Gehen, gegangene Strecke, der Gehende

  • Die höchste Wahrheit - paramartha-satya- ist keine Gegenposition zur verhüllten Wahrheit - samvrti-satya.


    Da alles bedingt ist, hat es kein Wesen (Eigensein). Das Bedingte erscheint als (konkrete) Form und Leere kann nur als Form erscheinen. Wenn du durchschaust, dass Form(en) bedingt sind, wesenlos, kannst du dem Leiden entkommen. Dafür braucht es dann eine Praxis und auch eine Lehre - damit man aus der Wesenlosigkeit allen Seins nicht die falschen Schlüsse zieht, sind die Silas von außerordentlicher Bedeutung.


    Man fängt ja den Weg mit dem Leiden an - und dies ist immer die konkrete Form. Auf dieses Konkrete habe ich mich bezogen.

    Wirklich - also das was wirkt - ist Leiden. Um das auszuhalten ist Gleichmut von großer Hilfe.


    In dem 24. Kapitel setzt sich Nagarjuna ja mit einer extremen Position auseinander, mit der du dich offenbar auch auseinandersetzt.

    :zen:



  • Sudhana,


    Ich sehe es nicht so, dass ein einzelnes Lebewesen nur ein "typischer Oberbegriff" ist.

    Ich z. B. bin kein Oberbegriff. Und mein Jucken gerade im linken dicken Zeh ist auch kein Oberbegriff.

    Der Gedanke "ich bin ein Mensch" und meine Empfindung im dicken Zeh entstehen zwar so wie andere Illusion auch entstehen, dies sind aber keine Oberbegriffe, sondern in Abhängigkeit entstandene Realität. (Es gibt nur die illusionshafte Realität, keine andere)

    Mit Begriffen und Worten, die die Begriffe bezeichnen, ist es so, dass sie beim bekannten Spruch "der Finger, der auf den Mond zeigt" der Finger sind und nicht der Mond.


    Was das Wort "konkret" angeht, so zeigt sich hier, dass Worte, weil sie immer eine Abstraktion von der Wirklichkeit sind, leicht missverstanden werden können. Ich meinte es ganz anders als du. Die Wirklichkeit dagegen ist eindeutig: "wenn dieses ist, so folgt jenes" sagt der Buddha, da gibt es keine zwei Möglichkeiten. Da hast du den Unterschied zwischen Begriffen und Wirklichkeit.


    Auch wenn es zusammengesetzt ist aus Dharmas oder was anderem: ein Lebewesen ist Wirklichkeit und kein Begriff.

    Das ist ja gerade die Wirklichkeit eines Lebewesens: abhängig entstanden und zusammengesetzt und leer von einem Selbst.

    Siehe Nagarjuna.

    :rainbow:

  • Ich sehe es nicht so, dass ein einzelnes Lebewesen nur ein "typischer Oberbegriff" ist.

    Um genauer zu sein: 'Lebewesen' ist eine Klassifikation. Ein abgrenzendes Ergreifen einer Gruppe von Merkmalen (lakṣaṇah), denen ein Eigensein / Für-sich-sein (svabhāva) beigelegt wird. Das führt unweigerlich in Konsequenz zu einer ātman - Theorie, nach buddhistischer Lehre also zu einer kognitiven Fehlhaltung mit entsprechenden Konsequenzen für die Kognition.

    Ich z. B. bin kein Oberbegriff.

    Im Grunde schon, das verdeutlichen insbesondere die Abhidhamma-/Abhidharma-Schriften mit ihrer psychologischen (nicht ontologischen) Herangehensweise. Was sich bei dieser Analyse zeigt, sind dynamische psycho-physische Prozesse (die bereits genannten dharmas), die man aufgrund gemeinsamer Merkmale zu Gruppen bündelt (skandah), die wiederum die Tendenz haben, die oben erwähnte Fehlhaltung einzunehmen, deren Kern / Kristallisationspunkt die ātman - Sichtweise ist. Eben das 'Ich' und seine Perspektive auf 'Nicht-Ich'. Dieses 'Ich' ist ebenso wenig real wie die nächst höhere Klassifikationsstufe: 'Lebewesen'. Real sind lediglich die Folgen der kognitiven Fehlhaltung, also die aus diesem avidyā entstehende, durch rāga und dveṣa vorangetriebene Dynamik (anitya), die notwendig als leidhaft empfunden wird. Real ist der Schmerz, ist duḥkha - nicht das 'Ich', das meint, ihn zu fühlen.

    Zitat

    Wie einen Stern, eine Luftspiegelung, eine Butterlampe,

    wie Illusion, Tautropfen, Luftblasen im Wasser,

    wie einen Traum, einen Blitz, eine Wolke -

    so sieh alles an, was zusammengesetzt ist.


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Um genauer zu sein: 'Lebewesen' ist eine Klassifikation. Ein abgrenzendes Ergreifen einer Gruppe von Merkmalen (lakṣaṇah), denen ein Eigensein / Für-sich-sein (svabhāva) beigelegt wird. Das führt unweigerlich in Konsequenz zu einer ātman - Theorie, nach buddhistischer Lehre also zu einer kognitiven Fehlhaltung mit entsprechenden Konsequenzen für die Kognition.


    Ja. ok.

    Und diese 'Klassifikation' handelt und sammelt Karma an, gemäß dem Buddha und dem Abhidhamma. Oder wer oder was handelt?



    Real sind lediglich die Folgen der kognitiven Fehlhaltung, also die aus diesem avidyā entstehende, durch rāga und dveṣa vorangetriebene Dynamik (anitya), die notwendig als leidhaft empfunden wird. Real ist der Schmerz, ist duḥkha - nicht das 'Ich', das meint, ihn zu fühlen.


    Dies ist ja das falsche Verständnis, dass man in den Theravada-Abhidhamma findet: "Leid gibt es, aber keinen Leidenden" (sagt Buddhaghosa).

    Und genau dagegen argumentiert Nagarjuna die ganze Zeit. Denn auch Leid oder Schmerz 'gibt es nicht'.


    Not only does suffering not exist

    in any of the fourfold ways:

    No external entity exists

    In any of the fourfold way. MMK 12.10


    Wenn schon, denn schon (alles komplett durchdenken), könnte man sagen.

    Dass nicht nur die Lebewesen, sondern alles andere auch nicht 'existiert' ist das Thema in dem Diamant- und im Herzsutra.

    :rainbow:

  • So ist es ja auch gemeint beim Thema hier:

    Gehen, gegangene Strecke, der Gehende


    oder meint ihr, dass nur der Gehende (die Person) nicht existiert, das Gehen und die gegangene Strecke aber sehr wohl existieren?

    Wie kann ein Gehen existieren ohne dass ein Geher existiert?


    Aber das Leiden macht's möglich! "Ah, der Schmerz, der Schmerz … " wieso? da ist doch niemand der Schmerzen hat.


    Warum ist es eigentlich so schwer zu verstehen, dass beide - Leid und Leidender – nur in gegenseitiger Abhängigkeit existieren?

    :rainbow:

  • Dies ist ja das falsche Verständnis, dass man in den Theravada-Abhidhamma findet: "Leid gibt es, aber keinen Leidenden"


    Das ist kein falsches Verständnis. Was Nagarjuna aufzeigt, ist immer nur abhängiges Entstehen. Aber wenn der Leidende als Illusion erkannt wird, fällt auch das Leiden...es kommt drauf an, von wo man untersucht. Die nonduale Sichtweise (Samsara ist Nirvana), die du permanent ablehnst, geht vom Ergebnis aus, nicht vom Pfad.

  • Es wird auch von fühlenden Wesen gesprochen. Und bei Dogen fand ich mal den Satz - Empfindung ist Leiden.


    Ich will aber nochmal auf den Einwand von Rudolf eingehen, mit dem Lebewesen und dem Oberbegriff. Mir scheint es geht hier um den Unterschied von einem vorgestellten Ich und einem wirklichen Ich. Es liesse sich auch sagen, zwischen einer Abstraktion und einer Konkretion. Doch das trifft es alles nicht.


    Ich sollte also mit dem "wirklichen" Ich beginnen. Das hat Hunger oder Durst, was körperliche Empfindungen sind. Das Ich hat also einen Körper, der in Abhängigkeit von inneren und äußeren Bedingungen sich meldet und Ich muss darauf reagieren, antworten. Das Ich ist also nicht der Körper. Es kann bedingt von seinen Willenskräften den Körper versuchen zu beherrschen. Das geht nur "bedingt".

    Und wie mit dem Körper, so ist das auch mit den anderen Skandhas. Das Ich ist also zusammen gesetzt. Und die Teile, wenn sie näher betrachtet werden, sind auch wieder zusammen gesetzt. Und irgendwann endet da auch die Identifikation, also der Teil, in dem das Ich sagt: das bin ich, das gehört mir. Z.B. eine Hautschuppe oder ein Haar. Oder eine Körperzelle, die ich ja mit dem genetischen Code markieren und identifizieren kann. Da dringen wir ja mit der Wissenschaft und den Methoden sehr weit vor.

    Und genauso ist das bezüglich der Welt - also der Dinge, die das Ich umgeben und die es als "andere" auch bezeichnet. Es gibt einen Bereich der Identifikation und dann gibt es auch den Bereich, wo die Nicht-Identifikation beginnt.

    Diese Identifikationen sind Abstraktionen, die Bewusstsein als Bedingung haben und die im Falle des Menschen, als Sprachwesen, Selbstbewusstsein und Begriffsbildung voraussetzen. Sie sind fürs (Über)-Leben von Menschen notwendig und ein Mensch, ohne Bewusstsein braucht immer einen anderen Menschen mit Bewusstsein, der ihn am Leben erhält.


    Da wir hier zu Kapital 2 des MMK von Nagarjuna diskutieren, möchte ich doch das Kapitel 1 Bedingung - zu lesen empfehlen. Da geht es um den Widerspruch von real existierenden Dharmas, die ein Eigensein bzw. Wesen haben, die aber andererseits nicht selbst -entstanden sein sollen, sondern eben in Abhängigkeit sich hervorbringen und wieder vergehen lassen.

    Nagarjuna weist nach, dass es unter dem Bedingten Entstehen kein real existierendes Ding gibt, dem ein Eigensein zukomme.

    Die Formel "Wenn dieses (existiert)" darf also nicht mit einer mit Eigensein verbundenen Existenz verstanden werden. Alle Dharmas sind leer und auch das "Ich", Selbst etc. also auch die Vorstellungen von .... daher existiert auch tatsächlich nichts real.


    :)

    :zen:



  • Das ist kein falsches Verständnis. Was Nagarjuna aufzeigt, ist immer nur abhängiges Entstehen. Aber wenn der Leidende als Illusion erkannt wird, fällt auch das Leiden...es kommt drauf an, von wo man untersucht.

    Umgekehrt ist es noch besser: wenn das Leiden als Illusion erkannt wird, dann bin ich auch kein Leidender mehr.

    Die Didaktik Nagarjunas sehe ich eher umgekehrt: in den ersten 17 Kapiteln MMK werden die Dinge, Empfindungen und Handlungen als Illusionen erklärt, bevor er sich der Person in Kapitel 18 zuwendet.

    Die nonduale Sichtweise (Samsara ist Nirvana), die du permanent ablehnst, geht vom Ergebnis aus, nicht vom Pfad.

    Ich lehne nicht die nonduale Sichtweise ab, bei keinerlei Themen. Ich verstehe nur was anderes darunter als du:

    Eine nonduale Sichtweise hebt nicht die Unterschiede auf, zwischen Subjekt und Objekt z.B. Sie sagt nur, dass Subjekt und Objekt nicht getrennt existieren, dass sie sich gegenseitig bedingen.

    Tatsächlich sind Nagarjunas (und Buddhas) Erklärungen zum abhängigen Entstehen oder zur relativen Existenz die korrekte nonduale Sichtweise.


    So wie beim

    Gehen, gegangene Strecke, der Gehende

    :rainbow:

  • Alle Dharmas sind leer und auch das "Ich", Selbst etc. also auch die Vorstellungen von .... daher existiert auch tatsächlich nichts real.


    Das Selbst in deiner Aufzählung ist nicht leer. Denn das Selbst gibt es ja überhaupt nicht. Die Illusionen gibt es dagegen, d. h. Lebewesen, die aus den fünf Aggregaten bestehen, z.B.


    Was "real" bedeutet, oder bedeuten würde: hat irgendjemand hier das schon mal definiert?

    :rainbow:

  • Alle Dharmas sind leer und auch das "Ich", Selbst etc. also auch die Vorstellungen von .... daher existiert auch tatsächlich nichts real.


    Das Selbst in deiner Aufzählung ist nicht leer. Denn das Selbst gibt es ja überhaupt nicht. Die Illusionen gibt es dagegen, d. h. Lebewesen, die aus den fünf Aggregaten bestehen, z.B.


    Was "real" bedeutet, oder bedeuten würde: hat irgendjemand hier das schon mal definiert?

    Für den Buddha ist real nibbana - für alles anderen ist es samsara.

    :zen:



  • Denn auch Leid oder Schmerz 'gibt es nicht'.

    Du setzt 'Sein' mit 'real' gleich (noch so ein eristischer Taschenspielertrick :)). Real ('wirklich' = Resultat und Ursache von Wirkung) ist die Empfindung als Teilprozess des Konditionalnexus pratītyasamutpāda, auch wenn ihr keine Dauer zukommt und sie 'leer' (śūnya) ist, sie also kein Für-Sich-Sein (svabhāva) hat. Ich bitte Dich - Nāgārjuna ist doch kein Nihilist, der Realität leugnet. Was ja auch ein recht albernes Unterfangen wäre; für wen sollte er das tun?


    Realität ist genau Hier und Jetzt, tathatā, permanent im Wandel durch Ursachen und Bedingungen (hetupratyaya) - und sie manifestiert sich primär in der Empfindung (vedanā) von Kontakt (phassa). Das ist ein Aspekt des Konditionalnexus, der insgesamt ein bedingtes(!), d.h. durch Kausalität bestimmtes dynamisches Sein beschreibt, das entsprechend leer von jeglichem nicht-bedingten Sein ist.

    Es ist gewiss nicht Nāgārjunas Anliegen, die Realität von duḥkha zu widerlegen, nur sein Für-Sich-Sein - was wiederum heisst, (auch) die āryasatya als saṃvṛtisatya zu qualifizieren. Wobei saṃvṛtisatya (bei Nāgārjuna zumindest) keine 'mindere' oder 'provisorische' oder halbe Wahrheit ist, sondern schlicht einen anderen Gültigkeitsbereich hat als paramārthasatya - den relativen im Gegensatz zum absoluten.


    Dass ein Verleugnen der Realität von duḥkha auch den gesamten Bodhisattvaweg, der genau dadurch motiviert ist, ad absurdum führen würde, sei hier nur ergänzend noch angemerkt. Mittlerer Weg ist es sowieso nicht.


    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Damit wird aber ARYA DHARMA nicht einverstanden sein, mit seiner Nicht-Dualität von nibbana und samsara.   ;)


    Meines Erachtens ist beides real, für den Buddha auf jeden Fall: der erkennt ja unsere Realität. Und nur weil wir nibbana noch nicht kennen, muss es nicht unreal sein.


    "real" bedeutet für mich: was erlebbar ist.

    :rainbow:

  • Damit wird aber ARYA DHARMA nicht einverstanden sein, mit seiner Nicht-Dualität von nibbana und samsara.   ;)


    Das ist kein Problem (im Nagarjuna/Analyse Kontext).


    Der Standpunkt (der eigentlich keiner mehr ist), dass Nibbana und Samsara Eins sind, argumentiert nicht gegen andere buddh. Pfade, da die Pfade im einzelnen genommen ihre Gültigkeit besitzen (als Pfad). Somit kann (oder besser "sollte) man nicht Tantra gegen Sutra usw. ausspielen. Nagarjuna nähert sich "dem" an durch eine extrem detaillierte, logische Sichtweise (was ich aber ja keinem hier erklären brauch). Somit stellt er fest, dass nichts wirklich existieren kann. Die falsche Ansicht der Weltlinge ist jedoch, dass Dinge wirklich existieren und auch du verwendest oft diese Sprache, was mich oft denken lässt, du wärst ein Materialist. Aber dann bringst du ja wieder Nagarjuna ins Spiel, also kannst du diesen Standpunkt nicht wirklich vertreten.


    Im Grunde genommen gehst du ja von einer strickten Trennung von Nibbana und Samsara aus. Wenn dies aber tatsächlich so wäre, dann könnte das Auge des Buddhas nicht beides gleichzeitig sehen (hier wieder "meine" Überlappung). Darum gilt diese Trennung nur für Weltlinge, was die Trennung aber nicht real macht - außer in der individuellen Erfahrung der von avija geplagten Wesen. Im Endeffekt sind sie aber frei, nicht gebunden - das sieht der Buddha, darum spricht er auch von "er sieht keine Wesen" usw. Es sieht sie nicht und sieht sie doch, weil er sie so sieht, wie sie sich sehen, da sich dies alles verwebt.


  • Das ganze abhängige Entstehen ist eine "wenn - dann" Beziehung:

    Wenn Unwissenheit da ist, folgen Tatabsichten, Bewusstsein, Name und Form ............. Geburt, Altern, Krankheit, Tod und die ganze Masse des Leidens.

    Wenn Unwissenheit aufgehoben wird, gibt es keine Tatabsichten .......... keine Geburt, kein Altern, Krankheit, Tod und kein Leidens.


    Das ist der mittlere Weg. Und genau das meint das Herz Sutra mit: "es gibt kein Leiden": es gibt kein absolutes Leiden, das auf jeden Fall da ist.

    :rainbow:

  • Nagarjuna nähert sich "dem" an durch eine extrem detaillierte, logische Sichtweise (was ich aber ja keinem hier erklären brauch). Somit stellt er fest, dass nichts wirklich existieren kann.


    meinst du mit wirklich in "nichts wirklich existieren kann" eine unabhängige, absolute Existenz?

    Dann ist es ja ok, habe ich nie bestritten, dass Nagarjuna das widerlegt.


    Nagarjuna stellt aber nicht fest, dass es keine abhängige oder keine relative Existenz gibt. Der Buddha hat das auch nicht festgestellt. Und diese relative Existenz ist die wirkliche Existenz. Welche Existenz soll denn sonst die wirkliche Existenz sein?


    Die falsche Ansicht der Weltlinge ist jedoch, dass Dinge wirklich existieren und auch du verwendest oft diese Sprache, was mich oft denken lässt, du wärst ein Materialist.


    O weh!

    Bin ich doch gerade der einzige hier, der deutlich gesagt hat, mit wirklich oder real existieren meine ich: was wir wahrnehmen.

    Wie kannst du mich daher für einen Materialisten halten? Die denken nämlich, dass der Mond auch existierte, wenn ihn überhaupt niemand wahrnähme, wenn es in der Welt überhaupt kein Bewusstsein gäbe.

    :rainbow:

  • mit wirklich oder real existieren meine ich: was wir wahrnehmen.

    Hmmm ... bekanntlich nehmen insbesondere Menschen häufig Dinge wahr, die nicht real existieren. Hier würde das Gleichnis von Schlange und Seil wieder mal recht gut passen. Die Herkunft dieses Beispiels ist eigentlich schnurz, es veranschaulicht jedenfalls sehr schön den Unterschied zwischen "wirklich oder real existieren" und dem, was so Alles wahrgenommen wird. Ich hatte nicht ohne Grund da etwas 'tiefer' angesetzt - Realität "ereignet" sich, wenn sparśa / phassa als Bedingung vedanā ermöglicht. Der ganze Rest ist nur 'Weiterverarbeitung' dieser primären Reize. Mindfuck.


    Ansonsten

    Damit wird aber ARYA DHARMA nicht einverstanden sein, mit seiner Nicht-Dualität von nibbana und samsara.

    Keine Ahnung, wo ich der widersprochen habe sollte. Kann sich nur um ein Missverständnis handeln; ein Zitat wäre da hilfreich. Zu dieser Nicht-Dualität ein weiteres Mal meinen Verweis auf MMK 25.19 ff - ist ja schon 'ne Weile her ...


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Ich verstehe das Gleichnis von Schlange und Seil so, dass das Seil wahrgenommen wird, aber als Schlange gedacht wird.


    Ob das was gedacht wird auch real ist, das hängt nun von einer noch genaueren Definition von real ab. Ich denke, das Denken eines Menschen kann man auch als real bezeichnen, selbst wenn es ein Irrtum ist. Es ist ein realer Vorgang im Bewusstsein eines Menschen, den dieser Mensch wahrnehmen kann.

    Das was unreal ist, wäre in diesem Beispiel, die (nicht reale) Tatsache, dass das Seil eine echte Schlange ist.

    Wie ich schon schrieb: genau genommen hat jeder Mensch eine etwas andere Realität. Eine absolute Realität, die für alle Wesen völlig gleich ist, gibt es ja nicht. Selbst der Buddha hat seine eigene Realität.

    Aber sollte man deswegen sagen oder denken: also gibt es keine Realität?



    Ansonsten

    Damit wird aber ARYA DHARMA nicht einverstanden sein, mit seiner Nicht-Dualität von nibbana und samsara.

    Keine Ahnung, wo ich der widersprochen habe sollte. Kann sich nur um ein Missverständnis handeln; ein Zitat wäre da hilfreich. Zu dieser Nicht-Dualität ein weiteres Mal meinen Verweis auf MMK 25.19 ff - ist ja schon 'ne Weile her ...


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    Das bezieht sich auf Leonies Definition von "real", Beitrag (36). DEIN Beitrag ist dazwischen geraten.

    :rainbow:

  • MMK 25.18 - 24 gelesen und da hatte ich die Idee das Nirvana und Samsara gleich sind, weil es nur Begriffe sind. Gefüllt von Wort, erscheinen durch Wort, leer durch Wort, Wort ist keine Substanz. Nirvana, Samsara haben keine Form die mit Händen gefasst werden kann. Also gleich, keine Dualität weil kein Objekt nur Subjekt. Irgendwelche Worte wie Traumreste der Nacht ohne Bedeutung.

    • Offizieller Beitrag

    MMK 25.18 - 24 gelesen und da hatte ich die Idee das Nirvana und Samsara gleich sind, weil es nur Begriffe sind. Gefüllt von Wort, erscheinen durch Wort, leer durch Wort, Wort ist keine Substanz. Nirvana, Samsara haben keine Form die mit Händen gefasst werden kann. Also gleich, keine Dualität weil kein Objekt nur Subjekt. Irgendwelche Worte wie Traumreste der Nacht ohne Bedeutung.

    Zwei Wegweiser können doch als Wegweiser das gleiche sein, aber der eine führt dich zum Ausgang und der andere im Kreis rum. Bedeutung ist eine Sache des Deutens und Wirklichkeit eine Sache des Wirkens. Wenn man dem Wegweiser nicht folgt, ist dagegen vielleicht egal auf was er deutet.

  • Dass zwischen dem Nirvana und dem Samsara nicht der feinste Unterschied gefunden wird MMK 25.20 , erschliesst sich nur demjenigen, der dies erfahren hat. Es ist genau das, was bei Shunryu Suzuki "Anfänger-Geist" genannt wird - oder im "samma samadhi" als Praxis.


    Zitat

    Deshalb gibt es in der Leerheit keine Form, kein Gefühl, keine Unterscheidung, keine Gestaltungskraft, kein Bewusstsein, kein Auge, kein Ohr,keine Nase, keine Zunge, keinen Körper, keinen Geist, keine Form, keinen Klang,keinen Geruch, keinen Geschmack, kein Berührungsobjekt, kein Phänomen.Vom Augenbereich über den Geistbereich bis zum Bewusstseinsbereich gibt es nichts.

    Von der Unwissenheit und dem Aufhören der Unwissenheit bis zum Altern und Sterben und zum Aufhören des Alterns und Sterbens existiert nichts.Ebenso gibt es das Leiden, den Ursprung, die Beendigung und den Weg nicht,keine Weisheit, kein Erlangen und auch kein Nicht-Erlangen. Shariputra, es gibt deshalb für die Bodhisattvas nichts zu erreichen.Indem sie sich so fortwährend auf das Hinübergelangen ans jenseitige Ufer der Weisheit stützen, gibt es in ihrem Geist keine Verdunkelung und keine Furcht.

    Und indem sie alle Irrtümer vollständig hinter sich lassen, gelangen sie über die Grenzen des Leidens hinaus.Auch alle Buddhas der drei Zeiten haben sich auf das Hinübergelangen ansjenseitige Ufer der Weisheit gestützt und damit die höchste Erleuchtung, die vollendete Buddhaschaft, erlangt.

    Keine Unterscheidung. Kein Bewusstsein. Keine Form. Kein Phänomen. Es gibt nichts. Und auch derjenige, der da so ist, auch der ist verschwunden. Wenn dann einer kommt und ihn fragt: wer bist du denn? Dann sagt er wahrscheinlich, wie Bodhidharma: ich weiß es nicht. Natürlich wird so jemand dann in der Welt der Formen und Unterscheidungen konventionell auch antworten können, aber eine subjektive Existenz ist bei ihm erloschen. Diese Ansicht ist überwunden. Und mit dieser Ansicht verschwinden auch alle anderen Ansichten, im sinne von "meine" Ansicht, mein Leben, mein Leiden, meine Erleuchtung, mein Haus, mein Ruf und meine Titel.

    :zen:



  • MMK 25.18 - 24 gelesen und da hatte ich die Idee das Nirvana und Samsara gleich sind, weil es nur Begriffe sind. Gefüllt von Wort, erscheinen durch Wort, leer durch Wort, Wort ist keine Substanz. Nirvana, Samsara haben keine Form die mit Händen gefasst werden kann. Also gleich, keine Dualität weil kein Objekt nur Subjekt. Irgendwelche Worte wie Traumreste der Nacht ohne Bedeutung.


    Das ist sehr schön gesagt.




    meinst du mit wirklich in "nichts wirklich existieren kann" eine unabhängige, absolute Existenz?


    Nein, wie kannst du das so deuten? Dies besagt nur, dass es "die Wirklichkeit" nicht in dem Sinne gibt, dass sie benannt werden kann oder drauf gezeigt werden kann, nach dem Motto: "Genau DIES ist die Wirklichkeit"


    Im Vedanta würde man attestieren, dass die Wirklichkeit Brahman sei, also sie haben eine Benennung für "DIES". Hat allerdings wieder den Nachteil, dass daran sehr schön angehaftet werden kann. Um "DIES" gibt es ja den jahrhundertelange Streit, zwischen Vedanta und Buddhismus. Shankara hatte die buddhistische Doktrin in seiner Auslegung der Brahma Sutras mehrfach angegriffen.




    Ich verstehe das Gleichnis von Schlange und Seil so, dass das Seil wahrgenommen wird, aber als Schlange gedacht wird.


    Das ist nicht der Sinn des Gleichnis. Das Seil wird vom Weltling nie (!) wahrgenommen, sondern nur die Schlange. Das Beispiel ist eigentlich sehr gut und auch beliebt, hat allerdings den Nachteil, dass dann das Seil als "wahre Substanz" gedeutet wird (in dem Sinne "Brahman"). Will sagen, dass es im buddh. Kontext ein wenig hinkt.

    • Offizieller Beitrag

    Alter, Krankheit und Tod sind sehr wirklich. Überhaupt stellt sich für mich die Frage, ob etwas real ist oder nicht, nur solange ich nicht unmittelbar davon betroffen bin. Ich habe als noch nicht sonderlich alter Mensch, der in Wohlstand und Frieden lebt, überhaupt wenig Berührungspunkte mit den existenziellen Formen des Leidens. Da geht es mir wie dem Buddha, der seinen Palast noch nicht verlassen hat, um dem Alten, dem Kranken und dem Toten zu begegnen. Aber ich werde älter. Um mich herum nehmen Alter, Krankheit und Tod zu. Und mit der Liebe zu meiner Familie entsteht zugleich auch die Sorge um ihr Wohlergehen. Das kann ich wegdenken und im Gedanken an das abhängige Entstehen relativieren, aber das ist nur oberflächlich. Wenn die Wirklichkeit ein bisschen daran kratzt mit der Realität des Leidens oder auch nur mit der Angst vor dem Leiden, ist der schöne buddhistische Lack bald ab.


    Das Leiden ist sehr wirklich. Es verdrängt die philosophischen Erwärungen ganz und gar, wenn es eintritt. Es entzieht sich jeder Relativierung. Es ist für mich unmöglich, mich davon nicht berühren zu lassen, selbst wenn ich weiß, dass Alter, Krankheit, Tod, Verlust, Schmerz etc.nur abhängige Phänomene sind. So ist die Tatsache, dass ich als Mensch geboren wurde, zugleich doch auch die grundlegende Bedingung, dass ich Alter, Krankheit und Tod werde erleiden müssen. Kann ich mich wirklich davon distanzieren?


    Ich habe dazu eine interessante Passage bei Uchiyama Roshi gelesen:


    Während eines Sesshins kommt ein Amerikaner zu Uchiyama und berichtet davon, dass die Meditation trotz aller Bemühungen an manchen Tagen sehr schlecht läuft. Und an anderen Tagen gelingt es ihm völlig offenen Sinnes zu sitzen, ohne dass Gedanken aufsteigen. Er fragt den Meister, ob er diese zweite Erfahrung Satori oder Wesenschau nennen würde.


    Die Antwort ist folgende:

    Zitat

    Gewiß, wenn Sie Sesshin erleben wie jene in Antai-ji, so werden Sie diese Erfahrung oft machen. Wenn Sie aber die Tage, an denen Sie den Gedanken nachjagen müssen, 'Wirrnis oder Unwissenheit', Ihre guten Tage aber 'Satori' nennen, dann ist diese Art von Unklarheit und Satori nur durch Temperatur und Feuchtigkeit bestimmt.

    Hier in Antai-ji haben wir das ganze Jahr hindurch sehr unterschiedliches Wetter, und selbst während eines einzigen Sesshins kann das Wetter stark wechseln. Durch Ihre Erfahrungen, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, werden Sie wohl den Zusammenhang zwischen der Temperatur draußen und Ihrer persönlichen seelischen Verfassung erfaßt haben. Im Allgemeinen werde Sie das fühlen, sobald gewisse Wetterbedingungen eintreten. Ist es erstickend heiß, so mögen Sie sich noch so sehr bemühen; Ihr Kopf scheint zu gären und Sie kommen zu nichts. Wenn jedoch die Luft trocken ist und ein und ein kühler Abendwind weht, klärt sich ihr Lopf, und Sie kommen zu einem guten Zazen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Wechselbeziehung zwischen Ihrem Organismus und dem Wetter. Sicher ist im zweiten Fall Ihre Zazen-Übung ausgezeichnet, das heißt aber nicht, daß dies schon ein gutes Zazen sein muß; wie auch umgekehrt ein Zazen unter ungünstigen Umständen kein Versagen ist.

    Unabhängig davon kommt es darauf an, daß Sie Zazen innerlich erschauen und sich seiner bewußt werden. Der Rest: Ihre Gefühle sind nichts als Theater. Haben Sie dies wohl nach Ihren langen Erfahrungen bei uns etwas begriffen?


    Weg zum Selbst, Zen-Wirklichkeit S. 89 - 90


    Es gibt also immer noch einen Schritt, den ich weiter zurücktreten kann. Auch hinter die angebliche Erfahrungen von Satori und Verwirrung kann ich treten und mir dieser Dynamik bewusst werden.


    Das Leiden geschieht, und wenn ich es versuche zu relativieren, indem ich mir vorstelle, es sei leer von Eigenexistenz und könne mir also im Grunde nichts anhaben, weil es nicht real ist, so ist das wahrscheinlich nichts anderes als eine Ablehnung des Leidens und zugleich Anhaftung an den Wunsch, das Leid möge verschwinden.


    Was aber, wenn ich weder das eine noch das andere mache? Wenn ich das Leiden in seiner Realität voll anerkenne, ohne es relativieren oder ablehnen zu wollen? Was, wenn ich es sich ausbreiten und entwickeln lassen, wie eine schwere rote Blüte, die in meinem Inneren sich entfaltet, ohne davor zurückzuzucken? Was, wenn es mir gelingt, das Leiden in seiner vollen Kraft als Wirklichkeit anzunehmen? Das Leid streicht dann wie der tiefe Schatten einer Wolke über den Spiegel. Der Spiegel wird dunkel und wieder hell. Schmerz kommt und geht in voller Lebendigkeit. Aber das ist wahrscheinlich wieder nur ein Spiel. :klee:


    Was geschieht, wenn ich zum Schmerz hingehe (zur Schlange im Garten), wenn ich das Leiden nicht ablehne oder davor zurückweiche? Es wird ein Seil. Ist das Leiden darum weniger schmerzhaft, weniger real? Keinesfalls. Aber indem ich es annehme, wird es lebendiger Teil meiner Identität.

  • Was geschieht, wenn ich zum Schmerz hingehe (zur Schlange im Garten), wenn ich das Leiden nicht ablehne oder davor zurückweiche? Es wird ein Seil. Ist das Leiden darum weniger schmerzhaft, weniger real? Keinesfalls. Aber indem ich es annehme, wird es lebendiger Teil meiner Identität.

    Dann hat man jenseits aller Theorie die erste edle Wahrheit begriffen würde ich sagen - das Leben, das Dasein, die Identität ist untrennbar mit Leiden verbunden.

  • Ja, was ich bisher vom Buddhismus am besten verstanden habe und was ich auch immer erfahren kann ist: das Ergreifen und das ergriffen haben (eines Körpers z.B.) verursacht Leiden. Daher werden wir erst endgültig das Leiden beenden können, wenn wir völlig aufhören nach Ich-Werden, nach der Ich-Existenz zu greifen. Das geschieht mit Beseitigung der Unwissenheit und mit dem Tod im letzten Leben, der Nicht-Wiederkehr.

    Solange die Unwissenheit noch aktiv ist, gibt es notwendig (abhängiges Entstehen) Leiden, das können wir anders nicht beseitigen.


    Da können die Gleichheitsapostel (von Samsara und Nirvana) so viel schreiben wie sie wollen. Worte sind tatsächlich alle gleich: in dem sie alle bloß Worte sind. :tee:

    :rainbow: