"Eure Kinder sind nicht eure Kinder..." ? - Eltern-Kind-Beziehungen im Buddhismus

  • Lieber Hajobo ,


    Dein Erlebnis mit dem Psychologen, wirft mich bei dem Bemühen, die Aversion gegen diese Berufsgruppe zu mindern, ein gutes Stück zurück aber ich werde nicht aufgeben daran zu arbeiten. :?

    Natürlich weiß ich nicht, was bei dir zu "Aversionen" gegen Psychologen (bei mir handelte es sich um ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, deren Ausbildung wesentlich länger, umfangreicher und praxisbezogener ist) geführt hat, aber ich habe durch die Behandlung einen Ein- und Durchblick in unsere Familienstruktur, die Gründe für das Verhalten meiner Eltern und - last, but not least - in meine eigene Psyche bekommen - und sehr davon profitiert.

    Der letzte "Akt" , das Verstehen und Verzeihenkönnen, hätte ohne diese Unterstützung vermutlich nie oder erst nach dem Tod meiner Eltern, stattgefunden.


    Ohne (vorherige) Psychotherapie hätte ich auch den buddhistischen Weg nicht beginnen können, weil ich mich quasi nur durch die (kritischen) Augen meiner Eltern sah und nie richtig "ich selbst" sein "durfte".


    Das Ganze bringt mich zu den Fragen:


    1. Warum werden sowohl im Palikanon, als auch in der Bibel, immer die KINDER ermahnt, die Eltern zu "ehren" (lieben) und nicht umgekehrt?

    -Liegt es vielleicht daran, dass stillschweigend vorausgesetzt wird, dass Eltern grundsätzlich ihre Kinder lieben, gewissermaßen "von Natur aus" ,instinktiv?

    -Oder, weil Eltern dazu neigen, durchaus auch mit dem Vorsatz "das Beste" für die Kinder zu wollen, ihren Kindern während des Aufziehens viele (seelische, manchmal sogar körperliche) Verletzungen zuzufügen und die Kinder sich irgendwann wehren und abwenden?


    2. In welchem Maße sind Eltern für die Kinder verantwortlich?

    - Nach buddhistischem "Glauben" sind die Kinder ja wiedergeborene Wesen und bringen ihr Karma mit, was die elterliche Schuld an "Fehlentwicklungen" ihrer Kinder einschränkt...

    - Die Naturwissenschaft erklärt, dass Gene UND Umwelteinflüsse, also sowohl die Eltern, als auch die Erlebnisse außerhalb des häuslichen Umfeldes, entscheidend für eine gesunde Entwicklung und ein glückliches Leben seien.


    .........

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • (In meiner "gut-katholischen" Familie wurde berichtet, dass bei diesem "heiligen Akt", die Frauen der Großelterngeneration - und früher - , das "Ave-Maria" beteten....)

    Ah, sehr interessant!

    Und meine Mutter hatte eine Kollegin, die sagte mal: "Ich könnte dabei Zeitung lesen!"


    Wie auch immer - es gibt bei diesem Prozess viele Konstellationen, die mit der klassischen tibetischen Vorstellung, so wie es auch in der alten Lehre beschrieben ist, nicht zusammenpassen. Man denke bloß einmal an die Menschen, die in vitro entstanden sind.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Aus solchen Erfahrungen heraus entwickelt man, wie Monikadie4. schon schrieb, leichter Mitgefühl und Verständnis für die eigenen Eltern und meint auch, genau zu wissen, wie das Kind sich in diesem Moment fühlte (wobei es da auch Fehleinschätzungen gibt, denn jeder Mensch empfindet doch wieder anders...).

    Ich wollte nie Kinder, und das wusste ich schon, als ich so 10-12 Jahre alt war.

    Aber meine Mutter wurde gegen Ende ihres Lebens immer schwerer dement, und so vertauschten sich die Rollen. Damit wurde ich zu einer echten Mutter.

    Noch heute beschäftigen mich ihre Charakterzüge sehr stark und ich versetze mich oft in ihre Kindheit, versuche sie nachträglich zu verstehen. Sie starb mit fast 95 vor über 3 Jahren. Inzwischen sind ihre verbliebenen Bewusstseinselemente sicher wieder in einem ähnlichen Stadium, auch das beschäftigt mich, allerdings nicht so stark wie ihre Vergangenheit.

    Die Meisten stellen ein Bild auf von ihrem verstorbenen Elternteil - ich aber kann das nicht, denn damit fühlte es sich an, als ob ich sie in ihrer Weiterentwicklung behindern will.

    Im aktuellen Leben nimmt die Verbindung zu meinem 30jährigen Patensohn immer mehr zu, und wir sind beide sehr dankbar dafür und profitieren stark davon. Er fühlt sich bei mir besser aufgehoben und verstanden als bei seinen leiblichen Eltern, in jeder Hinsicht.


    Auch so kann's gehen!

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Natürlich weiß ich nicht, was bei dir zu "Aversionen" gegen Psychologen geführt hat...


    Warum werden sowohl im Palikanon, als auch in der Bibel, immer die KINDER ermahnt, die Eltern zu "ehren" (lieben) und nicht umgekehrt?

    Aversion war vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt, liebe Anna Panna-Sati. Ich kannte mal einen Seelendoktor, der hin und wieder ein wenig aus dem Nähkästchen plauderte aber das möchte ich nicht weiter kommentieren, will niemandem zu nahe treten.


    In der Regel lieben Eltern ihre Kinder und nehmen einiges auf sich, bis jene flügge werden. In früherer Zeit, als es noch kein so weit entwickeltes Sozialsystem gab (bzw. in Ländern, in denen es bis heute kein solches gibt), waren alte Eltern, deren Kinder sich nicht um sie kümmerten oder kümmern konnten, arm dran. Denn sobald sie nicht mehr selbst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten in der Lage waren, blieb als Alternative das Armenhaus oder der Hungertod. Solange wir jung sind, können wir uns nur schlecht in die Lage alter Leute hineinversetzen und wenn wir es dann endlich besser können, sind die Eltern nicht selten schon gestorben. Vielleicht ist das ein Grund für die Ermahnung in den heiligen Büchern, denn die findet man meines Wissens auch in der Torah und im Quran.

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

  • Hallo, liebe Amdap , vielen Dank für deinen berührenden Beitrag! _()_ :heart:

    Ich wollte nie Kinder, und das wusste ich schon, als ich so 10-12 Jahre alt war.

    Aber meine Mutter wurde gegen Ende ihres Lebens immer schwerer dement, und so vertauschten sich die Rollen. Damit wurde ich zu einer echten Mutter.

    Noch heute beschäftigen mich ihre Charakterzüge sehr stark und ich versetze mich oft in ihre Kindheit, versuche sie nachträglich zu verstehen.

    Alle Achtung und tiefen Respekt für dein "mütterliches" Engagement, das du deiner schwerkranken Mutter entgegengebracht hast - so eine Belastung schafft man sicher auch nur, wenn man viel Liebe und großes Verantwortungsbewusstsein in sich fühlt.

    Es ist bestimmt auch sehr schwer gewesen, am Ende loszulassen und alleine weiterzuleben?

    Ums Loslassen kommt ja keine "Mutter" herum....

    Im aktuellen Leben nimmt die Verbindung zu meinem 30jährigen Patensohn immer mehr zu, und wir sind beide sehr dankbar dafür und profitieren stark davon. Er fühlt sich bei mir besser aufgehoben und verstanden als bei seinen leiblichen Eltern, in jeder Hinsicht.

    Es freut mich für dich, dass du so eine harmonische Beziehung zu deinem Patensohn aufbauen konntest und ihr beide davon profitiert.

    Hoffentlich wissen das seine leiblichen Eltern auch zu schätzen.... (Meine Mutter reagierte seinerzeit ziemlich eifersüchtig auf meine Zuneigung zur Patentante, bei der ich mich natürlich auch über meine Eltern "ausheulte" ...)

    Es ist manchmal schon seltsam, wie wenig Eltern und ihre leiblichen Kinder zusammenzupassen scheinen. Ein Grund könnte sein, dass die Eltern - entgegengesetzt den Empfehlungen des obengenannten Gedichtes von Khalil Gibran - den Kindern zu sehr ihre Lebenseinstellungen und Gedanken oktroyieren, was bei diesen Widerstand, Abgrenzung und Gegensteuern hervorruft. :?

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • und wieder werden worte des dhamma falsch verortet ....

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Anna, ich denke inzwischen ganz anders über die Wahrnehmung der Kinder gegenüber den Eltern.


    Natürlich gibt es vernachlässigende und unfähige Eltern, ich denke jedoch, dass die Mehrzahl ihre Verantwortung ernstnehmen und mit Liebe und Wohlwollen ihre Kinder großziehen.


    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Erinnerung an die Kindheit, einzelne Erlebnisse etc. völlig verdreht werden.

    Hinzu kommt die Verblendung mancher Therapeuten.


    Die Therapeutin meiner Tochter behauptete doch glatt, ohne mich zu kennen, dass ich ja zur Generation derer gehörte, die antiautoritäre Erziehung propagierte. Dabei gehörte gerade ich zu denen, die strenger waren und konsequenter als meine eigenen Eltern.

    Ich hätte meiner Tochter keinen Halt gegeben.


    Zum Glück hat meine Tochter inzwischen ihre Sicht darüber geändert. Sie sagte vor einiger Zeit, ich hätte sie immer unterstützt und war immer für sie da.


    Ich kann das Gejaule von manchen nicht mehr hören.


    und wieder werden worte des dhamma falsch verortet ....

    Wie meinst Du das jianwang?


    Ich verstehe das so, dass wir grundsätzlich dankbar sein sollten, dass sie uns das Leben geschenkt haben und viele Opfer brachten, damit wir geschützt und gesund aufwachsen können, sogar so gut, um den dhamma zu erkennen.

    Oder?

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Hallo, liebe Monika,


    Natürlich gibt es vernachlässigende und unfähige Eltern, ich denke jedoch, dass die Mehrzahl ihre Verantwortung ernstnehmen und mit Liebe und Wohlwollen ihre Kinder großziehen.

    Da kann ich dir nur zustimmen, aber du weißt ja, wie es zugeht in dieser Welt: Man schaut immer mehr auf das, was NICHT gut läuft...und darüber wird viel mehr gesprochen.


    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Erinnerung an die Kindheit, einzelne Erlebnisse etc. völlig verdreht werden.

    Hinzu kommt die Verblendung mancher Therapeuten.

    Ja, Erinnerungen sind nicht so zuverlässig, wie sie uns vorkommen. leider....Und Therapeuten können bei Kindern sogar falsche Erinnerungen suggerieren, wie sich in der Aufbereitung von Missbrauchsfällen gezeigt hat.

    Schade, dass du die Therapeutin deiner Tochter nicht persönlich kennenlernen konntest, ich hatte damals das Glück, dass meine Mutter bei einer Sitzung dabeisein durfte - was uns ein großes Stück weitergebracht hat. Nach der Stunde konnte ich sie - zum 1. Mal seit vielen Jahren - aus vollem Herzen umarmen...


    Schön, dass deine Tochter auch dankbar auf dich zugegangen ist, manchmal dauert es halt etwas, bis man eine erwachsene Sicht auf die eigene Kindheit einnehmen kann. :) _()_ :heart:

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    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Naja Anna, meine Tochter war schon 40 und Ärztin. Da konnte ich schlecht bei dem Gespräch dabeisein.


    Das witzige ist, dass sie in ihrer Jugend bis zur Ausbildung als Schmerztherapeutin meine "Erziehung" so gut fand, dass sie sagte "so würde ich das auch machen".

    Erst durch die Ausbildung und die Probleme der Patienten sah sie Parallelen zu sich und wollte das erforschen.


    Fazit: Erst durch das Sezieren wird ein Stein ins Rollen gebracht, selbst wenn das Schwachsinn ist.

    Sind wir krank, weil wir unser Verhalten für krank halten, z.B. weil wir empfindsamer sind.

    Oder sind wir sogar krank, nur weil wir resilent sind, oder sogar sehr gesund :o

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    Ayya Khema

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  • Würde nur ein Mönch nicht auch ein Hausmensch sein, würde er sehr schnell verhungern.

    Genau das stimmt ja nicht. In den Klöstern sind die Ordinierten nicht verhungert. Auch zu den Zeiten als der Buddha mit den Ordinierten noch auf Bettelgang ging, ist keiner verhungert. Auch die Ordinierten, die als Wandermönche durch Indien gezogen sind, verhungerten nicht, da sie Almosen bekamen.

    Das ist doch klar. Ich vergesse ihnen das auch nicht. Hätten sie die Lehre des Buddha eingehalten, hätten sie sich ihr Essen selbst besorgen müssen.

    So, durch ein Kloster als Zentrum einer Infrastruktur des versorgen müssen aufgebaut, hat unsagbar viele Tote zur Folge gehabt. Der Hunger kam erst zuletzt bei den Klöstern an.


    Nicht Kloster Lebende waren den Mönchen egal. Wichtig war ihnen nur, dass die Herren der Leibeigenen und Sklaven dafür sorgten, dass die Mönche ihre selbst erzeugte Aufgabe erfüllen konnten und ihren Gebern durch Gebete und Beispiel für befreit sein, erfüllen konnten.

    Auch die Mönche des Buddhas waren oberste Schicht, genau wie die Brahmanen. Dieses Kastensystem hat der Buddhismus gerne übernommen. Als heutiger Buddhist kann man das auch gerne übersehen, würde aber erkennen lassen, dass der Buddhismus viel Leid erzeugt hat, anstatt den Verhungernden zu helfen, wenn unausweichlich mit ihnen sterben.


    Aber das kennen wir ja auch aus dem Christentum. Denn, wenn die christlichen Würdenträger nach der Lehre Christi gelebt hätten, gäbe es keine Kirche Roms. Die Kirche wäre im Dorf.

  • Alle Achtung und tiefen Respekt für dein "mütterliches" Engagement, das du deiner schwerkranken Mutter entgegengebracht hast - so eine Belastung schafft man sicher auch nur, wenn man viel Liebe und großes Verantwortungsbewusstsein in sich fühlt.

    Es ist bestimmt auch sehr schwer gewesen, am Ende loszulassen und alleine weiterzuleben?

    Ums Loslassen kommt ja keine "Mutter" herum....

    Ich habe meine Mutter beschützt und verteidigt, und im Seniorenheim habe ich um sie gekämpft.

    So wie eine Mutter um ihr Kind herum ist. Es kam wirklich von Herzen und das größte Anliegen war es für mich, ihre Würde zu bewahren und zu schützen.

    Doch früher hat meine Mutter sehr viel in der Erziehung falsch gemacht, was mich sehr belastet hat, ohne dass sie es merkte. Es hat mir ein paar Jahre meines Lebens gestohlen.

    Meine Mutter und ich waren sehr verschieden voneinander - die einzige Gemeinsamkeit war die, dass wir beide sehr nachgiebig waren und immer versuchten, einander die Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen. Darum hat es geklappt, dass wir - meinerseits mit kleiner beruflicher Unterbrechung - Jahrzehntelang in einem gemeinsamen Zweier-Haushalt leben konnten.


    Aber, ich muss sagen: das Loslassen ist mir überhaupt nicht schwergefallen, es war eher leicht für mich. Vielmehr hatte ich Sorge, dass sie nicht loslassen kann, denn irgendwann kommt ja mal für jeden die Zeit des Abschieds (darum habe ich immer am Totenbett zu ihr gesagt: "Du bist stark, Du kannst allein gehen. Dreh Dich nicht um zu mir, dreh Dich nicht um! Geh in das helle Licht!" Sechs Wochen später gratulierte sie mir zum Geburtstag, indem ein Kalender herunterfiel, der unter normalen Umständen gar nicht hätte herunterfallen können). Trotz ihrer schweren Demenz wusste sie immer, wer ich war; alle anderen Menschen lernte sie jeden Tag neu kennen. Allerdings dachte sie zuletzt, wenn sie überhaupt noch inhaltlich etwas über mich dachte, dass ich zur Schule gehe, und sie fragte mich, als sie noch fragen konnte, ob ich denn immer artig bin bei den Lehrern und ob ich immer meine Hausaufgaben mache (dieses kurz vor meinem Renteneintritt). Sie war überglücklich, dass ich das Spiel mitspielte. Es machte mir sogar Spaß.


    Wie schon gesagt, ihre Kindheit beschäftigt mich heute noch sehr.

    Von allen Nachfahren ihrer Familie weiß ich noch am meisten, allerdings liegt das daran, dass sie früher gern erzählt hat und außerdem die Zweitälteste war (der Älteste ist im 2. Weltkrieg als Soldat verschollen).


    Schon nach nur zwei Generationen weiß man kaum noch etwas über das Leben der Großeltern. Das liegt daran, dass man als Kind anders gepolt ist und diese gezielten Fragen nicht imstande ist zu stellen. Wenn man dann selbst alt ist, bereut man es bitter.

    Manchmal denke ich, in dieser Hinsicht haben es indigene Völker mit ihrem archaischen Glauben besser. Sie halten die Vorfahren hoch in Ehren und wissen über sie zu erzählen, vielfach eingebettet in Rituale. Das gibt der Sippe ein starkes Gefühl der Geborgenheit und das Wissen, wie wichtig es ist, auf der Welt zu sein und diesen Sinn zu erfüllen.

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    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Danke Amdap, Deine Erfahrungen (Kalender fällt runter :lol: ) und Schlussfolgerungen decken sich mit meinen.

    _()_ :heart:Monika

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  • Liebe Monika,


    du hast recht, beim "Sezieren" wird viel gefunden, auch, was man vielleicht nie gesucht, sondern - mehr oder weniger bewusst - "begraben" hatte.

    Des weiteren ist es fraglich, ob dann immer die richtigen Schlüsse (auch vom Therapeuten) gezogen werden....Wenn man seelisch leidet, sucht man nach den Gründen dafür und nach der Entscheidung, eine Psychotherapie zu beginnen, wird dort, in der Regel, zuerst nach der eigenen Kindheit gefragt.


    Ich war 38 Jahre alt bei meiner ersten Therapie (tiefenpsychologisch- fundierte Th.) und meine Mutter in einer Sitzung mit anwesend, weil ich es mir wünschte und die Therapeutin sowie meine Mutter einverstanden waren.


    Was ich auch erst spät - durch eigene Erfahrung! - begriff, ist, wie schmerzhaft und kränkend es für eine Mutter sein kann, wenn die eigene Tochter (womöglich noch unterstützt von einer "Fachfrau"/einem "Fachmann") die ganze Erziehungsarbeit und/oder, noch schlimmer, die "MUTTERLIEBE", infrage stellt.

    Meine Mutter und ich sind nun - endlich - miteinander im Reinen, ich habe verstanden, dass sie - aufgrund IHRER Kindheitserfahrungen und ihrer Persönlichkeitsstruktur - nicht anders sein konnte, als sie war.... _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

    Einmal editiert, zuletzt von Anna Panna-Sati ()

  • Der fallende Kalender, besser das Geräusch, das er macht, ist ein Aufwecken mit dem dann Erfahren der selbst gemachten „Isolation“ durch Tagträumen, Schmerzwolke.

    _()_ _()_ _()_

  • Ja, das schmerzhafteste war damals für mich, dass nicht erkannt wurde, welche Anstrengungen und welchen Kampf es mich gekostet hat, für mein Kind in jeder Beziehung da zu sein. Ich war voll berufstätig, wollte nicht, dass sie in irgendeiner Weise anderen Kindern nachsteht, hatte immer gute Bildung im Blick, war immer bereit zu lernen und hab oft am Tag geguckt, was ich ihr Schönes mitbringen kann, ging mit ihr jede Woche schwimmen, brachte sie zum Turnen, spielte mit ihr Memorie - und habe sie gern geknuddelt und ihr abends Geschichten vorgelesen. Ich habe sie sehr geliebt und liebe sie noch immer sehr.


    Aber natürlich habe ich Fehler gemacht. Ich hatte Sehnsucht nach sexueller Erfüllung, Liebe und einer heilen Familie, die mich sogar nach Kanada verschlugen. Meine Tochter wurde immer wieder aus ihrem gewohnten Umfeld und von Freunden gezogen. Das würde ich heute anders machen.


    Durch den Dharma habe ich sofort erkannt, dass diese Triebe großen Schaden anrichten können.

    Deshalb kann ich mein Kind verstehen. Zu meinem Glück versteht sie mich heute auch. Sie sagte mal "Du warst ja noch so jung" :lol: :erleichtert: :D

    _()_

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    Ayya Khema

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    2 Mal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Entschuldigt, dass ich das so selbstmitleidig zum Ausdruck bringe, es ist das erste Mal ... und hoffentlich das letzte. Es war meine größte Verletzung in meinem Leben.

    :heart:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

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    ..."Wie eine Mutter mit ihrem Leben
    Ihr einziges Kind behütet und beschützt;
    So mögen wir für alle Wesen
    In unbegrenzter Liebe sein.
    "...


    (aus: Metta Sutta, Sutta Nipata 1.8 142-152)


    27. Entfaltung der Liebe - 7. Mettābhāvanā Sutta

    Was es auch an verdienstwirkenden Mitteln im Bereich der Bezüge gibt, sie alle haben nicht den Wert eines Sechzehntels der gemüterlösenden Liebe. Die gemüterlösende Liebe begreift sie in sich und leuchtet und flammt und strahlt.


    Gleichwie etwa aller Sternenschein nicht den Wert eines Sechzehntels des Mondenscheins hat, dieser vielmehr jenen in sich begreift und leuchtet und flammt und strahlt, ebenso nun auch: Was es da an verdienstwirkenden Mitteln im Bereich der Bezüge gibt, sie alle haben nicht den Wert eines Sechzehntels der gemüterlösenden Liebe. Die gemüterlösende Liebe begreift sie in sich und leuchtet und flammt und strahlt.


    Gleichwie etwa im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, die Sonne, am reinen wolkengeklärten Himmel emporsteigend, alles Dunkel des Raumes verscheucht und leuchtet und flammt und strahlt, ebenso nun auch: Was es da an verdienstwirkenden Mitteln im Bereich der Bezüge gibt, sie alle haben nicht den Wert eines Sechzehntels der gemüterlösenden Liebe. Die gemüterlösende Liebe begreift sie in sich und leuchtet und flammt und strahlt.


    Gleichwie etwa nachts zur frühen Dämmerung der Morgenstern leuchtet und flammt und strahlt, ebenso nun auch: Was es da an verdienstwirkenden Mitteln im Bereich der Bezüge gibt, sie alle haben nicht den Wert eines Sechzehntels der gemüterlösenden Liebe. Die gemüterlösende Liebe begreift sie in sich und leuchtet und flammt und strahlt.


    Ein Mensch, der sich in Liebe übt, in unbegrenzter, ganz bewußt, dem werden da die Fesseln dünn, der Haftung Schwinden merkt er bald.


    Und liebt er so ein Wesen nur, von Bosheit frei, dann bringt's ihm Heil: doch wer voll Mitleid alle meint, schafft unermeßliches Verdienst.


    Die Erd-Erobrer, Seher-Kön'ge, die spendend zogen durch die Welt: nur Sechzehntel an Wert ist dies vom Herzen, das von Liebe voll.


    Wer tötet nicht, nicht töten läßt, wer nimmer siegt noch siegen heißt, wer liebevoll zu allen ist, dem droht von niemand Feindschaft mehr.


    (Itivuttakam 27)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Ganz ♥ lichen Dank für die Zitate und den Song, Anna _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ein Mensch, der sich in Liebe übt, in unbegrenzter, ganz bewußt, dem werden da die Fesseln dünn, der Haftung Schwinden merkt er bald.

    Heißt das es keine Ein-,Be-, Grenzen dafür gibt, auch kein Rang und Namen, weder die eigenen noch die eines anderen. Jedes Berechnen von Liebe im Sinn von Anerkennung, Dankbarkeit oder Vergeltung bekommen ist keine Liebe.

    Bis diese Fessel sehr dünn wird, um verschwinden zu können, lässt unmessbare Mengen an Selbstsucht und Selbstmitleid erkennen und überwinden.