"Hīnayāna und Mahāyāna"

  • Ein Artikel von Dr. H.W. Schumann aus: "Der Mittlere Weg", Zeitschrift des Buddhistischen Bundes Hannover e.V.
    Hier nachzulesen.


    Hīnayāna und Mahāyāna
    Eine Meinung zur Kontroverse


    Unter Buddhisten wird immer wieder die Frage diskutiert, ob die Bezeichnungen, die für die beiden Hauptformen der Lehre üblich sind, den Kern der Sache treffen oder ob sie durch korrektere Ausdrücke ersetzt werden können. Soll man weiter vom "südlichen und nördlichen" Buddhismus sprechen? Kann man auch in Zukunft von "Hīnayāna und Mahāyāna" oder "Theravāda und Mahāyāna" reden? Alle diese Ausdrucksweisen sagen über die essentiellen Unterschiede zwischen den konkurrierenden Schulen nichts aus.


    "Südlicher" und "nördlicher" Buddhismus bezeichnen das hauptsächliche Verbreitungsgebiet der Buddhalehre und entspringen als Bezeichnungen einem historischen Zufall. Der Ausdruck "Hīnayāna", "Kleines Fahrzeug" über den Ozean des Leidens, ist eine Wortprägung der Spätbuddhisten, die damit den Frühbuddhismus als unbedeutend abtun wollten und die es ihnen ermöglichte, ihre Version der Lehre als überlegenes, als "Großes Fahrzeug" (Mahāyāna) hervorzuheben. Ihre Stichelei gegen die Frühbuddhisten ist im Saddharmapuṇḍarika Sūtra (Kapitel 3) nachzulesen: Nur einen Bruchteil der Lehrdarlegungen des Buddha hatten seine zeitgenössischen Hörer, unkonzentriert, wie sie gewesen seien, ins Gedächtnis aufnehmen können. Das Wort Theravāda, "die Lehre der Alten", wird von den Mahāyānins gemieden, denn ein Thera ist ein Mönch von zehn Jahren Schulung im buddhistischen Orden. Um sich von den frühen Theras abzuheben, hätten sich die Spätbuddhisten als Navācārins, als "Neuerer" der Buddhalehre bezeichnen müssen, was ihnen natürlich widerstrebte.


    Lassen sich für die beiden buddhistischen Schulen Namen finden, die etwas über ihre Lehrinhalte aussagen? Die Antwort ist: Ja.


    Denn die Lektüre des Pāli-Kanons erweist, dass der historische Buddha Siddhattha Gotama (nach neuer Lehrmeinung ca. 470 - 390 vor Chr.) sich mit seinen Lehraussagen auf den Bereich der Immanenz beschränkt hat: Er hütet sich davor, Behauptungen aufzustellen, die jenseits der innerweltlichen Erfahrbarkeit liegen. Auch wenn er Götter (deva) erwähnt und von der ausgleichenden Gerechtigkeit des Kamma (Skt. karman) spricht: Die Götter waren in seinen Augen höhere, aber nichttranszendente, zudem in Heilsfragen unwissende Wesen,
    und das Kamma betrachtete er als eine Weltgesetzlichkeit wie andere, z.B. die Schwerkraft: es vollzieht sich automatisch ohne göttliche Aufsicht. Die Bescheidung des Buddha auf Aussagen zum Weltinnenraum ist auch der Grund, warum der Urbuddhismus sich mit den modernen Naturwissenschaften gut verträgt. Das beschreibende Wort für den denkerisch im Welt-Innenkreis verbleibenden Urbuddhismus ist deshalb: Immanenzbuddhismus. "Immanere" heißt im Lateinischen "darin bleiben".


    Der Ausdruck Transzendenter Buddhismus ist abgeleitet vom lateinischen Wort "transcendere", "hinübersteigen", nämlich vom innerweltlichen zum jenseitigen, überweltlichen Denkbereich, in dem nicht Erkenntnisse, aber alle Arten von Spekulationen möglich sind. Vom 2. Jahrhundert nach Chr. ab nennen ihn seine Begründer "Mahāyāna". Er entstand im 1. Jahrhundert vor Chr. in Indien - just in der Zeit, als dort das Schreiben (genauer: Einritzen des Textes) auf Palmblätter üblich wurde. Von Beginn an trat der Transzendenzbuddhismus mit handgeschriebenen Büchern (in Sanskrit-Sprache) auf und hätte ohne diese Verbreitungshilfe schwerlich am Theravāda vorbei Fuß fassen können.


    Der Transzendente (= Mahāyāna-)Buddhismus zögert nicht, Aussagen zu machen, die über die Erfahrungswelt hinausgreifen. Seine Bücher, die mit gigantischen Zahlen protzen und einen figurenreichen Himmel nichtrealer Personen entwerfen, sind voller Fabeln und Legenden. An Stelle eines einzigen Buddha für jede Zeitepoche gibt es in ihnen "Buddhas wie Sandkörner am Ganges-Strom". Fünf transzendente Buddhas bilden eine Windrose, in deren Zentrum Vairocana residiert. Zwei der transzendenten Buddhas - Amitābha im Westen und Akshobhya im Osten - sind Hüter von Zwischenparadiesen (kshetra), in die Gläubige hineingeboren werden können. Nach Aufhebung ihres Restes von kammischen Verunreinigungen gehen sie von dort direkt ins Nibbāna (Skt. nirvāṇa) ein.


    Beliebter noch als die transzendenten Buddhas sind die transzendenten Bodhisattvas, vornan der meist mehrarmig dargestellte Avalokiteshvara. Das Wort "Bodhisattva", - vom historischen Buddha nur angewandt, wenn er von sich selbst in der Zeit vor seiner Erleuchtung (bodhi) sprach, - verwendet der Transzendenzbuddhismus zur Bezeichnung von transzendenten Erlösungshelfern, die in höherem Zustand nicht mehr den Naturgesetzen unterworfen sind und sich total der Erlösung der Wesen vom Leiden verschrieben haben. Der populärste Bodhisattva ist Avalokiteshvara, den man, wie es heißt, jederzeit durch das Mantra "Oṃ. Mani padme. Hūm" zur Hilfe herbeirufen kann. Von diesem erträumten Heilshelfer, der sich vervielfachen könne und dessen Kammaschatz zur Verteilung unerschöpflich sei, - von diesem fabulösen Retter erwartet die Mehrheit der Transzendenzbuddhisten die Erlösung.


    Vom historischen Buddha Gotama (Skt. Gautama) stammt die Erkenntnis, dass jegliches Dasein mit Leiden (dukkha) verbunden ist und dass nur der eigene Sieg über Gier, Hass und Verblendung zum Nibbāna führt. Der Transzendenzbuddhismus propagiert dagegen Heilswege, die der Wunschfantasie entsprungen sind und in denen transzendente Gestalten die Erlöserrolle innehaben. So entstand eine Kirchengemeinde, in der auch Reliquienverehrung, das Rezitieren von religiösen Texten, das Darbringen von Blumen und Räucherwerk und die Herstellung von Buddhabildern ihren Platz haben. Kein Wunder, dass eine solche Religion Zulauf hat.

  • Quatsch.
    Mahayana ist eine Später Ableitung aus dem Begriff _ Mahasamghika_ was soviel wie ›große Gemeinde bedeutet ‹.
    Alles andere ist (Selbst) herein interpretierte Buchstabensuppe.
    Übrigens, anhand pragmatischer praktischer Wissenschaft; nicht bloß nur zudem Theorem beweisbar.


    »Wer hat`s erfunden ... ? Die Schweizer/ Schwitzer? «


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • Der Artikel ist irgendwie peinlich. Von einem Indologen habe ich mehr Sachkenntnis erwartet.
    :(
    Aber er sagt ja selbst: Es ist eine Meinung.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Danke, ein sehr interessanter Text...


    Dazu fällt mir folgendes ein (wer hätte gedacht das ich mal den Koran zitiere :lol: ):


    "Du verehrst nicht das, was ich verehre.
    Ich verehre nicht das, was du verehrst.
    Du möchtest nicht das verehren, was ich verehre.
    Ich möchte nicht das verehren was du verehrst.
    Dir dein Glaube, mir mein Glaube."


    :D

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • !!!Ich bin der Herr Dein Gott!!!
    Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
    Du sollst dir keine Vorstellung, noch ein Bildnis von mir machen! ...


    Erinnert mich an Buddha Shakyamuni, zum Leer-sein, bzw. auch an Tilopa→ Milarepa↔ Düsum Khyenpa , als auch dann an Machig Labdrön. ... usw. und so fort ...


    EMAHO


    Dies ist dass Original aus dem hebräischen Urtext, 1:1 in`s derzeitig deutsche übersetzt!!!


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • Hallo Maybe Buddha,


    Maybe Buddha:


    "Du verehrst nicht das, was ich verehre.
    Ich verehre nicht das, was du verehrst.
    Du möchtest nicht das verehren, was ich verehre.
    Ich möchte nicht das verehren was du verehrst.
    Dir dein Glaube, mir mein Glaube."


    was willst du mit diesem Koran-Zitat im Kontext der buddhistischen Schulen ausdrücken?


    Die Begriffswahl von Schumann ist wohl eher unglücklich gewählt:


    Zitat

    "Immanere" heißt im Lateinischen "darin bleiben".


    Also bleiben die Anhänger der Hinayana-Schulen im Samsara drin? Und


    Zitat

    vom lateinischen Wort "transcendere", "hinübersteigen"


    die Anhänger des Mahayana schaffen es aus dem Samsara hinüberzusteigen ins Nibbana?


    Gruß
    Florian

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Hallo Syia,


    ich habe seine Bücher früher sehr gerne gelesen. Ist aber auch schon länger her, dass ich sie am Stück gelesen habe.


    Gruß
    Florian

  • Dorje Sema:

    Quatsch. Mahayana ist eine Später Ableitung aus dem Begriff _ Mahasamghika_ was soviel wie ›große Gemeinde bedeutet ‹. Alles andere ist (Selbst) herein interpretierte Buchstabensuppe.


    Tatsächlich?


    Zitat

    ... Die Sarvastivada-Schule hingegen wurde vom König nicht geschätzt und konzentrierte sich in der Folge fernab vom Königshof in Nordindien, Kashmir und im Westen (Bamiyan). Dadurch verbreitete sie sich über die Seidenstraße (Khotan, Tunhuang) nach China, von dort nach Korea, Japan, aber auch Vietnam (?). Kurz vor und in der Folge der Zerstörung der buddhistischen Kultur durch islamische Eroberer ('furor islamicus')[6] kam es zu immer mehr Kontakten Tibets mit zentralasiatischen, dann kaschmirischen, zuletzt nordindischen Buddhisten (z.T. Flüchtlingen, zuerst aus Khotan und Kaschmir, später aus Nordindien), die alle Mahasanghikas (Saravstivada) waren (und zwar einheitlich die Untergruppe der Prasanghika-Madhyamaka).


    Diese Schule unterschied zum Zweck der Motivationsprüfung der Schülerinnen und Schüler zwischen einem 'kleinen Pfad' und einem 'großen Pfad', auf skt. Hinayana und Mahayana. Dabei bleibt die Motivation des kleinen Pfads (Erleuchtung zum eigenen Wohl) theoretisch, man strebt nach der Motivation des 'großen Pfads' (Erleuchtung zum Wohl aller Lebewesen). Diese Unterscheidung wurde später (von Europäern) aufgegriffen, um die Theravada-Schule als Hinayana zu titulieren. (http://de.wikipedia.org/wiki/Mahasanghika)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Ich kann nicht verstehen, warum die Frage nach den vermeintlichen, historisch begründeten oder aus der Lehre abgeleiteten Unterschieden
    immer wieder so kontrovers und aufreizend aufgeworfen wird; was ist das Ziel, was die Ursache ? Ist es nützlich, heilsam ? Woher diese Intention
    Einzelner sich wichtig zu machen über die rein intellektuelle Attitüde ?
    Zen ist auch Mahayana und spricht nirgends vom "überweltlichen". Und warum wird den Schulen unterstellt, sie würden miteinander
    konkurrieren ?: Jemand, der nur ansatzweise klar in der Birne ist, wird es tunlichst unterlassen " eine Mauer zu bauen".


    Es ist ganz grundsätzlich eine unbuddhistische Haltung Argwohn und vermeintliche Differenzen zu hegen und zu pflegen.


    Es ist ein Unterschied, ob man nicht verstehen kann oder nicht verstehen will.

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde es am Besten von Theravada und Mahayana zu reden, einfach weil das die Worte sind, mit denen sich die Traditionslinien selber bezeichnen.


    • Wenn man einen Theravada Anhänger fragt, was seine Traditionslinie im Vergleich zum Mahayana ausmacht, dann wird er vermutlich sagen, dass es das besondere Anliegen ist, der unverfälschten Tradition des historischen Buddhas zu folgen, wie sie im Palikanon weitergeben wurde. Von daher heisst diese Tradition zu recht die Tradition der Ältesten.



    • Wenn man einen Mahayana Anhänger fragt, was sein Tradition gegenüber dem Theravada auzeichnet, dann wird er auf das Bodhisstva Ideal und den erweiterten Shunyata-Begriff hinweisen. Mahyana ist ein Begriff, in dem diese Offnheit aufscheint.


    Der Unterscheid Immanenz-Transzendenz ist einer, der aus der europäischen Gesiesgeschichte kommt, und für den Buddhismus selber nicht in dieser Form relevant ist.


    Bei Schuhmann klingt es so, als würde Mahayana Praxis darin bestehen, statt selbst nach Befreiung zu streben, buddhitische Gottheiten anzubeten:


    Dr. H.W. Schumann:

    Vom historischen Buddha Gotama (Skt. Gautama) stammt die Erkenntnis, dass jegliches Dasein mit Leiden (dukkha) verbunden ist und dass nur der eigene Sieg über Gier, Hass und Verblendung zum Nibbāna führt. Der Transzendenzbuddhismus propagiert dagegen Heilswege, die der Wunschfantasie entsprungen sind und in denen transzendente Gestalten die Erlöserrolle innehaben. So entstand eine Kirchengemeinde, in der auch Reliquienverehrung, das Rezitieren von religiösen Texten, das Darbringen von Blumen und Räucherwerk und die Herstellung von Buddhabildern ihren Platz haben. Kein Wunder, dass eine solche Religion Zulauf hat.


    Das ist keine "Meinung zur Kontroverse" sondern ähnlich Öl ins Feuer gegossen, wie manche evangelische Anklagen an die abergläubischen Paptisten.


    Ein wichtiger Punkt den Schuhmann übersieht ist ja der folgende. Eben weil im Mahayana die Gefahr gross ist, sich in abstrakten, philosophischen Konzepten zu verlieren, gab es innhalb des Mahayana starke Gegenbewegungen, die sich auf die Praxis konzentrierten. Und fast alle heute aktiven Strömungen (Zen, tibetischer Buddhismus, Amida, Nichiren) entstammen dieser Gegenbewegung.


  • Hm, ja.
    danke schön !


    dennoch finde und denke ich, das man bel`s txt. beachtlich im Auge halten soll.


    Zitat

    bel: Hm, siehe oben: wenn man einer bestimmten Tradition folgen will, dann sollte man das möglichst in allen ihren Facetten tun, anderenfalls verkommt "Theravada" (wie auch jede andere Tradition) zu einem "System", einem bloßen Banner, daß man seinen eigenen Vorstellungen voranträgt.
    Als Alternative bieten sich die in den jeweiligen Traditionen formulierten Wege für Laien an, daß im Theravada dazu das Studium des Abhidhamma gehören soll, ist mir vollkommen neu.


    _()_
    Vimuttasmim vimuttamiti


    Danke schön, tausend dank, bel!
    Welch` eine wunderbare Komposition, Herr Dirigent.
    _EMAHO_


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema


  • Hmm... Ist das Zitat nicht deutlich genug? Gut, vielleicht "Glaube" durch "Tradition" oder, wie du es sagst, "buddhistische Schule" austauschen... Dann dürfte es deutlich genug sein :)


    Ich finde zb viele Dinge im Mahayana...... Und bevor ich etwas sage was jemanden verletzten könnte, halte ich es doch lieber mit diesem Zitat und halte mich einfach raus aus dem Mahayana. Ausser wenn ich mal wirklich ernsthaftes Interresse an etwas im Mahayana habe, dann frage ich sachlich nach.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Das verlangt doch dann bitte auch nach einer sachlich ›rechten‹ Antwort, oder ?
    Wer belegt denn bitte hier diese Instanz?
    Würg, ich glaube zu fühlen, das ich gerade überfordert bin, als Karmapas hintervorletztes Kellerkind ...?
    shit happen`s“ _ Komm wir lachen gemeinsam _ (I.A. Dorje)
    Wenn ich ›muhe ‹ werd` ich zum Stier.
    Alter Ochse; Dorje, erzähl keine Märchen! :lol::grinsen:


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • Warum der Pali-Kanon nicht nach Tibet kam


    INNERBUDDHISTISCHER DIALOG
    FRANZ-JOHANNES LITSCH ZUR DISKUSSION GESTELLT


    Nach Meinung des Autors wissen wir nicht genau, was der Buddha wirklich gelehrt hat. Diese Tatsache bereite allen seinen Nachfolgern bis heute Probleme und sei Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Ansichten und Schulspaltungen. Der Autor wehrt sich in seinem historischen Exkurs gegen das hierarchische System des tibetischen Buddhismus, der sich bisher selbst die höchste Position im Gesamtbuddhismus einräume und damit die Hauptquelle für innerbuddhistische Konflikte im Westen sei.


    Die gängige Beschreibung der buddhistischen Hauptschulen
    Machen wir heutzutage den Versuch, uns über die Geschichte sowie die Schulen und Lehren des Buddhismus zu informieren, begegnen wir sehr bald folgender Aussage: Es gibt drei große Traditionen oder „Fahrzeuge“ des Buddhismus, nämlich 1. das Hinayana, 2. das Mahayana, 3. das Vajrayana. Das Hinayana (kleine Fahrzeug) ist der frühe indische Buddhismus, den es heute noch in Sri Lanka und Südostasien gibt und der sich selbst Theravada (Lehre der Älteren) nennt. Das Mahayana (große Fahrzeug) ist der spätere indische Buddhismus, den wir noch in Ostasien finden und der auch dem tibetischen Buddhismus zugrunde liegt. Das Vajrayana (Diamantfahrzeug) ist die Weiterentwicklung des indischen Mahayana zum Tantrismus, der heute vor allem in Tibet zu Hause ist.


    Alle drei Fahrzeuge, so heißt es, hat Buddha Shakyamuni in „drei Drehungen des Dharma-Rades“ gelehrt; sie stellen drei Stufen der Einsicht dar. Diese stehen in Zusammenhang mit drei Stufen der Verwirklichung des Buddha-Wegs, nämlich 1. dem Shravaka-Arhat (Heiligen, Hörer eines Buddha), 2. dem Pratyeka-Buddha (Alleinverwirklicher) und 3. dem Bodhisattva-Buddha (Vollkommenen Buddha). Von diesen wird gesagt: Der Shravaka oder Hinayana-Anhänger ist von geringer Einsichtsfähigkeit und Motivation gekennzeichnet, benötigt die Unterweisung eines Lehrers und strebt nur nach seiner eigenen Befreiung vom Leiden. Der Pratyeka-Buddha besitzt höhere Einsichtsfähigkeit und Motivation, gelangt aus eigener Kraft zur Buddhaschaft, ist aber nicht in der Lage, den Weg zu lehren. Der Bodhisattva-Buddha und Mahayana- oder Vajrayana-Anhänger schließlich verfügt über die höchste Einsichtsfähigkeit und Motivation und geht den Bodhisattva-Weg, bei dem er auf die eigene vollkommene Leidensbefreiung (Nirwana) vorläufig verzichtet, um allen leidenden Wesen sowohl auf dem Weg wie auch in ferner Zukunft als vollständig erwachter Buddha zu dienen.(1)
    Des Weiteren wird gelehrt, es gibt vier philosophische Schulen des Buddhismus, nämlich: 1. Vaibhashika (auch Sarvastivada), 2. Sautrantika, 3. Vijnanavada (auch Yogacara oder Cittamatra) und 4. Madhyamaka. Von diesen sind die ersten zwei Hinayana-Schulen, die letzten beiden Mahayana-Schulen.


    „Gibt es einen schlechten Buddhismus in Südostasien, einen mittelguten in Ostasien und einen vollkommenen in Tibet?“


    Der Unterschied besteht darin – so wird gesagt –, dass die Hinayana-Schulen nur die Einsicht in das Nicht-Ich der Person (die Leerheit des Selbst) kennen, während die Mahayana-Schulen auch über die Einsicht in das Nicht-Ich der Dinge (die Leerheit der Phänomene) verfügen. Der Madhyamaka wird wiederum in zwei Unterschulen geteilt, den Svatantrika-Madhyamaka und den Prasanghika-Madhyamaka, von denen in der tibetischen Gelug-Schule die letztgenannte als die höchste Sichtweise gilt.(2) Die Karma-Kagyü lehren noch eine weitere Stufe, unterscheiden zwischen Rangtong-Madhyamaka – zu denen sie die zuvor genannten beiden Schulen zählen – sowie Shentong-Madhyamaka und halten diese für die höchste und identisch mit dem Vajrayana oder Tantrayana.(3)


    Wir begegnen in all diesen Darstellungen einem hierarchischen System, das dem tibetischen Buddhismus die höchste Position im Gesamtbuddhismus zuweist und innerhalb dessen sich jede seiner Unterschulen noch mal über die anderen setzt. Es ist auch die Beschreibung, die im tibetischen Buddhismus gegeben wird und die im Westen heute dominierend geworden ist. Es liegt nahe, dass sie von den nicht-tibetischen Schulen kaum akzeptiert werden kann. Schon das Mahayana in Ostasien, die Lotos-Schule, die Reine-Land-Schule, die Avatamsaka-Sutra-Schule (Kegon), der Chan, Son, Tien, Zen, selbst das japanische Vajrayana (Shingon) vertreten davon abweichende Sichtweisen. Hier hat der Buddha zum Beispiel im Saddharmapundarika-Sutra (Lotos-Sutra) die Lehre vom Ekayana, vom „Einen Fahrzeug“ gelehrt, in der die Lehre von den drei Yanas wiederum als eine für Schüler von begrenzter Einsicht gilt. Der Theravada schließlich, der von den anderen beiden großen Traditionen mit dem Hinayana gleichgesetzt und auf der untersten Ebene angesiedelt wird, kann dieser Darstellung überhaupt nicht zustimmen und empfindet sie – sowohl was die Beschreibung der Lehre wie der Praxis betrifft – als grob verfälschend und herabsetzend. Zumal hier nicht nur die älteste buddhistische Schule, sondern gleich mehrere Völker und Länder, in denen der Theravada als einzige Form des Buddhismus verbreitet ist, mit abgewertet werden.


    „Bis heute wissen wir auch nicht, in welcher Sprache der Buddha gelehrt hat.“


    Umgekehrt sieht sich der Theravada wiederum als die einzige Schule, die noch die ursprüngliche Lehre und Praxis des Buddha kennt und lehrt. Auch hier werden Vorurteile und Abneigungen gegenüber den anderen buddhistischen Traditionen gepflegt. Doch eines unterscheidet hierbei den Theravada vom Mahayana. Im Theravada gibt es keinerlei offizielle Texte und Lehren, die über das Mahayana oder Vajrayana Aussagen machen und Urteile abgeben, während die oben dargestellten Wertungen zur offiziellen und vielfach wiederholten Kernlehre des Mahayana und Vajrayana gehören.


    Gezielte Verächtlichmachung von Seiten des Mahayana beinhaltet bereits der Begriff „Hinayana“, der im Westen verharmlosend mit „kleinem Fahrzeug“ übersetzt wird. Das Wort „hina“ heißt in Pali und Sanskrit aber nicht „klein“, sondern „schlecht, niedrig, minderwertig“.(4) Klein heißt in Pali „culla“ (Sanskrit „kshulla“). Demnach müsste das sogenannte kleine Fahrzeug Cullayana heißen, bis heute wird es jedoch Hinayana genannt, und das heißt „Schlechtes Fahrzeug“. Noch schwerwiegender ist der Umstand, dass der Begriff Hinayana heute allgemein für den Theravada in Sri Lanka und Südostasien verwendet wird, ohne dessen tatsächliche Sichtweisen zu untersuchen und ungeachtet dessen, dass in den Anfängen des Mahayana mit dem Begriff Hinayana eine ganz andere Schule, nämlich der nordwestindische Sarvastivada (Vaibhashika) gemeint war. Ein Schule, deren Lehre auch vom frühen Theravada (Vibhajjavada) kritisiert wurde und die heute nicht mehr existiert. Gibt es somit einen schlechten Buddhismus in Südostasien, einen mittelguten in Ostasien und einen vollkommenen in Tibet?
    Zieht man die heutige Wissenschaft vom Buddhismus zu Rate, erweist sich die oben aufgezeigte tibetische Darstellung der buddhistischen Schulen zwar als in sich logisch und pädagogisch durchdacht, doch historisch und inhaltlich – als Quelle darüber, was die Schulen des indischen Buddhismus tatsächlich gelehrt haben – als weitgehend unhaltbar. Die tibetische Darstellung ist eine sehr späte theoretische Aufarbeitung und Systematisierung des indischen Buddhismus mit pädagogisch-didaktischer Absicht. Um zu erfahren, was der Theravada lehrt und praktiziert, darf man nicht den tibetischen oder chinesischen Buddhismus befragen, wie umgekehrt der Theravada nicht die kompetente Auskunft über die Sichtweisen des Mahayana sein kann. Wir müssen einerseits die verschiedenen Schulen und Lehrer selber sprechen lassen und uns andererseits auf die authentischen schriftlichen Quellen stützen.


    Die sprachlichen Grundlagen der buddhistischen Schulen
    Die Lehre und Praxis des Buddha wurde in Indien circa 400 Jahre lang nur mündlich, dann auch schriftlich überliefert. Die mündliche Übertragung galt im frühen brahmanischen Indien als heiligen Texten gegenüber einzig angemessen. Nur das Unwichtige, das man sich nicht merken musste, wie Handelsvereinbarungen, hat man aufgeschrieben. Dies hat jedoch den erheblichen Nachteil, dass nicht erkennbar ist, in welcher Weise sich die Texte und Sichtweisen verändert haben. Wir kennen die Lehre des Buddha Gotama nur in der Form, in der sie in den ältesten schriftlichen Texten verschiedener Traditionen überliefert ist. Das heißt, wir wissen nicht, was der Buddha wirklich gelehrt hat, wir können es nur vermuten. Das bereitet bis heute allen seinen Nachfolgern Probleme und war und ist der Ausgangspunkt für alle unterschiedlichen Ansichten und Schulspaltungen.


    Die Religions- und Kulturgeschichte Indiens stellt uns noch vor ein weiteres Problem, nämlich den Umstand, dass die alten Inder sich für ihre Geschichte wenig interessierten. Sie haben bis zur Eroberung durch die Moslems kaum ernsthafte Geschichtsschreibung betrieben.5 Stattdessen galt die einfache Regel: Was wichtig und wertvoll ist, ist sehr alt und stammt von den großen Weisen der Vergangenheit; was unwichtig und weniger wert ist, ist jünger. Darum mussten alle buddhistischen Lehren und Texte letztlich immer vom Buddha selber stammen, ungeachtet dessen, dass viele erst Jahrhunderte nach ihm auftauchten, zum Teil inhaltlich schwer miteinander zu vereinbaren waren oder gar neue Lehren in Texten erschienen, die älter als die Sutras waren, auf die sie sich angeblich stützten.(6) Das macht die zeitliche Einordnung der Autoren, Texte und Ansichten extrem schwierig. Hinter etlichen berühmten Namen (etwa Nagarjuna) stehen sogar mehrere Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten lebten, von denen wir aber kaum etwas wissen.


    Bis heute wissen wir auch nicht, in welcher Sprache der Buddha gelehrt hat. Im Theravada, der uns den Pali-Kanon übermittelt hat, sind viele überzeugt, dass der Buddha natürlich in Pa-li gesprochen hat. Das ist sehr unwahrscheinlich, weil es diese Sprache zur Zeit des Buddha noch gar nicht gab, denn Pali wurde erst von den Nachfolgern des Buddha als Sprache – als Kunstsprache – erschaffen. Der Buddha, so nimmt man heute an, hat wahrscheinlich mehrere Dialekte des vedischen Sanskrit der aus Zentralasien eingewanderten indoarischen Stämme gesprochen. Ziemlich sicher waren das Magadhi und Koshali, die Sprachen der beiden Hauptkönigreiche in der östlichen Gangesebene, jener Gegend, in der sich der Buddha während seiner Lehr- und Wanderjahre vorwiegend aufhielt.


    „Ebenso wenig wissen wir über die Entstehung des Pali-Kanon, der einzigen vollständig erhaltenen Sammlung alter buddhistischer Texte in einer indischen Sprache.“


    Wie, wo und wann die Pali-Sprache entstanden ist, können wir bis heute nicht sagen. In jedem Falle in einem längeren Entwicklungsprozess aus verschiedenen nordindischen Regionalsprachen (Prakrit). Pali war nie Volkssprache, wir finden es nur in buddhistischen Texten, in keinen anderen. Warum wurden die frühen Lehren nicht in Sanskrit, der heiligen Sprache der Brahmanen überliefert? Weil der Buddha nicht gewünscht hat, dass seine Lehre in einer Sprache tradiert wird, die das Privileg einer elitären Priesterkaste war und die das Volk nicht verstand.


    Ebenso wenig wissen wir über die Entstehung des Pali-Kanon, der einzigen vollständig erhaltenen Sammlung alter buddhistischer Texte in einer indischen Sprache. Die vor allem den Vinaya (Ordenregeln) und die Suttas (Lehrreden) betreffenden Texte wurden Jahrhunderte lang mündlich weitergegeben. Sie gelten als weitgehend textgetreu, was aber nicht ausschließt, dass bis zu ihrer schriftlichen Abfassung – und die war erst um das Jahr 80 v. u. Z. in Sri Lanka – an einzelnen Stellen Veränderungen, Einschübe, Auslassungen oder Übertragungsfehler eintraten. Vor allem die Bücher des dritten Teils des Pali-Kanon, der Abhidhamma, entstanden erst in den Jahrhunderten nach Buddha und fanden ihre endgültige Fassung ungefähr im 5. Jahrhundert in Sri Lanka. Der Buddhismus in der Fassung des Pali-Kanon kam während der Regierungszeit des buddhistischen Kaisers Ashoka um das Jahr 250 v. u. Z. von Nordindien nach Sri Lanka und wurde vom dortigen König als Staatsreligion etabliert. Diesen Status genießt er hier bis heute. Überwiegend diesem Umstand ist der Erhalt des Pali-Kanons und des Theravada zu verdanken.


    „Der Pali-Tipitaka ist nicht, wie viele meinen, die Grundbasis aller buddhistischen Schulen, sondern war bis ins 20. Jahrhundert hinein sowohl dem tibetischen als auch dem chinesischen Buddhismus fast völlig unbekannt.“
    Denn in Indien selber gab es schon kurz nach Ashokas Zeit ganz andere Entwicklungen. Die Buddhisten sahen sich umfangreichen Angriffen vonseiten der Brahmanen und ihrer neu aufkommenden religiösen und philosophischen Schulen ausgesetzt. In der stark von theoretischen Debatten geprägten Kultur des alten Indien waren alle Beteiligten – um den Preis ihres ökonomischen Überlebens – gezwungen, überzeugende und tiefgründige Antworten zu geben, konnten dies aber nur tun, wenn sie sich auch in der Sprache der Gebildeten, der Brahmanen äußerten. So übernahmen die nordindischen Schüler des Buddha schon 300 bis 400 Jahre nach ihrem Lehrer doch das Sanskrit als Sprache des Buddhismus.
    Dementsprechend gab es auch bald Lehrredensammlungen des Buddha in Sanskrit, die in Nordindien die Pali-Überlieferung verdrängten, sodass hier ab der Zeit der frühen Mahayana-Sutras (1. Jahrhundert v. u. Z.) fast alle buddhistischen Texte nur noch in Sanskrit abgefasst wurden. Das hatte tief greifende Folgen für die gesamte weitere Entwicklung des Buddhismus. Denn damit war der nur noch in Südindien und Sri Lanka erhaltene Pali-Zweig des indischen Buddhismus von der weiteren, geografisch ohnehin weit entfernten Entwicklung im indischen Nordosten (Magadha) und Nordwesten (Gandhara, Baktrien) abgeschnitten. Umgekehrt war der indische Sanskrit-Buddhismus starken Einflüssen des neu entstehenden Hinduismus wie auch anderer religiöser und philosophischer Strömungen ausgesetzt und ist diesen auch gefolgt.7 Auf der relativ kleinen Insel Sri Lanka gab es die Macht der Brahmanen und die fremden Einflüsse nur in viel geringerem Ausmaß. Auch darum bewahrte der dortige Theravada die Lehre und Praxis des Buddha in der ältesten uns erhaltenen Form.


    Die geografische Ausbreitung der buddhistischen Schulen
    Da der Pali-Kanon schon wenige Jahrhunderte nach Buddha in Nordindien in Vergessenheit geriet, waren dieser und der Theravada dem Mahayana Zentral-und Ostasiens und zuletzt Tibets nicht mehr bekannt. Er wurde in seiner Gesamtheit nie in eine der dortigen Sprachen übersetzt. Der Pali-Tipitaka (mit den drei Teilen Vinaya, Sutta, Abhidhamma) ist deshalb nicht, wie viele meinen, die Grundbasis aller buddhistischen Schulen, sondern war bis ins 20. Jahrhundert hinein sowohl dem tibetischen als auch dem chinesischen Buddhismus fast völlig unbekannt. Von daher gibt es auch in den späteren indischen wie außerindischen Mahayanaoder Vajrayana-Texten keinen wirklichen Bezug oder Hinweis mehr auf ihn.
    Das sprachliche Fundament, auf dem sich das Mahayana in Indien entwickelte, war das Sanskrit und die darin abgefassten Texte. Auch jene frühbuddhistischen Schulen, die vom Mahayana dann Hinayana genannt wurden – die Sarvastivadin mit ihren Unterschulen Vaibhashika und Sautrantika – waren keineswegs Pali-, sondern ebenfalls Sanskrit-Schulen. Parallel zum Pali-Kanon entwickelten sie in der Zeit nach Ashoka einen eigenen Sanskrit-Kanon (Sutra-Agama). Er stellt die älteste Textgrundlage des Mahayana-Buddhismus dar. Doch ist der – im Unterschied zum Pali-Kanon, der vollständig überliefert ist – nur noch in Bruchstücken vorhanden, die Mehrzahl der Texte ging verloren. Indessen gibt es eine weitgehend vollständige, aber fehlerhafte Übersetzung ins Chinesische. Die deckt sich auch nur teilweise mit dem Pali-Kanon.8 Die fünfte Sammlung des Pali-Kanon, der Khuddaka-Nikaya, fehlt im Chinesischen und Tibetischen weitgehend, und die verschiedenen Versionen des Sanskrit-Abhidharma sind in Text, Aufbau und Inhalt sehr verschieden vom Pali-Abhidhamma des Theravada.
    Auf Tibetisch existiert auch keine vollständige Übersetzung der frühen Sanskrit-Sutras,9 nur einige davon sind in den Kanjur aufgenommen worden. Jener besteht vorwiegend aus späteren Mahayana-Sutras.(10) Das heißt, die Tibeter kannten nicht nur den Pali-Kanon nicht, sondern auch kaum den alten Sanskrit-Kanon. In ihren Aussagen über das „Hinayana“ beziehen sie sich darum auch nicht auf die frühen Paliund Sanskrit-Sutras, sondern auf die Ansichten der oben aufgezeigten, späteren philosophischen buddhistischen Schulen Indiens. Warum? Weil die frühen tibetischen Buddhisten, die vom 8. bis 12. Jahrhundert den Dharma aus Nordindien übernahmen oder übermittelt bekamen, nur noch dessen späteste Form kennenlernten. Die Interpretation des Buddhismus, auf den sie sich bis heute stützen, stammt aus einer Zeit, die circa 1 500 Jahre nach Buddha lag.


    Durch die immer stärkere Ausbreitung des Hinduismus in Indien und die Abkehr der Fürsten und der einfachen Landbevölkerung vom Buddhismus war dieser zu jener Zeit auch erheblich geschwächt, ja im Niedergang. Darum konnte er während der zweiten buddhistischen Missionierung Tibets von den moslemischen Eroberern Nordindiens im 12. Jahrhunderts ohne Widerstand weitgehend vernichtet werden. Der Sanskrit-Buddhismus der Universitäten von Nalanda und Vikramashila hatte kein Wissen mehr über den Pali-Buddhismus des Südens. Was es zu jener Zeit noch an Kenntnissen über die Lehren des frühen Buddhismus gab, waren die Texte aus den vergangenen philosophischen Streitigkeiten der Mahayana-Schulen mit den Sarvastivadin.

    Das alles heißt, dass sich der Buddhismus schon sehr früh, wahrscheinlich bereits vor oder zu Beginn unserer Zeitrechnung, in zwei getrennte sprachliche, inhaltliche und geografische Zweige aufgeteilt hatte, zwei Strömungen, die sich danach kaum noch begegneten, aufeinander bezogen oder zur Kenntnis nahmen, nämlich: einen südlichen Pali-Zweig und einen nördlichen Sanskrit-Zweig. Beide breiteten sich fortan unabhängig voneinander in verschiedene Regionen Asiens aus. Der auf der Pali-Sprache beruhende Theravada-Buddhismus kam auf dem Seeweg von Südindien und Sri Lanka aus nach Südostasien. Der auf der Sanskrit-Sprache beruhende Sarvastivada- und Mahayana-Buddhismus gelangte vom damaligen Nordwestindien (Kaschmir, Pakistan, Afghanistan) aus über die Seidenstraße nach Zentralasien, Ostasien und Tibet. Erst heute – circa 2 000 Jahre nach ihrer Trennung – treffen sich die buddhistischen Schulen wieder, vor allem nun in Europa und Nordamerika. Es bleibt die Frage, ob sie auch dazu bereit sind, sich gegenseitig ernsthaft zu respektieren und von altgewohnten, aber unzutreffenden Sichtweisen zu befreien.


    Zusammenfassend: es gibt inhaltlich wie historisch – was den Gesamtbuddhismus angeht – keine Stufenfolge von Hinayana-, Mahayana- und Vajrayana-Buddhismus oder eines Sravaka- und eines Bodhisattva-Fahrzeugs, sondern zunächst einen frühen indischen Buddhismus, für den heute international der Begriff Nikaya-Schulen in Gebrauch gekommen ist. Von dem wissen wir aber nur sehr wenig. Daran anschließend, nach Kaiser Ashoka, vollzieht sich die Aufteilung in einen südlichen Pali-Buddhismus und einen nördlichen Sanskrit-Buddhismus. Aus dem südlichen Zweig ist der Theravada hervorgegangen. Er hat sich nicht weiter gespalten, nur regional differenziert. Der nördliche Zweig hat sich in eine Vielzahl von Unterschulen aufgeteilt und zum Mahayana weiterentwickelt. Aus einem kleinen und sehr späten Zweig ging der indische Tantrismus hervor. Die Unterscheidung Hinayana, Mahayana, Tantrayana und die vier philosophischen Schulen ist eine innerhalb des tibetischen Buddhismus selbst und sollte darum auch nur für diesen, für den eigenen Stufenweg verwendet werden. Sie hat nichts mit den anderen buddhistischen Traditionen zu tun. Würde im Hinblick auf die buddhistische Schulgeschichte dieses Verständnis und dieser Sprachgebrauch praktiziert, hätten die nicht-tibetischen Schulen keine Probleme mehr mit dieser Darstellung und die Hauptquelle für innerbuddhistischen Konflikt wäre beseitigt.


    Anmerkungen:
    1 Dominique Side: Buddhismus. Ein Grundlagenwerk für Lehrende, Lernende und alle Interessierten, Zeuthen 2010 (in Kooperation mit der DBU)
    2 Geshe Lhündub Söpa, Jeffrey Hopkins: Der Tibetische Buddhismus, München 1979
    3 Khenpo Tsültrim Gyamtso Rinpoche: Stufenweise Meditationsfolge über Leerheit, Mechernich 1994
    4 Siehe dazu den Beginn der ersten Lehrrede des Buddha in Sarnath, Mahavagga I 6.
    5 Wie das zur gleichen Zeit die Griechen, Römer und Chinesen praktizierten.
    6 Siehe dazu z. B. die Forschungsarbeit von Prof. Lambert Schmithausen zur Yogacara-Schule an der Uni Hamburg.
    7 Dies waren insbesondere der griechisch-römische Hellenismus, die persische Zarathustra-Religion und der Jainismus.
    8 Siehe dazu die vergleichende Textforschung der Pali-Nikayas mit den chinesischen Agamas durch den Theravada-Mönchsgelehrten Bhikkhu Analayo an der Uni Hamburg.
    9 Dies betrifft hauptsächlich den als Hinayana bezeichneten Sanskrit-Kanon der Sarvastivada-Schule.
    10 Das ist die Vielzahl der umfangreichen Sanskrit-Mahayana-Sutras, die bis ins 6. Jh. erschienen.

  • »Meine Dakinis ›lieben‹ mich! «




    „I.A.“, Elliot singt sich; den dhamma; des Erhabenen schön.


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • Hallo,


    Maybe Buddha:


    Hmm... Ist das Zitat nicht deutlich genug? Gut, vielleicht "Glaube" durch "Tradition" oder, wie du es sagst, "buddhistische Schule" austauschen... Dann dürfte es deutlich genug sein :)


    Ich finde zb viele Dinge im Mahayana...... Und bevor ich etwas sage was jemanden verletzten könnte, halte ich es doch lieber mit diesem Zitat und halte mich einfach raus aus dem Mahayana. Ausser wenn ich mal wirklich ernsthaftes Interresse an etwas im Mahayana habe, dann frage ich sachlich nach.


    für mich klingt es so, als ob die Buddhisten anderer Schulen nicht deine Brüder und Schwestern sind, mit denen man unter einem Dach zusammen wohnt. Sondern man sollte sie meiden. Ein wenig so wie in Laozis Daodejing: auch wenn man die Stimmen aus den anderen Dörfern hört, so soll man sie nicht besuchen gehen.


    Ich teile Conzes Ansicht im nachfolgendem Zitat:


    Edward Conze:

    Ich bekenne, daß ich nicht weiß, was die ursprüngliche Lehre des Buddhismus überhaupt war. Die ganze spätere Geschichte des Buddhismus aber nur als Entartung seiner ursprünglichen Lehre zu betrachten, wäre dasselbe, wie wenn man eine Eiche als eine Entartung einer Eichel ansehen wollte.


    Da muss das Theravada sich mittels der neuesten wissenschaftlichen und geschichtlichen Erkenntnisse mal selber fragen, ob das Selbstbild noch zum Fremdbild passt - und welches näher an der Realität liegt.


    void:

    Wenn man einen Theravada Anhänger fragt, was seine Traditionslinie im Vergleich zum Mahayana ausmacht, dann wird er vermutlich sagen, dass es das besondere Anliegen ist, der unverfälschten Tradition des historischen Buddhas zu folgen


    Gruß
    Florian


  • Für dich klingt es so, für den klingt es so... :lol:


    Ich sage doch bloß das ich einige Vorstellungen und Praktiken nicht nachvollziehen kann und die nix für mich sind.
    Und da soetwas wie Praxis für die meißten recht heilig sind, fühlt man sich halt schnell gekränkt wenn jemand kritik äussert, bzw sagt das ihm dieses oder jenes nicht gefällt. Daher unterlasse ich das ebend und sage: Dir dein Glauben, mir mein Glauben! Das ist doch was schönes!!! Toleranz für die Religion und Praxis der anderen...


    Alle Menschen sind meine Brüder und Schwestern, dazu müssen sie nicht Theravada sein oder Buddhist sein oder oder oder.... Hier wird einem ständig was unterstellt, das ist wirklich schlimm.


    Vielleicht einfach mal das gute im anderen sehn und nicht ständig irgendetwas schlechtes suchen wo nix ist... Einfach mal locker machen... 8):D


    Edit:
    Wenn ich sage das ich mit einigem nicht einverstanden bin im Mahayana und geht du davon aus das ich deshalb mit Mahayana nicht unter einem Dach leben könnte und sie nicht akzeptieren würde...


    Ist das denn bei dir so, das wenn Menschen andere Meinungen haben als du, das du mit ihnen nicht unter einem Dach leben kannst und sie nicht als deine Brüder und Schwestern ansiehst und akzeptierst? Warscheinlich nicht, oder? Hoffe ich doch... Warum sollte das also bei mir so sein? ;)


    Von mir aus können die anderen auch Moslem, Christ, Atheist, Frau, Mann, Kind, Alt, Jung sein das spielt bei mir keine Rolle. Daher: Dir dein Glaube, mir meiner... Jeder wie er möchte!

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Jungs, tut mir (und vielleicht auch anderen Usern) bitte den Gefallen und brecht hier nicht wieder den alten Stammeskrieg "Hinayana vs. Mahayana" vom Zaun.


    Ich mag es einfach nicht mehr lesen !


    Könnten wir nicht einfach mal vernünftig mit dem Thema umgehen ?


    So schätze ich es als "Tibeter" z.B. sehr, dass ich mal eben eine Frage zum Pali-Kanon hier los werden kann um prompt eine qualifizierte Antwort erhalte, ohne mich durch die ganzen Sutren suchen zu müssen. Für mich als Anfänger ist das ein wahres Geschenk. Danke schön.


    Nachdem Sukha sich die Mühe gemacht hat, mir sehr detailiert die Meditations der Theravadin zu erklären, konnte ich auch feststellen, dass sie von meiner eigenen Praxis nur wenig abweicht. Danke schön.


    Wie wäre es denn,wenn wir uns mal wirklich auf die Qualitäten der jeweils anderen Richtung beziehen würden, statt ständig auf das "anders sein" zu verweisen ?

  • Dorje Sema:

    Tatsächlich!


    Erzähl doch mal bitte was über das Schulungssystem der Sautrāntika/Sthaviravada .
    Neunmal_klugscheißer „Du bist für mich so`ne halbwegs katastrophale buddhistisch gescheiterte Geistesgeschichte wie "Goldner" !“
    Elliot, mit und ohne Dir zu schreiben erscheint mir nicht wert !!!


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema


    Sag mal, was ist denn das für eine Art und Weise?
    Alles vergänglich, aber es ändert sich doch nix...?
    Vielleicht solltest du mal etwas achtsamer darüber nachdenken was du schreibst!

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Syia:


    Wie wäre es denn,wenn wir uns mal wirklich auf die Qualitäten der jeweils anderen Richtung beziehen würden, statt ständig auf das "anders sein" zu verweisen ?


    Dann nehmen wir dies doch hier als Anlass, mal die Qualitäten herauszuarbeiten.


    Ich fange mal an: Zen-Leute erlebe ich als freundlich und diszipliniert ------- gefällt mir :)


    ()


  • Steckt zwar ein guter Gedanke :) dahinter, aber ist das nicht auch nur Schubladen denken...?


    Ich versuche einfach immer jeden Menschen so zu nehmen wie er ist.


    "Idioten" und nette, freundliche gibts überall...


    Natürlich gibt es gewisse Verhaltensmuster die sich ein wenig herauskristalisieren, sowohl postive wie negative (auf allen Seiten).

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Maybe Buddha:

    Natürlich gibt es gewisse Verhaltensmuster die sich ein wenig herauskristalisieren, sowohl postive wie negative (auf allen Seiten).


    Bezieht sich diese Aussage jetzt auf die unterschiedlichen Schulen oder generell auf dein Erleben ?

  • Syia:
    Maybe Buddha:

    Natürlich gibt es gewisse Verhaltensmuster die sich ein wenig herauskristalisieren, sowohl postive wie negative (auf allen Seiten).


    Bezieht sich diese Aussage jetzt auf die unterschiedlichen Schulen oder generell auf dein Erleben ?


    Im Endeffekt kann man das auch auf mein erleben aller Menschen beziehen. Alle Menschen haben positive und negatice Eigenschaften.


    Und in verschiedenen Gruppen (nicht nur auf Buddhistische Schulen bezogen), kristalisieren sich oft gewisse Ballungen von gewissen Verhaltensmustern heraus. Zum einen weil verschiedene Gruppen aller Art (FRauen, Männer, Kinder, Verschiedene Religionen und untergeordnete Schulen, Akademiker, Köche, Hausfrauen etc.).


    Zum einen ist das natürlich meiner eigenen Konditienierung und auffassungsgabe bzw besonderes achten auf bestimmte Dinge durch meine Konditionierungen geschuldet. Das ist klar. Aber es ist auch nicht nur die eigene Wahrnehmung...


    1. entwickeln sich in bestimmten Gruppen oder gesellschaftlichen Strukturen; oder auch Kulturen und Ländern etc. gewisse Verhaltensmuster bzw ausprägungen emotionaler oder sonstiger Art. Mit anderen Worten, die Gruppe formt die Einzelnen.


    2. Ziehen natürlich bestimmte Gruppen, Vereine, Organisationen, Religionen oder deren Strömungen, gewisse Menschen mit ähnlichen Konditionierungen und Verhaltensmustern an. Die einzelnen fügen sich zu einer Gruppe zusammen.


    Diese beiden Punkte kann man natürlich nicht getrennt betrachten, sie fließen ineinander und ergänzen sich.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha