gelebter Zen

  • Und woher weiß ich, dass der eigene Geist am "werkeln" ist und nicht kreativ als Geist eines Anderen unterwegs ist?

    IMHO ist es immer Dein eigener Geist, und darin immer auch der Einfluss des Geistes von anderen. Gut, wenn man sich dessen bewusst ist!


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Leben bedeutet aber mit dem eigenen Geist kreativ/schöpferisch Dinge hervorbringen,

    Das stimmt, denn von Augenblick zu Augenblick haben wir nichts anderes als genau diesen Geist, der wir selber sind. Daher macht es auch herzlich wenig Sinn, nach einem anderen Geist oder einem anderen Buddha zu suchen. Der einzige Buddha, den wir je finden können, ist niemals außerhalb von uns. Die Lehre des Buddha ist bildlich gesprochen wie ein Zeigefinger, der auf diesen Geist/Buddha, der wir nun mal sind, hinweist. In jedem Moment, in dem ich mich mit dieser Lehre beschäftige, ist alles, was in mir jemals geschehen kann, immernoch hundertprozentig dieser 'eigene' Geist. Deswegen ist es auch prizipiell völlig okay und mitunter extrem hilfreich, sich mit dieser Lehre zu befassen - sei sie nun vom historischen Buddha, von einem Zenmeister oder von der Bäckersfrau nebenan. Die Lehre des Buddha, ja nicht einmal die beliebigen Zufallsmeinungen von Frau Hinz und Herrn Kunz könnten jemals in der Lage sein, zu verhindern, dass wir der 'eigene' Geist sind, der wir nun mal sind. Wenn ich das Buch eines anderen Menschen lese, findet, was dabei geschieht, ausschließlich in meinem Gehirn statt. Was dabei zum Ausdruck kommt, ist immer noch hundertprozent dieser 'eigene' schöpferisch kreative Geist, der ich nun mal bin.


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    Tai

  • Wenn ich das Buch eines anderen Menschen lese, findet, was dabei geschieht, ausschließlich in meinem Gehirn statt.

    ... und das muss nicht einmal das "Buch" eines Menschen sein. Je mehr Bücher von "anderen Menschen" man gelesen hat (und ich weiss, wovon ich da spreche ;)), um so mehr lernt man das sansui kyō zu schätzen - das 'Sutra der Berge und Flüsse'. Aber was dann, beim "Lesen" geschieht - findet das wirklich "ausschließlich in meinem Gehirn statt"? Was geschieht - geschieht dies wirklich in irgendeiner Weise "ausschließlich"? Oder ist nicht genau dieses "ausschließlich" Verirrung?


    Im Genjōkōan heisst es:

    Zitat

    Sich selbst vorantragen um die zehntausend Dinge zu bezeugen ist Verirren.

    Dass die zehntausend Dinge fortschreiten und uns selbst übend bezeugen ist Erwachen.

    Die zum Verirren vollkommen erwachen sind die Buddhas.

    Die sich im Erwachen heillos verirren sind die leidenden Wesen.

    Es gibt Kerle, die noch aus dem Erwachen heraus erwachen, und es gibt Kerle, die sich inmitten des Verirrens noch weiter verirren.


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Aber was dann, beim "Lesen" geschieht - findet das wirklich "ausschließlich in meinem Gehirn statt"? Was geschieht - geschieht dies wirklich in irgendeiner Weise "ausschließlich"?

    Guter Hinweis.


    Ich verstehe es so, dass was immer ich in welchem Augenblick auch immer wahrnehme, mir vorstelle oder sonstwie erlebe, nicht von mir getrennt ist. Selbst, wenn ich mir vorstelle, es gäbe etwas von mir völlig Abgetrenntes (ein Anderes), so ist auch das lediglich eine Vorstellung, die ich in genau diesem Augenblick aufkommen lasse und die als solche natürlich ebenfalls Ausdruck dieses einen Geistes ist. Aus meiner Sicht macht es daher nicht wirklich Sinn, zwischen 'das bin Ich' und 'das ist Nicht-Ich' zu unterscheiden (ich hoffe, das beantwortet deine rhetorische Frage).


    Dass ich trotzdem munter Begriffe wie 'ich' oder 'andere' verwende, ist den Regeln und Möglichkeiten des begrifflichen Denkens und der sprachlichen Verständigung geschuldet. Schließlich sind auch alle anderen Begriffe, derer wir uns im Rahmen des begrifflichen Denken bedienen, sehr genau betrachtet nicht weniger irreführend als die Vorstellung vom Ich oder vom Anderen; sie alle abstrahieren von etwas, dem sie nur scheinbar entsprechen. Doch dass sich unsere 'Bücher' hierin vom Sutra der Berge und Flüsse unterscheiden, gilt auch nur, solange du den Worten auf den Leim gehst. Mit den richtigen Ohren gehört, plätschert selbst dieses eitle und überflüssige Geplapper von mir und uns allen genauso authentisch daher wie ein Furz oder der Nachtwind in den Bäumen vorm Fenster.


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    Tai

    Einmal editiert, zuletzt von Tai ()

  • Alle Wesen bestehen durch Nahrung.

    Lesen ist so eine Art von Ernährung. Worte auch. Sie nähren die geistigen Vorstellungen; das Netz der Ansichten. Wenn dann einer fragt, wovon ernährt sich der, der durch das Netz der Ansichten durch gebrochen ist und zur Antwort bekommt, das sage ich dir, wenn du durchgebrochen bist, dann ist doch klar, dass wir immer in Ansichten hängen und auch das hier erzeugt wieder "Ansicht", Vorstellung.

    Mit den richtigen Ohren gehört, hört einer nichts. Weder Furz (der noch eine zweite sinnliche Seite hat) oder Nachtwind.

    :zen:



  • Alles schöpft aus dem einen Geist. In der Mystik/Bibel ist ja z.B. auch vom 'heiligen Geist' die Rede, was ich eigentlich garnicht schlecht finde. Es ist praktisch das, was erfahrbar wird, wenn alles Eigene beiseite gelassen wird, kann aber nicht unverarbeitet in die Welt treten. Jedes Individuum bezieht seine Geisteskraft erstmal aus dieser gemeinsamen Geist-Quelle und bringt dann seine eigene, unverwechselbare Interpretation in die Welt. Egal wie die Interpretation ausschaut, 'verblendet' oder 'vollendet' - es speist sich aus dem einen Geist.

  • Alle Wesen bestehen durch Nahrung.

    Lesen ist so eine Art von Ernährung. Worte auch. Sie nähren die geistigen Vorstellungen; das Netz der Ansichten. Wenn dann einer fragt, wovon ernährt sich der, der durch das Netz der Ansichten durch gebrochen ist und zur Antwort bekommt, das sage ich dir, wenn du durchgebrochen bist, dann ist doch klar, dass wir immer in Ansichten hängen und auch das hier erzeugt wieder "Ansicht", Vorstellung.

    Mit den richtigen Ohren gehört, hört einer nichts. Weder Furz (der noch eine zweite sinnliche Seite hat) oder Nachtwind.

    "Alle Wesen existieren durch Nahrung und Aktivität" DN 44. Das ist der EINE Sachverhalt.

  • Noreply

    Kannst du mal den link angeben, wo das genau steht? Ich finde nämlich DN 44 nicht.

    Vermutlich hast du dich vertippt - es ist in DN33.


    Zitat

    Es ist, Brüder, vom Erhabenen, dem Wissenden, dem Sehenden, dem Heiligen, dem vollkommen Erwachten ein Sachverhalt gut dargelegt. Den soll man, alle gemeinsam, rezitieren, man soll nicht streiten, damit dieser Reinheits-wandel dauerhaft und beständig sein möge, auf dass dieser lange zum Heil und Wohl vieler, als Fürsorger für die Welt, zum Nutzen, Heil und Wohl von Göttern und Menschen sein möge.

    8. Welches ist dieser eine Sachverhalt?

    (1) Alle Wesen bestehen durch Nahrung .
    (2) Alle Wesen bestehen durch Aktivitäten. (sankhara)

    :zen:



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