Zum Kern der Sache

  • Hier wurden ja in letzter Zeit unzählige schreierische Beiträge zum Thema Mahamudra & Dzogchen eröffnet, was auch Grund war, für meine Anmeldung hier, da ich recht interessiert bin an dieser Thematik, und gerne wissen möchte, was denn nun wirklich der konkrete Untrerschied sein soll. Ich bin Praktiker und kann mit diversem philosophischen Gehabe nicht viel anfangen. Wer mir etwas erklärt, sollte es also so erklären, daß ich es konkret nachvollziehen kann. Spekulationen interessieren mich eher weniger. In einem mittlerweile geschlossenen Beitrag stellte ich eine Frage, in der Hoffnung, daß mir ein scheinbar recht erfahrener Dzogchenpa wie Kalden Y. oder auch tobias Antwort darauf geben könnte. Dies war die Frage:


    "Mich würde interessieren, was denn nun wirklich der hier genannte Unterschied zwischen Dzogchen und Mahamudra ist. Bitte keine fachbegrifflichen Erklärung "über Dzochen" oder "über Mahamudra", denn damit ist rein gar nichts gesagt, sondern aus der konkreten Praxis heraus. Gehen wir von einem "Gedanken" aus. Und jetzt macht man sich auf die Suche nach einem Denker. Da lässt sich nichts finden. Nun. Inwiefern unterscheidet sich genau ab diesem Punkt Dzogchen von Mahamudra. Wie verfährt der Dzogchenpa ab diesem Punkt, wie verfährt der Mahasiddha ab diesem Punkt. Bitte konkret auf dieser für alle nachvollziehbaren Erfahrungsebene erklären, und wenn möglich mit etwas weniger tibetischer Fachbegrifflichkeit, die ja nur eine Aussenperspektive darstellt; sozusagen den Standpunkt diverser "Gelehrter", die nur darüber nachdenken."


    Worauf ich auch eine Antwort bekam, wenngleich er in seiner Antwort nur in diesem einen Punkt auf meine Frage einging:" [..] Aber kann dir jetzt schon sagen das beiden der Mind nicht finden können weil er empty ist."


    Also beide können "den Geist" nicht finden, weil er "leer" ist. Damit ist natürlich nichts geklärt, nicht wahr? Also nochmal die Frage: Gehen wir von einem "Gedanken" aus. Und jetzt macht man sich auf die Suche nach einem Denker. Da lässt sich nichts finden. Nun. Inwiefern unterscheidet sich genau ab diesem Punkt Dzogchen von Mahamudra. Wie verfährt der Dzogchenpa ab diesem Punkt, wie verfährt der Mahasiddha ab diesem Punkt. Dieses "da lässt sich nichts finden", wie wird jeweils in Mahamudra und jeweils im Dzogchen damit umgegangen? Was tut der Mahasiddha ab diesem Punkt, was tut der Dzogchenpa ab diesem Punkt? Tun beide dasselbe, oder nicht? Usw. .

  • Die Regeln sind eher ironisch zu sehen. Bin gespannt, ob die hier anwesenden Diskutanten eine nachvollziehbare konkrete Antwort geben können, mehr nicht. Wäre sicherlich zum Wohle aller Lebewesen und so weiter. Anstatt "Gedanken" kann man gerne auch von Sehender - Sehen - Gesehenes ausgehen, oder von Hörer - Hören - Gehörtes usw. . Ich kann jedenfalls keinen Sehenden sehen, da ist nur Sehen. Die Frage ist, was macht der Dzogchenpa aus dem Fakt, daß er nichts vorfindet, und was macht der Mahasiddha aus dem Fakt, daß er nichts vorfindet. Und je nachdem was die machen oder auch nicht machen, wie verhält es sich dann ausgehend davon mit dem konkreten Erleben?


    Verschwindet plötzlich der Sehende und das Gesehene bzw. der Denker und das Gedachte, löst sich das ganz konkret auf, ist das also irgendein bestimmer erleuchteter Bewusstseinszustand, oder verschwindet der Sehende und das Gesehene bzw. der Denker und das Gedachte nur als Konzept, nur als Vorstellung. Wenn dabei also irgendwas verschwindet, verschwindet für den Dzogchenpa nur das Konzept und für den Mahasiddha stellt sich ein spezieller Bewusstseinszustand ein, oder verschwindet für den Mahasiddha nur das Konzept und stellt sich für den Dzogchenpa ein spezieller Bewusstseibszustand ein, oder stellt sich für beide dasselbe ein, oder stellt sich weder die Sache mit dem Konzept noch die Sache mit dem speziellen Bewusstseinszustand ein? Also in diese Richtung würde ich mir wünschen, daß die Dzogchenpas und Mahasiddhas hier konkrete Aufklärung betreiben.

  • Beide Wege führen zur selben Erleuchtung und ja nach Begabung der Menschen die diese Wege nutzen, kann der eine oder andere Weg schneller oder langsamer sein. Das sind die Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede liegen im Wortgebrauch und etwas anderer Auslegung der Worte, was aber nichts am Ziel ändert. Es sind halt Wege die nebeneinander zu Ziel führen. Ohne Fachbegriffe zu verwenden, für jeden zu verstehen und ohne philosophisches Gehabe wie gewünscht.

  • Liebe Leute,


    ich selbst habe besagten Unterschied bisher immer so verstanden, dass es tatsächlich nur die Herangehensweise betrifft.


    Beim Mahamudra nimmt man das Pflegen der Geistesruhe (Shamata) als Pfad, oder moderner ausgedrückt, als Technik, um zur Erkenntnis der Natur des Geistes zu kommen.


    Wenn man aber schon zu Beginn in der Lage ist, im Gewahrsein zu verweilen, was man Rigpa nennt, dann ist die Vorstufe, Geistesruhe zu praktizieren, nicht mehr notwendig.
    Und von Anfang an in Gewahrsein zu verbleiben, das ist Dzogchen. Man kann dann einfach weiter im Gewahrsein verbleiben und macht weiter nichts.


    Da das Mahamudra in seiner Herangehensweise aber sehr nützlich und hilfreich ist für die meisten Praktizierenden, denn die meisten sind nicht in der Lage, von Anfang an in Gewahrsein zu bleiben und darin korrekte Erkenntnis zu gewinnen, wird empfohlen, doch lieber zunächst mit Shamata einzuleiten, was dann also dem Mahamudra entspricht.


    Also, im Mahamudra gibt es Phasen, oder Stufen, im Dzogchen nicht.
    Bitte korrigiert mich, falls meine Darlegung fehlerbehaftet ist!


    Nach meiner persönlichen Erfahrung ist Mahamudra hilfreich, wenn ich körperlich und geistig nicht so gut drauf bin.
    Bin ich aber gesund und fit und ausgeschlafen usw., dann ist Dzogchen passender. Aber dann wähle ich schon ganz von selbst das, was in diesem Moment natürlich ist, ohne erst darüber nachzudenken, wie ich jetzt vorgehen will.
    Also, erfahrungsgemäß lässt sich langfristig beides miteinander kombinieren, je nach gegenwärtigem Zustand.


    Wenn ich in guter Verfassung bin, kann ich auch im reinen Gewahrsein Mahamudra einschließen, ohne dass es noch als etwas Separates erfahren werden kann. Hoffe, dass ich mich deutlich genug ausgedrückt habe, denn in Wahrheit gibt es nichts darüber auszudrücken. Aber man muss Worte als Krücke benutzen.


    Liebe Grüße von Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Hallo Amdap,
    nicht ganz. Dzogchen und Mahamudra sind Belehrungen die auf den Geist zeigen.
    Die erwähnten Praktiken sind Praktiken und diese gibt es bei beiden Belehrungen. Die Praktiken sind nicht statisch, sondern können verändert werden. Jedenfalls beim Diamantweg. Wie andere Gruppen das handhaben weiß ich nicht.
    Wenn man körperlich und geistig nicht so gut drauf ist soll Mahamudra gut sein? Na ja bei 111.111 Verbeugungen hat sich die Frage nach dem körperlichen erledigt. Und geistig, in unserer Gruppe dem Diamantweg sind 33% Akademiker. Diese Zahl ist höher als in der Durchschnittsbevölkerung, auch gibt es bei uns überdurchschnittlich viele Selbständige. Somit dürfte sich das Geistige auch geklärt haben. Ich frage mich warum immer nach den Unterschieden gesucht wird, statt nach Gemeinsamkeiten zu suchen? Warum werden immer die Schwächen der anderen gesucht statt die Stärken. Warum ist kaum einer in der Lage zu sagen, Ey die da sind auch gut und toll, die haben auch gute Belehrungen und Praktiken.

  • Tsultrim Dorje:

    Ich frage mich warum immer nach den Unterschieden gesucht wird, statt nach Gemeinsamkeiten zu suchen? Warum werden immer die Schwächen der anderen gesucht statt die Stärken. Warum ist kaum einer in der Lage zu sagen, Ey die da sind auch gut und toll, die haben auch gute Belehrungen und Praktiken.


    Weil "MEINE Praxis" besser sein muss, als "deine Praxis", sonst bin "ICH" weniger Wert als "Du" und das geht gar nicht... ;)


    Oder einfach gesagt: Selbstbestätigung.


    _()_

    Meinst Du immer noch nicht frei zu sein? – da irrst Du dich :)

  • Kalden Yungdrung:


    Sehr gut der Dzogchenpa kann sicher Mahamudra in seiner Praxis integrieren weil es ihm nicht behindert.


    Genau das scheint das Problem dieser Unterscheidung zu sein - Dzogchen betrachtet sich dem Mahamudra als überlegen. Das sollte mal genauer aufgezeigt werden.

  • Aiko:
    Kalden Yungdrung:


    Sehr gut der Dzogchenpa kann sicher Mahamudra in seiner Praxis integrieren weil es ihm nicht behindert.


    Genau das scheint das Problem dieser Unterscheidung zu sein - Dzogchen betrachtet sich dem Mahamudra als überlegen. Das sollte mal genauer aufgezeigt werden.



    Tashi delek A,


    Da ist kein überlegen da es ist eine Tatsache das der geübter Dzogchenpa sicher alles integrieren kann, dann auch Mahamudra. Da ist nichts besonders an wenigstens für einen Dzogchenpa. Hoffe das einen Mahasiddha oder Mahamudra Anhänger auch Rigpa integrieren kann in seiner Praxis. Wenn ja dann reden wir über können und sind dann sicher nicht überlegen in diesem Fall. oder doch wieder?


    Weiter ist Dzogchen Dzogchen und einen Dzogchenpa ist bestimmt keinen Mahasiddha, das wissen wir im Bön sehr gut da beide Traditionen Mahamudra / Mahasiddhas und Dzogchen / Dzogchenpas bei uns reichlich vorhanden sind UND sehr respektiert werden und etwas vorstellen. Also wir haben vergleich und haben stellungnahme dazu.


    Aber trotzdem ist bei uns im Bön, Yungdrung Bön Dzogchen das allerhöchste Unterricht und hier rede ich dann auch von meiner Tradition aus, da fällt leider nichts zu ändern da, tut mir leid.


    Was anderen behaupten das ist für Bonpos nicht relevant, da wir da so unsere eigene Tradition haben die schon sehr alt ist.
    Dzogchen ist bei uns älter wie Mahamudra und Mahamudra oder der Mahasiddha hat seinen Platz aber ist leider nicht die Krone auf Yungdrung Bön. :)


    kann wohl sicher behaupten das man mit sowohl Dzogchen wie Mahamudra die Erleuchtung behohlen kann, aber jeder auf eigene Art und Weise. Es liegt daran was man gerne hat und kann. Das ist der wesentlicher Unterscheid, oder wieder nicht?
    Some like patatoes and others more rice :D


    Best wishes
    KY


  • Kalden Yungdrung:


    Da ist kein überlegen da es ist eine Tatsache das der geübter Dzogchenpa sicher alles integrieren kann, dann auch Mahamudra. Da ist nichts besonders an wenigstens für einen Dzogchenpa. Hoffe das einen Mahasiddha oder Mahamudra Anhänger auch Rigpa integrieren kann in seiner Praxis. Wenn ja dann reden wir über können und sind dann sicher nicht überlegen in diesem Fall. oder doch wieder?


    Das ist eine Tatsache - was den geübten Dz - anbetrifft? Und es ist für den auch nichts besonderes.
    Aber für den anderen M. hoffst du, dass er es kann?
    Mich erinnert das an die Unterschiede von Rinzai und Soto. Und auch auf einer anderen Ebene zwischen Theravada und Mahayana - oder zwischen Christentum und Buddhismus.
    Es ist für die Praxis - die eigenen und die der anderen - hilfreich, wenn man die Gemeinsamkeiten herausarbeitet.
    Also: was ist beiden Praktiken gemeinsam - Yogacara?


    Im übrigen kann es nicht daran liegen, was man gerne macht - oder hat - wie Kartoffeln oder Reis. Wenn man in einer Gegend lebt, in der Reis üblich ist und Kartoffeln eher Luxusnahrung - dann bildet man sich ein, Kartoffeln wären was besseres. Da bleibt man seiner Gier verhaftet. Wie du zu deiner Praxis kommst ist Folge von Handlungen und die Umstände sind eben so. Was soll da das schielen nach den anderen?

  • Aiko:

    Dein Beitrag spricht für sich - viel Spass mit deinem Bön.



    Tashi delek Aiko


    Danke für deine Bemerkungen.


    Und womit kann ich dir viel Spass Wünschen?


    Zen, Chan, oder etwas anderes vielleicht was du schick und schön findest. Oder hast du nirgendwo spass an, oder vom alles etwas ?
    Na wie dem es auch sei,


    Jedem sein Bier, na dan Prost ! :D


    Best wishes mit deiner persöhnliche visions und Methoden, die nicht die meine brauchen zu sein, oder wol wieder?



    KY



  • Was mir im Laufe der vergangenen Jahre auch aufgefallen ist:
    je sicherer und stabiler ein Praktizierender (meiner Erfahrung nach übrigens egal, ob es sich nun um einen Christen, Moslem oder Buddhisten welcher Schule auch immer handelt) in sich ruht und je tiefer sein Vertrauen in sich und seine Praxis ist, umso weniger muss er andere bewerten und hat die Fähigkeit erworben, die unterschiedlichen Wege wertschätzend anzuerkennen.

    Herzliche Grüße von der


    Kirschblüte



    Der vielleicht größte Vorteil des Ruhms besteht darin, daß man ungestraft die größten Dummheiten sagen darf.


    André Gide

    2 Mal editiert, zuletzt von Kirschbluete ()

  • Aiko:

    Ich trinke keinen Alkohol, auch kein Bier.
    Der Große Weg ist jenseits von "like" und "dislike".


    Nach viele Jahre habe ich aufgehört mit dem "gar kein Alkohol". Wenn es passt, wieso nicht. Immer mit Maß.
    Auch "nicht trinken" kann eine Egobestätigung werden.


    _()_

    Meinst Du immer noch nicht frei zu sein? – da irrst Du dich :)

  • Joram:
    Aiko:

    Ich trinke keinen Alkohol, auch kein Bier.
    Der Große Weg ist jenseits von "like" und "dislike".


    Nach viele Jahre habe ich aufgehört mit dem "gar kein Alkohol". Wenn es passt, wieso nicht. Immer mit Maß.
    Auch "nicht trinken" kann eine Egobestätigung werden.


    _()_


    Es gibt kein Ego. Es gibt nur die Illusion und diese kann bestätigt werden, durch Vorlieben und Ablehnung. Ich lehne Alkohol nicht ab. Ich gebrauche ihn zur Desinfizierung.

  • Aiko:
    Joram:


    Nach viele Jahre habe ich aufgehört mit dem "gar kein Alkohol". Wenn es passt, wieso nicht. Immer mit Maß.
    Auch "nicht trinken" kann eine Egobestätigung werden.


    _()_


    Es gibt kein Ego. Es gibt nur die Illusion und diese kann bestätigt werden, durch Vorlieben und Ablehnung. Ich lehne Alkohol nicht ab. Ich gebrauche ihn zur Desinfizierung.


    Wir sind einer Meinung. :)


    _()_

    Meinst Du immer noch nicht frei zu sein? – da irrst Du dich :)

  • Hallo Kalden, danke für deine Antwort.


    Kalden:

    : Im Dzogchen ist da auf jeden Fall keinen greifen und empfinden da von objekt und subjekt. Also dieses verweilen in Emptiness das haben wir beiden da. Aber die Lichter sind nicht da im Mahamudra.


    Diese Feststellungen sind leider noch nicht so ganz nachvollziehbar. Darum muss ich nochmal auf meine ursprüngliche Frage verweisen. Da ist ein Gedanke. Man sieht nach, aber kein Denker zu finden. Das gilt auch für Sehen, Hören, Fühlen usw. . Welche Konsequenzen zieht der Mahasiddha aus dem Fakt, daß er nichts finden kann, und welche Konsequenzen zieht der Dzogchenpa aus dem Fakt, daß er nichts finden kann? Das ist doch der wesentliche Punkt. Sowohl Mahasiddha wie Dzogchenpa finden nichts vor. Darin sind wir uns ja einig. Wenn man nun davon ausgeht, daß beim Mahasiddha ein subtiles Ergreifen da ist, und beim Dzochenpa nicht, liegt das von dir angenommene Problem wohl darin begraben, daß ein Mahasiddha andere Konsequenzen zieht als ein Dzochenpa. Angenommen du hast recht. Welche zwei möglichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Fakt, das man nichts finden kann?


    Möglichkeit I: Man macht aus dem Fakt daß man "nichts finden" kann ein Konzept, was bedeutet, man macht aus dem Fakt daß man nichts finden kann, ein "Etwas". Dies führt wiederum zu einem ganz speziellen Bewusstseinszustand. Ein spezieller Bewusstseinszustand inklusive diverser Wonne & Co., basierend auf einem Konzept, basierend auf Ergreifen und verdinglichen des beschriebenen Fakts, daß nichts zu finden ist.


    Möglichkeit II: Man macht aus dem Fakt, daß nichts zu finden ist kein künstlich verdinglichtes Konzept, sondern zieht die konkreten Konsequenzen daraus. Um ein Beispiel von N. Norbu zu geben - wenn mich jemand fragt: "Wie ist dein Name?", und ich antworte:"Ich habe keinen Namen", und der Typ sagt zu mir:"Hallo, Kein-Name, wie geht es dir?", wäre das schließlich rechter Unsinn. Also, was ist die angeführte konkrete Konsequenz? Da ist nichts zu finden, also lasse ich jegliche Suche und jede gekünstelte Meditation sein. Ganz einfach. Da nichts zu finden ist, ist alles so wie es eben ist, genau so wie es ist, und so wie es immer schon war. Man akzeptiert das, bzw. entscheidet sich dafür; belässt alles also so, wie es ist. Man sollte sich jedoch mal wieder vorsehen, dieses "belassen wie es ist" zu einem Konzept zu machen, ganz ähnlich wie es sich mit dem "nicht finden können" verhalten hat. Belässt man es so wie es ist, und zwar auf Basis dieser Entscheidung, wird sich völlig von selbst nicht-konzeptuelles Wissen eröffnen. Kein zusätzlicher Gedanke wird notwendig sein, der "wissen müsste", was nicht bedeutet, es hier mit "Gedankenleere" zu tun zu haben. Diese "Gedankenleere" ist viel eher diesem speziellen Bewusstseinszustand in "Möglichkeit I" zuzuschreiben. Was mich zu einem weiteren Punkt bringt:


    Kalden:

    Na im Dzogchen praxis sind die Gedanken self=liberated weil emptiness ist hier ohne subjekt und Objekt.


    Subjekt, Objekt, Leerheit


    Wenn man erst mal davon ausgeht, daß ein Mahasiddha die oben ausgeführte "Möglichkeit I" ergreift, und der Dzochenpa aus der oben ausgeführten "Möglichkeit II" die konkreten Konsequenzen zieht, dann ist deine Aussage natürlich ganz leicht mißzuverstehen, darum muss man sich hierbei etwas klarer ausdrücken, ansonsten wird hier der Eindruck geweckt, dem Dzochenpa gehe es hier ja doch um einen speziellen Bewusstseinszustand und der Dzogchenpa würde eher doch "Möglichkeit I" ergreifen. Wenn ich das lese, komme ich also schon ein wenig ins straucheln mit der These, "daß grundsätzlich alle Mahasiddha" Möglichkeit I praktizieren, und "daß grundsätzlich alle Dzogchenpas" Möglichkeit II praktizieren. Ja an diesem Punkt hege ich mittlerweile schon den Verdacht, daß ich nicht alle über einen Kamm scheren kann. Der Satz:"Gedanken sind selbstbefreit", sagt wiederum rein gar nichts aus. Das klingt nur relativ nett. Aber das Problem liegt sowieso eher in dieser Aussage begraben: "Leerheit ist hier ohne Subjekt und Objekt". Aus der konkreten praxisorientierten Perspektive, sind diese "Festellungen" natürlich pures Gift. Hier ist die Rede von "Leerheit", also einer Verdinglichung, welche, wie in "Möglichkeit I" umrissen, nur zu einem Mißverständnis führen kann, was wiederum direkte Auswirkung auf die konkrete Praxis hat, und zu dem führt, was Kalden kritisiert.


    Das Wort "Leerheit" zu benutzen, sollte, wenn denn zutrifft daß alle Dzochenpas Möglichkeit II praktizieren, was ich nun ein wenig bezweifle, strikt aus dem Wortschatz gestrichen werden, erst recht in öffentlichen Texten. Doch das ist nicht das Ende vom Lied, denn auch davon ist die Rede: "[..] ohne Subjekt und Objekt". Und auch hier gilt dasselbe wie für den Ausdruck "Leerheit". Wer liest:"Der natürliche Zustand ist ohne Subjekt und Objekt", stellt sich sogleich einen speziellen Bewusstseinszustand vor, gegen den sich Kalden als Dzogchenpa ja verwehrt:"Das muss toll sein, kein Subjekt, kein Objekt, dann verschwindet im natürlichen Zustand also der Bildschirm vor mir, und ich sowieso. Dieser Dzogchenpa nährt also im Grunde nur das, wovon er sich eigentlich abgrenzen wollte. Er nährt damit nur den ohnehin schon viel zu offensiven Drang, es gäbe was spezielles zu finden und dafür müsse man sich ganz stark anstrengen. Ein Dzogchenpa, der ja zumindest theoretisch "Möglichkeit II" praktiziert, müsste also in jeder Hinsicht davon absehen, einfach nur zu behaupten:"Leerheit, ohne Subjekt und Objekt".


    Tatsächlich ist es wohl so: Wer sich "Möglichkeit II" zuwendet, in Anbetracht offenbaren nicht-konzeptuellen Wissens, für den werden die Konzepte bzw. Vorstellungen "Subjekt & Objekt" verschwinden, nicht jedoch "der Bildschirm". Die Konzepte "Subjekt, Objekt" werden ganz natürlich aus sich selbst heraus befreit und spielen in Folge keine Rolle, ebensowenig wie das spirituelle Konzept von einer "Einheit von Subjekt und Objekt". Wen interessierts. "Gewahrsein" bzw. klares "nicht-konzeptuelles wissen" im Dzogchen ist also nicht "ohne Subjekt und Objekt", sondern ohne das "Konzept bzw. die Vorstellung von sowas wie Subjekt und Objekt", und zwar aus sich selbst heraus und ohne eines zusätzlich notwendigen Gedanken, der davon wissen müsste, was jedoch nicht "Gedankenstille" bedeutet, was ja bereits erwähnt wurde. "Klar" bedeutet hier, leer von solchen Vorstellungen. Dieses nicht-konzeptuelle Wissen, wovon sich in keiner Weise sagen lässt, "woher" es denn käme (Essenz), ist in Folge in keiner Weise von dem aufzudröseln, was weiterhin erscheint. Was auch auftauchen mag - Gedanken oder Wolken, es ist dieses klare Wissen, und somit ist alles, was auch auftauchen mag, ganz einfach so wie es ist. Dieses "Wissen" ist nichts anderes als "die Dinge nicht berühren", und die Dinge nicht zu berühren ist eben dieses Wissen.


    Da sich hier nicht nur Dzogchenpas oder Mahasiddhas tummeln, füge ich an dieser Stelle ein Zitat von Bassui Zenji ein, welcher dieses mögliche Mißverständnis bezüglich einer verdinglicht verstandenen "Auflösung von Subjekt und Objekt", ergo als gekünsteltem "Bewusstseinszustand" verstanden, den Gar ausmacht: "Es gibt Menschen, für die sich alle Phänomene vollständig aufösen: Ihr Geist wird plötzlich klar, die Trennung zwischen Innen und Außen existiert nicht mehr, nichts hinterlässt Grenzen und alle Welten in den zehn Richtungen sind wie ein rundes, glänzendes Juwel ohne Makel oder Schatten. Wenn die Welt, die sie erkennen, vor ihnen auftaucht, klatschen sie in die Hände, setzen ein breites Grinsen auf und glauben, sie hätten ein großes satori erlebt. Doch dies ist keine Wesensschau." (Den Menschen befreien, Angkor Verlag)



    Quelle: headless.org


    Abschließend möchte ich den buddhistischen Kontext verlassen, und mache den Unterschied zwischen Möglichkeit I & Möglichkeit II am Beispiel von Douglas Harding fest, welcher - das sei vorab gesagt - der irrigen "Möglichkeit I" anhängt. Douglas Harding ist der Mann ohne Kopf. Wer seine Ansichten noch nicht kennt, findet dazu genügend Stoff im Netz. Also ich sitze hier, und da ist der Bildschirm, und da die Hände, da die Schultern, da der Schatten einer Nase, und ... -genau. Pötzlich ist da nichts zu finden. Kommt uns ja bekannt vor, wurde auch weiter oben geschildert, nur ging es da nicht um "Sehen", sondern um "Denken". Harding macht nun aus ... etwas ganz besonderes! Das kennen wir bereits aus "Möglichkeit I". Er nimmt sich ... an, nennt ... "Leerheit", manchmal auch "wahres Selbst" und meint, ... sei unglaublich klar, ist alles voll und leer gleichzeitig, also "angefüllt mit Welt", dort sei kein Subjekt und kein Objekt usw. . Klingt alles toll, könnte sogar Dzogchen sein, denn auch dort wird viel von Leerheit, Klarheit usw. berichtet. Doch in Wahrheit ist es nur ein gekünstelter Bewusstseinszustand basierend auf einem Konzept. Inwiefern unterscheidet sich MII anhand dieses Beispiels von MI?


    Also ich sitze hier. Da ist der Bildschirm, und da die Hände, da die Schultern, da der Schatten einer Nase ..., da ist der Bildschirm, und da die Hände, da die Schultern, da der Schatten einer Nase..., da ist der Bildschirm, da die Schultern, da der Schatten einer Nase. Genau. Das ist MII auf "Sehen" angewandt. Tja. "Was anderes" findet sich eben nicht. Komme immer wieder und wieder und wieder am "Ausgangspunkt" an. Komme immer wieder da an, wo und wie ich schon die ganze Zeit über war. Da ist nichts zusätzliches auffindbar, da ist kein (zusätzlich) "Sehender" zu sehen. Da ist nur das was eben da ist. Alles ist genau das, was es ist. Nur das was ist, und genau so, wie es ist. Wohin immer man sieht ist, wohin man sieht. Wohin auch immer der Fokus der Augen gerichtet ist, ist da, wo ihr Fokus gefunden wird. Das ist alles. Man sollte also aus der Tatsache, daß man immer wieder und wieder zum "Ausgangspunkt" zurückkommt, also zur Situation, so wie sich sich die ganze Zeit über schon präsentiert, die konkrete Konsequenz ziehen, also sich dafür entscheiden und somit dabei belassen, ohne aus "dabei belassen" ein Konzept und in Folge wieder eine "Praxis" zu konstruieren. Was für "Sehen" gilt, gilt natürlich auch für Denken, Fühlen, usw. . Dann wird sich, wie im MII Absatz bereits angesprochen, nicht-konzeptuelles Wissen ganz von selber zeigen.


    Wie nun?


    Jetzt stellt sich also noch die Frage, sind alle Dzogchenpas auf MII und alle Mahasiddhas auf MI? Sicher nicht. Schwierig zu sagen, "die Dzogchenpas" sind so, und "die Mahasiddhas" sind so. Und auch irgendwie schwachsinnig. Dreh & Angelpunkt ist der korrekte Umgang mit dem Fakt, daß nichts zu finden ist. In Dzogchen, Mahamudra, Zen & abseits buddhistischer Lehren.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Ufff.... das war viel zu lesen und doch steht nichts neues drin...
    Was willst Du WIRKLICH wissen?


    _()_

    Meinst Du immer noch nicht frei zu sein? – da irrst Du dich :)

  • Bön ist definitiv kein Buddhismus.


    Dzogchen und Mahamudra sind nichts weiter als Sichtweisen, die mit der Meditation verbunden werden. Sichtweise und Meditation gehören im Buddhismus zusammen. Die Nähe der beiden Sichtweisen ist so groß, daß sogar die Methoder der Meditation gleich sind. Ja sogar die Lamas sind oft die selben. Die Karmapas haben drei Mal die Nyingmaschule gehalten, sonst wäre sie weg.


    Es geht also ausschliesslich um die Sichtweise. Und zwar der Sichtweise aus dem Weg, auf die Frucht. Es ist nicht die Sichtweise aus der Frucht (Erleuchtung/Buddhaschaft) auf den Weg. Das muss man unterscheiden.