Die Karmafalle

  • Szenario 1:
    Nach Ansammlung schlechten Karmas wird jemand mit einer schmerzhaften und unheilbaren Krankheit wiedergeboren. Er begeht Selbstmord um das Leiden zu beenden und lädt damit erneut und ggf. noch zusätzliches schlechtes Karma auf sich. Er wird im neuen Leben daher mit einer schweren, schmerzhaften und unheilbaren Krankheit wiedergeboren ...


    Szenario 2:
    Nach Ansammlung schlechten Karmas wird jemand verarmt in einem Ghetto, in Umgebung krimineller Gestalten, ohne Chance auf Ausbildung und Arbeit und damit der Sicherung seines Lebensunterhalts wiedergeboren, fern von buddhistischen oder anderen spirituellen Lehrern. Daher wird er selbst kriminell und sammelt weiteres schlechtes Karma. Nach seinem Tod wird er wiedergeboren verarmt in einem Ghetto ...


    Frage:
    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen? Von Leben zu Leben wird es schlimmer, ohne "echte" Chance dem unheilvollen Karmakreislauf zu entkommen!


    Lg


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Milou:

    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen?


    wer ist Karma?


    LG
    _()_
    .

  • Das sieht für mich eher wie eine hinduistische, ziemlich pessimistische Interpretation des Karmagedanken aus.


    Wenn Du Karma ganz simpel als die Idee nimmst, daß Handlungen Wirkungen (Folgen) haben, wird es einfacher - und ich bedanke mich im Voraus bei allen Forumsmitgliedern, die mit PK Textstellen kommen, die eher in die von Dir angedeutete Richtung gehen :D Wenn ihr so schnell keine findet nehmt etwa Majjhima Nikāya 135 http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m135z.html.


    Aber bleiben wir bei der sehr einfachen Deutung, daß Handlungen Folgen haben und betrachten Deine Beispiele.


    1. Leben ist mit Leiden verbunden - dazu gehören unter anderem auch Krankheiten. Wenn jemand bei einer extremen Erkrankung Selbstmord begeht, erzeugt er negatives Karma. Familienangehörige, Freunde, Kollegen die trauern, eventuell Leute von der Feuerwehr, die eine Wohnungstür öffnen müssen um dahinter eine Leiche zu finden. Viel negatives Karma. Ende.


    2. Es wird jemand verarmt in einem Ghetto, in Umgebung krimineller Gestalten, ohne Chance auf Ausbildung und Arbeit und damit der Sicherung seines Lebensunterhalts geboren. Es ist unter diesen Umständen unvergleichlich viel schwerer ein anständiges Leben zu führen, einige schaffen es trotzdem. Respekt. Wer den äußeren Bedingungen nachgibt und deshalb Verbrechen begeht erzeugt negatives Karma, für sich selbst und andere. Ende.


    Ich mache mir wenig aus einem mechanistischen Wiedergeburtsgedanken, in welcher Form auch immer. Was ist die Sahelzone? So eine Art karmisches KZ für alles, was in früheren Leben Übles getan hat? Vor 150.000 Jahren gab es ein paar Hundert Menschen, heute 7.5Mrd. Wo kommen die alle her, so rein karmisch gesehen? Was bedeutet Anatta, wenn es die von den Beispielen implizierte Verknüpfung von Handelndem und Folge einer Handlung selbst über den Tod hinaus gibt?

  • Milou:

    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen? Von Leben zu Leben wird es schlimmer, ohne "echte" Chance dem unheilvollen Karmakreislauf zu entkommen!


    Das kann natürlich passieren:



    Deshalb wird ja auch so viel ermahnt:


    Zitat

    Papst Franziskus warnt Mafia vor Qualen der Hölle

    Bei einem Gebet für Opfer von Kriminellen hat Papst Franziskus die Angehörigen der italienischen Mafia aufgefordert, ihr Leben zu ändern. "Noch gibt es Zeit, nicht in der Hölle zu enden."


    (http://www.welt.de/politik/aus…or-Qualen-der-Hoelle.html)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Milou:

    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen? Von Leben zu Leben wird es schlimmer, ohne "echte" Chance dem unheilvollen Karmakreislauf zu entkommen!


    Derartiges gibt es. Daher wird gelehrt, dass das menschliche Leben (im Vergleich zum tierischen, zum Beispiel) außerordentlich wertvoll ist und dass in dieser Existenzsphäre das Zusammentreffen mit dem Dharma und die Möglichkeit es, auch aufgrund hilfreicher äußerer Umstände, außerhalb eines kriminellen Milieus zum Beispiel, praktizieren zu können, ebenfalls sehr wertvoll ist. Solche Möglichkeiten, heißt es, sind sehr selten, sie sind sehr rar, sie kommen fast niemals vor. Und sie vergehen rasch.


    Kongjiazhong

  • Elliot:

    "Angenommen, ein Mann würfe ein Joch mit einem Loch darin ins Meer, und dann triebe es der Ostwind nach Westen, und der Westwind triebe es nach Osten, und der Nordwind triebe es nach Süden, und der Südwind triebe es nach Norden. Angenommen, es gäbe eine blinde Schildkröte, die nur einmal am Ende eines jeden Jahrhunderts auftauchte. Was meinst ihr, Bhikkhus? Würde jene blinde Schildkröte den Hals durch das Joch mit einem Loch darin stecken?"

    "Sie könnte das tun, ehrwürdiger Herr, irgendwann nach sehr langer Zeit."

    "Ihr Bhikkhus, die blinde Schildkröte würde weniger Zeit benötigen, um den Hals durch jenes Joch mit dem einen Loch darin zu stecken, als ein Tor, wenn er erst einmal ins Verderben geraten ist, benötigen würde, um das menschliche Dasein wiederzuerlangen, sage ich. (MN 129)


    Danke. An dieses Gleichnis dachte ich, nur wußte ich nicht wo es steht.


    Kongjiazhong

  • fotost:

    Vor 150.000 Jahren gab es ein paar Hundert Menschen, heute 7.5Mrd. Wo kommen die alle her, so rein karmisch gesehen?


    Wir sind wahrscheinlich die in der Karmaspirale aufgestiegenen Insekten. ;)

  • Milou:

    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen?


    Ich glaube du hast Karma in deinen Szenarien objektiviert, das ist der Denkfehler. Nur weil du es für schlechtes Karma hälst heißt es nicht, dass es das auch ist.

  • "Adatptiert" sich die karmische Bedeutung/Bewertung einer Handlung, je nach dem, von wem und in welchem Umfeld sie ausgeführt wird?


    Nach allem was bisher in BD so geschrieben wurde: Ja.


    Heißt das, dass wenn ich in den übelsten Umständen lebe, mehr Handlungen potenziell karmisch gut sind, als wenn ich reich, gesund und zufrieden bin?


    Vermutlich auch: Ja.



    Lg


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Milou:


    Was ist, wenn schlechtes Karma Menschen dazu bringt, noch mehr schlechtes Karma anzuhäufen? Von Leben zu Leben wird es schlimmer, ohne "echte" Chance dem unheilvollen Karmakreislauf zu entkommen!


    erlebst du ja. Schau dich um
    du Theoretiker :->))

  • Karma und die sich daraus ergebenden Arten der "Wiedergeburt", wie sie hier angesprochen wurden, werfen Fragen auf die wohl erst bei entsprechender Konditionierung des Geistes (>arahat) beantwortet werden können.
    Der augenblickliche samsarischen Alltag jedoch wird von Karma geprägt und durch Karma vipaka, der karmischen Wirkung erfahren. Karma vikaka ist nicht von körperlicher, sondern von geistiger Beschaffenheit und findet im Erleben von angenehmen, unangenehmen und (neutralen) Gefühlen seinen Ausdruck.


    Krankheiten und körperliche Schmerzen , die im Alltag auftreten, sind von körperlicher Art und werden von biologischen oder durch sonstige körperliche Ursachen hervorgerufen. Diese körperlichen Ursachen haben dann wiederum ihre Bedingungen usw.
    Das Ergebnis von Krankheit und körperlichen Schmerz ist "Karma vipaka" in Form von Gefühlen, die bei jeden einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sind.


    Stark vereinfacht, bezogen auf die augenblickliche Existenz, aus meiner Sicht.


    hedin

  • Milou:

    Heißt das, dass wenn ich in den übelsten Umständen lebe, mehr Handlungen potenziell karmisch gut sind, als wenn ich reich, gesund und zufrieden bin?


    Grüße Milou,


    ich schließe mich an - im Prinzip ja.
    Wer in üblen Umständen lebt und versucht, etwas dagegen zu tun kann relativ mehr gutes Karma erzeugen als jemand in guten Verhältnissen mit der gleichen Tat. Das ist jetzt nicht im Sinne des Scherfleins der Witwe gemeint, ein Gleichnis, das leicht missverstanden werden kann.

  • Spinnt man den Gedanken weiter, so wird verständlich, dass im Rechtssystem der soziale Hintergrund einer Tat berücksichtigt wird. In diesem Fall wir an jemanden, aus "guten" Verhältnissen ein höherer Anspruch gelegt, als an jemanden aus "schlechten" (=sozial schwachen) Verhältnissen.


    Offensichtlich ist das (deutsche) Rechtssystem "karmisch motiviert" ;)


    Lg


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • boehnchen:
    fotost:

    Wer in üblen Umständen lebt und versucht, etwas dagegen zu tun kann relativ mehr gutes Karma erzeugen als jemand in guten Verhältnissen


    bist du sicher?


    Ziemlich :D Die Betonung (ich sollte manchmal die fett oder kursiv Funktion nutzen) lag auf relativ.
    Ich vermute, das ist jetzt ausnahmsweise für dieses Forum einmal keine Frage der Sprache sondern der Mathematik.

  • fotost:
    boehnchen:

    bist du sicher?


    Ziemlich :D Die Betonung (ich sollte manchmal die fett oder kursiv Funktion nutzen) lag auf relativ.
    Ich vermute, das ist jetzt ausnahmsweise für dieses Forum einmal keine Frage der Sprache sondern der Mathematik.


    meine Meinung ist, dass ich im Himmel genauso viel Gutes tun kann wie in der Hölle. (Nur weil sich dort so viele Guttuer treffen, ist es der Himmel :->)
    Es kommt ja beinahe ausschließlich auf die innere Geisteshaltung an, fotost; und die ist (ja hoffentlich bitte) UMGEBUNGSUNABHÄNGIG (das [kursiv] ist ja das [fett] Hauptmerkmal eines bodhichitta-geschulten Geistes: er liebt die Reichen wie die Armen - er schafft mit dem Swimmingpoolschwimmen so viel gutes Karma wie beim Suppe austeilen in der Kanalisation.



    [the hint: Geisteshaltung, die innere Motivation]

  • Milou:

    "Adaptiert" sich die karmische Bedeutung/Bewertung einer Handlung, je nach dem, von wem und in welchem Umfeld sie ausgeführt wird?




    http://www.palikanon.com/angutt/a03_093-103.html

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Hmmm ... wenn ich das richtig verstanden habe, ist das genau das Gegenteil von dem, was ich meinte.


    Der arme Kerl, der es nich besser weiß, wird für ein kleines Fehlverhalten hart bestraft. Der, der es besser wissen sollte, weil er schon viel gutes getan hat (z.B. Ulli Hoeneß) muss keine Konsequenzen, auch bei größeren Verfehlungen befürchten - zumindest aus karmischer Sicht.


    Ist das gerecht?


    Lg


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Milou:

    Hmmm ... wenn ich das richtig verstanden habe, ist das genau das Gegenteil von dem, was ich meinte.


    Der arme Kerl, der es nich besser weiß, wird für ein kleines Fehlverhalten hart bestraft. Der, der es besser wissen sollte, weil er schon viel gutes getan hat (z.B. Ulli Hoeneß) muss keine Konsequenzen, auch bei größeren Verfehlungen befürchten - zumindest aus karmischer Sicht.


    Ist das gerecht?


    Ursache und Wirkung. Wäre es denn gerecht(er) einen Mann wie Uli Hoeneß, der seit mehr als 30 Jahren sehr viel für die Gesellschaft getan hat, genauso hart zu bestrafen wie einen einfachen Dieb der vielleicht überhaupt kein Interesse am Wohl anderer hat?

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:


    Ursache und Wirkung. Wäre es denn gerecht(er) einen Mann wie Uli Hoeneß, der seit mehr als 30 Jahren sehr viel für die Gesellschaft getan hat, genauso hart zu bestrafen wie einen einfachen Dieb der vielleicht überhaupt kein Interesse am Wohl anderer hat?


    Hi Geronimo,
    Deine Frage verstehe ich nicht. Was ist denn gerecht? Die Ursache für den Diebstahl eines einfachen Diebes kann ja in der Gesellschaft liegen oder daran, dass er ständig ungerecht behandelt wurde oder sich ungerecht behandelt fühlte. Ein Mensch wie z. B. Uli Hoeneß hat so viel Geld gescheffelt. Er muss ja nur für die erworbenen Zinsen Steuern zahlen. Wenn ich der Steuerhinterziehung überführt werde, wer weiß denn schon, was ich alles bereits Gutes getan habe, wie viel Leben ich womöglich unbekannterweise gerettet habe ...
    Wenn dann da Frau Merkel den Hut vor zieht, weil sie meint, es wäre eine große Leistung, dass er die Strafe annimmt, dann ist das doch schiefes Bewerten, fast schwachsinnig. Womöglich hat er nur deshalb die Strafe angenommen, weil eine Revision weitaus mehr hervorgeholt und er eine noch höhere Strafe zu befürchten hätte.


    Das ist so ähnlich wie früher die alte Generation sagte: "Hitler hat aber auch Autobahnen gebaut."
    Das kann ja wohl nicht der Maßstab sein, wenn Mafiosos der Kirche viel Geld spenden, ärmeren Menschen helfen, aber gleichzeitig andere, die ihnen im Weg stehen, ermorden.


    Ich glaube nicht daran, dass da das Karma ausgeglichen wird. Es kommt sicher auf die Absicht und den Hintergrund an. Ich werde das, was ich denke. Und was ich denke, formt (möglicherweise) meine nächste Wiedergeburt, ist es die Steuerhinterziehung, dann bedeutet das Gier.
    Einzig Reue und Umkehr von Gier, Hass und Verblendung kann mein Karma verändern, also auch das von Hoeneß oder dem einfachen Dieb.


    _()_ Monika

  • Im frühen Zen (Chan) hieß es: ""Als Mensch in die Hölle zu fallen bedeutet, im Geist ein Ego zu erschaffen. Wenn die Menschen sagen: 'Ich tue Schlechtes, also erfahre ich Bestrafung; ich tue Gutes, also empfange ich Belohnung', dann ist dies übles Karma. Von vornherein haben solche Dinge nicht existiert, doch die Menschen unterscheiden und behaupten willkürlich, es gäbe sie. Genau darin liegt das üble Karma."


    Das Karma entsteht also im Grunde erst in den Gedanken, es hat KEINE objektive Realität.
    Ich könnte ergänzen, milous Frage erübrigt sich, da es keine Wiedergeburt gibt. Aber das wurde ja schon oft diskutiert und wird von mir nochmal anders im Theravada-Forum beleuchtet.


    Das frühe Chan spitzt es noch beinahe ironisch zu:
    ""Gewöhnliche Menschen bestehen auf der Unterscheidung: 'Ich begehre, ich bin wütend.' Solche Ignoranten werden in die drei üblen Wiedergeburten fallen."


    Ich verstehe das so: Wiedergeburt entsteht nur dann, wenn jemand glaubt, es gäbe da überhaupt ein ich, das begehren oder wütend sein könne. Ist dieser Irrtum durchschaut, erübrigt sich auch der Glaube an und die Diskussion um Wiedergeburt (oder Wiederwerden).


  • Ich verstehe deinen Einwand und möchte eigentlich überhaupt nicht über gerecht/ungerecht sprechen. Viel zu komplex und von viel zu vielen verschiedenen Variablen abhängig. Die Lehrrede zur Karmawirkung sagt uns aber eine Menge was wir bezüglich der buddhistischen Praxis hier wissen müssen. Ein kleinlicher, umentfalteter Geist empfindet bei kleinen Vergehen und unangenehmen Situationen größeres Leid als ein entfalteter, großherziger. Das deckt sich auch mit meiner Erfahrung.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)