Warum waren Buddhas Lehrreden so "langatmig"?

  • Zitat

    . "Wiederum, Sandaka, ist da irgendein Lehrer ein Traditionalist, einer, der mündliche Überlieferung als die Wahrheit ansieht; er lehrt das Dhamma durch mündliche Überlieferung, durch überlieferte Legenden, durch das, was in den Schriften überliefert wurde. Aber wenn ein Lehrer ein Traditionalist ist, einer, der mündliche Überlieferung als die Wahrheit ansieht, dann ist einiges davon richtig im Gedächtnis geblieben und einiges ist falsch im Gedächtnis geblieben, einiges ist wahr und mit einigem verhält es sich anders.


    In der Übersetzung von I.B.Horner kommt es so rüber, dass der Unterschied der zwischen etwas ist. was man irgendwo gehört hat und dem was der Autorität der Sammlungen zukommt.

    And again, Sandaka, some teacher here depends on report, holds to report for his ‘truths,’ he teaches Dhamma according to report, according to hearsay and tradition, according to the authority of the collections. If a teacher, Sandaka, depends on report, holds to report for his ‘truths,’ he remembers (part) well and he remembers (part) badly, and is both right and wrong.

    Es geht also nicht darum, ob etwas Niedergeschrieben ist oder nicht, sonder inwieweit es Autorität hat.

    Ja, kann gut sein. Müßte man mal die übersetzten Paliworte rausfinden die sich darauf beziehen.


    Ich kann jetzt auf die Schnelle leider nicht beurteilen welche der beiden Übersetzungen näher dran ist.


    Interessant dazu die Übersetzung von Kurt Schmidt und die Fußnoten:


    Majjhima Nikāya 76


    Kurt Schmidt übersetzt hier mit "... wie es im Pitaka, im Korb der Überlieferung, steht. ..." Für ihn scheint es also schon etwas schriftmäßiges bedeutet zu haben. Und das obwohl seine Meinung ist, dass es eine schriftliche Überlieferung damals nicht gab. Es widerspricht seiner Meinung und trotzdem übersetzt er es so und nicht etwa wie Karl Eugen Neumann:


    ...

    Zweite Art unerquicklicher Askese


    "Und wieder, Sandako, gibt es einen Meister, der weiß vom Hörensagen her, hat die Wahrheit vom Hörensagen überkommen; nach dem Hörensagen, auf Treu und Glauben hin, wie ein Korb von Hand zu Hand weitergeht, überliefert er die Lehre. Ein Meister aber, Sandako, der vom Hörensagen her weiß, die Wahrheit vom Hörensagen überkommen hat, der erinnert sich gut und erinnert sich schlecht, berichtet so und berichtet anders.


    ...


    Majjhima Nikaya 76


    Interessant wie vielfältig die Übersetzungen sind.


    The Pali Text Society's Pali-English dictionary


    Für mich persönlich ist die Frage, wann damals das erste Mal etwas über die Buddhalehre aufgeschrieben wurde, zweitrangig. Beim Weitergeben durch Höhrensagen können Fehler entstehen, genauso wie man auch Schriften verändern oder gar fälschen könnte.


    Die mündliche Überlieferung hast ja weder du, noch Alephant in Frage gestellt. Aber ihr scheint unterschiedlicher Meinung zu sein, warum es diese Art der Überlieferung gab. Wenn ich euch richtig verstanden habe.


    In der Sutta die wir gerade besprechen geht es meiner Meinung nach auch garnicht um die buddhistische Überlieferung, sondern um andere Überlieferungen/Schriften. Der Buddha spricht hier nicht unbedingt über seine Überlieferung, sondern allgemein.


    Ich wollte nur zeigen, dass Schrift an sich möglicherweise schon bekannt war zu Buddhas Zeiten.


    Aber wie gesagt es könnte auch deine Übersetzung näher dran sein. Dann wäre diese Sutta kein Hinweis darauf, dass Schrift an sich schon bekannt war. Oder die Sichtweise von Kurt Schmidt ist richtig, dass diese Sutta erst sehr viel später entstand.


    Und auch wenn Schrift möglicherweise schon bekannt war, sagt es ja nichts darüber aus, wie weit verbreitet sie zur Zeit Buddhas im täglichen Leben war.


    Liebe Grüße

    9 Mal editiert, zuletzt von Raphy ()

    • Offizieller Beitrag

    Kurt Schmidt übersetzt hier mit "... wie es im Pitaka, im Korb der Überlieferung, steht. ..." Für ihn scheint es also schon etwas schriftmäßiges bedeutet zu haben.

    Ich glaube es wird heutzutage unterschätzt, wie viel am auswendig lernen kann. Nicht nur die Veden wurden mündlich weitergegeben, sondern auch ein keltischer Druiden lernten ja über eine Ausbildungszeit von 20 Jahren das Äquivalenz zu einem Bücherschrank. Von daher kann ich mir vorstellen, dass es damals den Pitaka in dem Sinne gab, dass einzelne Menschen ihn Wort für Wort auswendig konnten.

    Ananda begleitete Buddha als ein lebendiges Aufnahmegerät und von dort aus, konnte man dann jede Leehrrede "wie einen Korb von Hand zu Hand weitergeben":


    Allerdings hatte Ananda offensichtlich eine Fähigkeit, die nur sehr wenige Menschen haben, er hatte nämlich ein phänomenales Gedächtnis, wie es manchmal bei autistischen Menschen vorkommt. Vermutlich handelte es sich bei Ananda um das, was die Wissenschaft heute unter hyperthymestisches Syndrom bezeichnet. Ananda konnte nämlich alle Vorträge des Buddha, auch wenn er sie nur ein einziges Mal gehört hatte, wortwörtlich wiedergeben.>Er konnte sogar noch die Betonung nachahmen und außerdem angeben, bei welcher Begebenheit der Buddha diese Belehrung gegeben hatte und wer dabei anwesend war. Das heißt. er hatte die Fähigkeit als Buddhas USB-Stick zu wirken, was von unschätzbarem Wert für den Erhalt der Lehrreden des Buddha war.
  • Wahrscheinlich wären wir - die ja aus einer sehr schriftbasierten Kultur kommen - einerseits erstaunt wie selten das Schreiben damals war - das feuchte Klima ist ja vergänglichen Materialien nicht förderlich - und andererseits erstaunt wie viel die Menschen damals auswendig wussten.


    Auch in Europa kann man hier und da in der Geschichte den Wert des Auswendiglernens und vor allem auch einen Wert der freien Rede (frei im Sinn von: Sprechen ohne unterstützendes Textdokument) erkennen.


    Dass man dem Wert beigemessen hat liegt nicht nur an teuren Schreibutensilien und mangelnder Lese- & Schreibfähigkeit. Dass der Buddha selbst nicht geschrieben hat, finde ich vollkommen natürlich. Man sagt ja auch heutzutage, dass im Gespräch die meiste Information nicht über das Wort kommt.


    Das geschriebene Wort kann dem gesprochenen Wort auf die eine Weise betrachtet weit unterlegen sein. Mit dieser Aussage mag ich nicht einen Unwert des geschriebenen Worts herausstreichen. Nur mal zu bedenken geben, dass wir gemeinhin der Schrift zu viel Wert beimessen könnten. Die Art, wie die mündliche Übertragung der Lehrreden über 300? Jahre gelaufen ist, erscheint mir sogar sicherer als eine möglich gewesene Entscheidung, sofort alles niederzuschreiben und irgendwo in einer (vermeintlich) sicheren Höhle aufzubewahren.


    Ich glaube, der 'eifrige Niederschreiber den Lehre" und der "eifrige Leser der Lehre" wären hier ebenso gepriesen worden und der Grund das sie hier fehlen, liegt wirklich darin, dass es sie vielleicht nicht gab. Kann das sein?


    Kann sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand, der die Lehre bewahrt, von dem Buddha gelobt wurde. Aber wirklich Wissen sozusagen auch bewahren, das tut man eher durch Ausübung. Kann ja gut sein, dass Menschen sorgfältig über niedergeschriebene Worte (für eine vorgestellte "Nachwelt") wachen, und die auch sorgfältig weiterkopieren. Ob die aber auch den Sinn der Worte verstehen, ist damit nicht klar.


    Die Idee, dass Wissen etwas zum Niederschreiben wäre, und dass man Wissen auch vorrangig im Niederschreibbaren begreift, das ist europäische Kultur- & "Wissenschaftsgeschichte". Also "europäische Werte/Erziehung/Blick auf die Welt und das Indiviuum".


    Gerade Deutschland ist, was das Lesen und Schreiben (auch durch seine Geschichte begründbar) angeht, also was die "gesellschaftlich-kulturelle" und ökonomische Bedeutung angeht, nocheinmal besonders.

    Einmal editiert, zuletzt von Alephant ()

  • Ich denke so wahnsinnig viel steht gar nicht im Palikanon.

    Das wirklich relevante wiederholt sich x-mal in diversen Varianten in den verschiedenen PK-Körben, anderes wurde erst gar nicht von Buddha geschrieben sondern entstammt aus anderer Mönche Feder.

  • Ich denke so wahnsinnig viel steht gar nicht im Palikanon.

    Das wirklich relevante wiederholt sich x-mal in diversen Varianten in den verschiedenen PK-Körben, anderes wurde erst gar nicht von Buddha geschrieben sondern entstammt aus anderer Mönche Feder.

    Dank Ananda nicht aus den Fingern gesaugt.

  • Namaste zusammen!


    In der Chaṭṭha-Saṅgāyana-Ausgabe des tipiṭaka finden wir:

    Zitat

    230. ‘‘Puna caparaṃ, sandaka, idhekacco satthā anussaviko hoti anussavasacco. So anussavena itihitihaparamparāya piṭakasampadāya dhammaṃ deseti. Anussavikassa kho pana, sandaka, satthuno anussavasaccassa sussutampi hoti dussutampi hoti tathāpi hoti aññathāpi hoti. Tatra, sandaka, viññū puriso iti paṭisañcikkhati – ‘ayaṃ kho bhavaṃ satthā anussaviko anussavasacco so anussavena itihitihaparamparāya piṭakasampadāya dhammaṃ deseti. Anussavikassa kho pana satthuno anussavasaccassa sussutampi hoti dussutampi hoti tathāpi hoti aññathāpi hoti’. So ‘anassāsikaṃ idaṃ brahmacariya’nti – iti viditvā tasmā brahmacariyā nibbijja pakkamati. Idaṃ kho, sandaka, tena bhagavatā jānatā passatā arahatā sammāsambuddhena dutiyaṃ anassāsikaṃ brahmacariyaṃ akkhātaṃ yattha viññū puriso sasakkaṃ brahmacariyaṃ na vaseyya, vasanto ca nārādheyya ñāyaṃ dhammaṃ kusalaṃ.


    piṭakasampadāya dhammaṃ deseti heißt wörtlich soviel wie: "Er (der Meister/Lehrer/Religionsstifter) legt die Lehre als Durchführung/Ergebnis/Darbietung des/der Korbs/Körbe dar."


    Im übertragenen Sinne - unter Berücksichtigung der Pāli-Körbe (-Sammlungen) der oralen Überlieferungstradition (die Verschriftlichung fand erst Jahrhunderte später statt) - könnte man formulieren: "Der Lehrer legt die Lehre in Übereinstimmung mit der Pālitradition bzw. aufgrund der Autorität der Sammlungen dar."


    Mit Mettā

    Vibhajjavādī

  • Der Buddha selbst hat gesagt, dass es möglich ist, allein durch das Üben der Achtsamkeitsmeditation das Erwachen zu erreichen, pdf Seite 33 unten. Gerade gestern habe ich das wieder gelesen in

    "Satipatthana - der direkte Weg" s. auch zum runterladen


    Zitat

    18 M I 62: „ … wenn jemand diese vier satipaúúhânas … entwickelt, kann eines von

    zwei Ergebnissen für ihn erwartet werden: entweder vollendete Erkenntnis hier und

    jetzt, oder, wenn noch eine Spur von Anhaften übrig ist, Nichtwiederkehr.“ Pradhan

    (1986, S. 340) weist darauf hin, die Übung aller satipaúúhânas sei erforderlich, um

    dazu fähig zu sein, derart hohe Stufen der Verwirklichung zu erlangen.


    direkte-weg.pdf


    Dieses Buch ist einfach Klasse und hilfreich - in den Fußnoten finden sich ganz viele Hinweise, wo alles zu finden ist.


    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Hallo lieber Vibhajjavādī.


    Danke für die Mühe und Anregungen.


    Demnach muß also in der Sutta nicht unbedingt eine schriftliche Überlieferung gemeint sein.

    Und damit wäre diese Sutta kein Hinweis dafür, dass zu Buddhas Zeit Schrift bekannt war.


    Liebe Grüße


  • Das Satipatthana Sutta bildet meiner Ansicht nach den Kern der Buddhalehre. Alle anderen sind mehr oder weniger Beigemüse.


    Hier mal von einer anderen Religon betrachtet