Die Leichenbetrachtung

  • Keine Sorge, die Leichen bleiben im Keller :shock:
    http://www.palikanon.de/majjhima/m010n.htm


    Wie geht ihr mit dieser Betrachtung um ?


    Ist es besser sich die Verwesung subjektiv (also ich werde verwesen) oder objektiv vorzustellen ( Da liegt vor mir mein Körper und verwest ) ?


    Haltet ihr diese Betrachtung für Befreiend ?


    .... für ungesund ( negative Bilder im Unterbewusstsein, ähnlich wie ein Placebo vielleicht )


    .... für sinnlos, da als Leiche das Bewusstsein gar nicht vorhanden ist, also niemand seine Verwesung erleben wird ?

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Das kommt darauf an, wo Deine Baustellen liegen lieber Mabuttar.
    Nicht alles ist für jeden gut. :)


    Über die Vergänglichkeit zu kontemplieren ist ein "muss". Aber das wie, ist individuell.

  • Mabuttar:

    Haltet ihr diese Betrachtung für Befreiend ?


    Ja weil wunderbar ernüchternd. Man sollte sich dabei aber wenn möglich vorstellen, dass es der eigene Körper ist und sich nicht an "Grusel"-Objekten ergötzen.


    Aber wem's schon schlecht wir, wenn er/sie Blut sieht, oder noch nie mit offenem Fleisch, Krankheit oder Tod visuell konfrontiert war, der sollte das vielleicht nicht machen ... auch raten viele das nur unter Anleitung eines Lehrers zu machen. Es gibt Lehrreden, in denen steht, dass sich Mönche vor lauter Ernüchterung das Leben gekommen haben.


  • Wenn da Leichenbetrachtung steht ist nicht gemeint das Du Dir eine Leiche vorstellen sollst sonder eine Leiche betrachten. Der Mann meint genau das was er gesagt hat.
    Es ist befreiend!

  • Wem Leichenbetrachtung zu hart ist, der kann erst einmal sich dahin trainieren, dass es dann geht.
    Vielleicht öfters einmal zum Metzger gehen und sich gut umschauen, was es da so gibt und sich vorstellen, wie es aussähe, lägen da Menschenteile zum Verkauf ausgestellt, da kann man auch öfters hin.
    Wenn das dann gesackt ist, dann einmal einer z.B. Schweineschlachtung mir Bolzenschussgerät beiwohnen und gut zusehen, bis die Würste auf dem Tisch liegen. Sehr beeindruckende Sache, vor allem am Anfang.
    Hat man dies dann verdaut, dann kann man sich einmal aufgebahrte Tote betrachten.
    Ist dies dann geschehen, dann die Pathologie besuchen, oder die Ausstellung Körperwelten.
    Wenn man dann in ein Land geht, in welchem die Leichen nicht sauber versorgt in Kühlräumen aufbewahrt werden, sondern draussen auf Holzbritschen herumliegen, dann ist das noch spannender und stinkt erbärmlich.
    So man gar sein Lager da für ein paar Tage und auch Nächte aufschlagen und beobachten kann, wie die Verwesungsfortschreitungen sind, Halbverwestes und Knochen in der Gegend herum liegen, sowie auch Tiere kommen, um zu fressen, kann die Sache dann vielleicht sogar vollständig kontempliert werden.
    Wer von Leichen verfolgt wird, z.B. in Albträumen, der sollte sich von den Verfolgern befreien. Huch, was bewegt sich da gerade hinter mir ? Aaah, befreit.


    Wünsche viel Ferknügen *schmünzel*
    TheNoOneOne

  • TheNoOneOne:

    Vielleicht öfters einmal zum Metzger gehen und sich gut umschauen, was es da so gibt und sich vorstellen, wie es aussähe, lägen da Menschenteile zum Verkauf ausgestellt, da kann man auch öfters hin.


    Find ich viel zu sauber, ordentlich, aufgeräumt und steril wirkend. Wo sind da die sich dunkel verfärbenden, stinkenden und Flüssigkeit absondernden, oder auch von Würmern bekrochenen Körperteile? Wie sollte man den Verfall des eigenen Körpers auf adrett aufgereihte hübsch rosa Schnitzel projizieren können? 8)



  • Keine Ahnung warum, letzten Abend in der Meditation habe mal meine erste richtige Todes-Meditatation durchgeführt, weil ich nicht wirklich weiß, was ich von dieser Art Meditation halten sollte. Ich denke, dass sie schon sehr wichtig ist. Es war jedoch nur eine leichte Todesmedation.
    Jedenfalls habe ich mehr als 30 Szenarien durchgespielt wie ich denn sterben könnte. Es gibt ja eine unzählige Vielfalt zu sterben. Nach dem 30ten Szenraio begann ich herzlich darüber zu lachen.


    Sehr wichtig erscheint es mir, dass es gänzlich unerheblich ist wie jemand stirbt.
    Wichtig ist nur, dass das eigene Wesen sein eigene Todesart nicht beurteilt.
    Ein wichtiger Schritt beim Loslassen von Anhaftigkeiten.


    Apropos Leichenbetrachtung. Eine Betrachtung realer Leichen ist nicht gut. Und ich kann davon nur abraten sich den Gedanken von Leichenbetrachtung hinzugeben. Die Welt der Gedanken ist eine besondere. Es ist nicht vorteilhaft Gedankenwelten von Leichen oder Leichenteilen zu konstruieren. Es ist eine unbewusste andere Form / zur Schaustell von Leiden. Dem Buddha ist ja daran gelegen Leiden zu vermeiden. Im schlimmsten Fall könnte das Ego sogar Gefallen daran fingen. Es gibt keinerlei Grund Gedanken in dieser Richtung explizit zu erschaffen und zu festigen. Scheint mir kein guter Weg zu sein.

    Der Zen-Buddhismus greift die Lehren des Buddha auf um sie dann wider zu verwerfen.
    Für einen Schüler ist der lehrreichste Meister er selbst.
    "Ich bin der Geist, dein Freund. Warum hälst du Ausschau nach jemand anderem?" ( Rumi, ein Sufi)

    3 Mal editiert, zuletzt von Askan ()

  • Ok danke für die Beiträge,


    ich denke wenn überhaupt, dann mach ich mir die Vergänglichkeit objektiv bewusst, also stell mir vor, dass mein Körper oder auch ein anderer vor mir verwest.


    Subjektiv mache ich es nicht, 1. Ich glaube es ist körperlich-psychisch ungesund sich ständig vorzustellen man guckt aus einem kranken verwesenden Körper raus -- Alle Dinge folgen dem Geist...


    2. Subjektiv werde ich wohl Krankheit erleben aber nicht meine Verwesung da kein Bewusstsein da ist.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Askan:

    Apropos Leichenbetrachtung. Eine Betrachtung realer Leichen ist nicht gut. Und ich kann davon nur abraten sich den Gedanken von Leichenbetrachtung hinzugeben.


    Ich glaube auch, das Leichenbetrachtung, zumindest für solche
    Menschen, die sich noch überlegen ob sie ihre Haare, lieber kurz oder
    lang nach links oder nach rechts gekämmt tragen sollten, noch nichts ist.

  • accinca:
    Askan:

    Apropos Leichenbetrachtung. Eine Betrachtung realer Leichen ist nicht gut. Und ich kann davon nur abraten sich den Gedanken von Leichenbetrachtung hinzugeben.


    Ich glaube auch, das Leichenbetrachtung, zumindest für solche
    Menschen, die sich noch überlegen ob sie ihre Haare, lieber kurz oder
    lang nach links oder nach rechts gekämmt tragen sollten, noch nichts ist.


    Da schimmert leistungsorientiertes Denken durch, in dem eine Konnotation von Verachtung mitschwingt. Ich denke nicht, dass dies sinnvoll ist.


    lg
    maus

  • Erdmaus:
    accinca:


    Ich glaube auch, das Leichenbetrachtung, zumindest für solche
    Menschen, die sich noch überlegen ob sie ihre Haare, lieber kurz oder
    lang nach links oder nach rechts gekämmt tragen sollten, noch nichts ist.


    Da schimmert leistungsorientiertes Denken durch, in dem eine Konnotation von Verachtung mitschwingt. Ich denke nicht, dass dies sinnvoll ist.


    Wiebitte?? Das hat doch mit "Verachtung" nichts zu tun und
    auch nichts mit "leistungsorientiertes Denken". Das hat was
    mit Realismus zu tun.

  • Ich habe Erdmaus deswegen auch schon eine private Nachricht geschrieben. Ich glaube wir sollten (Accina, Erdmaus und Askan) es dabei belassen.
    Sonst kommt es nur zu einem völlig unnötigen Diskussions-Spam in diesem Topic.

    Der Zen-Buddhismus greift die Lehren des Buddha auf um sie dann wider zu verwerfen.
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  • Moin Mabuttar
    Mir hilft unter anderem meine Beruf, mich mit dem Thema Vergänglichkeit im Allgemeinen und meiner Vergänglichkeit im Besonderen auseinander zu setzen. Ich bin seit 30 Jahren Krankenpfleger und arbeite seit 20 Jahren in einer Praxis für Dialyse und ambulante Chemotherapie.
    Außerdem hatte ich vor einigen Jahren einen Herzinfarkt.
    Sich vorzustellen aus einem kranken Körper raus zu schauen ist wenig hilfreich, da hast du recht. Sich vorzustellen, aus einem gesunden Körper raus zu schauen aber auch nicht. :D


    Zitat

    Alle Dinge folgen dem Geist


    Was heißt das für dich?


    Liebe Grüße
    Ji'un Ken

  • ich glaube wenn man das nachdenken über die vergänglichkeit übertreibt, erscheint einem doch nur alles grau und sinnlos.


    gruss zenbo

  • Ji'un Ken:

    Na ja, Zenbo, das kommt drauf an, was vergeht. :lol::lol:


    stimmt.


    gruss zenbo

  • darkwave:

    ich glaube wenn man das nachdenken über die vergänglichkeit übertreibt, erscheint einem doch nur alles grau und sinnlos.


    Wenn der Körper am Verwesen ist, bringt er keinen Gedanken "grau und sinnlos" mehr hervor. 8)
    Das soll nun keine Prophezeiung zum Zwecke des Trostes sein, sondern lediglich darauf hinweisen, dass der Gedanke "grau und sinnlos" in Abhängigkeit vom lebenden Körper entsteht. ;)

  • darkwave:

    ich glaube wenn man das nachdenken über die vergänglichkeit übertreibt, erscheint einem doch nur alles grau und sinnlos.gruss zenbo


    Das ist in der Tat genau so, solange man den Wünschen und Illusionen
    als etwas positives Nachhängt. Im Übrigen ist das "grau und sinnlos"
    erscheinen auch symptomatisch für jeden der auf Entzug ist und je
    länger dieser Mangel besteht.

  • @ Jiu Ken, Damit meinte ich, dass wenn man ständig Krankheit und Verwesung denkt und "verinnerlicht", der Körper auch krank wird.


    Ähnliches sieht man ja im Placebo Effekt oder bei Stigmata wo christliche Mönche u. a. die Wundmahle Jesu bekommen da sie ständig sich mit den Wundmahlen identifizieren.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:

    @ Jiu Ken, Damit meinte ich, dass wenn man ständig Krankheit und Verwesung denkt und "verinnerlicht", der Körper auch krank wird.


    Ähnliches sieht man ja im Placebo Effekt oder bei Stigmata wo christliche Mönche u. a. die Wundmahle Jesu bekommen da sie ständig sich mit den Wundmahlen identifizieren.


    Guten Morgen Mabuttar,
    es geht ja auch nicht um ständig, es geht darum, sich dieser Vergänglichkeit wirklich bewusst zu werden. Und vor allem geht es nicht darum, sich damit zu identifizieren, sondern ganz im Gegenteil, sich davon zu distanzieren, indem man sich nicht für den Körper hält - und das ist nur ein Aspekt der Meditation.
    _()_ Monika

  • Gerade wegen der traumatischen Wirkung, welche Leichenbetrachtungen haben können, habe ich ein Beispiel von Buddhadasa Bihikkhu gegeben, wie man als sehr zartbesaiteter Mensch, sich an die Sache herantasten kann. Zum Beispiel eben erst einmal recht harmlos beim Metzger anfangen. Das mag für viele ein zu harmloser Einstieg sein und so mancher Hardcore-Buddhist würde sich auch wohl gleich zu Anfang nackt in einen halbverwesten Leichenkadaver einzuwickeln vermögen, was ich aber nicht glaube, dass ein solcher hier gepostet hat, doch Praxis ist noch einmal etwas anderes, als sich die Dinge einfach nur im Geiste vorzustellen. Über seinen Aufenthalt auf einem Leichenverbrennungsplatz erzählt Ajahn Chah in "Erfahrbare Freiheit" und er erklärt, die Meisten haben Angst richtig zu praktizieren. Ajahn Chah war Thailänder und Aberglaube, Gespenstergeschichten und vor allem Angst vor bösen Geistern ist in Thailand auch heute noch weit verbreitet. Hier ein Auszug aus dem Kapitel "Mitten in der Nacht":


    Mitten in der Nacht
    Betrachtet einmal Eure Angst... Eines schönen Tages, als sich bereits die Nacht näherte, gab es kein Halten mehr... Wenn ich weiterhin versuchen würde, mit mir selbst vernünftig zu reden, dann würde ich niemals gehen. Also schnappte ich mir einen Novizen und ging einfach los.
    "Wenn es Zeit zum Sterben ist, dann lass es sterben. Wenn sich mein Geist so starrsinnig und dumm aufführt, dann lass ihn sterben", so dachte ich bei mir selbst. Im Grunde meines Herzens wollte ich eigentlich nicht gehen, aber ich zwang mich dazu. Wenn es sich um solche Dinge dreht und man wartet, bis sich alles genau recht verhält, dann wird man am Ende niemals gehen. Wann wird man sich jemals darin üben? Also ging ich einfach los.
    Ich hatte mich vorher noch nie auf einem Bestattungsplatz aufgehalten. Als ich dort ankam, fühlte ich mich derart, dass man es mit Worten kaum beschreiben kann. Der Novize wollte direkt neben mir kampieren, aber ich ließ es nicht zu. Ich ließ ihn weit entfernt die Nacht verbringen. In Wirklichkeit hätte ich ihn gern nahe bei mir gehabt, um mir Gesellschaft zu leisten, aber ich ließ das nicht zu. Ich ließ ihn weiter weg gehen, denn sonst hätte ich mich auf seine Unterstützung verlassen.
    "Wenn es solche Angst gibt, dann lass sie heute Nacht sterben." Ich hatte Angst, aber ich habe es gewagt. Es war nicht so, dass ich mich nicht fürchtete; aber ich hatte Mut. Am Ende muss man sowieso sterben.
    Nun, gerade als es dunkel wurde, hatte ich eine gute Gelegenheit, denn sie kamen mit einem Leichnam an. Was für ein Glück! Ich konnte noch nicht einmal spüren, wie meine Füße den Boden berührten, so sehr wäre ich am liebsten von dort weggelaufen. Sie wollten, dass ich ein paar Beisetzungsverse rezitierte, aber ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich ging einfach fort. Ein paar Minuten, nachdem sie gegangen waren, kehrte ich zurück und bemerkte, dass sie den Leichnam genau neben meinem Platz beerdigt hatten. Die Bambuslatten, die sie zum Tragen benutzt hatten, waren in ein Bett für mich verwandelt worden.
    Was sollte ich also jetzt tun? Es war auch nicht so, dass das Dorf sehr nahe war; es war zwei oder drei Kilometer entfernt.
    "Nun, wenn ich sterben soll. dann soll ich halt sterben..."
    Wenn ihr so etwas noch nie ausprobiert habt, dann werdet Ihr niemals wissen, wie das ist. Es ist wirklich eine echte Erfahrung.
    Als es dunkler und dunkler wurde, fragte ich mich, wohin ich hätte rennen können, inmitten dieses Leichenplatzes.
    "Oh, lass es nur sterben. Man wird sowieso nur in dieses Leben hinein geboren, um zu sterben."
    Sobald die Sonne untergegangen war, sagte mir die Nacht, ich solle in meinen glot[8] kriechen. Ich wollte keine Geh-Meditation mehr praktizieren, sondern nur schnell unter mein Netz. Sobald ich versuchte, auf das Grab zu zu gehen, war es, als würde mich etwas von hinten zurückziehen, um mich am Gehen zu hindern. Es war so, als würden meine Gefühle der Angst und des Mutes ein Tauziehen in mir veranstalten. Aber ich tat es. Auf diese Art müsst Ihr Euch üben.
    Als es dunkel wurde, schlüpfte ich unter mein Moskitonetz. Es war, als hätte ich eine siebenfache Wand um mich herum. Während ich meine vertraute Almosenschale neben mir stehen sah, war mir, als sähe ich einen alten Freund. Sogar eine Schale kann manchmal ein Freund sein! Ihre Präsenz neben mir war irgendwie tröstend. Ich hatte wenigstens eine Schale als Freund.
    Ich saß unter meinem Netz und betrachtete während der ganzen Nacht meinen Körper. Ich legte mich nicht hin, döste noch nicht einmal, sondern saß einfach still da. Ich konnte nicht schläfrig werden, selbst wenn ich es gewollt hätte, denn ich hatte solche Angst. Ja, ich hatte Angst, aber ich habe es trotzdem getan. Ich saß die ganze Nacht durch.
    Wer hat also den Mut, so zu praktizieren? Versucht es und seht selbst. Wer würde es wagen, auf einem Leichenplatz zu bleiben, wenn es sich um solche Erfahrungen handelt? Wenn man es nicht einfach tut, bekommt man auch nicht die Ergebnisse, man praktiziert nicht wirklich. Zu jener Zeit habe ich wirklich praktiziert.
    Als der Tag angebrochen war, empfand ich: "Oh! Ich habe es überlebt!" Ich war so froh. Ich wollte nur noch den Tag und überhaupt keine Nacht mehr. Ich hätte am liebsten die Nacht abgeschafft und nur das Tageslicht übrig gelassen. Ich fühlte mich so gut, ich hatte ja überlebt. Ich dachte: "Oh, da ist nichts weiter dabei, es ist nur meine Angst, das ist alles."
    Nach dem Almosengang und der danach verzehrten Mahlzeit fühlte ich mich gut; die Sonne kam hervor, und ich fühlte mich warm und behaglich. Ich ruhte mich aus und ging für eine Weile auf und ab. Ich dachte: "Heute Abend sollte ich eigentlich eine gute, ruhige Meditation erleben, nach allem, was ich bereits gestern Nacht durchgemacht habe. Da gibt es wahrscheinlich nichts mehr zu tun."
    Dann aber, später am Nachmittag - hätte man es sich nicht denken können -, kam noch einer, und diesmal ein Großer,[9] Sie brachten den Leichnam herein und verbrannten ihn genau neben meinem Platz, gerade vor meinem glot. Und das war sogar noch schlimmer als in der vorherigen Nacht!
    "Nun, das ist gut so", dachte ich, "es wird meiner Praxis helfen, dass sie den Leichnam hierher bringen, um ihn zu verbrennen." Trotzdem bin ich nicht zu ihnen gegangen, um irgendwelche Rituale für sie zu verrichten, und ich wartete, bis sie gegangen waren, bevor ich einen Blick darauf warf.
    Ich kann Euch nicht beschreiben, wie das war, die ganze Nacht zu sitzen und zuzuschauen, wie dieser Körper verbrannt wurde. Worte können das nicht beschreiben. Es gibt nichts, was verbal die Angst ausdrücken könnte, die ich empfand. Mitten in der Nacht, wohl bemerkt! Das Feuer des brennenden Leichnams flackerte rot und grün, und die Flammen züngelten sanft. Ich wollte vor dem Körper Geh-Meditation praktizieren, aber ich konnte mich kaum dazu überwinden. Schließlich ging ich unter mein Netz. Der Gestank des brennenden Fleisches blieb während der ganzen Nacht bestehen.
    Und das war, bevor es erst richtig losging...
    Während die Flammen sanft dahin flackerten, wendete ich dem Feuer meinen Rücken zu. Ich vergaß den Schlaf; ich konnte noch nicht einmal daran denken, denn meine Augen waren geradezu fixiert vor lauter Angst. Und es gab niemanden, an den ich mich hätte wenden können; es gab nur mich. Ich musste mich auf mich selbst verlassen. Ich wusste nicht, wohin ich hätte gehen können, es gab keinen Ort, an den ich in der finsteren Nacht hätte rennen können.
    "Nun, dann werde ich hier sitzen bleiben und sterben. Ich werde mich nicht von der Stelle bewegen."
    Geht man von einer gewöhnlichen Geistesverfassung aus: Würde man so etwas tun wollen? Würde der Geist Euch in so eine Situation bringen? Wenn Ihr versuchen würdet, es zu rationalisieren, dann würdet Ihr niemals gehen. Wer würde schon so etwas tun wollen? Wenn Ihr kein starkes Vertrauen in die Lehre des Buddha hättet, könntet Ihr es niemals tun.
    Es war mittlerweile 10 Uhr nachts, und ich saß mit meinem Rücken zum Feuer. Ich weiß nicht genau, was es war, aber ich hörte mit einem mal ein schlurfendes Geräusch vom Feuer hinter mir. War der Sarg in sich zusammengefallen? Oder vielleicht machte sich ein Hund an der Leiche zu schaffen? Aber nein, es hörte sich wie ein Büffel an, der gleichmäßigen Schrittes herum lief.
    "Nun, was soll es..."
    Aber dann begann es, auf mich zu zu gehen, genau wie ein Mensch! Es begab sich genau hinter mich, mit schweren Schritten wie von einem Büffel, aber dann auch wieder nicht... Die Blätter knirschten unter den Schritten, während es herum ging, um nach vorn zu kommen. Jetzt konnte ich mich nur noch auf das Schlimmste vorbereiten, wohin hätte ich sonst gehen können? Aber es kam dann nicht ganz nahe heran, sondern schlug nur einen Bogen um mich herum und ging dann in Richtung des Novizen davon. Daraufhin war alles ruhig. Ich weiß nicht, was es war, aber meine Angst ließ mich an viele Möglichkeiten denken.
    Ich glaube, es war ungefähr eine halbe Stunde später, als die Schritte aus der Richtung des Novizen wieder zurückkamen. Genau wie ein Mensch! Dieses Mal kam es ganz nahe an mich heran, so, als wolle es mich überrennen! Ich schloss meine Augen und weigerte mich, sie wieder zu öffnen.
    "Ich werde mit geschlossenen Augen sterben."
    Es kam näher und näher, bis es genau vor mir zum Stillstand kam, und blieb dann völlig unbeweglich stehen. Ich empfand es, als ob es vor meinen geschlossenen Augen mit brennenden Händen hin- und her-fuchteln würde. Oh! Was für eine Erfahrung!
    Ich warf einfach alles fort, vergaß alles über Buddho, Dhammo, Sangho. Ich vergaß alles andere, ich war ausschließlich von dieser Angst erfüllt. Meine Gedanken konnten nirgendwo anders hin, denn es gab nur diese Angst. Vom Tage meiner Geburt an hatte ich niemals solche Angst erlebt. Buddho und Dhammo waren verschwunden, ich weiß nicht wohin. Es gab nur diese aufwallende Angst in meiner Brust, bis sie sich wie ein straff gespanntes Trommelfell anfühlte.
    "Nun, ich lasse es einfach so, wie es ist; es gibt nichts anderes zu tun."
    Ich saß da, als würde ich nicht einmal den Boden berühren, und stellte einfach nur fest, was sich abspielte. Die Angst war so groß, dass sie mich völlig ausfüllte, wie ein mit Wasser gefülltes Glas. Wenn man Wasser hineingießt, bis das Glas ganz voll ist, und dann einfach weitergießt, dann wird das Glas überfließen. Auf ähnliche Weise begann die Angst sich in mir so sehr aufzubauen, dass sie bald ihren Gipfel erreichte und anfing überzufließen.
    "Wovor hast du überhaupt Angst?" fragte eine Stimme in mir.
    "Ich habe Angst vor dem Tod", antwortete eine andere Stimme.
    "Nun ja, wo ist denn dieses Ding, das man 'Tod' nennt? Warum die ganze Panik? Schau einmal hin, wo der Tod sich aufhält? Wo ist der Tod?"
    "Warum? Der Tod ist in mir!"
    "Wenn der Tod sich in dir befindet, wohin wirst du dann rennen, um ihm zu entgehen? Wenn du wegläufst, wirst du sterben; wenn du hier bleibst, wirst du sterben. Wohin du auch gehst, er wird dich begleiten, denn der Tod ist in dir, es gibt keinen Ort, an den du laufen könntest. Ob du Angst hast oder nicht, du wirst auf jeden Fall sterben. Es gibt nichts, um dem Tod zu entkommen."
    Sobald ich das gedacht hatte, schien sich meine Wahrnehmung völlig zu verändern. Die ganze Angst verschwand vollends auf so leichte Art, als würde man seine Hand umdrehen. Es war wirklich erstaunlich. So viel Angst, und dennoch, sie konnte einfach so verschwinden! Nicht-Angst trat an ihre Stelle, und mein Geist erhob sich höher und höher, bis ich mich wie in den Wolken fühlte.
    Ich hatte kaum diese Angst überwunden, da begann es zu regnen. Ich weiß nicht mehr, um was für eine Art Regen es sich handelte, denn der Wind war so heftig. Aber ich hatte jetzt keine Angst mehr zu sterben. Ich befürchtete nicht, dass die Äste der Bäume auf mich herab fallen würden. Ich gab dem keine Beachtung. Der Regen prasselte herab wie bei einem Unwetter während der heißen Jahreszeit, wirklich mit Macht. Als dann der Regen schließlich aufhörte, war alles völlig durchnässt.
    Ich saß da - unbeweglich.
    Was tat ich also als nächstes, so nass, wie ich war? Ich weinte! Die Tränen flossen an meinen Wangen herab. Ich weinte und dachte währenddessen: "Warum sitze ich hier wie ein Waisenkind herum, völlig durchtränkt vom Regen, wie ein Mann, dem nichts gehört, wie jemand, der sich im Exil befindet?"
    Und ich dachte weiter: "All die Menschen, die jetzt komfortabel in ihren Häusern sitzen, werden wahrscheinlich noch nicht einmal vermuten, dass ein vom Regen durchnässter Mönch die ganze Nacht draußen sitzt. Was ist der Sinn des Ganzen?" Während ich nachdachte, begann ich mich selbst so sehr zu bemitleiden, dass die Tränen nur so strömten.
    "Es handelt sich bei den Tränen sowieso um keine guten Dinge, also lass sie herausfließen, bis sie sich erschöpft haben."
    Auf diese Art habe ich praktiziert.
    Also, ich weiß nicht, wie ich die Dinge beschreiben soll, die dann folgten. Ich saß einfach... saß und lauschte. Nachdem ich meine Gefühle in den Griff bekommen hatte, saß ich einfach da und beobachtete, wie alle möglichen Dinge in mir hoch kamen. So viele Dinge, die man zwar erkennen, aber unmöglich beschreiben kann. Und ich dachte an die Worte des Buddha: Paccattam veditabbo vinnuhi. 'Wer Weisheit besitzt, wird es selbst erkennen.'
    Dass ich solches Leiden hatte erdulden können und während des Regens dort ausharrte... wer in aller Welt kann diese Erfahrung mit mir teilen? Nur ich selbst wusste, wie das war. Es gab so viel Angst - und dennoch, die Angst verschwand. Wer könnte das sonst noch bezeugen? Die Menschen in ihren Häusern in der Stadt konnten nicht wissen, wie das war; nur ich selbst konnte diese Dinge sehen. Es handelte sich um eine persönliche Erfahrung. Sogar wenn ich anderen davon erzählen würde, würden sie es immer noch nicht kennen, denn es war etwas, was jeder selbst erfahren muss. Je mehr ich dies kontemplierte, um so klarer wurde es. Ich fühlte mich immer stärker, meine Zuversicht wurde bis zum Tagesanbruch immer fester.
    Als ich im Morgengrauen meine Augen öffnete, war alles gelb. Während der Nacht wollte ich urinieren, aber das Gefühl hörte schließlich auf. Als ich am Morgen von meinem Sitz aufstand, stellte ich fest, dass um mich herum alles gelb war, gerade wie das frühe Sonnenlicht an manchen Tagen. Als ich dann urinieren ging, bemerkte ich Blut im Urin!
    "He! Sind etwa meine Eingeweide zerrissen, oder was?" Ich bekam es etwas mit der Angst... "Vielleicht ist es da drinnen wirklich gerissen."
    "Nun, was soll es? Wenn es gerissen ist, dann ist es halt gerissen; wer sollte dafür verantwortlich sein?" sagte mir sofort eine innere Stimme. "Wenn es gerissen ist, dann ist es gerissen. Wenn ich sterbe, dann sterbe ich. Ich habe einfach nur hier gesessen und nichts Schlimmes getan. Wenn es platzen soll, dann lass es platzen", sagte die Stimme.
    Mein Geist sah aus, als würde er mit sich selbst streiten und kämpfen. Eine Stimme kam von einer Seite und sagte: "He, das ist gefährlich!" Eine andere ging dagegen an, forderte sie heraus und wies sie zurück.
    Mein Urin war voller Blut.
    "Hm. Wo werde ich Medizin finden können?"
    "Ich werde mir um solches Zeug keine Gedanken machen. Ein Mönch kann sich sowieso für medizinische Zwecke keine Pflanzen abschneiden. Wenn ich sterbe, dann sterbe ich, was soll es? Was gibt es sonst zu tun? Wenn ich sterben sollte, während ich auf diese Weise praktiziere, dann bin ich bereit. Wenn ich sterben würde, während ich etwas Schlechtes täte, dann wäre das nicht so gut. Aber ich bin bereit, innerhalb so einer Praxis zu sterben."
    Folgt nicht Euren Launen. Trainiert und übt Euch. Praxis bedeutet, sogar sein Leben aufs Spiel zu setzen. Ihr müsst mindestens zwei oder drei Mal wirklich geweint haben. Dann ist es richtig, das ist die Praxis. Wenn Ihr Euch schläfrig fühlt und Euch hinlegen wollt, dann gebt dem nicht nach. Vertreibt die Schläfrigkeit, bevor Ihr Euch hinlegt. Aber schaut Euch an, Ihr wisst nicht, wie man praktiziert.
    Manchmal, wenn Ihr vom Almosengang zurückkommt und über die Nahrung kontempliert, bevor Ihr zu essen anfangt, da lässt Euch etwas keine Ruhe. Euer Geist benimmt sich wie ein tollwütiger Hund. Der Speichel fließt, denn Ihr seid so hungrig. Manchmal kümmert Ihr Euch noch nicht einmal um die Kontemplation. Ihr schaufelt es einfach rein. Das ist eine Katastrophe. Wenn der Geist sich nicht beruhigen und geduldig sein will, dann schiebt einfach Eure Schale weg und esst nicht. Trainiert Euch, übt Euch; So sieht die Praxis aus. Folgt nicht immer nur Eurem Geist. Schiebt Eure Schale weg, steht auf und geht, gestattet Euch nicht zu essen. Wenn er wirklich so viel essen will und sich so starrköpfig anstellt, dann gebt ihm nichts. Der Speichelfluss wird aufhören. Wenn die Geistestrübungen bemerken, dass sie nichts zu essen bekommen, dann bekommen sie es mit der Angst zu tun. Sie werden es nicht wagen, Euch am folgenden Tag zu belästigen, denn sie werden befürchten, dass sie nichts zu essen bekommen. Versucht es einmal, wenn Ihr mir nicht glaubt.
    Die Leute haben kein Vertrauen in die Praxis; sie getrauen sich nicht, wirklich zu praktizieren. Sie befürchten, dass sie vielleicht dabei hungern oder gar sterben müssen. Wenn man es nicht ausprobiert, dann weiß man auch nicht, worum es sich dabei handelt. Die meisten unter uns wagen sich einfach nicht daran, es zu probieren; wir haben Angst.

  • Ich glaube nicht, dass brutale Praktiken notwendig sind.
    Sich die Vergänglichkeit vor Augen zu führen kann auf vielerlei Wege geschehen. Auch in unserer Kultur gibt es das Memento Mori.
    In der tibetischen Kultur gibt es die Praxis, abends den Becher umgedreht abzustellen. Man stellt den Becher eines Verstorbenen so ab.
    Schmerzen zu durchleiden können zum gleichen Ergebnis führen. Wer z.B. mal eine heftige Migräneattacke hatte, weiß genau, was im Leben wirklich wichtig ist. Oder der Verlust eines Liebsten zeigt auch, wie vergänglich alles ist. Oder jemand, der eine schwere Krankheit durchlebt.
    Jemandem beim Sterben zu begleiten, hat ebenfalls diese Wirkung und ist zugleich eine Übung für Mitgefühl.
    Man kann jeden Abend vor dem Einschlafen üben. Man kann sich überall und immer vorstellen, dass dies der letzte Moment des Lebens sei. Das geht in Momenten größter Freude und Momenten größten Schmerzes (und zwar nicht, um sich das Leben zu vermiesen, sondern sich die Kostbarkeit und Zerbrechlichkeit vor Augen zu führen).
    Jede Situation im Leben, die einem Angst macht, kann man als "Leichenbetrachtung" nutzen.
    Ich denke nicht, dass das Betrachten verwesender Körper maßgeblich ist, sonst gäbe es unter Ärzten, Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleuten, Leichenbeschauern und Totengräbern wohl überdurchschnittlich viele Erleuchtete.


    Liebe Grüße
    Knochensack

  • GaliDa68:

    [...] Ich denke nicht, dass das Betrachten verwesender Körper maßgeblich ist, sonst gäbe es unter Ärzten, Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleuten, Leichenbeschauern und Totengräbern wohl überdurchschnittlich viele Erleuchtete. [...]


    Wohl wahr.


    Kleine Anmkerung: In diesen Berufen gibt es sogar signifikant mehr solcher "paraphilen" Leuten.
    Meistens wählen sie den Beruf eben aus der Neigung ihres perversen Profils heraus.
    Somit ist ersichtlich, dass nicht jeder, der einen solchen Beruf ausübt, auch ein solch kranker Mensch sein muss.

    Der Zen-Buddhismus greift die Lehren des Buddha auf um sie dann wider zu verwerfen.
    Für einen Schüler ist der lehrreichste Meister er selbst.
    "Ich bin der Geist, dein Freund. Warum hälst du Ausschau nach jemand anderem?" ( Rumi, ein Sufi)

  • Askan:
    GaliDa68:

    [...] Ich denke nicht, dass das Betrachten verwesender Körper maßgeblich ist, sonst gäbe es unter Ärzten, Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleuten, Leichenbeschauern und Totengräbern wohl überdurchschnittlich viele Erleuchtete. [...]


    Wohl wahr.


    Kleine Anmkerung: In diesen Berufen gibt es sogar signifikant mehr solcher "paraphilen" Leuten.
    Meistens wählen sie den Beruf eben aus der Neigung ihres perversen Profils heraus.
    Somit ist ersichtlich, dass nicht jeder, der einen solchen Beruf ausübt, auch ein solch kranker Mensch sein muss.


    worauf beruht deine Aussage die du "kleine Anmerkung" nennst?
    ich finde genau so könnte man sagen "die meisten deutschen sind impotent und die meisten rumänen diebe".... stimmt das so? :grinsen:


    _()_