Werte Sangha,
die Diskussion ab Seite 2 des Threads "Ziel der Buddhalehre" zwischen mir und dem werten Teilnehmer Moosgarten haben in mir einen Denkprozess ausgelöst, den ich gerne teilen möchte.
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Wenn man sich "(individuelle) Wiedergeburt der Wesen" (Mehrzahl!) versucht vorzustellen, dann läuft das auf eine Betrachtung mehrerer (und damit: voneinander abgetrennter) Wesen innerhalb EINES gedachten/angenommenenen Systems hinaus.
Egal welche Vorstellung hierüber erzeugt wird. Egal wie gefärbt durch die Perspektive. Wie rational erscheinend, wie "religiös" erscheinend:
so eine auf die Allgemeinheit der Wesen bezogene Vorstellung geht nur mit der Vorstellung von "Dingern", die fest sind (die Substanz haben): voneinander abgetrennten "Selbste".
Und diese Vorstellung wird wohl der Grund sein, weswegen die Aufgeklärteren sie grundsätzlich und auch als widersprüchlich im Sinne der Lehre ablehnen.
Man glaubt ja zu wissen: NICHT-ICH. Weswegen man die Botschaft hinter dieser Vorstellung nicht annehmen will.
Allerdings weiß man es eben nicht genau genug, denn ansonsten würde man solche Spekulationen, solche Sichtweisen überhaupt erst nicht anstellen, beim ernsthaften Versuch "sich das mit den Wiedergeburten einmal vorzustellen/zu denken".
Das Problem dieser Vorstellung liegt nicht in ihrem Inhalt (das ist meiner Anschauung nach evident mit NICHT-ICH, sondern in ihrer Form.
Damit meine ich die Art der Betrachtung. Die ist nämlich (im Sinne der Lehre selbst) falsch.
Denn eine Vorstellung über eine Allgemeinheit der Wesen, die innerhalb eines Systems Kreislauf der Wiedergeburten erlebt, und die zwingend die Vorstellung fester, voneinander abgetrennter Dinge (Selbsts, Selbste ?) hervorbringt, ist nur über den gedachten Standpunkt eines Betrachters möglich, der Samsara nicht unterworfen ist. Er sieht das (spekulativ) ja von außen.
Das ist im Sinne der Lehre eine unmöglicher Standpunkt. Da ist ja kein ICH von dem aus so etwas länger und anscheinend unberührt von Samsara betrachtet werden könnte. Es handelt sich um eine Spekulation, eine Vorstellung, die als solche nicht tief genug durchdrungen wurde.
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Die Vorstellung eines allgemeinen Leids, was eine Allgemeinheit der Wesen trifft, ist aber ebenso im Sinne der Lehre eine unmögliche und nicht hilfreiche Perspektive. Denn auch hier betrachtet man als "Spekulateur" feste Dinger, die voneinander abgetrennt sind, interagieren, entstehen und vergehen und in der Zukunft dies und das erfahren, weil diese kausalen und jene kausalen Prozesse innerhalb eines festen Systems von ihnen angestossen wurden, und einander so oder so treffen wie die Kugeln in einem Billiardspiel, an dem man selber gerade zum Glück nicht teilnimmt, obwohl man ja glaubt, man wäre ja ebenso ein solches Wesen, eine solche Kugel, da vor einem auf dem Billiardtisch des Lebens.
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Beide Vorstellungen:
a) Feste, irgendwie ähnliche Selbstkerne die aneinander vorbei und miteinander ewig durch ein Samsara trudeln und dann große Sprünge in andere Daseinsbereiche erleben
a) feste Selbste (ohmann ich brauche da echt Hilfe) in einem einzigen System von einem virtuellen äußeren Standpunkt aus betrachtet, die aufgehen, wieder untergehen, aber eigentlich miteinander verbunden sind,
sind demselben grundsätzlichen DenkFehler geschuldet: Einnahme eines gedachten ICHs, das das Ganze mit den Existenzen und den Folgen spekulativ (eingestanden, muss ja) aber sinnvoll betrachten könnte.
Das heißt aber nicht, dass die Botschaften, die hinter diesen verschiedenen Betrachtungsweisen eine ähnliche Qualität des Nichtwissens anzeigen.
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Rational widerspruchsfrei erscheint die Lehre, wenn man das von "innen heraus" sieht, und den wahren Grund für die Existenz der Welt/der Realität (den wahren Grund dieser Fantasie) erkennt: das Nichtwissen, was es überhaupt erst möglich macht an so etwas wie eine objektive, von einem SELBST abgetrennte Realität zu glauben, mit der man SELBST irgendwie verbunden ist. Durch den Körper anscheinend.
Es ist in beiden Fällen der undurchdrungene der Glaube an ein ICH und damit einhergehend: der Glaube an ein abtrenntes, objektives, äußeres System,
Ein schöner Gruß