Zunächst einmal ist schlicht nicht richtig, dass Shakyamuni Buddha allgemein den Verzehr von Fleisch "erlaubt" hätte. Er hat die Bhikkhus seines Ordens unter der Voraussetzung des "nicht gesehen, gehört, vermutet" (dass da ein Lebewesen speziell für sie getötet wurde) verpflichtet, als dana gespendetes Fleisch anzunehmen. Der Grund dafür ist leicht nachzuvollziehen: das durch dana erzeugte karma wirkt teilweise dem durch das töten erzeugten karma entgegen, daher darf ein solches dana aus Fürsorge für den es anbietenden Spender nicht abgelehnt werden. Ausnahme sind die bereits genannten, in der damaligen indischen Gesellschaft allgemein tabuisierten Arten von Fleisch (Elefanten, Schlangen usw.) - die dürfen und müssen abgelehnt werden, um den Orden nicht in Misskredit zu bringen.
Dass das Töten von Lebewesen zum Zwecke des Verzehrs als unheilsam anzusehen ist, geht schon aus der Tatsache hervor, dass bei Buddha auch für Laienanhänger Tierzucht sowie der Handel mit Lebewesen oder mit Fleisch ausdrücklich nicht als rechter Lebenswandel gilt (A.V.177). Der Manorathapūranī* merkt dazu ausdrücklich an: "Diese Arten des Handels soll man weder selbst ausüben, noch andere dazu veranlassen." Der Kauf von Fleisch ist genau dies: Andere dazu veranlassen, unrechten Lebenswandel zu üben. Es schafft die Ursachen und Bedingungen für das Töten von Lebewesen - dem daher auch im ersten Bodhisattva-Gelübde nach dem Mahayana Brahmajala Sutra ausdrücklich ebenso entsagt wird wie dem Töten selbst.
Diejenigen, die aus dem Jīvaka Sutta (MN.55) wegen des oben angeführten "nicht gesehen, gehört, vermutet" eine "Erlaubnis" für Laien ableiten wollen, Fleisch zu essen, haben das Sutta offensichtlich nie zu Ende gelesen. Oder nur das verstanden, was sie verstehen wollten. Selbst, wenn ein geschlachtetes Tier als dana dem Tathagatha oder einem seiner Schüler gespendet wird und selbst, wenn das Tier dann nicht vom Spender selbst geschlachtet wird, sondern die Schlachtung in Auftrag gegeben wird (und nichts anderes tut der Kunde eines Metzgers oder Schlachters), ist und bleibt das unheilsam. Um wieviel mehr, wenn man das zur Befriedigung der eigenen Gelüste tut.
"Wenn irgendjemand ein Lebewesen für den Tathāgata oder seinen Schüler schlachtet, so erzeugt er in fünf Fällen viel Unverdienst. Wenn er sagt: 'Geh und hole jenes Lebewesen', dann ist dies der erste Fall, in dem er viel Unverdienst erzeugt. Wenn jenes Lebewesen Schmerz und Trauer erlebt, während es am Halsstrick weggeführt wird, dann ist dies der zweite Fall, in dem er viel Unverdienst erzeugt. Wenn er sagt: 'Geh und schlachte jenes Lebewesen', dann ist dies der dritte Fall, in dem er viel Unverdienst erzeugt. Wenn jenes Lebewesen Schmerz und Trauer erlebt, während es geschlachtet wird, dann ist dies der vierte Fall, in dem er viel Unverdienst erzeugt. Wenn er den Tathāgata oder seinen Schüler mit Nahrung, die nicht zulässig ist, versorgt, dann ist dies der fünfte Fall, in dem er viel Unverdienst erzeugt. Jeder, der ein Lebewesen für den Tathāgata oder seinen Schüler schlachtet, erzeugt in diesen fünf Fällen viel Unverdienst."
(Jīvaka Sutta, Übersetzung Mettiko Bhikku)
* Zitat Nyanatiloka:
"Dieser Kommentar sowie die meisten anderen Kommentarwerke zum Pali-Kanon wurden lange Zeit irrtümlich dem im 5. Jahrhundert lebenden bedeutenden Gelehrten und Kommentator Buddhaghosa als deren ausschließlichem Verfasser zugeschrieben. Doch die Kommentarwerke gehen in ihrer uns allerdings nicht mehr erhaltenen allerältesten Fassung als die sog. Mahā-Atthakathā ('der grosse Kommentar') wahrscheinlich bis auf die früheste Zeit der Lehre zurück."
Zitat Buddhaghosa (im Vorwort zum Manorathapūranī):
"Die Atthakathā, die zur Erklärung (des Textes) zuerst von den fünfhundert Mönchen auf dem unmittelbar nach des Meisters Tode stattfindenden Konzil zu Rājagaha vorgetragen und auch später nochmals rezitiert wurde, wurde von dem Mönche Mahāmahinda nach Ceylon gebracht und zum Segen des Inselvolkes in die singhalesische Sprache übersetzt. Nunmehr werde ich, ohne die Lehre zu entstellen, aus jener (Atthakathā) Auszüge machen, das Singhalesische in eine gefällige, dem Charakter des Textes entsprechende, fehlerfreie Sprache übertragen und, unter Weglassung der sich wiederholenden Erklärungen, den im Großen Kloster (Mahā-Vihāra) (bei der im Mittelpunkt Ceylons gelegenen ehemaligen Königsstadt Anurādhapura, deren gewaltige Ruinen heute noch zu sehen sind.) lebenden Ordensälteren, jenen mit äußerst scharfem Urteil ausgestatteten Leuchten in der Tradition der Ordensälteren, den Kommentar vortragen."