natürlich. Deshalb hat der Geist von jemandem mit dem zweiten Pfad es besser, wenn Situationen entstehen, die normalerweise Emotionen wie Lust und Hass verursachen. Die
    mentalen Komponenten der Emotionen, die sich auf so etwas beziehen, werden einfacher bemerkt und anstrengungslos und automatisch verworfen, wenn es scheint, dass sie keinen Wert haben. Es gibt eine erhöhte Fähigkeit, diese Art von Emotionen in ihrem richtigen Verhältnis zu sehen und nicht blind auf sie zu reagieren.

    Diejenigen mit dem dritten Pfad haben einen dramatisch erhöhten direkten Sinn des Miteinanderverbundenseins (auch gegenseitige Abhängigkeit oder bedingte Entstehung genannt) und der Nicht-Dualität im Vergleich mit denen des zweiten Pfades und so wird ihr Empfinden der „Angemessenheit“ wesentlich rücksichtsvoller gegenüber der weiten Welt und den Lebewesen darinnen sein. Jedoch kann es vom Standpunkt eines sich außerhalb befindenden Beobachters ganz anders aussehen. Dies gilt noch mehr für Arahats, für die das Verstehen des Miteinanderverbundenseins absolut ist. Obwohl nochmal es von außen so aussehen kann, als wäre es nicht so.

    Gedanken und Handlungen mit ausgesprochen lustvoller Qualität können für jemanden des zweiten Pfades oder darüber sehr angemessen sein, wenn es beinhaltet eine wundervolle Nacht mit dem Partner zu haben aber in einem anderen Kontext kann es nicht hilfreich sein. Der Trick ist, dass der Geist allmählich immer fähiger wird, solche weise Wahl zu treffen… Was wirklich passiert ist deshalb mehr wie ein „erhöhtes emotionales Intelligenzmodell“ oder ein „erhöhtes aber unkodifizierbares geistiges Angemessenheitsmodell“. Statt der problematischen Ausdrücke wie „die allmähliche Elimination der emotionalen Befleckungen“ sollte besser ein Ausdruck wie: „Die geschickte, allmähliche Meisterung der ganzen emotionalen Bandbreite, zunehmend inspiriert durch Verstehen ihrer innewohnenden Non-Dualität oder wahren Natur“ gewählt werden.


    Solche Aussagen kann ich – wie es so schön heisst – „nach bestem Wissen und Gewissen“ gut heissen.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Hallo Thelema

    Thelema:

    Ingram schreibt von 'Vibrationen'. Wie ist das zu verstehen?
    Thelema


    Hören wir Ingram selber dazu:


    Es ist weise über den Tod zu reflektieren, da es nützlich sein kann und sowieso stimmt. Dies ist eine Reflektion über die gewöhnliche Realität und so ein Aspekt des Sittlichkeitstrainings, um Motivation für die Praxis der Einsichtsmeditation zu entwickeln. Weitaus besser ist es aber zu beobachten, wie unsere Empfindungen entstehen und vergehen. Was meine ich damit? Ich meine, das Empfindungen aus dem Nichts entstehen, ihr Ding machen und ganz und gar wieder verschwinden. Verschwunden sind, ganz und gar verschwunden sind. Dann entsteht die nächste Empfindung, tut ihr Ding und verschwindet wieder komplett. „Das ist der Stoff moderner Physik“, könnte man sagen. „Was hat das mit der Praxis zu tun?“


    Es hat alles mit der Praxis zu tun! Wir können dies erfahren, da das erste Set an Vibrationen zu dem Wir Zugang haben tatsächlich nicht so schnell ist. Vibrationen? Das ist richtig Vibrationen. Das ist die Bedeutung der ersten Charakteristik: Die Realität vibriert, pulsiert, erscheint als einzelne Partikel, wie TV Schnee, die einzelnen Bilder eines Films, ein Schauer von verschwindenden Blüten oder wie ihr es auch immer ausdrücken wollt. Einige Leute können alles hier in komplexe Wellen- oder Partikelmodelle hineinpacken, aber tut das nicht. Seht euch nur eure tatsächliche Erfahrung an, insbesondere so etwas Schönes und Körperliches wie die Bewegung und Empfindung des Atems in der Bauchdecke, die Empfindung der Fingerspitzen, die Lippen, das Nasenbein oder was auch immer. Versucht von Moment zu Moment zu wissen, wann die tatsächliche körperliche Empfindung da ist und wann nicht. Man bekommt heraus, dass sie nur eine kleine Zeit lang da ist und sogar, wenn sie da ist, verändert sie sich noch ständig.


    Als Vibration bezeichnet Ingram also das Erleben des Entstehens und Vergehens der Empfindungen. In der Meditations-Methode Mahasi Sayadaws (Ingrams Hintergrund) werden die einzelnen Empfindungen "notiert" oder "benannt", so dass mit dem Meditationsfortschritt immer mehr Empfindungen (über alle sechs Sinnentore) in dieser Weise bei ihrem Entstehen und Vergehen "registriert" werden. Der Fortschritt in der Vipassana-Meditation erhöht diese Fähigkeit, so dass die „Vibrationen“ schneller werden: es werden immer mehr Empfindungen und deren vergängliche, leidhafte und ichlose Natur (pro Sekunde) registriert.


    Ingram dazu weiter:


    In der frühen Phase dieser Stufe (Anm: udayabhaya-nana, Wissen durch Erkennen des Entstehens und Vergehens, siehe dazu die Stufen-Tabellen Ingrams: http://www.zeh-verlag.de/download/vipassananyanasingram.pdf oder auch Mahasi Sayadaws: http://www.zeh-verlag.de/download/mahasitab.pdf) wird der Geist des Meditierenden immer schneller und die Realität wird als feine Partikel oder Vibrationen von Geist und Materie wahrgenommen, jede davon entsteht und vergeht mit äußerst gewaltiger Geschwindigkeit. Die traditionellen Texte nennen diese Stufe erst den Beginn der Einsichtspraxis, da es von diesem Punkt aus gesehen ein direkteres nichtkonzeptionelles Verstehen der Drei Daseinsmerkmale gibt.


    Diese Stufe wird von dramatisch erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit gekennzeichnet, wenn man sie mit den vorherigen Stufen vergleicht. Man ist z. B. in der Lage seine Achtsamkeit mit laserartiger Präzision auf die Fingerspitze zu bringen, sodass es scheint, dass man fähig ist den Anfang und das Ende jeder einzelnen Empfindung, die diesen Finger ausmacht, wahrzunehmen. Spontane körperliche Bewegungen und seltsame ruckartige Atemmuster, die sich schon bei „Ursache und Wirkung“ zeigten und bei den „Drei Daseinsmerkmalen“ stärker wurden, werden jetzt signifikant schneller… Die Realität wird direkt mit großer Klarheit und Freude, Verzückung, Gleichmut, Achtsamkeit, Konzentration und anderen positiven Qualitäten wahrgenommen. Die Praxis ist extrem tief und ausdauernd und es kann auch nach Stunden des Sitzens kein Schmerz da sein.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Ja. Bhante Vimalaramsi spricht auch immer wieder von den Vibrationen. Er hat ja auch nach Mahasi's Methode gelernt und alle vipassana-ñānas erreicht. Und davon das die Vibrationen Verlauf der Beruhigung des Geistes und den damit verbundenen Jhanas immer geringer werden. Der Bereich der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichwahrnehmung z.B. hat seine Bezeichnung daher, das die Vibrationen so gering geworden sind, das man nicht mehr entscheiden kann, ob sie nun noch da sind oder nicht. Eine indische Anagami meinte mal über den Zustand des Anagami-Seins: "No more vibration".


    Gruß, :)

  • Hallo Mirco

    Mirco:

    Der Bereich der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichwahrnehmung z.B. hat seine Bezeichnung daher, das die Vibrationen so gering geworden sind, das man nicht mehr entscheiden kann, ob sie nun noch da sind oder nicht. Eine indische Anagami meinte mal über den Zustand des Anagami-Seins: "No more vibration".


    Da scheinen mir allerdings nun zwei verschiedene Dinge ein wenig durcheinander zu geraten. „Weder-Wahrnehmung-noch-nicht-Wahrnehmung“ ist, wie Du richtig sagst, ein Jhana, eines der formlosen, also der Samatha-(Konzentrations- oder Sammlungs-) Praxis zugehörig (über die Jhanas des formlosen Bereichs kann ich jedoch nicht aus eigenem erkannten Erleben sprechen). Mit den vier Pfaden und Früchten hat das aber nichts zu tun.


    Wenn die von Dir erwähnte Anagami mit „Zustand des Anagami-Seins“ die Fruchtbewusstseinsmomente meinte, dann ist es klar, dass dort keine „Vibrationen“ sind, das trifft aber auch bereits auf die ersten beiden Fruchtbewusstseinszustände (Stromeintritt und Einmalwiederkehr) zu. Das Fruchtbewusstsein (eines jeden Pfades) ist gekennzeichnet dadurch, dass es allem Gefühl und aller Wahrnehmung entrückt ist und Nibbana zum Objekt hat.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • erbreich:


    Solche Aussagen kann ich – wie es so schön heisst – „nach bestem Wissen und Gewissen“ gut heissen.


    Gruss, erbreich


    Ja, nach bestem Wissen und Gewissen kann ich sie auch gut heissen, lieber Erbreich. :D
    _()_ Monika

  • erbreich:

    Der Massstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht daher nicht darin, dass die Triebe nicht mehr in Erscheinung treten würden, sondern darin, wie mit diesen Erscheinungen umgegangen wird.


    Wie erlebt ihr das?


    Der Maßstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht nicht nur darin, wie mit Triebe umgegangen wird, sondern auch darin, dass Triebe nicht mehr in Erscheinung treten.


    Der Buddha hat Mara noch getroffen, aber Mara konnte den Buddha nicht mehr finden.


    :)

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Hallo nibbuti

    nibbuti:

    Der Maßstab für den Fortschritt auf dem Pfad besteht nicht nur darin, wie mit Triebe umgegangen wird, sondern auch darin, dass Triebe nicht mehr in Erscheinung treten.


    Du vertrittst also das „begrenzte Emotionsmodell“ (um beim Threadthema und bei der Sprache Ingrams zu bleiben). Ingram stellt drei Erwachungsmodelle vor, nämlich:


    1. das begrenzte Emotionsmodell (von dem wir bisher vor allem gesprochen haben)
    2. das begrenzte Handlungsmodell
    3. das Non-Dualitätsmodell


    Zu diesen Modellen (oder Matrizen) schreibt er u.a.:


    Das Non-Dualitäts-Modell ist das einzige Erwachungsmodell, das trägt, ohne Entschuldigung, Begrenzung oder Ausnahme. Das begrenzte Emotionsmodell ist eine Einrichtung für Enttäuschung und Entmutigung. Es ist manchmal an einigen Punkten gültig, obwohl es dürftige Arbeit bei der eigenen Klarstellung leistet. Das begrenzte Handlungsmodell ist jedoch gefährlich außerhalb der Realität. Nach ausreichender Erfahrung mit der realen Welt werden diejenigen, die an eine buchstäbliche Interpretation des begrenzten Emotionsmodelles und des begrenzten Handlungsmodelles glauben, entweder:


    1. zu der Annahme gezwungen, dass kein Lebewesen ihre Definition von Erleuchtung erreicht,
    2. in die dunkle Ecke der borderlinepsychotischen Rationalisierung, was tatsächlich passiert, gezwungen oder
    3. in Richtung eines sehr bösen Erwachens gehen, um ein kleines schlechtes Wortspiel zu machen.


    Es gibt nur eine schlimmere Vorstellung in mir, als dass Schüler von dem begrenzten Emotions- und dem begrenzten Handlungsmodell gefangen genommen werden können und das ist, wenn es verwirklichten Lehrern passiert. Genauso wie es enttäuschend ist, wenn diejenigen mit langen Retreaterfahrungen aber ohne fundamentale Einsichten, Vertrauen zu ihrer schönen Tradition erwecken möchten, indem sie vorgeben, mehr zu wissen, als sie tatsächlich tun. Es ist doppelt falsch, wenn erleuchtete Lebewesen diesen lügnerischen Modellen verfallen und so handeln, als würden sie im Fantasieland arbeiten und die Leute glauben lassen, dass sie wirklich so sind. Ich weiß genau, wie sie sind und wie verführerisch das ist, aber ich träume von dem Tag, an dem solche Dinge nicht mehr passieren. Die Dharma Welt wäre um so vieles besser, wenn die Lehrer ehrlich genug zu ihren Schülern und zu sich selbst wären, was Verwirklichung ist und was nicht. Denkt nicht, dass diese Art der Unehrlichkeit nicht auftritt. Ich habe einige meiner besten und verwirklichtesten Lehrer in diese Falle tappen sehen und bin auch, mehr als ich zählen kann, selber in sie getappt. Lernt von denjenigen, die es auf die harte Weise lernen mussten, und gewillt sind, dies zuzugeben.

    Spiritualität, die unsere unvermeidbaren dunklen oder unerwünschten Seiten ignoriert oder verdeckt, ist dazu verurteilt, von ihnen gebissen oder verbrannt zu werden. Modelle der Verwirklichung, die solche hohen Ideale der menschlichen Perfektion einschließen, haben so viel Traurigkeit, Verzweiflung und irregeleitete Anstrengung durch alle Zeitalter verursacht, dass ich keine Bedenken habe mein Bestes zu tun, sie an den scharfen Felsen der Realität in Stücke zu schmeißen. Sie sind nicht vollkommen nutzlos und es gibt einen Wert in der Wahrung der Standards, zu denen wir streben, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, aber meistens ist die eingenommene Haltung zu ernst, um überhaupt hilfreich zu sein. Es ist logisch, dass diejenigen, die sich am pedantischsten an den Selbstperfektionsmodellen der Erleuchtung festhalten, auch sehr oft diejenigen sind, die glauben, Erleuchtung ist fast nicht zu erreichen und sich meistens machtlos in ihrer Praxis und in ihrem spirituellen Leben fühlen. Es ist auch durchaus nicht überraschend, dass diejenigen mit den höchsten Standards, was Erleuchtung mit sich bringen wird, oft den niedrigsten Standard haben bei ihrer eigenen Praxis und bei dem, was sie in ihrer Lebenszeit tatsächlich erreichen können. Sich erhaben zu fühlen über das Anstreben solcher hohen Ideale scheint ein gewöhnlicher Bewältigungsmechanismus zu sein, um den Mangel an Vertrauen und Einsicht zu kompensieren. Es sind die „Lehnstuhl Stürmer“ des spirituellen Pfades. Wie Christopher Titmuss, einer meiner besten und ehrlichsten Lehrer, oft sagte: „Wir stammen nicht aus einer Linie der Selbstperfektion ab.“ Es gibt diejenigen, die ausdrücklich von dieser Selbstperfektionslinie abstammen. Ich wünsche ihnen viel Glück. Sie werden es brauchen.


    Der Sinnlichkeitstrieb beispielsweise drückt sich aus in der „fundamentalen Anziehungs- und Abstossungskraft“ (in Bezug zu Sinnenobjekten) – um die eher moralisierenden Begriffe „Gier und Hass“ zu vermeiden und in Ingrams Begriffen zu bleiben. Die ist eben ein vollständig natürliches Geschehen, dem selbst der Arahat und der Buddha nicht entgehen (wie die erwähnte „Versuchung Buddhas“ nach dem Erwachen schön aufzeigt).


    Die emotionale Empfänglichkeit eines erwachten Menschen ist in keiner Weise begrenzt, und in den sinnlichen Bewusstseinszuständen (http://www.palikanon.com/wtb/lokiya.html) können auch ihm nach wie vor sinnliche Anziehung und Abstossung auftreten (natürlich nicht in den Fruchtbewusstseinsmomenten). Der Unterschied zwischen dem Weltling und den fortschreitenden Stufen des Erwachens bis hin zum Arahat besteht darin, dass der Weltling der Anziehung und Abstossung ausgeliefert ist, während der Stromeingetretene schon eine gewisse Distanz hat, die es ihm ermöglicht „(ein bisschen) weise zu erwägen“ (yoniso manasikara). Mit den weiteren Stufen wächst diese Weisheit merklich an, bis zum Arahat, der erst wirklich die Möglichkeit der freien Entscheidung hat - allerdings handelt es sich selbst bei ihm um eine bedingte Freiheit und nicht um eine unbedingte. Die Grenzen dieser Freiheit umschreibt Ingram so:


    Es gibt eine gewisse Art von erhöhter Stufe von „Angebrachtheit“ in der Art, was der Geist macht und diese Wende beeinflusst auch, was physiologisch im Körper passiert (obwohl der Körper eine „emotionale Trägheit“ haben mag, die viel größer als die des Geistes ist). Bei denjenigen mit dem zweiten Pfad ist diese „Angemessenheit“ oft noch zu gering entwickelt und unregelmäßig, um hervorzubrechen. Ich werde das Wort „Angemessenheit“ noch oft in dieser Besprechung verwenden, deshalb sollte ich so klar wie möglich darstellen, was es hier bedeutet und was nicht. Worte wie diese können leicht fehlleiten wie das Dogma des begrenzten Emotionsmodells und das des begrenzten Handlungsmodells. Erstens und am wichtigsten ist, dass diese „Angemessenheit“ der entweder geistigen oder körperlichen Verhaltensweisen aller erleuchteter Lebewesen aller Grade immer begrenzt wird durch:


    1. die Standardgesetze der natürlichen Welt
    2. die Begrenzungen ihrer eigene Realisierungsstufe
    3. die eingefleischten Gewohnheiten der realisierten Individuen, inbegriffen ihrer persönlichen Marotten und ihres „Stoffes“
    4. Rückstände der Schattenseiten der Techniken und Traditionen, die sie benutzten, um ihr Verstehen zu erlangen (unterschätzt dies nicht!)
    5. die Tatsache, dass Achtsamkeit immer auch schwankt (auch bei arahats und darunter und in allen anderen realistischen Definitionen eines Buddha)
    6. die Tatsache, dass Verwirrung und Dummheit genauso auftreten können wie zuvor.
    7. die Begrenzung des relativen Wissens und der Erfahrungen eines realisierten Individuums
    8. die psychologischen und physiologischen Probleme, die zum Körper und Geist des realisierten Individuums gehören
    9. ihre kulturelle Erziehung und den dadurch erzeugten relativen Sitten.


    Kurz gesagt ist dies eine sehr eingegrenzte „Angemessenheit“. Interessanterweise ist diese „Angemessenheit“, die vorher „konfuses Mitgefühl“ genannt wurde, dieselbe Kraft, die hinter all der überflüssigen geistigen Zeit steht, die die komplett nutzlose Illusion eines abgetrennten Selbst in allen Wesen mit weniger Verstehen als beim arahat stützen. Dies geschieht, da das Stützen der Illusion eines Selbsts irgendwie als gute Idee oder „angemessen“ durch die schlechte Qualität an vorhandener Information erscheint. Hoppla!


    Nach all diesen Eingrenzungen wird der Geist allmählich besser auf jeder Realisationsstufe (wenn diese Stufen ins eigene Leben integriert wurden) beim Handeln dessen, was tatsächlich „angemessener“ (von einem gewissen nicht auffindbaren Standpunkt) ist und dem Nichttun von Dingen, die so eingeschätzt werden, dass sie nutzloses Leiden, Sorge, Angst und Qualen erzeugen. Der Geist tendiert auch dazu, im Allgemeinen allmählich ruhiger und klarer zu werden, was wahrscheinlich das beste Verkaufsargument für das ganze Ding ist. Seid gewarnt, diejenigen, die versuchen wollen zu entschlüsseln wessen Gedanken „angemessen“ sein könnten und wessen nicht, sind zum Scheitern verurteilt, da dies ein hohes individuelles und situationsspezifisches Ding ist.


    nibbuti:

    Der Buddha hat Mara noch getroffen, aber Mara konnte den Buddha nicht mehr finden.


    Sowenig wie Du und ich ihn finden können, weil er kein Selbst ist, noch in den fünf Gruppen, noch ausserhalb ihrer gefunden werden kann. :grinsen:
    Mara aber, den können wir finden, und zwar als (noch einmal Nyanatiloka) die „die Weltmenschen überwältigenden Leidenschaften und Begehrensobjekte“.


    Der Unterschied zwischen dem Weltmenschen und dem Buddha besteht nicht darin, dass dem Buddha (oder dem Arahat oder Anagami) keine anziehenden oder abstossenden Objekte mehr in Erscheinung treten würden, sondern einzig darin, dass sie durch diese in Erscheinung tretenden Objekte nicht mehr überwältigt werden, dass sie ihnen also nicht mehr hilflos ausgeliefert sind. Ein letztes Mal Ingram:


    Aber das ist nicht dasselbe wie zu sagen, dass gewisse grundlegende emotionale Energien nie wieder in der Lage sein werden zu entstehen. Die praktische Anwendung dieser Unterscheidung basiert auf der Tatsache, dass wir bewusst oder unbewusst versuchen werden, das Model zu realisieren, was wir innerlich angenommen haben. Es verleitet, wenn wir das begrenzte Emotionsmodell annehmen, herumzugehen und einen emotional limitierten Zustand zu imitieren, der Aspekte unserer menschlichen Natur unterdrückt oder ignoriert. Es gibt einige Vorteile beim Unterdrücken von Manifestationen von negativen Emotionen, wenn man sich dessen gleichzeitig bewusst ist und die Tatsache, dass schwierige Emotionen auftreten, akzeptiert. Wenn wir sie jedoch unterdrücken und sogar vorgeben, dass sie gar nicht mehr existieren, kann diese Art kultivierter Dementierung auch große Nebenwirkungen und eine Menge an neurotischen Verhaltensweisen hervorbringen. Ein weit mehr praktischer Ansatz ist, zu akzeptieren, dass wir Menschen sind.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • erbreich:


    Da scheinen mir allerdings nun zwei verschiedene Dinge ein wenig durcheinander zu geraten. „Weder-Wahrnehmung-noch-nicht-Wahrnehmung“ ist, wie Du richtig sagst, ein Jhana, eines der formlosen, also der Samatha-(Konzentrations- oder Sammlungs-) Praxis zugehörig (über die Jhanas des formlosen Bereichs kann ich jedoch nicht aus eigenem erkannten Erleben sprechen). Mit den vier Pfaden und Früchten hat das aber nichts zu tun.


    Hallo erbreich,


    na, ich habe mich halt beim Wort "Vibrationen" daran erinnert.


    Vielleicht gibt es im Geisteszustand als Anagami wegen der ständigen Einsicht der Bedingten Entstehung
    keine oder kaum mehr persönliche Identifikation mit (der Wahrnehmung der) Vibrationen.
    Aber, weitere Mutmasserei lass ich jetzt mal lieber sein.


    Gruß, :)


    P.S.: Samatha und Vipassana gehen Hand in Hand, sind verbunden, nicht getrennt.
    Es gibt nur eine buddhistische Meditationspraxis, die ist samatha-vipassana.

  • Gerade diese emotionale Limitierung wie es genannt wird, stört mich zur Zeit am Buddhismus.


    Kommt das nicht gerade im frühen Buddhismus also dem Theravada auf ?


    Es soll sich an nichts mehr in der Welt erfreut werden und schafft eine komplette Motivationslosigkeit irgendetwas im Leben aufzubauen, sei es ein Haus, eine Familie, Kinder, Technik, bessere Lebensverhältnisse...


    denn alles was entsteht muss auch vergehen und alles was entsteht, also was ich aufbaue, ist Leiden.


    Ehrlich gesagt ist genau diese freudlose deprimierende, selbstzerstörende Einstellung für mich Dukha.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:

    Gerade diese emotionale Limitierung wie es genannt wird, stört mich zur Zeit am Buddhismus.
    Kommt das nicht gerade im frühen Buddhismus also dem Theravada auf ?


    Doch. Zumindest besteht im Theravada eine grössere Gefahr, in einer solchen Sichtweise zu verfallen, als es vielleicht in andern Richtungen der Fall zu sein scheint. Ich kann das zuwenig beurteilen, habe aber konkretes eigenes Erleben, dass einiges von den Schwierigkeiten beinhaltet, in die der Theravada-Schüler geraten kann. Ich habe dazu vor einiger Zeit einen Thread gestartet und darin die Fallen, in die ich selber geraten bin, beschrieben. Leider existiert der thread offensichtlich nicht mehr (kann ihn jedenfalls nicht finden). Er trug den Titel "Der zerbrochene Buddha", nach dem gleichnahmigen Buch von Bhikkhu Dhammika (hier als Download). vielleicht kennst Du es ja schon, wenn nicht, könnte es Dich wohl in einigen Deiner Bedenken bestärken. Gerade zu Dingen, wie den von Dir so beschriebenen hat Dhammika einiges an eigenen Erlebnissen im Orden beizusteuern:

    Zitat

    Es soll sich an nichts mehr in der Welt erfreut werden und schafft eine komplette Motivationslosigkeit irgendetwas im Leben aufzubauen, sei es ein Haus, eine Familie, Kinder, Technik, bessere Lebensverhältnisse... denn alles was entsteht muss auch vergehen und alles was entsteht, also was ich aufbaue, ist Leiden. Ehrlich gesagt ist genau diese freudlose deprimierende, selbstzerstörende Einstellung für mich Dukha.


    Diese Dinge müssen unbedingt im Licht betrachtet und diskutiert werden. Eine Tabuisierung solcher Themenbereiche ist niemandem dienlich - und ganz sicher nicht dem Theravada. Ingram rät all jenen, die den Stromeintritt (oder höhere Pfade) realisiert haben:


    Geht auch aus und habt etwas Spaß! Genießt den Reichtum der Freundschaft, Praxis, Freizeit, Arbeit, Unterhaltung, Dienst und Leben im Allgemeinen. In Kürze, gebt mit all euren Fähigkeiten euer Bestes, um euer Leben großartig im konventionellen Sinne zu gestalten. Dies hättet ihr von Anfang an tun sollen, aber versucht euch zu vergeben und lernt aus euren Fehlern, wenn ihr dazu nicht in der Lage wart. Erinnert euch, die Art der Entsagung, die Einsicht erzeugt, ist das Sehen der wahren Natur der Dinge. Wenn ihr die wahre Natur der Empfindungen, die ein freudiges und gesundes Leben ausmachen, sehen könnt, gibt es keinen Bedarf für irgendeine andere Art der Entsagung. In der Tat, auf einen starken Entsagungstrip zu kommen, führt oft dazu, Leute vollständig neurotisch zu machen und dann ist die Herausforderung die wahre Natur der Empfindungen, die diese entsagungs-induzierte Neurose hervorbringt, zu sehen. Ich bin nicht überzeugt davon, dass dies ein einfacherer Weg ist.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Mabuttar:

    Gerade diese emotionale Limitierung wie es genannt wird, stört mich zur Zeit am Buddhismus.


    Ehrlich gesagt ist genau diese freudlose deprimierende, selbstzerstörende Einstellung für mich Dukha.


    Hi Mabuttar & Erbreich


    Die einzige Limitierung ist IMHO, dass einige von uns die Lehre nicht ganz verstehen.


    Der Buddha lehrte Haushältern und Haushälterinnen nicht, alles aufzugeben und sich an nichts mehr zu erfreuen - das wär eine Extreme durch eine andere ersetzt -, sondern Geduld, Achtsamkeit, Güte, Dankbarkeit usw.


    Jedem seinen oder ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechend.


    :shock::lol:

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • nibbuti:

    Der Buddha lehrte Haushältern und Haushälterinnen nicht, alles aufzugeben und sich an nichts mehr zu erfreuen - das wär eine Extreme durch eine andere ersetzt -, sondern Geduld, Achtsamkeit, Güte, Dankbarkeit usw.
    Jedem seinen oder ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechend.


    Das ist natürlich richtig, nibbuti.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Mabuttar:

    Gerade diese emotionale Limitierung wie es genannt wird, stört mich zur Zeit am Buddhismus. Kommt das nicht gerade im frühen Buddhismus also dem Theravada auf ? Es soll sich an nichts mehr in der Welt erfreut werden und schafft eine komplette Motivationslosigkeit irgendetwas im Leben aufzubauen, sei es ein Haus, eine Familie, Kinder, Technik, bessere Lebensverhältnisse... denn alles was entsteht muss auch vergehen und alles was entsteht, also was ich aufbaue, ist Leiden.


    Ich halte eine soche ja ablehnende Haltung dem Haushälterleben gegenüber für hinderlich. Es ist nichts falsches daran, sich ein "schönes" weltliches Leben zu erwirtschaften.


    Man darf bloß nicht vergessen, zu teilen (Dana).



    Zitat

    Ehrlich gesagt ist genau diese freudlose deprimierende, selbstzerstörende Einstellung für mich Dukha.


    Ja, denn sie beruht nicht auf Einsicht, sondern auf Ansicht und Ablehnung.


    Gruß, :)

  • erbreich:
    Mirco:

    Samatha und Vipassana gehen Hand in Hand, sind verbunden, nicht getrennt.

    Ich würde sagen, sie sind ungetrennt und unvermischt eins...

    Zitat

    Es gibt nur eine buddhistische Meditationspraxis, die ist samatha-vipassana.

    So so... :)


    Na, gerade diese Quelle ist für die Definition von bhāvanā unzulänglich, gerad im Visuddhi Maga wird's doch getrennt.


    Gruß, :)

  • Mirco:

    Na, gerade diese Quelle ist für die Definition von bhāvanā unzulänglich, gerad im Visuddhi Maga wird's doch getrennt.


    Es ist offensichtlich ein alter Streit in der Theravada-Tradition zwischen den auf blossen Hellblick gestützten und den sich auch auf die Jhanas stützenden ob nun der überweltliche Pfad mit blossem Hellblick erlangt werden könne oder nicht.


    Ob meinem eigenen Erlebnis von Pfad und Frucht (des Stromeintritts) Jhana vorausgegangen war oder nicht, kann ich bis heute nicht definitv beantworten. Mein damaliger direkter Unterweiser (Mirko Fryba) meinte Ja und sah mich als einen "Körperzeugen".Dem widersprach der ehrw. Nyanaponika, seiner Meinung nach hat die erlebte Erscheinungsvielfalt (die ich ihm in einem Brief beschrieben hatte) - obwohl konstant mit dem Atem verbunden - Jhana ausgeschlossen.


    Und nun? Dass damals die Realisation des Stromeintritts stattgefunden hat, steht seit mehr als dreissig Jahren ausser Zweifel. Entweder mit oder ohne vorausgehendes Jhana.


    Natürlich braucht es für Vipassana auch Samatha, auch Samadhi, jedoch sicherlich nicht Jhana, die angrenzende Sammlung (upacāra-samādhi, die sogar der Stärke der vollen Sammlung gleichkommen kann, ohne jedoch zu Jhana überzugehen) genügt.


    Meine Meditation heute ist samatha-vipassana "gejocht". In Gesprächen 1999 beschrieb mir Fryba die vier Wege wie folgt:


    Und der Erwachte sagt, wenn einer Pfad und Frucht erreicht, geschieht das auf einem der folgenden vier Wege:
    1. Hellblick, dem Sammlung vorangegangen ist. Man übt also zuerst die weltliche Vertiefung, Jhana.
    2. Sammlung, der Hellblick vorangegangen ist. Man macht nur Hellblick, kommt aber dann zur überweltlichen Vertiefung.
    3. Dann gibt es den dritten Weg, wenn Sammlung und Hellblick Hand in Hand gehen, ‘gejocht’. Wenn der Mensch in Sammlung gut ist und an der Grenze zur Vertiefung, oder in der ersten Vertiefung und er kommt jeweils raus, dann macht er Sammlung und Hellblick gejocht. In der ersten Vertiefung eröffnen sich für ihn verschiedene interessante Dinge. Wie für dich. Für dich war es zuerst dieser dritte Fall, dann bist du mir aber davon geflogen. Dieser dritte Fall ist interessant, so wird zum Beispiel in der Lehrrede über die Atmungs-Achtsamkeit die Gewinnung der Vertiefung in dieser Art beschrieben. Man nimmt das lange und kurze Einatmen und Ausatmen usw., und auch die verschiedenen damit verbundenen Faktoren des Erlebens unter die Lupe des Hellblicks. Das heisst, dass man nicht zuerst die Vertiefung auf der Atmung macht und dann Hellblick auf Gehörtes usw., man macht also nicht aus den Störungen Hellblick-Objekte, sondern aus dem, was mit der Atmung selbst zusammenhängt. Das ist das dritte. Das war dein Fall. Jetzt gibt es aber noch einen vierten Weg.
    4. ‘Erscheinungen-Aufruhr’. Man ist in der Vertiefung, aber wenn Störungen kommen greift man sie auf. In meinem Buch16 beschrieben als der Leopard, der auf seine Beute lauert. Also, man ist in angrenzender oder erster Vertiefung sehr schön daheim, wartet auf die Störungen und ergreift sie als Hellblick-Objekte.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Zitat

    erbreich: 4. ‘Erscheinungen-Aufruhr’. Man ist in der Vertiefung, aber wenn Störungen kommen greift man sie auf. In meinem Buch16 beschrieben als der Leopard, der auf seine Beute lauert. Also, man ist in angrenzender oder erster Vertiefung sehr schön daheim, wartet auf die Störungen und ergreift sie als Hellblick-Objekte.


    Werter erbreich,
    hättest Du eventuell die Muße und die Güte diesen 4. Punkt ein wenig genauer aufzeigend auszuführen ?


    »als der Leopard, der auf seine Beute lauert ... wartet auf die Störungen und ergreift sie als Hellblick-Objekte.«
    erbreich


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • Dorje Sema:

    als der Leopard, der auf seine Beute lauert ... wartet auf die Störungen und ergreift sie als Hellblick-Objekte.


    In dieser Methode wird Sammlung geübt, z.B. am Hauptobjekt Atmung. Die "Störungen" sind alle anderen auftauchenden Wahrnehmungen. Sie werden aber nun nicht bloss als "Störungen" erkannt und losgelassen, sondern als Hellblick-Objekte verwertet, das heisst, sie werden als vergänglich, unbefriedigend und ichlos erkannt und dann losgelassen (um wieder zum Hauptobjekt zurückzukehren). Die Achtsamkeit sitzt also auf dem Boden der Konzentration quasi "auf der Lauer" (der Leopard) um kein auftauchendes Phänomen zu verpassen und sobald eines auftaucht es der Hellblickbetrachtung zu unterziehen.


    Gruss, erbreich

    unvollkommenheit (dukkha), du nimmst sie nicht persönlich (anatta), sie ist was sie ist (anicca)

  • Grashuepfer

    Hat den Titel des Themas von „Daniel M. Ingram“ zu „Daniel M. Ingram und seine Lehre“ geändert.