Der Stellenwert des physischen Körpers im Buddhismus

  • Hallo,


    einige von euch kennen mich noch nicht, ich bin neu hier im Forum und interessiere mich seit ca. einem knappen Jahr für Buddhismus.


    Bis vor einigen Jahren habe ich sehr viel Sport getrieben und bin leider durch gesundheitliche Gründe gezwungen, die meisten Sportarten nicht mehr ausführen zu können, die mir früher viel Lebensfreude bereitet haben.


    Ich spreche nicht von Anhaftung. Sport habe ich nie extrem betrieben, aber schon in dem Maße, dass es mir gut getan hat. Wenn ich Sport treibe, passiert auch etwas mit meinem Geist. Ich kann mich beim Klettern klar Fokussieren (bin achtsam und zugleich wachsam), äußerst konzentriert beim Ausführen bestimmter Bewegungsabläufe, z.B. beim Kung Fu. erhalte eine geballte Ladung Serotoninausschüttung, wenn ich beim Langstreckenschwimmen in einen "Flow" Zustand komme, der dem sehr ähnlich ist, den ich während einer langen Meditation in der Stille oftmals bekomme... Beim Qi Gong und Yin Yoga werden bestimmte Energien im Körper angeregt. "Qi-Stagnationen" in den Meridianen können gelöst werden. Beim Yoga geht es v.a. darum, den Geist ruhig zu bekommen und den Körper geschmeidig zu halten...


    Aber als ich mich kürzlich mit einer Belehrung beschäftigt habe, bin ich ins Nachdenken gekommen...


    Es leuchtet mir ein, dass der Körper vergänglich ist, extrem gesagt "ein Gerippe mit Fleisch, das langsam zerfällt", wie es die Rednerin ausdrückte. Nichts, dass es Wert sei, daran anzuhaften, im Sinne von Schönheitsidealen, Körperkult o. ähnlichem.


    Auch im Sinne von Begierde (triebhaften Verlangen nach Sex/körperlicher Zuwendung...) kann ich den Körper als etwas negativ behaftetes sehen.


    Aber wie sieht es eigentlich andersrum aus? Ist der konventionelle menschliche Körper nur negativ besetzt im Buddhismus? Es geht ja immer sehr stark um das Thema Leid. Ich muss sagen, das leuchtet mir schon ein, Geburt, altern, Krankheit, Tod, das sind ja Leiden, die mit dem Körper verbunden sind.


    Aber soweit ich das verstanden habe, gibt es daran nichts Gutes. Auch der Geist kommt nicht gut weg (all die Hindernisse auf unserem Weg). Aber es geht ja um die geistige Entwicklung, die Geistesschulung... Also hier ist irgendwo eine hoffnungsvollere Einstellung vorhanden (finde ich).


    Warum wird die geistige Entwicklung so stark betont gegenüber der körperlichen Entwicklung?


    Wenn man beide als konventionell existierend sieht, die frei von inhärenter Existenz sind, also beide leer sind, wozu dann die einseitige Betrachtung. Ist nicht alles voneinander abhängig und meist auch vergänglich? Geht es dem Körper schlecht, leidet auch der Geist und umgekehrt. Mir fehlt da irgendwie die ganzheitliche Betrachtung.:om:


    Oder sehe ich das komplett falsch?:nosee:

  • Man spricht von der kostbaren menschlichen Existenz wie vom kostbaren Menschenkörper.

    Das Vehikel das zur Befreiung genutzt werden kann,gesund und fit zu halten ist durchaus angebracht,denke ich.

  • Das Aufgeben der "Ganzheitlichen" Betrachtung ist die Lösung.

    Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.

    Sein UND Nichtsein, das ist hier die Antwort.


    Körper oder Geist, das ist hier die Frage.

    KörperGeist, das ist hier die Antwort.


    Die "Ganzheitliche" Betrachtung ist doch in Wahrheit eine Denkart, die den Geist vom Körper trennt.


    Wenn, wie bei mir, Körper/Geist herrscht, kommt das niemals in Äußerungen des Geistes zum Ganzen zum Vorschein, es ist immer der Geist, der sich über den Körper herrschend glaubt, als eigenständiges, selbständigen Wesen, ICH BIN.


    Das ist ein guter Zustand, denn er entspricht meinem Wissen, meinem Wahrnehmen und meinem Empfinden von Ganzheitlich sein. Ob das Geistig meint, sich im Äußern als Wichtigtuer ausgeben zu müssen, ist dem KörperGeist egal, der sorgt dafür, dass dem Leben dieses KörperGeistes nichts durch die Handlungen des Geistes ICH BIN geschieht.


    Die Stellung des physischen Körpers im Buddhismus ist eindeutig abwertend.

    Bei Buddha sieht es scheinbar so aus. Er versucht mit seiner abwertenden Beschreibung die Anhaftung des ICHBIN.. (dieser KörperGeist) zu beseitigen. Ihm geht es darum das ICHBIN von den Anhaftungen an den physischen KörperGeist, klarzumachen.

    Von Buddha hab ich die Beschreibungen als Erfahrung erkannt.

    Ohne KörperGeist gibt es kein ICHBIN!

    Das ICHBIN muss nur erkennen, dass es eben nicht der KörperGeist ist, aber ohne ihn nicht existieren kann und sei es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Buddha erkennt das ICHBIN als temporärer Zustand, der seine Berechtigung hat in der speziellen Kommunikation der Menschen.

    Ist kein Mensch in der Nähe, gibt es auch kein ICHBIN.

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  • Warum wird die geistige Entwicklung so stark betont gegenüber der körperlichen Entwicklung?


    Wenn man beide als konventionell existierend sieht, die frei von inhärenter Existenz sind, also beide leer sind, wozu dann die einseitige Betrachtung. Ist nicht alles voneinander abhängig und meist auch vergänglich? Geht es dem Körper schlecht, leidet auch der Geist und umgekehrt. Mir fehlt da irgendwie die ganzheitliche Betrachtung

    Hallo Tara und herzlich willkommen.


    Die geistige Entwicklung hat für mich nur den einen Sinn, nämlich das Erkennen der Verblendung, die zu Gier und Hass führt.

    Es ist eine notwendige Schulung, will man erkennen, was Leiden wirklich bedeutet.


    Nämlich nicht wie Du meinst "Geht es dem Körper schlecht, leidet auch der Geist und umgekehrt." Das ist sozusagen der Normalzustand.


    Das ist ja nur der Fall, solange wir verblendet sind und noch nicht wirklich vom Leiden befreit sind. Das Leiden allgemein geht weiter, aber bin ich geistig davon frei, es berührt mich nicht mehr. Was nicht bedeutet, dass mich das Leiden anderer Lebewesen nicht mehr berührt. Ganz im Gegenteil. Aber mein eigenes Leiden ist nur solange wirksam, wie ich es im Geiste fokussiere, immer wieder beklage und dadurch fortdauern lasse.


    Durch die Geistesschulung jedoch wird es mir möglich, auftauchendem (eigenem) Leid die Macht zu nehmen. Wenn auch - wie gerade in meinem Fall - nicht unbedingt sofort, so doch aber durch Reflektion und Meditation ziemlich schnell. Denn das nenne ich die "geschickten Mittel". Ich habe mich endlich wieder darauf besonnen und - oh Wunder - förmlich "gesehen", wie es verschwand. Die Situation ist dieselbe, ich bin immer noch dieselbe, ich altere trotzdem, aber mein Herz ist nicht mehr betrübt.


    Schon deswegen allein lohnt sich die Geistesschulung. Und eben deswegen ist der Geist von besonderer Bedeutung und dem Körper überlegen.


    Ganzheitlich betrachtet ist die Folge, dass es auch dem Körper besser geht, wenn es dem Geist gut geht.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Warum wird die geistige Entwicklung so stark betont gegenüber der körperlichen Entwicklung?


    Wenn man beide als konventionell existierend sieht, die frei von inhärenter Existenz sind, also beide leer sind, wozu dann die einseitige Betrachtung. Ist nicht alles voneinander abhängig und meist auch vergänglich? Geht es dem Körper schlecht, leidet auch der Geist und umgekehrt. Mir fehlt da irgendwie die ganzheitliche Betrachtung.:om:

    Ja es ist alles voneinander abhängig und vergänglich bzw. ständiger Veränderung unterworfen. Weil wir also weder etwas Körperliches noch etwas Geistiges festhalten können leiden wir wenn wir an etwas davon anhaften. Wir wollen etwas für immer haben, das geht aber nicht. Deshalb sagt der Buddha dass Begehren die Ursache von dukkha ist und um diese Erkenntnis zu entwickeln gibt es den achtfachen Pfad.

  • Es leuchtet mir ein, dass der Körper vergänglich ist, extrem gesagt "ein Gerippe mit Fleisch, das langsam zerfällt", wie es die Rednerin ausdrückte. Nichts, dass es Wert sei, daran anzuhaften, im Sinne von Schönheitsidealen, Körperkult o. ähnlichem.


    Auch im Sinne von Begierde (triebhaften Verlangen nach Sex/körperlicher Zuwendung...) kann ich den Körper als etwas negativ behaftetes sehen.

    Wie Du bereits schreibst, geht es um die Anhaftungen. Die erzeugen Dukkha, das könntest Du als "negativ behaftet" ansehen, wenn Du magst. Der Körper ist IMHO aus buddhistischer Sicht so, wie er ist. Ein wichtiges Vehikel, weil wir nur von lebenden Menschen wissen, dass sie erwachen können, und von der Geburt an dem Verfall ausgesetzt. Darin ist meiner nach keinerlei Wertung enthalten. Wohl aber eine Warnung, nicht am gesunden Zustands des Körpers anzuhaften.


    Bei mir persönlich ist es so, dass meine Praxis viel Geistesschulung enthält, diese aber für mich gerade eine stärkere Verbindung des Geistes mit dem Körper und der Welt bewirkt.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Betrachte die 5 Gruppen, doch sieh sie nicht als "Ich" an.

    Erhalte den physischen Körper, doch sieh ihn nicht als "Mein" an.


    Nur durch das Bewusstwerden der Gruppen und des Körpers kannst DU von "Ich" und "Mein" Dich lösen.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Betrachte die 5 Gruppen, doch sieh sie nicht als "Ich" an.

    Erhalte den physischen Körper, doch sieh ihn nicht als "Mein" an.


    Nur durch das Bewusstwerden der Gruppen und des Körpers kannst DU von "Ich" und "Mein" Dich lösen.

    Betrachte die 5 Gruppen als Ich, doch verwechsel das bitte nie mit dem Ich das sich einbildet, das diese 5 Gruppen ihm gehören oder gar das sie die Persönlichkeit sind.

    Buddha sagt ganz eindeutig das die 5 Gruppen das Ich ohne mein, Ich bin, Selbsein ist. Warum schnallt das keiner?

  • Zitat

    Warum schnallt das keiner?

    Weil nicht jeder deine persönliche Auslegung des Buddhismus für die einzig Wahre / die einzig Richtige hält!

  • Hallo Tara79


    Im Buddhismus betont man schon das Geistestraining. Doch ist natürlich ein gesunder Körper vorteilhafter für eine achtsame Meditation. Ich habe selbst meine Erfahrungen gemacht wie es ist, sich mit einem gesunden Körper zur Meditation hinzusetzen (und ich meditiere auf dem Stuhl und nicht etwa im Lotossitz) und wie es ist, sich mit einem Körper zur Meditation zu begeben der "krank" ist (Piriformis Verspannungen, Schulterprobleme u.s.w.). Nur ein sehr erfahrener Meditierender kann diese Schmerzen ausblenden und sich voll auf das Meditationsobjekt konzentrieren. Der Körper ist also ein wertvolles Gefäß, damit der Geist zur Ruhe kommen kann. Sport kann helfen, den Körper gesund zu halten und ist sicher positiv, solange der Sport nicht mit der meditativen Praxis konkurriert ;) (der Flow im Sport ist für mich schon was anderes wie der "Flow" einer buddhistischen Meditation, insbesondere weil die Motivation eine völlig andere ist).


    P.S. Im Übrigen altert nicht nur der Körper, auch der Geist altert (Demenz).

  • Nur ein sehr erfahrener Meditierender kann diese Schmerzen ausblenden und sich voll auf das Meditationsobjekt konzentrieren.

    ... den Schmerz nicht ausblenden, (nicht ablehnen), lieber @Sherab, (das kostet zu viel Kraft), sondern einfach annehmen, (das, was ist, so, wie es eben ist, annehmen), um dann das Beste daraus zu macheṇ. LG mkha'

    Annehmen ist sicher besser liebe @mkha' . Aber auch das Annehmen kann vom Meditationsobjekt ablenken.

  • Tara79


    Es leuchtet mir ein, dass der Körper vergänglich ist, extrem gesagt "ein Gerippe mit Fleisch, das langsam zerfällt", wie es die Rednerin ausdrückte. Nichts, dass es Wert sei, daran anzuhaften, im Sinne von Schönheitsidealen, Körperkult o. ähnlichem.


    Auch im Sinne von Begierde (triebhaften Verlangen nach Sex/körperlicher Zuwendung...) kann ich den Körper als etwas negativ behaftetes sehen.

    Hm, das verstehe ich rein intellektuell...

    Schaue mal, ich betreibe Yoga jeden Tag trotz sehr starken Schmerzen, und mehr als eine Stunde manchmal.... Der Körper ist der Tempel des Geistes. Warum man sollte die Trennung schaffen?

    Nach dem Integralen Yoga von S.Aurobindo , nur als der Beispiel, man strebt an den Leuchtenden Körper zu bekommen, wenn ich aber daran denke, ich erinnere sofort den Begriff "Das Klare Licht" im tibetischen Buddhismus. Und ich wage zu denken, es sei dasselbe.


    Auch im Sinne von Begierde (triebhaften Verlangen nach Sex/körperlicher Zuwendung...) kann ich den Körper als etwas negativ behaftetes sehen.

    Ach, das ist die universelle Eenrgie, die ist neutral.

    So wie der Teufel in dir, so auch der Gott, das Licht und die Dunkelheit, usw...

    Aber du , persönlich, entscheidest, und zwar jeden Augenblick wen! du nähsrst. Das ist doch in deiner Kraft!

    "Negativ" oder "positiv" sind / wären/ dann nur deine mentale Aufkleber, was aber zählt ist deine rechte Absicht, reine Absicht, so etwas...


    Die Stellung des physischen Körpers im Buddhismus ist eindeutig abwertend.

    Hm, ich bin mir aber nichts sicher, tut mir leid..

    Im Tantra man benutzt die Wut, das sexuelle Verlangen, der Zorn , uns alle möglche "negativ behaftete" Emotionen , um die schleisslich in die positive umzuwandeln, am ende aber die alle sind leer...

    Ich denke , nur das Mit-gefühl bleibt, denn dein Körper ist dann der Körper von allen Wesen zugleich.

    LG. und viel Glück! Auch mit dem Körper/ Geist.


    Ach, der Buddhismus ist doch der mittlere Weg, denke darüber nach, bevor du den eigenen Körper be/ver/-urteilst! / Nichts verletzend und nichts persönlich gemeint, sorry../

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Wenn es zu wild wird, benutze ich Schmerz als Meditationsobjekt.

    Ja, ich entspanne mich dann, und ich lasse einfach den Schmerz zu, und ihn weiter loszulassen.... Interessant, dass er dann wirklich verschwindet, ich sehe aber drin keine Mystik...

    Ich bin nichts mein Körper, und nichts mein /""/ Schmerz....

    Und dann ich lande bei dem reinen Buddhusmus, der Körper, wie auch der Schmerz

    sind nichts mehr als der Werkzeug, das Vehikel, aber man versteht es nur dann, wenn man praktiziert,

    nichts intellellktuell es alles "zerredet".

    Dasselbe betrifft auch meine Emotionen, die sind leer, wenn man es zuerst analysiert, aber dann es auf so wie der "Körperlichen " Ebene ver-wirk-licht.

    Am ende man sieht so zusagen, in den eigenen UR-Grund, dort es gibt keine Dualität, wie Körper/ Geist, usw...

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates