ZitatWas ich - um die Frage "Warum gibt es Mahayana ?" zu untersuchen, versucht habe, ist die "anfängliche Divergenz" rauszufinden. Den Punkt wo sich ein Spalt aufgetan hat. So wie es, wenn man die Frage wo sich Echse und Säugetier auseinanderentwickelt haben, vilelicht Sinn macht, von so wuscheligen Ursäugern auzugehen.
Hat sich denn der Spalt aufgetan, weil die eine Gruppe entschloss nun eine Gruppe zu bilden und die andere Gruppe ebenfalls?
Mir scheinen diese historisch-räumlichen Trennungen viel zu komplex, um da eine Erklärung zu finden. Wenn schon, dann ein sehr großer Cluster an Ursachen.
Was ich tun kann, ich kann für mich sprechen.
Ich komme mit dem Mahayana sehr gut klar. Sowohl mit Vajrayana als auch mit dem Chan. Beides passt zu mir.
Ich komme mit Theravada nicht klar. Und das muss ich erst Mal daran festmachen, dass ich niemanden persönlich kenne, der Theravada praktiziert. Ist also zunächst ein Vorurteil.
So wie sich mir der Theravada bisher präsentiert hat, hatte ich keinen guten Gesamteindruck. Ebenso geht es wohl einigen Theravadins bezüglich des Mahayana. Auch das stellt sich mir als Vorurteil dar. Und das wäre dann schon wieder eine Gemeinsamkeit mehr, die uns verbindet. Ich finde also letztendlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
ZitatWenn du einen Text hast, dann kannst du ja entweder akribisch daran halten oder ihn frei und phantasievoll interpretieren. Und nicht nach dem "Wort" sondern nach dem "Geist" gehen (Oder was du dafür hälst)
Ja, sicher.
Aber wir sind hier nicht bei Texten, die die Bauanleitung für einen Atomreaktor sind, bei dem es auf genaueste Befolgung der Anleitung geht, sondern beim menschlichen Geist und dessen Funktion. Da kommt man mit Akribie nicht weit. Da endet man dann bei ISIS (wobei auch das die Frage ist …). Wo es um den Geist geht, muss man nach dem Geist gehen.
Ich vermute, dass Theravadins auch die Texte innerlich modernisieren und nicht jeder an Nagas glaubt. Auch hier wird adaptiert.
ZitatIm Theravada wird der Palikanon als sehr ernst und sehr verbindlich gesehen
Mir ist nicht bekannt, dass im Mahayana die Körbe nicht ernst genommen würden. Auch die klassische Kommentarliteratur des Vajrayana, mit der ich in Kontakt gekommen bin, ist voller Zitate und Bezüge zum Kanon. Sogar die alten Kommentare zu den noch älteren Kommentaren sind voller Belege aus dem Kanon.
Was im Mahayana wohl üblich ist, ist das Wissen darum, dass die Erfahrungen immer wieder neu erzählt werden müssen, damit sie frisch bleiben. Darum versteht Hans Meier einen modernen Text auch besser als einen Text aus dem 18. Jahrhundert. Nicht nur wegen der sprachlichen Veränderungen, sondern vor allem wegen der Bedeutungsverschiebungen, wegen des Kontextes, der Anspielungen, der Bilder- und Moralwelten. Im Mahayana wird man dem gerecht, indem die Texte der Altvorderen bewahrt werden, die zu ihrer Zeit eben moderner waren als der Kanon. Zudem gilt, der Dharma an sich ist heilig und jeder der Weisheit erlangt hat, dient als Vorbild und seine Worte sind dem Buddha Gautama ebenbürtig. Was für mich logisch ist, da Buddha selbst sagte, dass jeder Buddhaschaft erreichen könne und er kein Alleinstellungsmerkmal wie ein Gott innehabe. "Buddha" scheint mir ergo eine Art Oberbegriff zu sein, der nicht nur auf den Herrn Gautama zutrifft. Folglich muss jeder Text eines Buddha – oder von mir aus Hochverwirklichten – ebenso wertvoll erscheinen wie die Texte, die dem Herrn Gautama zugeschrieben werden. Und weil uns Durchschnittsdeppen der Durchblick fehlt, wer alles wie weit ist, wird jeder, der ein gewisses Level erreicht hat, geehrt und geachtet.
Und das könnte in der Tat ein Unterschied sein zwischen Mahayana und Theravada: Es gibt nicht nur Einen. Sie sind unter uns. Und viele. Es kann jeder in diesem Leben.