Dharma-Modell 1: dukkha-dharma

  • Elliot:

    .... und sich für Dich das Aufhören von Dukkha im Wesentlichen bereits durch das Aufgeben des Atman-Glaubens erledigt hat.


    Es gibt viele Strategien, um dukkha aufzulösen. Darunter auch Techniken, die sich rein auf der Ebene der Geistesschulung (im Sinne von Mentaltraining) abspielen. Einige dieser Techniken habe ich im Thread "Dhamma als Geistestrainung aufgeführt. Auf einer ganz tiefen Ebene lässt sich dukkha allerdings erst dann auflösen, wenn auch die Illusion eines dauerhaften, autonomen Ichs auf denkbar radikalste Weise (Erleuchtung) ein Ende gefunden hat. Dann lebt der Erwachte im Wissen, dass da niemand ist, der etwas bräuchte und niemand, dem man etwas nehmen könnte, niemand, der je geboren wurde und niemand der je sterben wird.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Onda:

    Auf einer ganz tiefen Ebene lässt sich dukkha allerdings erst dann auflösen, wenn auch die Illusion eines dauerhaften, autonomen Ichs auf denkbar radikalste Weise (Erleuchtung) ein Ende gefunden hat.


    Ein wenig kommt es mir inzwischen so vor, als sei dieser postulierte Glaube an ein "dauerhaftes, autonomes Ich" eine Art Strohmannargument: Nicht einmal radikale Materialisten pflegen diese Vorstellung. Am ehesten könnte dem entsprechen, was der Bhikkhu Sati hier mit Bewusstein meint:


    Zitat

    Bei dieser Gelegenheit war folgende schädliche Ansicht in einem Bhikkhu namens Sāti, dem Sohn eines Fischers, entstanden: "So wie ich das Dhamma, das vom Erhabenen gelehrt wird, verstehe, ist es ein und dasselbe Bewußtsein, das den Kreislauf der Wiedergeburten durchläuft, nicht ein anderes [1]." (MN 38)


    Und es wird ihm aufgezeigt, dass Bewusstsein bedingt entstanden ist, Wiedergeburten also nicht dauerhaft und autonom "überleben" kann.


    Onda:

    Dann lebt der Erwachte im Wissen, dass da niemand ist, der etwas bräuchte und niemand, dem man etwas nehmen könnte, niemand, der je geboren wurde und niemand der je sterben wird.


    Das wäre dann die Haltung des 'Stillen im Frieden":


    Zitat

    "Bhikkhu, 'Ich bin' ist eine Vorstellung; 'Ich bin dies' ist eine Vorstellung; 'Ich werde sein' ist eine Vorstellung; 'Ich werde nicht sein' ist eine Vorstellung; 'Ich werde Form besitzen' ist eine Vorstellung; 'Ich werde formlos sein' ist eine Vorstellung; 'Ich werde wahrnehmend sein' ist eine Vorstellung; 'Ich werde nicht-wahrnehmend sein' ist eine Vorstellung; 'Ich werde weder-wahrnehmend-noch-nicht-wahrnehmend sein' ist eine Vorstellung.


    Vorstellung ist eine Krankheit, Vorstellung ist ein Geschwür, Vorstellung ist ein Stachel. Indem man alle Vorstellung überschreitet, Bhikkhu, wird man ein Stiller im Frieden genannt [6]. Und der Stille im Frieden ist nicht geboren [7], er altert nicht, stirbt nicht; er wird nicht erschüttert und hat keine Sehnsucht. Denn da ist nichts in ihm gegenwärtig, wodurch er geboren werden könnte. Nicht geboren, wie könnte er da altern? Nicht alternd, wie könnte er da sterben? Nicht sterbend, wie könnte er da erschüttert werden? Nicht erschüttert, wie könnte er da Sehnsucht haben?" (MN 140)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Onda:

    Auf einer ganz tiefen Ebene lässt sich dukkha allerdings erst dann auflösen, wenn auch die Illusion eines dauerhaften, autonomen Ichs auf denkbar radikalste Weise (Erleuchtung) ein Ende gefunden hat. Dann lebt der Erwachte im Wissen, dass da niemand ist, der etwas bräuchte und niemand, dem man etwas nehmen könnte, niemand, der je geboren wurde und niemand der je sterben wird.
    Onda


    Das hast Du gut beschrieben. Diese tiefste Ebene muss aber wieder verlassen werden und dann entsteht auch wieder Dukkha das aber schnell mit dieser Erfahrung abgebaut werden kann.
    Mein erleben ist das solange ich eine Person haben muß werde ich Dukkha erzeugen. Dieses Dukkha ist aber für mich kein Leiden mehr, denn ich weiss das ich es erzeugen muss weil ich auch mit Menschen die glauben Personen zu sein leben möchte. Man kann auch auf dieser tiefsten Ebene bleiben, ich werde es probieren wenn es ans sterben geht. Doch weiss ich heute schon das ich auch da für die da sein werde die durch mein Sterben, das Dukkha erzeugt, Dukkha erfahren werden.

  • Zitat

    "Gut, gut, Anuruddha. Der Tathāgata hat die Triebe überwunden, die beflecken, neues Dasein bringen, Schwierigkeiten bereiten, in Leiden heranreifen und zu künftiger Geburt, Altern und Tod führen; er hat sie an der Wurzel abgeschnitten, hat sie einem Palmenstrunk gleich gemacht, sie beseitigt, so daß sie künftigem Entstehen nicht mehr unterworfen sind. So wie eine Palme mit abgeschnittener Krone nicht weiterwachsen kann, so hat der Tathāgata die Triebe überwunden, die beflecken, neues Dasein bringen, Schwierigkeiten bereiten, in Leiden heranreifen und zu künftiger Geburt, Altern und Tod führen, er hat sie an der Wurzel abgeschnitten, hat sie einem Palmenstrunk gleich gemacht, sie beseitigt, so daß sie künftigem Entstehen nicht mehr unterworfen sind." (MN 68)


    Zitat

    "paticca-samuppada muss auf zwei Ebenen verstanden werden: Erstens, es ist das universelle Gesetz der Natur. Alle Dinge entstehen, bestehen und vergehen durch die Bedingte Zusammenentstehung. Zweitens, und in diesem Sinne wurde der Begriff von Buddha gewöhnlich gebraucht, ist es die Bedingte Entstehung von dukkha im Verbund mit dem Bedingten Erlöschen von dukkha. (...) Die Unterscheidung dieser zwei Ebenen ist von entscheidender Bedeutung. (...) Wir könnten die Frage aufwerfen: Bedeutet das Anhalten der Bedingten Zusammenentstehung das Ende des Lebens? Die Antwort darauf ist natürlich: Nein. Wir versuchen einfach, das Konditioniertwerden durch Nichtwissen, das zu dukkha führt, zu beenden. Der natürliche Fluss der Bedingtheit des psychophysischen Universums ist kein Problem, das ausgeschaltet werden muss." (Kernholz des Bodhibaums. 103)


    Wenn im Zusammenhang mit der Kette des bedingten Entstehens (die das Entstehen von dukkha erläutert und nicht etwa das Entstehen von menschlichem Leben) von "Dasein", "künftigem Entstehen" oder "künftiger Geburt" die Rede ist, so bezieht sich dies, und Buddhadasa erläutert das wie immer vorbildlich, auf das Entstehen des dukkha an der Wurzel bedingenden Phänomenes: der Ich-Illusion. "Dasein" und "Geburt" beschreiben das Entstehen der Illusion eines dauerhaften und autarken Selbst. Es geht hier natürlich nicht um reale Geburten. Buddha-Dhamma ist mithin kein Geburtenverhinderungsprogramm, wie eine naive Lesart der Schriften nahelegen mag.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Onda:

    "paticca-samuppada muss auf zwei Ebenen verstanden werden: Erstens, es ist das universelle Gesetz der Natur. Alle Dinge entstehen, bestehen und vergehen durch die Bedingte Zusammenentstehung. Zweitens, und in diesem Sinne wurde der Begriff von Buddha gewöhnlich gebraucht, ist es die Bedingte Entstehung von dukkha im Verbund mit dem Bedingten Erlöschen von dukkha. ...


    Ja, das mag die willkürliche Abwandlung der Lehre durch Buddhadasa sein. Im Palikanon steht etwas anderes:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Und noch einmal die ganz konkrete Frage. Was gibt es zu tun wenn man nichts mehr braucht und nichts mehr möchte?

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Und noch einmal die ganz konkrete Frage. Was gibt es zu tun wenn man nichts mehr braucht und nichts mehr möchte?


    "Geh deine Schale waschen."
    Tue das was jetzt zu tun ist nicht das was Du glaubst das zu tun ist.
    Stell nicht so eigenartige Fragen, frage einfach. 8):D

  • Geronimo:

    Und noch einmal die ganz konkrete Frage. Was gibt es zu tun wenn man nichts mehr braucht und nichts mehr möchte?


    Kommt natürlich darauf auf welchem Niveau das ist und wie lange das so bleibt.
    Da ist dafür zu sorgen, das es auch tatsächlich so bleibt und das es
    keine Gründe mehr gibt, das sich das noch irgendwann ändern könnte.

  • Elliot:


    Im Palikanon steht etwas anderes


    Zitat

    "Da viele Menschen die Lehre Buddhas in bezug auf dukkha nicht vollständig untersucht haben und sie deshalb nicht richtig einschätzen können, wird sie häufig missverstanden. Manche glauben Geburt, Alter, Krankheit, Tod und so weiter, wären an sich dukkha. Tatsächlich sind diese nur die charakteristischen Träger von dukkha. Der Buddha fasste seine Erklärung von dukkha zusammen, indem er sagte: "Kurz gesagt, dukkha sind die fünf Zusammenhäufungen (khandha) in denen sich Anhaften (upa-da-na) findet." Auf Pali heisst das: "Sankhittena pañcupa- da- nakkhanda- -dukkha- ". Das bedeutet, dass alles, was anhaftet oder woran als "Ich" oder "Mein" angehaftet wird, dukkha ist. Alles, wobei es kein Anhaften an "Ich" oder "Mein" gibt, ist nicht dukkha. Folglich können auch Geburt, Alter, Krankheit, Tod und so weiter, nicht dukkha sein, wenn an ihnen nicht als "Ich" oder "Mein" angehaftet wird. Nur wenn Geburt, Alter, Krankheit und Tod, als "meine" Geburt, "ich" altere, "meine" Krankheit, "ich" sterbe und so weiter, festgehalten werden, sind sie dukkha. Mit dem Körper und dem Geist ist es das Gleiche. Kommt nicht auf den Gedanken, dass dukkha dem Körper und dem Geist innewohnt. Nur im Verbund mit "Ich" oder "Mein" werden sie zu dukkha." Buddhadasa; kernholz des Bodhibaumes

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Onda:

    Manche glauben Geburt, Alter, Krankheit, Tod und so weiter, wären an sich dukkha


    Er hat Schmerz unter den Tisch fallen lassen:


    Zitat

    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit von Dukkha? Geburt ist Dukkha; Altern ist Dukkha; Tod ist Dukkha; Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung sind Dukkha; nicht bekommen, was man sich wünscht, ist Dukkha; kurz, die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, sind Dukkha [3]." (MN 141)


    Onda:

    ... Folglich können auch Geburt, Alter, Krankheit, Tod und so weiter, nicht dukkha sein, wenn an ihnen nicht als "Ich" oder "Mein" angehaftet wird.


    An Geburt, Alter, Krankheit, Tod und so weiter wird ja auch nicht angehaftet:


    Zitat

    "Und was ist Anhaften, was ist der Ursprung des Anhaftens, was ist das Aufhören des Anhaftens, was ist der Weg, der zum Aufhören des Anhaftens führt? Es gibt diese vier Arten des Anhaftens: Anhaften an Sinneserleben, Anhaften an Ansichten, Anhaften an Regeln und Ritualen, und Anhaften an einer Lehre über ein Selbst.


    Mit dem Ursprung von Begehren ist der Ursprung des Anhaftens. Mit dem Aufhören von Begehren ist das Aufhören des Anhaftens.


    Der Weg, der zum Aufhören des Anhaftens führt, ist eben dieser Edle Achtfache Pfad; ... (MN 9)


    Denn:


    Zitat

    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit vom Ursprung von Dukkha? Es ist das Begehren, das erneutes Werden bringt, das von Ergötzen und Begierde begleitet ist, und das sich an diesem und jenem ergötzt; nämlich Begehren nach Sinnesintensität, Begehren nach Dasein und Begehren nach Daseinsmöglichkeit. Dies wird die Edle Wahrheit vom Ursprung von Dukkha genannt." (MN 141)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • …bin natürlich kein Fachmann für Buddhismuskunde. Ich denke aber, wenn man die zeitgleich entstandenen so unterschiedlichen Strömungen der griechischen Philosophie zum Vergleich nimmt, denn scheint die Auffassung Leben = Leiden (bzw. besonders geprägt durch Leid) betreffend die ersten Jahrhunderte, wo die Lehre entstand und niedergeschrieben wurde, mir nicht abwegig. Für mich drückt sich diese Tendenz in manchen Texten aus jener Zeit, die hier diskutiert werden, aus.


    So folgen nach meiner Lesart der Kette des bedingten Entstehens aus unwissender Gestaltung Bewusstsein und Heranwachsen bis zur Geburt, woraus die Wahrnehmung des Leides folgt. Das Empfinden und Tun, das Leben, wie wir es verstehen, entstehen lässt, wird demnach abgelehnt und das Leben selbst und die vorgeburtliche Entwicklung werden als Quelle des Leides identifiziert. Dies ist jedoch nur meine Lesart und gerne lasse ich andere Sichtweisen gelten! Auch liegt mir nichts an einem Streit über diesen Teil der Lehre, der mir unwichtig ist, mit jemandem, für den er vielleicht große Bedeutung hat.


    Sollte diese Interpretation der buddhistischen Lehre während der ersten Jahrhunderte aber in einem gewissen Grad zutreffend und nahe liegend sein, dann denke ich, dass das Mahayana eine bestimmte Wende im buddhistischen Denken gebracht hat, jedoch nichts radikal anderes (denken wir an das Neue Testament!). Daher habe ich kein Problem, für den Urbuddhismus auch eine Tendenz zuzulassen, mit der ich nicht so viel anfangen kann.

  • Zitat

    <Wer an etwas hängt, hat Unruhe; wer an nichts hängt, hat keine Unruhe; wo keine Unruhe ist, da ist Ruhe; wo Ruhe ist, da ist keine Neigung; wo keine Neigung ist, da ist kein Kommen und Gehen; wo kein Kommen und Gehen ist, da ist kein Vergehen und Neuentstehen; wo kein Vergehen und Neuentstehen ist, da ist weder diese noch jene Welt, noch was zwischen beiden liegt. Dies ist des Leidens Ende.>»


    http://www.palikanon.com/majjhima/kurt_schmidt/m144.htm

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)