Wie kann man die Enthaltsamkeit erreichen?

  • Ich würde gern ein buddhistischer Mönch werden, um mich ganz dem Dharma zu widmen. Aber zunächst möchte ich mir die Gewissheit verschaffen, dass ich das Zölibat über mehrere Monate durchhalten kann, während ich noch in meiner eigenen Wohnung lebe.

    Die alten InderInnen scheinen sich ganz spontan für das Zölibat entschieden zu haben, wenn man den Biographien von Buddha Shakyamuni oder Meister Atisha glauben will. Wenn aber heutzutage im Westen jemand ein Keuschheits-Gelübde ablegt, dann kann ich es nicht so ohne Weiteres glauben! Zum Beispiel habe ich nie geglaubt, dass katholische Priester aufrichtig im Zölibat leben.

    Trotzdem könnte es möglich sein, enthaltsam zu leben. Aber sicherlich muss man dafür lange üben, wenn man im postmodernen Westen aufgewachsen ist!

    Wie erreicht man als Buddhist den Zustand der Enthaltsamkeit?

  • Nyinje ☼

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Ich denke, wenn du buddhistischer Mönch werden willst, musst einen ganz festen 100% Entschluss haben, Samsara nicht mehr zu wollen.

    Samsara nicht mehr zu wollen: dahin kommt man, wenn man alles Unbeständige als Leiden ansieht und es noch schlimmer kommen kann als es jetzt ist.

    :rainbow:

  • Man kann den Entschluss fassen enthaltsam zu leben und diese Absicht aufrecht erhalten, was immer auch geschieht. Oder man praktiziert den achtfachen Pfad, versucht die Lehre zu verstehen und übt sich in der Entwicklung von Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit. Dann wird der Geist allmählich von den Begierden gereinigt und Enthaltsamkeit tritt nach und nach ein.


    Ob die erste Methode, alles auf den Willen zu setzen wie bei einem Gelübde und sich nie von der Enthaltsamkeits- Absicht abbringen zu lassen funktioniert, kann man ja ausprobieren. Wenn man es auf diese Weise nicht schafft bleibt immer noch die zweite Methode und je mehr man sich dem gesamten Dhamma widmet, desto besser wird sie funktionieren.

    Auf keinen Fall sollte man sich von der Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand frustrieren lassen.


    Das ist aus Theravada Sicht geschrieben, es soll ja ansonsten auch Klöster geben in denen der Zölibat nicht gefordert ist habe ich gehört. In einem Theravada Kloster bedeutet Geschlechtsverkehr den Ausschluss, Selbstbefriedigung ein zu bekennendes Vergehen. (Nach dem Vinaya des Palikanon).

  • Dazu hatte Deepa gerade eine (kurze) Quelle zitiert:


    Ein Gespräch


    Ich würde davon Abstand nehmen, Klosterdinge vorweg zu nehmen. Es geht ja nicht um die Anstrengung, im Zölibat zu leben, sondern um das Gesamtpaket auf dem Pfad: Ich will etwas von ganzem Herzen erreichen, und das Zölibat ist Teil der Methode. Ohne Motivation durch die Fortschritte in der Lehre halte ich ein Test-Zölibat vor allem für eine Kasteiung, aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung. Martin_1980 kann Dir da sicher mehr erzählen.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Hallo und herzlich willkommen Student.

    Wenn aber heutzutage im Westen jemand ein Keuschheits-Gelübde ablegt, dann kann ich es nicht so ohne Weiteres glauben! Zum Beispiel habe ich nie geglaubt, dass katholische Priester aufrichtig im Zölibat leben.

    Trotzdem könnte es möglich sein, enthaltsam zu leben. Aber sicherlich muss man dafür lange üben, wenn man im postmodernen Westen aufgewachsen ist!

    Als Buddhistin musste ich nicht enthaltsam, denn ich gehöre zu den Haushältern. Auch Haushälter können Befreiung erlangen. Dazu muss ich kein/e Nonne/Mönch werden.


    Vor 40 Jahren war ich Zeugin Jehovas. Da gehörte es dazu, keinen außerehelichen Verkehr zu haben. Ich habe mich 5 Jahre (danach habe ich die Glaubensgemeinschaft verlassen) daran gehalten aus Überzeugung, obwohl ich eigentlich ein sehr sinnlicher Mensch bin. Es ist mir dennoch nicht schwergefallen - und war deshalb eine keine Übung, weil ich überzeugte Christin war. Allerdings hatte ich auch schon reichlich unglückliche Liebeserfahrungen, so dass ich es als richtig empfand.


    Insofern bin ich auch davon überzeugt, dass es keusche Priester gibt, die sich aus Glaubensgründen an ihr Gelübde halten.


    Aber sicher ist das für einen Mann schwieriger als für eine Frau.


    Desto mehr Du etwas erzwingst, desto weiter entfernst Du Dich von der Lehre und somit auch von der Befreiung. Aus meiner Sicht gibt es Befreiung nur von dem eigenen inneren Sklaventreiber, der unbedingt etwas WILL.


    Alles Gute für Dich

    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Enthaltsamkeit.

    Bei mir erscheint das sich Enthalten als Übung. Sich eben prüfen, ob ich das, was ich jetzt tun möchte, dass ist was hilfreich ist.

    Enthalten kann ich nur üben, wenn ich dieses Prüfen vor der Handlung erlerne.

    Bei vielen Aktivitäten haben wir das schon gelernt. Ich diesem Fall der sexuellen Enthaltsamkeit kommt es also darauf an, ob ich mich auf das
    Sexuellen konzentriere, denn Konzentration ist von jeder Handlung notwendig oder ob ich erkenne das sexuell aktiv zu sein zu müssen eine Illusion ist.

    Illusion deshalb, weil ich in ein Kloster gehen will und im Kloster leben will.


    OT

    "Game of Thrones" John Schnee geht ja freiwillig zur "Nachtwache", also will er dahin und er ist sich der Folgen für sein Leben voll bewusst und hält den Schwur auch in soweit ein, weil er ja immer genötigt, fast schon gezwungen wird sein Gelöbnis zu brechen. Weil die Nötigung von anderen ausgeht, kann er sich immer wieder Enthalten und verletzt nicht sein Gelöbnis. Er braucht es nicht einhalten wollen, weil er sich ganz auf das Konzentriert was jetzt Notwendig ist und das ist sehr sehr selten Sex.

  • Ich würde gern ein buddhistischer Mönch werden, um mich ganz dem Dharma zu widmen. Aber zunächst möchte ich mir die Gewissheit verschaffen, dass ich das Zölibat über mehrere Monate durchhalten kann, während ich noch in meiner eigenen Wohnung lebe.

    Die alten InderInnen scheinen sich ganz spontan für das Zölibat entschieden zu haben, wenn man den Biographien von Buddha Shakyamuni oder Meister Atisha glauben will. Wenn aber heutzutage im Westen jemand ein Keuschheits-Gelübde ablegt, dann kann ich es nicht so ohne Weiteres glauben! Zum Beispiel habe ich nie geglaubt, dass katholische Priester aufrichtig im Zölibat leben.

    Trotzdem könnte es möglich sein, enthaltsam zu leben. Aber sicherlich muss man dafür lange üben, wenn man im postmodernen Westen aufgewachsen ist!

    Wie erreicht man als Buddhist den Zustand der Enthaltsamkeit?

    Herzlich Willkommen!


    So sehe ich die Sache, so habe ich es erlebt :


    Du musst kein Mönch werden, um die buddhistische Lehre zu studieren, du darfst Mönch werden.



    Als Mönch hast Du zwar auch gewisse Aufgaben zu erledigen, aber Du hast noch mehr Zeit für die Meditation und das studieren der Schriften als die Laien.

    In einem guten Kloster, wirst Du sowieso nicht sofort ein Mönch.

    Ich war Mönch in der thailändischen Waldtradition.

    Dort verbringt man ein paar Monate mit 8 geboten und dann wird man manchmal noch zum Novizen (Samanehn) ordiniert.

    Da muss man "nur" 8 bzw 10 Gebote einhalten.

    Natürlich gibt es auch Plätze wo du nach 30 Tagen Mönch werden kannst, aber das hält dann nicht sehr lange.


    In der "Probezeit" kannst du dann das klösterliche Leben ausprobieren.

    In einer Sangha mit einem guten inspirierenden Lehrer tut man sich ein wenig leichter.


    Es gibt im Buddhismus dann noch Hilfsmittel, wenn man Probleme mit dem Zölibat hat (man besucht Autopsien und Verbrennungen von Leichen usw)



    Wenn es dann wieder möglich ist, würde ich dir zu einem längeren Retreat raten. Da kannst du mal in die ganze Sache hineinschnuppern.


    Alles Gute für Dich!

  • Wenn Du als Problem nur die Enthaltsamkeit siehst hast Du Imho noch viel zu üben im Dharma.


    Hast Du erfasst und in Dir verwirklichst, was der Weg ist, dann ist die "Enthaltsamkeit" für Dich nur noch ein Wort.


    _()_


    PS: Was ist der Grund für Dich zu ordinieren?

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Hallo Student,


    entweder Du schaffst es, Deine Energien, Prana oder wie auch immer - je nach Tradition - sich das nennt, so zu leiten, dass der Genuss aus sexueller Aktivität fade erscheint gegenüber spirituellen Glücksgefühlen, oder Du musst warten, bis Du sehr alt bist, denn dann ist der Hormonspiegel heruntergefahren und dann hat sich das Problem von selbst gelöst.

    Man kann ein bisschen was erreichen, indem man "es" einfach nicht tut. Es ist ähnlich wie mit dem Essen von Zucker, Reis oder feinem weißem Mehl, die allesamt Suchtstoffe sind, sowie auch Glutamat: je mehr man davon isst, desto mehr will man davon essen, obwohl man anfangs nur ein kleines Häppchen essen wollte. Denke nur mal an Kartoffelchips!

    Du kannst es natürlich versuchen, durch Verzicht auf Sexualität den Wunsch danach Schritt für Schritt zu verlieren, aber das ist kein sicherer Weg. Das funktioniert nur bei den Wenigsten. Unsicher ist der Weg deshalb, weil er von vielen Störfaktoren begleitet ist. Die vordergründigen Störfaktoren sind zunächst mal, dass ein Reiz da ist. Das lässt sich auch im Klosterleben nie 100%ig vermeiden. Die langfristigen Störfaktoren aber, die sind fataler, weil sie ganz subtil anfangen, ohne dass man es merkt. Das könnte z. B. schon im hierarchischen System der im Kloster lebenden Personen begründet sein. Viele, die lange im Kloster leben, holt der Alltag wieder ein. Man kann dem Alltag scheinbar entfliehen, doch wenn das individuelle Bewusstsein aufgrund der Konstellation, die nach einem Schicksalsausgleich verlangt, gewisse Gegebenheiten anzieht, so macht es auch nicht vor dem Wechsel einer äußeren Lebensweise Halt. Mit anderen Worten, Deine bisherige Baustelle wird Dich wieder einholen, da kannst Du fliehen wohin Du willst, es wird nichts nützen.


    Die Energien in die richtigen Bahnen zu leiten, erfordert eine äußerst fachkundige Begleitung von einem spirituell sehr fortgeschrittenen Lehrer. Aber ich kann Dir sagen, ich bin schon 50 Jahre im Buddhismus beheimatet und mir ist noch nie so ein fachkundiger Lehrer begegnet.

    Die Lehrer, die man trifft, lehren das, was man auch in Büchern lesen kann. Sie weigern sich, einem die höhere spirituelle Kunst beizubringen, vermutlich, weil sie selbst darin nicht versiert sind. Überschätze das alles also nicht.

    Wenn man noch sehr jung ist, glaubt man noch so viel Zeit vor sich zu haben und die Erleuchtung schaffen zu können, aber je älter man wird, desto unrealistischer wird es. Und desto unrealistischer wird es auch, angesichts eines gewissen Hormonspiegels seine Energien fokussiert in die richtigen Bahnen zu lenken.


    Ich selbst habe schon lange alles über den Haufen geworfen und lebe nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert."

    Aber Spaß beiseite, keineswegs ist bei mir etwa ein animalisches Chaos ausgebrochen, ganz im Gegenteil.

    Allerdings lebe ich gern meinen Alltag, so wie er ist, mit all seinen Anforderungen. Bin längst überzeugte Realistin, ganz im Gegensatz zu meinen jungen Jahren, als ich dachte, nur das Klosterleben sei das Maß aller Dinge, alles andere nur Stückwerk....


    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Du hier von meinen Ausführungen überhaupt nicht überzeugt bist. Doch will ich ja auch niemanden überzeugen. Es ist nun mal leider so, ein Naturgesetz sozusagen, dass niemand von äußeren Belehrungen weiser oder klüger wird. Vielmehr muss jeder seine eigenen Erfahrungen machen (und das dauert nun mal viele Jahre).

    Und dazu gehört zum Beispiel auch, dass das Unterdrücken der Sexualität nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

    Wenn man noch sehr jung ist, ist die Sexualität ein sehr starker Trieb, das hat die Natur so eingerichtet, denn dann sind die Körperzellen noch knackfrisch, die Chromosomen noch kaum durch Verlust von Telomeren geschädigt, und können gesündere Nachkommen erzeugen als im fortgeschrittenen Alter. Sieh es (die Sexualität) daher nicht als Last, Leid oder Hindernis an, sondern als eine natürliche Gegebenheit.


    Und wenn Du durch den Sinn natürlicher Gegebenheiten erschaust, dass auch Du ein wichtiges Element natürlicher Prozesse bist, dann wird Dir klar werden, dass Du nichts weiter zu machen brauchst, als aus allem das mit Deiner vorhandenen Kraft Beste zu machen. Dann wird es Dir wie Schuppen von den Augen fallen, dass ein glückliches und erfülltes Leben nicht in der Unterdrückung der Sexualität bzw. im Eintritt ins Klosterleben begründet ist.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Willkommen aus Hamburg Student 💐


    Die Bikkhus des Buddha strebten nach Befreiung.

    Möglicherweise sollte erst einmal die Befreiung verstanden werden indem ein Lehrer hinzugezogen wird, dann ergibt sich zb auch ein Umsetzen in der täglichen Praxis von Zölibat viel leichter.


    Die Enthaltsamkeit betrifft zudem nicht nur das Zölibat, der Buddha lehrte dazu 44 Details.🙏

  • Wie erreicht man als Buddhist den Zustand der Enthaltsamkeit?

    Ich finde es höchst annerkennenswert das du diesen Weg entscheiden möchtest. Das ist bestimmt kein einfacher Weg und wie du schon sagst vielleicht sehr schwer zu verwirklichen, wenn man hier im westen aufgewachsen ist. Ich denke das es vielleicht sinnvoll sein könnte bevor man sich für die Enthaltsamkeit entscheidet, vielleicht einfach anfängt. Z.b beim essen sich hier zurückzuhalten und Hunger auszuhalten und das essen etwas hinauszögern.


    Alles gute auf deinem Weg


    Viele Grüße Fred

  • Soweit ich weiß, hat der Buddha auch gesagt, dass Sexualität (also der Trieb) erst "vernichtet" werden kann, wenn man ihn durch etwas Besseres ersetzt - durch die Vertiefungen. Vorher sei es unrealistisch.

    Insofern würde mich wirklich auch interessieren, wie das die Anfängermönche machen, das mit der Enthaltsamkeit. Oder sind die Vertiefungen für jeden außer mir ganz normaler Alltag? :shock::grinsen:

  • Soweit ich weiß, hat der Buddha auch gesagt, dass Sexualität (also der Trieb) erst "vernichtet" werden kann, wenn man ihn durch etwas Besseres ersetzt - durch die Vertiefungen. Vorher sei es unrealistisch.

    Insofern würde mich wirklich auch interessieren, wie das die Anfängermönche machen, das mit der Enthaltsamkeit. Oder sind die Vertiefungen für jeden außer mir ganz normaler Alltag? :shock::grinsen:

    asubha-kammatthāna

    Kontemplation der Körperteile. Kāyagatāsati sutta.


    Alles Gute für Dich!

  • Inzwischen glaube ich, eine tantrische Praxis aus einem früheren Leben mitgebracht zu haben. Darum werde ich keine Details über meine Praxis verraten, weil Tantras geheim sind.

    Nur so viel: Der größte Fehler, den Mann dabei machen kann, ist der Ausstoß des Samens, was in tantrischen Praktiken nicht erlaubt ist. Aber ich glaube, dass ich es im vorigen Leben ohne Orgasmus getan habe und auch jetzt das Potenzial dazu habe.

    Die meisten westlichen Männer haben nach meiner heutigen Einschätzung kein grundsätzliches (körperliches) Problem mit der Enthaltsamkeit, aber ihr Geist strebt nach den Genüssen dieser Welt. Jedoch hatte ich in diesem Leben immer eine gewisse (unbewusste) Tendenz zur Entsagung, weshalb ich oft als "asozial" beschimpft wurde. Später strebte ich dann sogar nach Wohlstand, nur um der Verachtung durch andere Leute zu entgehen, aber das Geld interessiert mich nicht wirklich.

    Das alles veranlasst mich, meine Lebensweise aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Wahrscheinlich kann ich kein Keuschheits-Gelübde ablegen, aber es ist für den Eintritt ins Nirvana nicht unbedingt erforderlich.

    Woran ich sehr wahrscheinlich arbeiten muss, ist diese Furcht vor der Meinung anderer Leute.

    Danke für eure Mühe!