Ekel Meditation

  • In der buddhistischen „Ekel Meditation“, die man am ehesten, als Pendant zur tantrischen Praxis über ekelerregende Dinge bezeichnen kann, wird kein Geheimnis über die Methode, dem Sinn und Zweck und dem erwünschten Ziel gemacht.

    Aus der Sicht des Abhidhamma wird sie folgendermaßen beschrieben:


    Ekel Meditation (asubha bhavana)


    Sie bezieht sich auf zehn verschiedene Leichenarten, die man auf alten indischen Friedhöfen vorfinden konnte, auf denen tote Körper nicht beerdigt oder verbrannt wurden und auf denen es oft Fleisch fressende Hunde, Wölfe und Aasgeier gab.

    Heutzutage ist jede Art von Leiche, die die Ekelhaftigkeit des Körpers zeigt, ein angemessenes Meditations-Objekt.

    Wir hängen in der Regel voller Verlangen (raga) an unserem Körper und an den Körpern der Anderen. Die beste Art dieses Verlangen zu unterdrücken und das beste Medikament die raga-Krankheit zu heilen, ist asubha bhavana. Sie wurde zu Lebzeiten des Buddha speziell für junge Mönche zu einer normalen und zwingend vorgeschriebenen kammathana.

    Selbst heute gehören sie zu den vier kammathanas, die als Wächter und Beschützer dienen. Man nennt sie caturarakkha-kammatthanas (die vier Wächter Meditationen), die einen vor inneren und äußeren Gefahren schützen.

    Die zehn Arten von Leichen sind:

    1. eine faulige und aufgedunsene Leiche.

    2. Eine verfärbte Leiche die bräunlich schwarz wird.

    3. Eine Leiche mit rissiger Haut, aus der Eiter entweicht.

    4. Eine Leiche, die in zwei oder drei Stücke zerteilt wurde.

    5. Eine Leiche, die von Hunden, Wölfen usw. angenagt und verstümmelt wurde.

    6. Eine Leiche von Hunden, Wölfen usw. zerbissen

    7. Eine Leiche, die durch ein Messer, einer Axt usw. verstümmelt und zerhackt wurde und deren Teile weggeworfen wurden.

    8. Eine blutende Leiche.

    9. Eine von Würmern befallene Leiche.

    10. Ein Knochengerüst.

    Meditation über jede Art von Leichen, führt zur ersten Vertiefung (jhana).

    Weil das Objekt sehr ekelerregend ist, ist es unmöglich den Geist ohne vitakka auf das Objekt zu fixieren. Deshalb kann vitakka nicht beseitigt werden, um die zweite Vertiefung zu erreichen.

  • Das wird aber auch im Theravada gemacht, der Buddha hat aber davor gewarnt dabei zu übertreiben.

  • In der buddhistischen „Ekel Meditation“, die man am ehesten, als Pendant zur tantrischen Praxis über ekelerregende Dinge bezeichnen kann, wird kein Geheimnis über die Methode, dem Sinn und Zweck und dem erwünschten Ziel gemacht.

    Ich freue mich zu lesen, dass die Bedeutung einer solchen Kontemplation oder Transformation auch dort gesehen wird. Im Tantra wird auch kein Geheimnis über Sinn, Zweck und erwünschtes Ziel gemacht. Die Methode wird nur dann geheim gehalten, wenn die Gefahr besteht, dass man etwas missversteht oder wo eine persönliche Anleitung zwingend notwendig ist, um keine Fehler zu machen.


    Der Unterschied liegt darin, dass diese Meditation wohl eine reine Kontemplation ist. Es geht offenbar auch mehr um die Fähigkeit, sich dem geistig anzunähern, ohne die Vertiefung zu verlieren. Bei der tantrischen Transformation ist es möglich, den Ekel komplett aufzulösen, auch bezogen auf den Alltag. Man kann sich den genannten Objekten dann materiell nähern, ohne Ekel zu empfinden. Dieser wird ausgetauscht durch eine klare Unterscheidungsweisheit, wie man mit diesen Objekten umgehen sollte. Die ursprüngliche Funktion von Ekel ist ja Schutz. Einfach Ekel zu entfernen, ohne eine andere Art von Schutz zu etablieren, wäre gefährlich. Deswegen bedeutet tantrische Transformation immer die Umwandlung des störenden Gefühls durch eine Form von Weisheit.


    Ekel wird im Vajrayana zur Gruppe von Zorn und Hass gezählt. Damit ist seine umgewandelte Form ebenfalls "spiegelgleiche Weisheit". Mit dieser schaut man sich die Situation an und hat glasklar alle Informationen, ohne durch eigene störende Gefühle etwas zu verzerren. Damit verbunden ist dann zwingend die nötige Achtsamkeit und Weisheit, wie mit den Objekten umzugehen ist, ohne sich und andere zu gefährden.

  • Asubha Praxis, in allen Varianten, hat in meinem Verständnis wenig mit Ekel zu tun.

    Durch diese Praxis wird Menschen geholfen, sich vom Körperlichkeits-Wahn zu befreien, was der erste Schritt zum Verständnis der Ich-Illusion ist. Natürlich gerade die Jugend ist stark am Körper und seiner "Schönheit" anhaltend.

    Wenn es nur um Ekel gehen würde bräuchte man keine menschliche Leichen, sondern "nur" Fäkalien oder ähnliches.


    _()_


    PS: In Allem, was Buddha lehrte, geht es ausschließlich um Dukkha und dessen Auflösung.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Ich hab schon den Eindruck , das der Buddhismus manchmal recht arg ins morbide abgleitet.


    Aber es geht hier ja nicht darum, das wir im Westen genau so meditieren sollen.


    Mönche und Nonnen haben halt viel über die Nachteile des menschlichen Körpers meditiert, und Yogis und Yoginis haben lange Retreats auf Gräberfeldern gemacht.(Die nicht so schön aufgeräumt waren wie unsere Friedhöfe hier)


    Für uns reicht es aber erstmal völlig aus, vielleicht mal ein Krematorium zu besuchen oder morgens vor dem Spiegel mal darüber zu reflektieren,

    das eine ganz normale Gesichtscreme, ohne die neusten Zusatzstoffe ihren Zweck schon gut genug erfüllt.;)

  • im tibetischen Buddhismus wird die menschliche Geburt aber als sehr wertvoll angesehn... wie wolltest du ohne Körper Dharma praktizieren?

    Also, ich seh bislang noch keine "Nachteile" (hehe)

  • Der Unterschied liegt darin, dass diese Meditation wohl eine reine Kontemplation ist. Es geht offenbar auch mehr um die Fähigkeit, sich dem geistig anzunähern, ohne die Vertiefung zu verlieren. Bei der tantrischen Transformation ist es möglich, den Ekel komplett aufzulösen, auch bezogen auf den Alltag. Man kann sich den genannten Objekten dann materiell nähern, ohne Ekel zu empfinden. Dieser wird ausgetauscht durch eine klare Unterscheidungsweisheit, wie man mit diesen Objekten umgehen sollte. Die ursprüngliche Funktion von Ekel ist ja Schutz. Einfach Ekel zu entfernen, ohne eine andere Art von Schutz zu etablieren, wäre gefährlich. Deswegen bedeutet tantrische Transformation immer die Umwandlung des störenden Gefühls durch eine Form von Weisheit.

    Der Unterschied liegt m.E. darin, dass die buddhistische Methode das Begehren nach illusionären (menschlichen) Erscheinungen, beseitigen soll, indem die Folgen der Vergänglichkeit: Tot, Zerfall und Auflösen des Körpers offenlegt werden. Der Ekel wird dabei nicht beseitigt, sondern lediglich dazu benutzt, um Anhaftungen an den angenehmen Erscheinungen des materiellen Körpers zu unterbinden. Diese Methode beruht ausschließlich auf meditativer Basis und hat Einsicht, bzw. Abbau von Verblendung, als geistige Folge.


    Die tantrische Methode geht da m.E. schon rigoroser zur Sache, da werden die ekelerregenden Dinge von den entsprechenden Sinnenorganen gleichsam verkonsumiert, was auf welche Art und Weise auch immer, zur Beseitigung von Ekel führen soll. Vordergründig ist dies weder durch Dualität, noch durch das abhängige Enstehen erklärbar. Aber vielleicht liegen hier die Geheimnisse?

    Führt die tantrische Methode zur Beseitigung von Ekel und der beseitigte Ekel wird durch Weisheit ersetzt, dann stellt sich die Frage: durch welche Maßnahme kann Ekel beseitigt werden und was ist das für eine Weisheit und woher kommt dieser Ersatz von Ekel.


    Auf die Rolle, die Karma bei der Umwandlung von Ekel zu Weisheit spielen sollte, möchte ich hier nicht mehr eingehen.

  • Der Unterschied liegt m.E. darin, dass die buddhistische Methode das Begehren nach illusionären (menschlichen) Erscheinungen, beseitigen soll, indem die Folgen der Vergänglichkeit: Tot, Zerfall und Auflösen des Körpers offenlegt werden. Der Ekel wird dabei nicht beseitigt, sondern lediglich dazu benutzt, um Anhaftungen an den angenehmen Erscheinungen des materiellen Körpers zu unterbinden. Diese Methode beruht ausschließlich auf meditativer Basis und hat Einsicht, bzw. Abbau von Verblendung, als geistige Folge.

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  • Der Unterschied liegt m.E. darin, ...

    Das entspricht ja auf der Seite weitestgehend dem, was ich auch sagte. Weswegen man die Methoden im Grunde nicht wirklich vergleichen kann, weil sie unterschiedliche Ziele haben.


    Die tantrische Methode geht da m.E. schon rigoroser zur Sache, da werden die ekelerregenden Dinge von den entsprechenden Sinnenorganen gleichsam verkonsumiert, was auf welche Art und Weise auch immer, zur Beseitigung von Ekel führen soll. Vordergründig ist dies weder durch Dualität, noch durch das abhängige Enstehen erklärbar. Aber vielleicht liegen hier die Geheimnisse?

    Das, was dazu bereits offen gesagt werden kann, ist eigentlich ausreichend, um das zu verstehen. Man muss sich nur damit beschäftigen wollen. Im Kern geht es immer darum, etwas scheinbar Unreines in etwas vollkommen Reines zu verwandeln. Was geistig "Verkonsumiert" wird, ist also dann ein "reiner Nektar". Transformation arbeitet immer mit einer Art des direkten Erlebens, einer Identifikation mit dem Ziel.


    Führt die tantrische Methode zur Beseitigung von Ekel und der beseitigte Ekel wird durch Weisheit ersetzt, dann stellt sich die Frage: durch welche Maßnahme kann Ekel beseitigt werden und was ist das für eine Weisheit und woher kommt dieser Ersatz von Ekel.

    Auch das ist einfach zu erklären. Kern von Tantra ist das Verständnis, dass das Reine bereits im scheinbar Unreinen enthalten ist. Das gilt für alle störenden Emotionen, sie haben alle einen Kern von Weisheit. Wenn Ekel das Gefühl ist, das einem als starke körperliche Ablehnung zeigt, was nicht gut, was gefährlich, was schädlich für den Körper ist, dann wird darüber ein Wissen transportiert. Dieses Wissen läßt sich auch ohne das starke Gefühl vermitteln. Für ein unachtsames, verwirrtes, in der Welt gebundenes Wesen ist es evolutionär notwendig, dass der Körper seine Weisheit sehr massiv ausdrückt, um durchzudringen und andere starke Emotionen (wie Gier, Hunger usw.) zu übertönen. Je stiller der Geist wird und je achtsamer, umso mehr kann die natürliche subtile Weisheit wahrgenommen werden und dann werden solche starken Reaktionen unwichtig. Da sie aber tief verwurzelte Gewohnheiten sind, die man nicht mal eben so ablegt, kann man auf dem tantrischen Weg mit Transformation arbeiten.


    Es kann auch sein, dass solche Gewohnheiten so stark und so verzerrt sind, dass sie gar nicht mehr ihre Funktion erfüllen. Dann reagiert man über und ekelt sich vor Dingen, die gar nicht und nicht so sehr gefährlich sind. Wenn sich dieser Ekel dann auch noch gegen eigene Körperbestandteile richtet, ist das eine Form von Hass, die ständig auf den eigenen Körper einwirkt. Und das kann krank machen. In solchen Fällen kann es also angebracht sein, zumindest die überzogenen Formen von Ekel zu transformieren.


    Immer wenn im Tantra eine Methode nicht direkt auf die Erleuchtung abzuzielen scheint, kann es auch darum gehen, den Körper von Belastungen zu befreien, die ein Hindernis bei der Praxis sind oder werden können.

  • Ekel Meditation (asubha bhavana)

    Sie bezieht sich auf zehn verschiedene Leichenarten, die man auf alten indischen Friedhöfen vorfinden konnte, auf denen tote Körper nicht beerdigt oder verbrannt wurden und auf denen es oft Fleisch fressende Hunde, Wölfe und Aasgeier gab.

    Heutzutage ist jede Art von Leiche, die die Ekelhaftigkeit des Körpers zeigt, ein angemessenes Meditations-Objekt.

    Wir hängen in der Regel voller Verlangen (raga) an unserem Körper und an den Körpern der Anderen. Die beste Art dieses Verlangen zu unterdrücken und das beste Medikament die raga-Krankheit zu heilen, ist asubha bhavana. Sie wurde zu Lebzeiten des Buddha speziell für junge Mönche zu einer normalen und zwingend vorgeschriebenen kammathana.

    ……………


    Man muss es keinesfalls gleich übertreiben.

    Schon ein verfaulender Apfel dient schon vollkommen diesem Zweck.


    Und ich finde, auch so etwas braucht man noch nicht einmal. Es ist schon allein atemberaubend zu beobachten wie die Uhr zur vollen Stunde schlägt, obwohl sie eben noch nicht geschlagen hat; wie ich gerade den durchgekauten Bissen Brot herunterschlucke, obwohl er eben noch vor mir auf dem Frühstücksbrett gelegen hat; wie mit einem Beil ein Stück Holz gespalten wurde, obwohl es eben noch ganz war - undsoweiter undsoweiter.

    Der alltägliche Wandel ist etwas so Unfassbares, dass man nichts anderes zur Meditation benötigt als diesen.


    Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Im Kern geht es immer darum, etwas scheinbar Unreines in etwas vollkommen Reines zu verwandeln. Was geistig "Verkonsumiert" wird, ist also dann ein "reiner Nektar". Transformation arbeitet immer mit einer Art des direkten Erlebens, einer Identifikation mit dem Ziel.

    Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das so wie mit der Buddha-Natur:

    Samsara, das Unreine wird umgewandelt in die Buddha-Natur, dem vollkommen Reinen.


    Da frage ich aber noch einmal nach, wie entsteht bei der Umwandlung das „Reine“?


    Ist das „Reine“ schon ursprünglich vorhanden, wie @mkha' mit dem Gleichnis vom klaren Wasser und den Himbeersirup zu erklären versuchte, oder ist das „Reine“ erst durch das Prinzip der Ursache und Wirkung bedingt entstanden.


    Im ersteren Fall stellt sich mir das Problem: wie lässt sich das mit der buddhistischen Doktrin vereinbaren, dass alles Seiende Unbeständigkeit ist?

  • Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das so wie mit der Buddha-Natur:

    Samsara, das Unreine wird umgewandelt in die Buddha-Natur, dem vollkommen Reinen.

    Buddhanatur ist ursprünglich vorhanden, Samsara ensteht durch eine falsche Wahrnehmung. Entfernt man diese falsche Wahrnehmung, bleibt das übrig, was ist, ohne Verblendung. Die falsche Wahrnehmung ist aber so tief verankert, dass es nicht reicht, sich "die richtigen Gedanken zu machen".


    Ist das „Reine“ schon ursprünglich vorhanden, wie mkha' mit dem Gleichnis vom klaren Wasser und den Himbeersirup zu erklären versuchte, oder ist das „Reine“ erst durch das Prinzip der Ursache und Wirkung bedingt entstanden.

    Es ist ursprünglich vorhanden.


    Im ersteren Fall stellt sich mir das Problem: wie lässt sich das mit der buddhistischen Doktrin vereinbaren, dass alles Seiende Unbeständigkeit ist?

    Nur weil es rein und richtig gesehen ist, wird es nicht zu etwas "Beständigem". Es bleibt das, was es ist. So wie das Wasser in mkha's Glas, auch wenn man den Himbeersirup wieder herausfiltert, kann das Wasser verdampfen, zu Eis werden, in Erde von Pflanzen aufgenommen werden usw. usf.


    So bleibt dann eine zu Weisheit transformierte Störung eine Weisheit, aber deswegen keineswegs unwandelbar. Sie ensteht womöglich jederzeit neu in Kontakt mit einem Objekt. Aber die Störung, die ensteht dann eben nicht mehr. Ein anderes Bild: man jätet das Unkraut und spritzt irgend ein Mittel - dann wachsen nur noch die gewünschten Pflanzen. Aber sie wachsen und sie vergehen auch wieder, daran ändert sich nichts.

  • Bei dieser Meditation geht es wohl nicht darum Ekel zu erregen. Es geht darum die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind. Man denkt gewöhnlich nur an die Oberfläche des Körpers und eine zerstückelte Leiche löst gerade deshalb Entsetzen aus, weil man das aufgrund von Verblendung verdrängt.

  • im tibetischen Buddhismus wird die menschliche Geburt aber als sehr wertvoll angesehn... wie wolltest du ohne Körper Dharma praktizieren?

    In der Buddhalehre wird gesagt das Geburt Leiden sei.

    Tatsächlich braucht es Elend und Leiden um das Anhaften daran zu überwinden.

    Wäre alles für immer wunderbar, dann brauchte man das Anhaften und Begehren

    daran auch nicht überwinden.

  • Bei dieser Meditation geht es wohl nicht darum Ekel zu erregen.

    Es geht darum die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind.

    Das muß keine Gegensatz sein. Alles was geeignet ist das verträumte Anhaften zu überwinden

    oder anzukratzen ist auch nötig für die Überwindung.

  • Da frage ich aber noch einmal nach, wie entsteht bei der Umwandlung das „Reine“?

    Ist das „Reine“ schon ursprünglich vorhanden, wie mkha' mit dem Gleichnis vom klaren Wasser und den Himbeersirup zu erklären versuchte, oder ist das „Reine“ erst durch das Prinzip der Ursache und Wirkung bedingt entstanden.



    Im ersteren Fall stellt sich mir das Problem: wie lässt sich das mit der buddhistischen Doktrin vereinbaren, dass alles Seiende Unbeständigkeit ist?

    Solange wir von dem "Reinen" sprechen, bewegen wir uns im Dualismus, denn das Reine beinhaltet auch das Unreine und umgekehrt.

    Ebenso ist es mit sämtlichen anderen Gegensätzlichkeiten.

    Wenn wir aber die Sprache benutzen müssen, um uns zu verständigen, befinden wir uns in dem "Dilemma", uns im Dualismus bewegen zu müssen, ansonsten müssten wir schweigen.


    Die Missverständnisse entstehen dadurch, dass man 1.entweder den als "Werkzeug" freiwillig gewählten Dualismus künstlich in Konflikt bringt (um Fragen hervorzurufen) mit dem Idealzustand, zu erkennen, dass es ist wie es ist, oder...…..

    2.dass man tatsächlich den dualistischen Zustand für die wahre Existenzweise hält und sie dann irrtümlich auf diese projiziert.

    Im ersten Fall kann es sich um weit fortgeschrittene Individuen handeln, die ihr Publikum zum Erwachen zu führen wünschen, und darum bei ihnen Konfliktpotenzial als Herausforderung hervorrufen wollen,

    im zweiten Fall handelt es sich um uns gewöhnliche Sterbliche mit herkömmlicher Denkweise.


    Wir müssen immer aufpassen, dass wir nicht den Finger mit dem Mond verwechseln, auf den dieser Finger zeigt.


    Zusammengefasst ausgedrückt wird die unaussprechliche höchste Wahrheit indirekt im MAHA PRAJNAPARAMITA HRIDAYA:

    "Leere ist Form, und Form ist Leere". Ich weiß nicht, ob jede*r der hier Beteiligten dieses Werk kennt, da wir uns hier im allgemeinen, nicht im geschlossenen Forum befinden.

    Wenn wir nach Erleuchtung streben, arbeiten wir daran, die tiefgründige Bedeutung der Leerheit uns zu erschließen. Das ist sehr schwer, weil es so unfassbar tiefgründig ist. Mit Logik können wir nicht begreifen, dass die Formen ja nur dadurch erscheinen können, dass sie auf Leerheit gründen. Und dass sie, im Umkehrschluss, nichts anderes repräsentieren als die Leerheit, gerade deshalb, weil sie ständig im Fluss, also unbeständig sind.

    Das ist auch der entscheidende Punkt (in philosophischer Hinsicht), an dem wir uns als Buddhisten bestätigen können:

    wenn wir überzeugt bejahen, dass 1. alle Dinge unbeständig sind, 2. alles Befleckte leidhaft ist, 3. alle Phänomene leer und ohne Selbst sind, und 4. Nirvana endgültigen Frieden bedeutet. Das sind die vier grundlegenden Wahrheiten, zu denen wir uns als Buddhisten bekennen.


    Liebe Grüße, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • @kilaya


    Zunächst möchte ich es dir hoch anrechnen, dass du bemüht bist, mir und auch den anderen interessierten Lesern etwas aus dem Nähkästchen der tantrischen Praxis zu vermitteln.

    Allerdings bringen deine Ausführungen zumindest bei mir mehr Irritationen als Klarheiten.

    So ergibt sich nach meinem Verständnis: wenn das „Reine“, ursprünglich bereits vorhanden ist, müsste es etwas Beständiges sein. Wenn die Beständigkeit des „Reinen“ jedoch verneint wird und das „Reine“ als etwas unbeständiges zu gelten hat, dann wäre es wichtig zu wissen, diese Frage habe ich früher bereits gestellt; wie, oder aus welcher Ursache/Bedingung das „Reine“ entstanden wäre.

    Ist nach tantrischer Sicht das „Reine“ vielleicht eine Zweitausgabe des bedingungslosen Nibbana?

  • Bei dieser Meditation geht es wohl nicht darum Ekel zu erregen.

    Es geht darum die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind.

    Das muß kein Gegensatz sein. Alles was geeignet ist das verträumte Anhaften zu überwinden

    oder anzukratzen ist auch nötig für die Überwindung.

    Zusätzlich sollte man noch erkennen das gerade das empfinden

    von Ekel ein besonders aussagekräftiger Indikator für das Anhaften

    darstellt denn ohne Anhaften würde ja überhaupt kein Ekel möglich sein.

    Ekel ist also nur die gefühlsmäßige Resonanz des begehrlichen Anhaftens.

    Je mehr Ekel empfunden wird je mehr Anhaften ist auch vorhanden und

    je weniger will man von den als Ekel empfundenen Dingen wissen. Gut ist

    es daher zumindest eine gewisse innere Neutralität herzustellen.

  • "Leere ist Form, und Form ist Leere"

    Man kann es noch so oft wiederholen wie man will, es wird niemals

    als Teil der ursprünglichen Buddhalehre weg gehen. Das ist daher

    ein klassisches Dogma das später entstanden ist. Die ursprüngliche

    Lehre kennt solche Dogmen nicht. Sie besagt nur das die Dinge leer sind,

    aber nicht das die Dinge die Leere seien. Das wäre auch grotesk.

    Aber letztendlich kann der Geist sich natürlich alles einreden.

  • So habe ich es gemeint, diese Praxis hat nichts Morbides an sich, wie in diesem Thread schon geargwöhnt wurde.

    Wie gesagt:

    "Man denkt gewöhnlich nur an die Oberfläche des Körpers und eine zerstückelte Leiche löst gerade deshalb Entsetzen aus, weil man das aufgrund von Verblendung verdrängt."


    Ist der Ekel immer umso größer, je größer die Verdrängung ist? Sind Menschen die ständig mit Zerstörung und Tod konfrontiert sind, etwa Chirurgen oder tapfere Soldaten, weniger verblendet weil sie damit umgehen können? Ich denke mal es muss eine entsprechende Einstellung bzw. rechte Ansicht mit im Spiel sein, um mittels solcher Wahrnehmungen Loslösung zu bewirken. Nicht, dass man sich immun macht gegen den Ekel indem man sich daran gewöhnt und ihn als Teil des Lebens akzeptiert, dass außer Ekel ja immer noch genug Genüsse bietet. Vielmehr um die Nichtigkeit und Unpersönlichkeit des Körpers zu erkennen, damit sich diese "gewisse innere Neutralität" einstellt. Ernüchterung. Entsüchtung. Asubha bhavana wäre demnach eine Übung im Rahmen der aufrichtigen Wahrheitssuche, deshalb ist sie für Mönche oder Nonnen geeignet. Andernfalls mag sich diese Übung sogar unheilsam auswirken, in Resignation oder Depression münden, oder man könnte Schwarzseher, Nihilist, Zyniker oder Angsthase werden.

  • Komisch - ich konnte asubha nur in der Kommentarliteratur finden.

    Der Buddha spricht in diesem Zusammenhang nur vom genauen Betrachten wie ein Sack voller verschiedener Getreide Arten.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Komisch - ich konnte asubha nur in der Kommentarliteratur finden.

    Der Buddha spricht in diesem Zusammenhang nur vom genauen Betrachten wie ein Sack voller verschiedener Getreide Arten.

    In D.22 und auch anderswo wird das genauer ausgeführt: asubha nimitta

  • Wenn die Beständigkeitdes „Reinen“ jedoch verneint wird und das „Reine“ als etwas unbeständiges zugelten hat, dann wäre es wichtig zu wissen, diese Frage habe ich früher bereitsgestellt; wie, oder aus welcher Ursache/Bedingung das „Reine“ entstanden wäre.

    Aus welcher Ursache / Bedingung ist denn das "Unreine" entstanden? Wenn Du die Frage beantworten kannst, kannst Du auch Deine Frage beantworten. Mach es nicht zu kompliziert, wir reden hier schliesslich nicht über Dzogchen oder Rigpa. ;)


  • Bitte nicht aus dem Zusammenhang reißen!

    Erstens: ich hatte gesagt, dass es zusammengefasst so im MAHA PRAJNAPARAMITA HRIDAYA ausgedrückt ist. Das heißt nicht, dass der eine Ausdruck der unaussprechlichen Wahrheit dem anderen Ausdruck gleichzusetzen ist.

    Ich schrieb, dass "man tatsächlich den dualistischen Zustand für die wahre Existenzweise hält und ihn dann irrtümlich auf diese projiziert", wobei ich sehe, dass das jetzt bei Dir passiert ist.

    Macht aber nichts, das passiert uns allen, die wir noch nicht erleuchtet sind.

    Zum Zweiten ist die Antwort auf Dein Missverständnis schon im Vorwege in meinem Beitrag enthalten:

    Wenn wir nach Erleuchtung streben, arbeiten wir daran, die tiefgründige Bedeutung der Leerheit uns zu erschließen. Das ist sehr schwer, weil es so unfassbar tiefgründig ist. Mit Logik können wir nicht begreifen, dass die Formen ja nur dadurch erscheinen können, dass sie auf Leerheit gründen. Und dass sie, im Umkehrschluss, nichts anderes repräsentieren als die Leerheit, gerade deshalb, weil sie ständig im Fluss, also unbeständig sind.

    Das ist auch der entscheidende Punkt (in philosophischer Hinsicht), an dem wir uns als Buddhisten bestätigen können:

    wenn wir überzeugt bejahen, dass 1. alle Dinge unbeständig sind, 2. alles Befleckte leidhaft ist, 3. alle Phänomene leer und ohne Selbst sind, und 4. Nirvana endgültigen Frieden bedeutet. Das sind die vier grundlegenden Wahrheiten, zu denen wir uns als Buddhisten bekennen.

    Daran erkennt man sofort, dass das kein Dogma ist, sondern ein Ergebnis sehr langer Geistesdisziplin, um eine höhergeordnete, bzw. übergeordnete Sicht der Dinge zu erlangen.

    Man kann es vielleicht damit vergleichen, dass ein Punkt nicht verstehen kann, dass er die Linie des Kreises, in dem er sich gefangen befindet, nur zu überspringen braucht. Er versteht es deshalb nicht, weil er die dritte Dimension nicht kennt.


    Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet