Buddhismus und das Yin-Yang Prinzip

  • Hallo Leute,


    ich beschäftige mich seit kurzem mit Yin und Yang und wollte euch fragen, ob ihr wisst, ob Buddha oder im Dharma über das Prinzip indirekt gesprochen wird.

    Google, ChatGPT und sonstige Recherchen haben bisher nicht viel ans Licht gebracht. Soweit ich weiß, hat Buddha nicht darüber gesprochen. Ich frage mich, ob es dennoch Überlappungen gibt.


    Außerdem wollte ich gerne wissen, ob der Buddhismus eher eine Yangige Art und Weise ist, Befreiung zu erlangen. Es geht ja viel ums loslassen und frei werden von den Fesseln des Leidens. Ist das nicht sehr "Yangisch"? So wie ich es verstanden habe, geht es bei Yin mehr darum anzunehmen und die Fülle des Lebens zu akzeptieren bzw. die Weiblichkeit ohne Bewertung zu erleben.


    Danke schonmal im Voraus für eure Beiträge! Ich bin dankbar für jede Rückmeldung zu diesem Thema und freue mich auch auf eine rege Diskussion. :)

  • Die Idee von Yin und Yang kommen aus China - also dem Daoismus. Von daher hatte dies auf Buddha wohl keinen Einfluß und wirkte sich dann auf den chinesischen Buddhismus auf.


    Auf der anderen. Seite gab es auch in Indien Ideen, in denen die Welt als Wechselspiel von Kräften gesehen wird z.B die Doshas im Ayurveda:


    Drei Prinzipien des Lebens (Doshas)

    In der Typologie spricht man von drei unterschiedlichen Lebensenergien, den sogenannten Doshas:[7]

    • Vata (Wind, Luft und Äther), das Bewegungsprinzip
    • Pitta (Feuer und Wasser), das Feuer- bzw. Stoffwechselprinzip
    • Kapha (Erde und Wasser), das Strukturprinzip

    Dosha (oder Doscha) bedeutet wörtlich übersetzt „Fehler(potential)“. Diese kommen nach ayurvedischer Vorstellung in jedem Organismus vor, da sie gemeinsam alle Vorgänge des Organismus ermöglichen. In einem gesunden Organismus sollten sich diese „Energien“ in einem harmonischen Gleichgewicht befinden, da sie sonst Fehler im System hervorrufen

    Und so wie es in China die Feng Shui Lehre gibt, gibt es in Indien die Geomantik des Vastu Vidaya wo es um die Kräfte der verschieden Himmelsrichtungen geht.


    Aber während in China Geomantik und traditionelle chinesische Medizin im Daoismus ein gemeinsames Vokabular fanden, war das in Indien nicht so. Die Lehren von der Harmonie der unterschiedlichen Kräfte blieben in ihren Spezialdomänen ( Medizin, Architektur). Am ehesten bietet die Idee des Yoga ( das Yogasutra ) soetwas.


    Aber all dies hatte jetzt auf den historischen Buddha wenig Einfluß. Während spätere Formen des Buddhismus durchaus yogischer waren und Indien aus dem Vatsu ( z.B Madalas) und der traditionellen Medizin aufnahmen

  • Außerdem wollte ich gerne wissen, ob der Buddhismus eher eine Yangige Art und Weise ist, Befreiung zu erlangen. Es geht ja viel ums loslassen und frei werden von den Fesseln des Leidens. Ist das nicht sehr "Yangisch"? So wie ich es verstanden habe, geht es bei Yin mehr darum anzunehmen und die Fülle des Lebens zu akzeptieren bzw. die Weiblichkeit ohne Bewertung zu erleben.

    Hi, QuadroCalais .


    Yang steht für das männliche Prinzip – für Kontrolle, Herrschaft, Kraft und das Streben, etwas zu erlangen. Yin hingegen verkörpert radikale Akzeptanz: das Leben so anzunehmen, wie es ist – ohne Wenn und Aber.

    In der archetypischen Psychologie nach C. G. Jung entsprechen diese Prinzipien der Anima (dem weiblichen Seelenanteil) und dem Animus (dem männlichen). Der Prozess der Individuation besteht darin, diese beiden Pole in ein inneres Gleichgewicht zu bringen.

    Der Daoismus war die Wiege des Zen-Buddhismus. Yoga, wie es etwa in den Sutras von Patanjali beschrieben wird, gehört allerdings nicht dazu. Vielmehr gibt es enge Verbindungen zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und zur Akupunktur.

    Ich verlinke dazu eine sehr gute Seite.


    Han Shan – Gedichte vom Kalten Berg – Qigong

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Außerdem wollte ich gerne wissen, ob der Buddhismus eher eine Yangige Art und Weise ist, Befreiung zu erlangen. Es geht ja viel ums loslassen und frei werden von den Fesseln des Leidens. Ist das nicht sehr "Yangisch"? So wie ich es verstanden habe, geht es bei Yin mehr darum anzunehmen und die Fülle des Lebens zu akzeptieren bzw. die Weiblichkeit ohne Bewertung zu erleben.

    Gautama Shakyamuni ( Buddha) entstammte ja der Kriegerkaste ( Kshatriya) - als deren Tugenden galten Tatkraft und Unternehmungsgeist (Rajas). Rajas entspricht in vielen dem Yang:


    Rajas ist die Leidenschaft und stellt somit das dynamische und kämpferische Element dar. Ihm wird die Farbe Rot zugeordnet. Die Leidenschaft ist „stützend“ (upastambhaka) und beweglich (chala). Rajas verursacht jede Art von Bewegung und veranlasst im Körper die Tätigkeit der Atemkräfte (pranada) und der Tatorgane (karmendriya). Rajas wirkt antreibend und betrübend und gehört zur Unreinheit (ashuddhi).

    DIeses "kriegerische Element" bemerkte man auch, als Gautama zum Asketen geworden war. Auch da versuchte er mit Willenskraft die Befreiung zu erzwingen:


    Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich nun mit aufeinander gepressten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwänge, niederdrückte, nieder quälte?' Und ich zwang nun, Aggivessano, mit aufeinander gepressten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt nieder, drückte es nieder, quälte es nieder. Und indem ich also, Aggivessano, mit aufeinander gepressten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwang, niederdrückte, nieder quälte, rieselte mir der Schweiß aus den Achselhöhlen. Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn ein starker Mann einen schwächeren, beim Kopf oder bei der Schulter ergreifend, niederzwingt, niederdrückt, nieder quält, ebenso rieselte mir da, Aggivessano, indem ich also mit aufeinander gepressten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwang, niederdrückte, nieder quälte, der Schweiß aus den Achselhöhlen. Gestählt war zwar, Aggivessano, meine Willenskraft, unbeugsam, gewärtig die Achtsamkeit, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig geworden durch diese so schmerzliche Askese, die mich antrieb. Und das solcherart mir entstandene Wehgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

    Rajas - die Beherrschung - das Kämpfen mit zusammengebissen Zähnen ( Yang) führt weit, aber nicht nicht vollständig zur Befreiung. Siddhartha wird dies bewußt und plötzlich erinnert er sich an einen "Yin" Moment in seinem Leben - ein Moment der willenslosen Heiterkeit:

    Und ab da war Siddhartha der Weg zur Befreiung klar. Zu dem Yang - dem Rajas seiner Erziehung zum Kshatriya war das Yin der Erinnerung an das Kindheitserlebnis unter dem Rosenapfelbaum hinzu getreten.

  • Was ist Kindheitswtkrbnis, Void?

    :lol:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Und ab da war Siddhartha der Weg zur Befreiung klar. Zu dem Yang - dem Rajas seiner Erziehung zum Kshatriya war das Yin der Erinnerung an das Kindheitswtkrbnis unter dem Rosenapfelbaum hinzu getreten.

    void .


    Nach Bhikkhu Anālayo sind diese Vertiefungen (Jhānas) tatsächlich. Aber! :!: Ein normaler Mensch sollte viele Stunden am Tag praktizieren. Und viele Monate, scheint mir, oder? Es ist eher die Regel, dass man all die Hindernisse Hemmungen beseitigen muss, um diesen Zustand des Samādhi zu erreichen.


    So steht es doch auch in der MN 36:


    Zitat

    Ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen ... mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind.“


    Ich habe wirklich Zweifel, dass es sich hier um den reinen Yin-Zustand handelt. Denn diesen Zustand muss man sich hart erarbeiten. Es könnte sich vielmehr um die Glückseligkeit handeln, die als Ergebnis entsteht – aber nicht spontan aus sich selbst heraus.

    Auch viele Theravāda-Lehrer, wie Ajahn Brahm, sprechen von einer sehr intensiven und konsequenten Praxis. Na ja, kann sein,( mit dem jungen Buddha,) ich war nicht dabei. :shrug:

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich habe wirklich Zweifel, dass es sich hier um den reinen Yin-Zustand handelt. Denn diesen Zustand muss man sich hart erarbeiten. :shrug:

    Ich habe da auch Zweifel. Yin und Yang beschreiben ja zwei Aspekte der Welt und ihrer Wandlungen. Und das Ziel im Daoismus ist es diese Kräfte in ein dynamisches Gleichgewicht zu bringen.


    Da hat der Buddhismus doch ganz andere Begriffe: Es geht nicht darum in der Welt ein harmonisches Gleichgewicht zu stiften, sondern die zu überwinden - und Gier und Hass verlöschen ( Nibbana) zu lassen.


    Von daher finde ich es sehr schwierig, da eine Brücke zwischen den Denkweisen zu schlagen.


    Auch in Japan gab es ja die Ideen von Yin und Yang ( Onmyōdō ) und einige Zeit sogar ein eigenes Ministerium dazu. Ich denke, aus buddhistischer Perspektive sah man darin etwas "weltliches" - Versuche durch die Kenntnisse von Zusammenhängen, Gesundheit, ein langes Leben zu erlangen, glücks- verheißende Zeitpunkte auszumachen und Krankheit und Unglück zu vermeiden. So dass man mit der richtigen Balance erfolgreich durchs Leben geht.


    Wahrend der Buddhismus ja eher ein Ideal von Welt-Überwindung statt von Welt-Balance hat.

  • Wahrend der Buddhismus ja eher ein Ideal von Welt-Überwindung statt von Welt-Balance hat.

    Das ist auch schwer, eindeutig zu beantworten. Zen betont stets das Leben im Hier und Jetzt – nicht das Überwinden, sondern vielmehr das Entdecken des Wunders im Alltäglichen. Die unermessliche Schönheit, die in allen Dingen verborgen liegt.

    Zum Beispiel:


    Zitat

    Stille!

    Der Zikadenlärm dringt in den Stein.

    Der alte Weiher.


    Ein Frosch springt hinein – oh!

    Das Geräusch des Wassers.


    Von Matsuo Bashō.


    Auch der historische Buddha hat weiter als Mensch gelebt – er war sehr aktiv: die Gründung des Ordens, so viele Dialoge – mit Königen ebenso wie mit ganz normalen Menschen, sogar mit Kriminellen, nach heutigen Maßstäben.

    Ist das also Weltüberwindung?

    Mir scheint, es geht eher um die Klischees – um die Schablonen und mentalen Karten, mit denen wir versuchen, die Lehre einzuengen und passend zu machen.-- Als könnte man sie auf einen Punkt festnageln.


    Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ja, der Daoismus versucht Yin und Yang in ein dynamisches Gleichgewicht zu bringen, damit es nach ihrer Mütze wirkt.
    Die vor Daoismus haben die Wirkungen, Wandlungen des dynamischen Gleichgewichts von Yin und Yang zu erforschen versucht und sie wussten, dass nichts dieses Eine stören kann.

    Sie hatten nur das Bedürfnis, mit diesem Dynamischen im Einklang zu handeln und zu bleiben.

  • Yin und Yang sind (Teil)Elemente des Daoismus. Man müsste den Daoismus erst mal besser verstehen. Um einen „Vergleich“ mit dem Buddhismus ziehen zu können: Beide kennen die „Leerheit“. Das achtsame Handeln im Augenblick. Das WuWei im Daoismus.


    Sonst frag mal den Pater Steindl-Rast:


    Was uns die fernöstliche Gelassenheit an die Hand geben kann
    Nicht-Handeln ist zentral in der chinesischen Philosophie des Daoismus. Wer dabei an ein passives Dasein denkt, irrt.
    www.srf.ch

  • Um das nochmal zuzuspitzen, ein harmonisches Gleichgewicht zwischen einem Yin und einem Yang ist aus buddhistischer Perspektive instabil, anicca. Daran anzuhaften ist eine Quelle von dukkha.


    Aber: Ich kann mir gut vorstellen dass für ostasiatische Buddhisten in China, Taiwan, Korea und Japan Daoistische Gedanken gut im Alltag mit buddhistischen kombiniert werden.

  • Um das nochmal zuzuspitzen, ein harmonisches Gleichgewicht zwischen einem Yin und einem Yang ist aus buddhistischer Perspektive instabil, anicca. Daran anzuhaften ist eine Quelle von dukkha.

    Was du noch sagst:


    Zitat

    »Die wahren Menschen fürchteten sich nicht, einsam zu sein. Sie vollbrachten keine Heldentaten, sie schmiedeten keine Pläne. … Sie kannten nicht die Freude am Leben und nicht die Abneigung vor dem Tode. … Gelassen kamen sie, gelassen gingen sie. ...«


    Ist das dukkha? Oder anicca? Hm?


    Zhuangzi


    Das ist der Buddhismus. Ein sehr gutes Buch dazu: So sprach der Weise. Chinesisches Gedankengut aus drei Jahrtausenden


    Oder das: Die Lyrik des Chan-Buddhismus

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

    Einmal editiert, zuletzt von Igor07 ()

  • Mir ist ein „Gedicht“ von Zen Meister Ryokan dazu eingefallen:


    Das I-Ging sagt, Glück liegt in der richtigen Mischung von:


    Heiss - kalt

    gut - schlecht

    schwarz - weiss

    schön - hässlich

    gross - klein

    weise - töricht

    lang - kurz

    hell - dunkel

    begrenzt - umfassend

    entspannt - konzentriert

    zunehmen - abnehmen

    rein - unrein

    langsam - schnell.


    - Ryōkan -


    Aus "Alle Dinge sind im Herzen"

    Poetische Zen-Weisheiten


    Yin und Yang könnte ich als die jeweiligen Gegensätze (Pole) in dem Gedicht erkennen.

    Und die Achtsamkeit und Gelassenheit damit umzugehen, „die richtige Mitte“ zu finden, als das was im Zen auch mit „Befreiung“ („Glück“) gemeint ist.


    Das I Ging ist noch mal viel älter. Und stellt verschiedene mögliche Gegensätze die im Leben Vorkommen sichtbar da.

    Sie werden über Symbole (Striche ganz einfach nur) für den Betrachter visualisiert. Und wurde deshalb auch als „Orakel“ versucht zu benutzen.


    Genauso wie der Yin und Yang Kreis reduziert auf ein Minimum einfach nur zwei Gegensätze aber gleichzeitig auch immer Harmonie und Gleichgewicht visualisiert: das Eine ist nie ohne dem Anderen.


    Alles ist dabei immer im Gleichgewicht (im Hintergrund der Leerheit). Egal wie die Gegensätze auch sind, erscheinen.

  • Yin und Yang erscheinen aus dem undefinierbaren Einen, durch die Wechselwirkung von Yin und Yang erscheinen die zehntausend Dinge. Yin und Yang sind unwandelbar und doch erscheinen durch sie alle Erscheinungen, ohne dass sie selbst erkennbar sind.