Visuddhi-Magga vs. Sutta-Piṭaka

  • Elliot:
    mukti:

    Worauf willst du denn hinaus? Etwa dass man da konstruieren könnte der Buddha habe gelehrt dass Töten kein Problem ist?


    Nein, nicht notwendig darauf. Oder hat er Deiner Meinung nach gelehrt, Töten sei "im höheren Sinne" kein Problem?


    Nein, dieser Meinung bin ich nicht.



    Ich weiß es nicht, vielleicht kannst du es aufklären.

  • Zu dieser Sache mit den zwei Wahrheiten - Konventionell und im höchsten Sinne - gibt es verschiedene Ansichten. In den Kommentaren werden einige Stellen im Suttapitaka als indirekter Hinweis auf diese zwei Wahrheiten verstanden.


    Z.B. D.9., Maurice Walshe übersetzt was der Buddha dort über ein Selbst sagt:


    Zitat

    For these Citta, are merely names, expressions, turns of speech, designations in common use in the world. But a Tathāgata [one who has fully realized the truth] makes use of them, but does not misapprehend them."


    Übersetzung von mir: Dies sind lediglich Namen, Ausdrücke, Redensarten, Bezeichnungen, wie sie gewöhnlich in der Welt verwendet werden. Ein Vollendeter benutzt sie, ohne sie misszuverstehen.


    Zumwinkel (jetzt Mettiko Bhikkhu), übersetzt diese Stelle anders:


    Zitat

    Das sind nun, Citto, Weltansagen, Weltauskünfte, Weltverhältnisse, Weltbekenntnisse, zu denen sich der Vollendete unberührsam verhält.


    Zumwinkel vertritt nämlich die Ansicht, dass der Buddha keine zwei Wahrheiten gelehrt habe:


    Zitat

    Im Pāli gibt es zwei Begriffe, die so etwas wie "Person" bedeuten und von einigen Gelehrten fälschlicherweise als Synonyme betrachtet werden: puggala und sakkāya. Puggala ist eine neutrale Bezeichnung für die Individualität, die auch Erleuchtete haben, im Gegensatz zur Illusion von einer Persönlichkeit oder Ich-Identität - sakkāya. Wenn man diese beiden Begriffe gleichsetzt, dann muß man kommentarielle Verrenkungen vornehmen und die Lehre des Buddha in "konventionell gesprochen" und "letztendlich wirklich gesprochen" einteilen. In den Suttas findet sich eine derartige Unterteilung nicht. Der Buddha hat immer nur auf eine Art gelehrt - nämlich "der Wirklichkeit entsprechend". Zur Unterscheidung im Deutschen wurde puggala mit "Person" und sakkāya mit "Persönlichkeit" übersetzt. http://palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m005z.html#r1


    Anders Nyanatiloka:


    Zitat

    Paramattha-sacca, -dhamma, -vacana, -desanā


    'Im höchsten Sinne gültige Wahrheit' (Ding, Ausdrucksweise, Darlegung), sagt man zum Unterschiede von der bloß 'konventionellen Wahrheit' (siehe vohāra-sacca) usw.


    Der Buddha nämlich bediente sich bei Darlegung seiner Lehre bisweilen der zwecks gegenseitiger Verständigung im gewöhnlichen Verkehr gebräuchlichen 'konventionellen Ausdrucksweise', bisweilen aber der der Wahrheit im höchsten Sinne entsprechenden philosophischen Ausdrucksweise. http://www.palikanon.com/wtb/paramattha.html


    Eine Ansicht die sich schon früh entwickelt hat:


    Zitat

    Im Zuge der Klassifizierung der Daseinsfaktoren nach Buddhas Tod wurde außerdem die für den Buddhismus charakteristische Lehre von den ‚Zwei Wahrheiten‘ entwickelt, in der zwischen der Ebene der relativen, verhüllten Wirklichkeit (samutti sacca) und der Ebene der höchsten Wirklichkeit (paramattha sacca) unterschieden wird. Den Daseinsfaktoren kommt in dieser erstmaligen Formulierung der ‚Zwei Wahrheiten‘ höchste Wirklichkeit zu, sie werden daher auch paramattha dhammas genannt. Die alltägliche Vorstellung von ‚ich‘ und ‚mein‘ sowie von konkreten, substanzhaften, voneinander unabhängigen Dingen und Personen wird hingegen der Ebene der ‚verhüllten Wirklichkeit‘ zugeordnet. https://de.wikipedia.org/wiki/Dharma


    So steht das Visuddhi Magga in dieser Tradition, die man halt auch in Frage stellen kann.


    Hier ist übrigens auch eine Diskussion über diese zwei Wahrheiten : http://buddhism.stackexchange.…ventional-versus-ultimate

  • mukti:
    Elliot:

    ... Passt das so?


    Ich weiß es nicht, vielleicht kannst du es aufklären.


    Was könnte ich da aufklären?


    Diese Collage könntest Du als schlüssig oder widerspruchsvoll empfinden.


    Das war meine Frage: Wie es sich verhält bei Dir.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    Zu dieser Sache mit den zwei Wahrheiten - Konventionell und im höchsten Sinne - gibt es verschiedene Ansichten. In den Kommentaren werden einige Stellen im Suttapitaka als indirekter Hinweis auf diese zwei Wahrheiten verstanden.


    Das klingt etwas esoterisch ... wenn es sich um eine wichtige Aussage gehandelt hätte, dann wäre sie doch sicher in mehreren Lehrreden von allen Seiten ausführlich beleuchtet worden.


    Zitat

    Paramattha-sacca, -dhamma, -vacana, -desanā


    'Im höchsten Sinne gültige Wahrheit' (Ding, Ausdrucksweise, Darlegung), sagt man zum Unterschiede von der bloß 'konventionellen Wahrheit' (siehe vohāra-sacca) usw.


    Der Buddha nämlich bediente sich bei Darlegung seiner Lehre bisweilen der zwecks gegenseitiger Verständigung im gewöhnlichen Verkehr gebräuchlichen 'konventionellen Ausdrucksweise', bisweilen aber der der Wahrheit im höchsten Sinne entsprechenden philosophischen Ausdrucksweise. http://www.palikanon.com/wtb/paramattha.html


    Auch da leider kein Verweis auf eine Quelle.


    mukti:

    Eine Ansicht die sich schon früh entwickelt hat:


    Zitat

    Im Zuge der Klassifizierung der Daseinsfaktoren nach Buddhas Tod wurde außerdem die für den Buddhismus charakteristische Lehre von den ‚Zwei Wahrheiten‘ entwickelt, in der zwischen der Ebene der relativen, verhüllten Wirklichkeit (samutti sacca) und der Ebene der höchsten Wirklichkeit (paramattha sacca) unterschieden wird. Den Daseinsfaktoren kommt in dieser erstmaligen Formulierung der ‚Zwei Wahrheiten‘ höchste Wirklichkeit zu, sie werden daher auch paramattha dhammas genannt. Die alltägliche Vorstellung von ‚ich‘ und ‚mein‘ sowie von konkreten, substanzhaften, voneinander unabhängigen Dingen und Personen wird hingegen der Ebene der ‚verhüllten Wirklichkeit‘ zugeordnet. https://de.wikipedia.org/wiki/Dharma


    Wieder kein Verweis auf eine Quelle.


    Es sieht nach wie vor so aus, als würde paramattha in den Lehrreden (Sutta-Piṭaka) keine Rolle spielen, sondern irgendwann in den Jahrhunderten bis zum Erscheinen des Visuddhi-Magga in die Texte hinzugekommen sein.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot:


    Das war meine Frage: Wie es sich verhält bei Dir.


    Wie gesagt, nach der Lehre gibt es keine Identität mit den Daseinsfaktoren - danach passt es, weil es eben "keinen" gibt, der irgendwas tut. Du hast das hier aber mit den "Daseinsgruppen an denen angehaftet wird" aus M.28 in Verbindung gebracht, da gibt es einen der handelt, weil er sich für die Daseinsgruppen hält. Dasselbe ist mit kamma vipaka aus M.57. mit dem du das kombiniert hast, kamma entsteht nur wenn es aufgrund der Identität mit den Daseinsfaktoren erzeugt wird.
    Ich sehe es also so, dass dieser Teil der "vierten Lehre" in die Buddhalehre passt oder nicht passt, je nach dem Blickwinkel von dem aus das betrachtet wird.

  • Elliot:


    Es sieht nach wie vor so aus, als würde paramattha in den Lehrreden (Sutta-Piṭaka) keine Rolle spielen, sondern irgendwann in den Jahrhunderten bis zum Erscheinen des Visuddhi-Magga in die Texte hinzugekommen sein.


    Wahrscheinlich, im Sutta-Pitaka heißt es stattdessen oft "yathābhūtaṃ" (Der Wirklichkeit gemäß). "Paramattha" taucht wohl erst im Abhidhamma auf. Das hat dann in der Mādhyamaka Schule als Lehre von den zwei Wahrheiten eine größere Bedeutung erlangt.
    Ansonsten sehe ich das nicht als besonders wichtig, man kann die Wirklichkeit die wir normalerweise erfahren als Illusion oder nicht-Wirklichkeit bezeichnen oder eben auch als verschleierte, relative, nicht höchste Wirklichkeit, ohne dass man da eine besondere Philosophie draus machen muss. Worte sind ja nur ein Hinweis.

  • mukti:

    Wie gesagt, nach der Lehre gibt es keine Identität mit den Daseinsfaktoren.


    Bleiben wir erst einmal bei dieser Aussage.


    Und stellen die Fragen:


    1. Wird sie durch den Sutta-Piṭaka untermauert?
    2. Wird sie durch den Visuddhi-Magga untermauert?


    Zu 1. könntest Du ja mal eine Passage heraussuchen.


    Zu 2. hatten wir ja bereits:


    Zitat

    Im höchsten Sinne ( paramatthena ) hat man alle vier Wahrheiten als leer zu betrachten, und zwar weil es da:


    keinen Fühlenden (I),
    keinen Täter (II),
    keinen Erlösten (III) und
    keinen auf dem Pfade Wandelnden (IV) gibt.


    (http://www.palikanon.com/visuddhi/vis16_02.htm#vis_xvi13)


    Es wird hier also festgestellt, dass es keinen Fühlenden usw. gibt, es wird aber nicht begründet, warum das so ist. Zumindest nicht an dieser Stelle.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Das kommt in vielen Lehrreden des Sutta-Piṭaka vor, z.B.:


    Zitat

    "Rahula, jegliche Art von Form, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, ob innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alle Form sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst."
    "Nur Form, Erhabener? Nur Form, Vollendeter?"
    "Form, Rahula, und Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewußtsein." (M.62)


    Auch in M.22, M.144, A.III.134, M.109, S.35.1-6, S.22., um nur einige zu nennen.



    In Vis.18.7 heißt es:


    Zitat

    ...Und er gelangt zu dem Schlusse, daß es außer dem Geistigen und Körperlichen kein weiteres Wesen gibt, keine Person, kein Himmelswesen, keinen Gott. So stellt er das Geistige und Körperliche seiner wirklichen und wahren Natur nach fest; und um noch besser diese weltlichen Begriffe (loka-samañña) wie 'Wesen' und 'Person' zu überwinden, die Wahnvorstellung einer Wesenheit zu überwinden und den Geist auf dem Boden der Unverblendung zu festigen, stellt er, indem er diese Sache mit zahlreichen Suttentexten vergleicht, fest: 'Bloß etwas Geistiges und Körperliches ist dies, aber kein Wesen, ..
    In dieser Weise wird in vielen Hunderten von Sutten bloß das Geistige und Körperliche gelehrt, aber kein Wesen, keine Person.
    .....
    Gleichwie also, wenn die verschiedenen Bestandteile wie Achse, Rad, Gestell, Deichsel usw. auf gewisse Weise zusammengefügt sind, es zur konventionellen Bezeichnung (vohara) 'Wagen' kommt, es aber im höchsten Sinne (paramatthato), wenn man da einen Teil nach dem anderen untersucht, gar kein (als unabhängige Einheit bestehender) Wagen zu finden ist - oder gleichwie, wenn die Bestandteile wie Holz usw. auf eine bestimmte Weise einen Raum einschließen, man die konventionelle Bezeichnung 'Haus' gebraucht, im höchsten Sinne aber gar kein Haus da ist - oder gleichwie, wenn Finger und Daumen in eine gewisse Lage gebracht sind, es zur konventionellen Bezeichnung 'Faust' kommt - oder wie auf Grund des Resonanzkastens und anderer Teile man von einer 'Laute' spricht - oder wie auf Grund von Elefanten, Pferden usw. man von einem 'Heer' spricht, und bei Wällen, Häusern, Stadttoren usw. von einer 'Stadt'; oder wenn Stamm, Aste, Blätter usw. auf gewisse Weise geordnet sind, man die konventionelle Bezeichnung 'Baum' gebraucht, im höchsten Sinne aber, wenn man Teil für Teil untersucht, gar kein Baum aufzufinden ist: - genau so auch gebraucht man, sobald die fünf Daseinsgruppen da sind, die konventionelle Bezeichnung 'Wesen' oder 'Person'; untersucht man aber jedes einzelne Ding, so findet man im höchsten Sinne gar kein Wesen, das die Grundlage bilden könnte zu solcher Auffassung wie 'Ich bin' oder 'Ich'. Im höchsten Sinne gibt es eben bloß das Geistige und Körperliche. Wer so erkennt, dessen Erkennen gilt als das der Wirklichkeit gemäße Erkennen.


    http://palikanon.com/visuddhi/vis18.html#v18_7


    "Im höchsten Sinne" ist parmatthena, "der Wirklichkeit gemäß" yathabhuta - zwei Bezeichnungen für dieselber Sache. Da kann man jetzt "zwei Wahrheiten" draus machen, oder eine Wahrheit und eine Unwahrheit, und weiterphilosophieren.

  • mukti:

    Das kommt in vielen Lehrreden des Sutta-Piṭaka vor, z.B.:


    Zitat

    "Rahula, jegliche Art von Form, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, ob innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, alle Form sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend gesehen werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst."
    "Nur Form, Erhabener? Nur Form, Vollendeter?"
    "Form, Rahula, und Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewußtsein." (M.62)


    Auch in M.22, M.144, A.III.134, M.109, S.35.1-6, S.22., um nur einige zu nennen.


    Prima.


    Das ist also (im Gegensatz zu paramattha) wirklich eine im Sutta-Piṭaka an vielen Stellen behandelte zentrale Aussage:


    Zitat

    N’etaṃ mama, n’eso’ham-asmi, na m’eso attā
    Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst


    Und zwar auf die Fünf Dasaeinsgruppen oder -faktoren bezogen:



    Und dennoch gilt es laut Sutta-Piṭaka, aus dieser Sicht auf die fünf Daseinsgruppen


    Zitat

    'Dies (d.h. diese Form, dieses Gefühl, diese Wahrnehmung, diese Gestaltungen, dieses Bewusstsein) ist nich mein, dies bin nicht ich, dies ist nicht mein Selbst'


    keine falschen Schlüsse zu ziehen:



    Während der Visuddhi-Magga demgegenüber zu solchen falschen Schlüssen beinahe zu ermutigen scheint, Deinen Zitaten zufolge.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot



  • "Für mich gibt es kein Selbst", das ist die Ansicht eines Ich, die wirklichkeitsgemäße Ansicht müsste lauten: "Es gibt kein Selbst". Man muss meiner Meinung nach keine Ermutigung zu falscher Ansicht im Visuddhi Magga sehen, wenn man nicht nur einen kleinen Ausschnitt davon nimmt und was hineinprojeziert.


    Ich sehe das so, dass die Inhalte der Lehre im Sutta-Pitaka dem Thema nach meistens ungeordnet und verstreut sind, der Abhidhamma ist eine systematische Auflistung und das Visuddhi-Magga eine ausführliche systematische Erklärung des Tipitaka. Dabei kommen einige Worte im Sutta-Pitaka nicht vor, die Absicht war aber den Sinn darzustellen. Auch mittels Ergänzungen, ein Beispiel: was ist alles sankhara khandha? Im Sutta-Pitaka wird dabei nicht explizit das Denken erwähnt, es wird als Willensäußerung bezeichnet. Zu welchem khandha gehört nun das Denken? Das wird im Abhidhamma genau aufgelistet, und im Visuddhi-Magga weiter behandelt.
    Und ich sehe bislang keine wesentliche Abweichung von der Lehre, wenn man alles im Gesamten liest.

  • mukti:

    "Für mich gibt es kein Selbst", das ist die Ansicht eines Ich, die wirklichkeitsgemäße Ansicht müsste lauten: "Es gibt kein Selbst".


    Diese Ansicht wäre das eine Extrem, das zumindest im Sutta-Piṭaka verworfen wird:


    Zitat

    «Alles ist» ( atthitañceva ): das ist, o Kaccāna, das eine Extrem. «Alles ist nicht» ( natthitañca ): das ist das andere Extrem. Diese beiden Extreme vermeidend, zeigt in der Mitte der Vollendete die Lehre: Durch Nichtwissen bedingt sind die Gestaltungen; durch Gestaltungen bedingt ist das Bewußtsein; durch das Bewußtsein bedingt ist Geistigkeit und Körperlichkeit; durch Geistigkeit und Körperlichkeit bedingt sind die sechs Sinnes-Grundlagen; durch die sechs Sinnes-Grundlagen bedingt ist Sinnen-Eindruck; durch Sinnen-Eindruck bedingt ist Gefühl; durch Gefühl bedingt ist Begehren; durch Begehren bedingt ist Anhangen; durch Anhangen bedingt ist Dasein; durch Dasein bedingt ist Geburt; durch Geburt bedingt ist Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. So kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensfülle.


    (Samyutta Nikaya 12.15. "Der Sproß aus dem Hause Kaccāyana" - 5. Kaccānagotta Sutta)


    mukti:

    Man muss meiner Meinung nach keine Ermutigung zu falscher Ansicht im Visuddhi Magga sehen, wenn man nicht nur einen kleinen Ausschnitt davon nimmt und was hineinprojeziert.


    Im Moment sieht es für mich so aus, dass im Sutta-Piṭaka die Existenz eines Selbst weder verneint, noch bejaht wird: Beide Ansichten werden verworfen. Allerdings wird ausdrücklich gesagt, dass keine der fünf Daseinsgruppen so ein Selbst sein könnten, da diese veränderlich und vergänglich sind, und ein Selbst wurde im Sinne eines Atman damals auf jeden Fall als unveränderlich und ewig gedacht.


    Dahingegen ersetzt der Visuddhi-Magga dieses "weder-noch" durch ein "sowohl-als-auch": In der "konventionellen" Wahrheit gibt es Personen, Wesen usw., in der "höheren Wahrheit" nicht.


    mukti:

    was ist alles sankhara khandha? Im Sutta-Pitaka wird dabei nicht explizit das Denken erwähnt, es wird als Willensäußerung bezeichnet. Zu welchem khandha gehört nun das Denken?


    Die Antwort aus dem Sutta-Pitaka lautet:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    "....die wirklichkeitsgemäße Ansicht müsste lauten: "Es gibt kein Selbst".


    Elliot:

    Diese Ansicht wäre das eine Extrem, das zumindest im Sutta-Piṭaka verworfen wird:


    Zitat

    «Alles ist» ( atthitañceva ): das ist, o Kaccāna, das eine Extrem. «Alles ist nicht» ( natthitañca ): das ist das andere Extrem. Diese beiden Extreme vermeidend, zeigt in der Mitte der Vollendete die Lehre: Durch Nichtwissen bedingt sind die Gestaltungen; durch Gestaltungen bedingt ist das Bewußtsein; durch das Bewußtsein bedingt ist Geistigkeit und Körperlichkeit; durch Geistigkeit und Körperlichkeit bedingt sind die sechs Sinnes-Grundlagen; durch die sechs Sinnes-Grundlagen bedingt ist Sinnen-Eindruck; durch Sinnen-Eindruck bedingt ist Gefühl; durch Gefühl bedingt ist Begehren; durch Begehren bedingt ist Anhangen; durch Anhangen bedingt ist Dasein; durch Dasein bedingt ist Geburt; durch Geburt bedingt ist Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. So kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensfülle.


    (Samyutta Nikaya 12.15. "Der Sproß aus dem Hause Kaccāyana" - 5. Kaccānagotta Sutta)


    Da steht vorher:


    Zitat

    Für den nun, Kaccāyana, der den Ursprung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Nichtsein' (heißt); für den aber, Kaccayana, der die Aufhebung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Sein' (heißt).


    Kann man das nicht so verstehen: Mit Unwissenheit und Begehren gibt es die Welt und Sein, nach Aufhebung von Unwissenheit und Begehren gibt es Welt und Sein nicht mehr?


    Das geht dann weiter:


    Zitat

    Durch Aufsuchen, Erfassen und Dabeiverbleiben [29] ist ja, Kaccāyana, diese Welt zumeist gefesselt. Wenn nun jemand [30], Kaccāyana, dieses Aufsuchen und Erfassen, das Wollen des Denkens, sein Eindringen und Darinbeharren nicht aufsucht, nicht erfaßt, nicht dazu den Willen hat in dem Gedanken: es ist in mir kein Ich [31], - und wenn er dann daran, daß Leiden alles ist, was entsteht und Leiden alles ist, was vergeht, nicht zweifelt und kein Bedenken hat und infolge seines ausschließlichen Vertrauens [32] schon das Wissen hiervon besitzt - in so weit, Kaccāyana, gibt es rechte Einsicht.


    Demnach ist rechte Einsicht ohne Begehren, mit dem Gedanken: es ist in mir kein ich.


    Und Anicca, Dukkha und Anatta ist ja ein zentraler Teil der Lehre, wüsste jetzt nicht was mit Anatta anderes gemeint sein könnte als "kein Selbst".


    Elliot:


    Im Moment sieht es für mich so aus, dass im Sutta-Piṭaka die Existenz eines Selbst weder verneint, noch bejaht wird: Beide Ansichten werden verworfen. Allerdings wird ausdrücklich gesagt, dass keine der fünf Daseinsgruppen so ein Selbst sein könnten, da diese veränderlich und vergänglich sind, und ein Selbst wurde im Sinne eines Atman damals auf jeden Fall als unveränderlich und ewig gedacht.


    Auch ein zeitweiliges Ich wird verworfen, im Sinne der Vernichtungsansicht. Und von etwas außerhalb der Daseinsgruppen ist auch nicht die Rede. Es gibt kein Selbst und kein Ich, das kann man denke ich als zentralen Lehrinhalt des Sutta-Pittaka ansehen.


    Elliot:


    Dahingegen ersetzt der Visuddhi-Magga dieses "weder-noch" durch ein "sowohl-als-auch": In der "konventionellen" Wahrheit gibt es Personen, Wesen usw., in der "höheren Wahrheit" nicht.


    Dass es in Wirklichkeit keine Personen und Wesen gibt scheint mir aus dem Sutta-Pitaka hervorzugehen. Wenn diese Wirklichkeit nicht bewusst ist, gibt es die schon - naja ich erlebe jedenfalls etwas als Wirklichkeit das wohl gar keine ist, bzw. nicht die höchste Wirklichkeit.


    Das "weder-noch" erinnert an die Stelle in M.63 http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m063z.html :


    Zitat

    ein Tathāgata existiert nach dem Tode oder
    ein Tathāgata existiert nach dem Tode nicht oder
    sowohl existiert ein Tathāgata nach dem Tode, als auch existiert er nicht oder
    weder existiert ein Tathāgata nach dem Tode, noch existiert er nicht,..


    Das wurde nicht verkündet - darauf folgt das Gleichnis vom Giftpfeil. Es macht also wenig Sinn über Selbst oder Nichtselbst oder beides oder keines von beiden nachzudenken. Aber wegen der Anhaftung an ein Ich oder Selbst hat der Buddha wohl Anatta und Ichlosigkeit der Daseinsgruppen so sehr betont.




    Ob das alles willentlich gestaltet wird ? Aber das ist wieder ein eigenes Thema mit dem sankhara khandha.

  • Damit es übersichtlicher bleibt, antworte ich mal portionsweise.


    mukti:

    Da steht vorher:

    Zitat

    Für den nun, Kaccāyana, der den Ursprung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Nichtsein' (heißt); für den aber, Kaccayana, der die Aufhebung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Sein' (heißt).


    Kann man das nicht so verstehen: Mit Unwissenheit und Begehren gibt es die Welt und Sein, nach Aufhebung von Unwissenheit und Begehren gibt es Welt und Sein nicht mehr?


    Eigentlich steht da ziemlich klar: Weder-Noch. Weder gibt es das, was in der Welt ,Nichtsein' heißt, noch gibt es das, was in der Welt ,Sein' (heißt).


    Und zwar auch dann (bzw. gerade dann) gilt dieses weder-noch, wenn Unwissenheit und Begehren überwunden sind.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Die unterstrichene Passage ist die Übersetzung von "nādhiṭṭhāti – ‘attā me’ti" also das Vermeinden eben dieser unterstrichenen falschen Ansicht:


    Zitat

    "Wenn er auf solche Weise unweise erwägt, entsteht eine von sechs Ansichten in ihm.


    Die Ansicht 'für mich gibt es ein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    die Ansicht 'für mich gibt es kein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder ...


    (Majjhima Nikāya 2: Alle Triebe - Sabbāsava Sutta)


    "nādhiṭṭhāti – ‘attā me’ti" ist aber auch nicht gleichbedeutend mit dem vermeintlich konsequenten Annehmen der ebenso falschen hier unterstrichenen Ansicht:


    Zitat

    "Wenn er auf solche Weise unweise erwägt, entsteht eine von sechs Ansichten in ihm.


    Die Ansicht 'für mich gibt es ein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder
    die Ansicht 'für mich gibt es kein Selbst' entsteht in ihm als wahr und erwiesen; oder ...


    (Majjhima Nikāya 2: Alle Triebe - Sabbāsava Sutta)


    Es gilt: Weder-Noch.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    Und Anicca, Dukkha und Anatta ist ja ein zentraler Teil der Lehre, wüsste jetzt nicht was mit Anatta anderes gemeint sein könnte als "kein Selbst".


    Im Sutta-Piṭaka beziehen sich die drei Daseinsmerkmale und insbesondere Anatta immer auf die fünf Daseinsgruppen:


    Zitat

    "Auf diese Weise, Aggivessana, bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen: 'Ihr Bhikkhus, Form ist vergänglich, Gefühl ist vergänglich, Wahrnehmung ist vergänglich, Gestaltungen sind vergänglich, Bewußtsein ist vergänglich. Ihr Bhikkhus, Form ist Nicht-Atman, Gefühl ist Nicht-Atman, Wahrnehmung ist Nicht-Atman, Gestaltungen sind Nicht-Atman, Bewußtsein ist Nicht-Atman. Alle Gestaltungen sind vergänglich; alle Dinge sind Nicht-Atman. Auf diese Weise bilde ich meine Schüler aus und auf diese Weise wird meine Anleitung für gewöhnlich meinen Schülern vorgetragen."


    (Majjhima Nikāya 35: Die kürzere Lehrrede an Saccaka - Cūḷasaccaka Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    Auch ein zeitweiliges Ich wird verworfen, im Sinne der Vernichtungsansicht.


    Das habe ich jetzt nicht verstanden, fürchte ich.


    mukti:

    Und von etwas außerhalb der Daseinsgruppen ist auch nicht die Rede.


    Es wir zum Beispiel von dieser und von der anderen Welt gesprochen:


    Zitat

    "Haushälter, von jenen Mönchen und Brahmanen, deren Lehrmeinung und Ansicht dieses besagt: 'Es gibt keine Gaben, nichts Dargebrachtes oder Geopfertes; keine Frucht oder Ergebnis guter und schlechter Taten; nicht diese Welt, nicht die andere Welt ... Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Ansicht, der die Ansicht hegt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Absicht, dessen Absicht auf 'es gibt keine andere Welt' beruht. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Rede, der die Behauptung aufstellt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, widerspricht derjenige, der sagt 'es gibt keine andere Welt', den Arahants, die die andere Welt kennen."


    (Majjhima Nikāya 60: Die unbestreitbare Lehre - Apaṇṇaka Sutta)


    Und natürlich Nibbana kann nicht Teil der Daseinsgruppen sein, da diese vergänglich sind, im Gegensatz zu Nibbana:



    mukti:

    Es gibt kein Selbst und kein Ich, das kann man denke ich als zentralen Lehrinhalt des Sutta-Pittaka ansehen.


    Das halte ich wie oben dargestellt für etwas zu sehr vereinfacht.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    Dass es in Wirklichkeit keine Personen und Wesen gibt scheint mir aus dem Sutta-Pitaka hervorzugehen.


    Da würde mich mal interessieren, welche Lehrreden Dir da vorschweben.


    Du hattest ja aus dem Visuddhi-Magga zitiert:


    Zitat

    In dieser Weise wird in vielen Hunderten von Sutten bloß das Geistige und Körperliche gelehrt, aber kein Wesen, keine Person.


    Aber etwas konkreter wäre schon schöner.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • mukti:

    ... Es macht also wenig Sinn über Selbst oder Nichtselbst oder beides oder keines von beiden nachzudenken. Aber wegen der Anhaftung an ein Ich oder Selbst hat der Buddha wohl Anatta und Ichlosigkeit der Daseinsgruppen so sehr betont.


    Das sehe ich auch so. Die Betonung liegt eher auf Anatta, weil es drumherum genug Atta-Anhänger gab.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Warum sollte das alles willentlich gestaltet sein? Ein- und Ausatmen funktioniert doch auch ohne speziellen Willen dazu, ebenso Wahrnehmung und Gefühl.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot:
    mukti:

    Auch ein zeitweiliges Ich wird verworfen, im Sinne der Vernichtungsansicht.


    Das habe ich jetzt nicht verstanden, fürchte ich.


    Die Ansicht dass ein Selbst existiert das mit dem Tod vernichtet wird, was ja darauf hinausläuft dass man mit den Daseinsgruppen identisch wäre.


    Elliot:
    mukti:

    Und von etwas außerhalb der Daseinsgruppen ist auch nicht die Rede.


    Es wir zum Beispiel von dieser und von der anderen Welt gesprochen:


    Zitat

    "Haushälter, von jenen Mönchen und Brahmanen, deren Lehrmeinung und Ansicht dieses besagt: 'Es gibt keine Gaben, nichts Dargebrachtes oder Geopfertes; keine Frucht oder Ergebnis guter und schlechter Taten; nicht diese Welt, nicht die andere Welt ... Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Ansicht, der die Ansicht hegt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Absicht, dessen Absicht auf 'es gibt keine andere Welt' beruht. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, hat derjenige falsche Rede, der die Behauptung aufstellt 'es gibt keine andere Welt'. Da es tatsächlich eine andere Welt gibt, widerspricht derjenige, der sagt 'es gibt keine andere Welt', den Arahants, die die andere Welt kennen."(Majjhima Nikāya 60: Die unbestreitbare Lehre - Apaṇṇaka Sutta)


    Ich denke mit "anderer Welt" ist eine Welt gemeint in der es wiederum Daseinsgruppen gibt, von einer "Welt" wird ja nur im Zusammenhang mit Daseinsgruppen gesprochen.



    Also zusammengefasst: Die Daseinsgruppen sind kein Ich und kein Selbst, für außerhalb der Daseinsgruppen gilt "weder ein Selbst noch kein Selbst". Meinst du es so?

  • mukti:

    Die Ansicht dass ein Selbst existiert das mit dem Tod vernichtet wird, was ja darauf hinausläuft dass man mit den Daseinsgruppen identisch wäre.


    Nicht "man", sondern ein angenommenes "Selbst" (atta). Weil es das aber nicht gibt, kann es auch nicht - trivial - "mit dem Tode vernichtet werden".
    Immerhin erfahren wir dadurch, daß es zu Buddhas Zeiten Ansichten gab, die davon ausgingen, das ein "atta" vernichtet werden könnte.

  • Redet doch einfacher halber von Seele oder "Identität". Oder Ist das ein Schimpfwort ?


    elliot:

    Zitat

    Dahingegen ersetzt der Visuddhi-Magga dieses "weder-noch" durch ein "sowohl-als-auch"


    Da ist kein Unterschied, er wurde (nur) dem halb konventionellen , halb unkonventionellen Verständnis halber (ein)gesetzt.


    "Weder bin ich erwacht, noch verblendet" (so ungefähr war glaub ich Jiun Ken' s Fußzeile)


    Weder gibt es eine Seele ( nein ) - noch gibt es keine Seele ( ja )
    Wohl gibt es eine Seele ( ja )- als auch gibt es keine Seele ( nein )



    "Weder verneint noch bejaht": Das trifft auf alle zusammengesetzten, gegenseitig abhängig, substanzlose ( leere ) 'Phänomene' zu.

    3 Mal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • bel:


    Immerhin erfahren wir dadurch, daß es zu Buddhas Zeiten Ansichten gab, die davon ausgingen, das ein "atta" vernichtet werden könnte.


    Ja, "atta" umfasst demnach sowohl den Glauben an ein ewiges Selbst, als auch das vermeintliche Ichbewusstsein das man so gewöhnlich hat, schließe ich jedenfalls daraus.

  • Vernichtungslaube, wie auch Ewigkeitsglaube hat "seine Ursache" nicht in intellektueller Spielerei.