• Lieber Aravind,


    1) Natürlich gibt es unterschiedliche Grade von Schmerzempfindung. Das Leiden kann gemindert werden, wenn ich einen Sinn im Leiden sehe, z.B. wenn der Zahnarzt mich behandelt und bohrt. Leiden bleibt es aber.


    2) die zweite Wahrheit erklärt die Ursachen des Leidens, die dritte Wahrheit ist Nirvana. Nirvana ist nichts Vergängliches.


    3) Wie kann man Empfindungen "beobachten" ohne sie zu empfinden? Das geht nicht. Und wenn man sie empfindet ist es Leiden. Entweder das Leiden des Schmerzes oder das Leiden des Wandels.


    4) "Wenn Du die Sonne siehst, und das Dir ein angenehmes Gefühl gibt," Ich wiederhole mich: das "angenehme" Gefühl ist aus der Sicht des Buddha (und um seine Aussage geht es ja) nur der Anfang eines neuen Leidens. Bitte schau dir mal ein paar Stunden die Sonne an, dann wirst du die Erfahrung machen, dass das Leiden immer größer wird und nicht das angenehme Gefühl.

    :rainbow:

  • Danke Thorsten Hallscheid, dieser Text hätte so auch von mir stammen können.

    Allerdings hat diese Entwicklung dahin, dass ich mehr machen muss, als nur Zazen praktizieren und Zen-Bücher lesen wahrscheinlich länger gedauert als bei Dir.

    Erst als ich mich hier im Forum angemeldet habe und mich tiefer mit Texten aus dem Theravada oder auch anderen Schulen beschäftigt habe, mehr verstanden habe, machte meine Entwicklung einen Fortschritt.

    Dafür bin ich sehr dankbar; auch für die Hilfestellung die ich hier immer bekommen habe.:hug:


    Liebe Grüße von Schneelöwin

    Liebe Grüße Schneelöwin


    "All is always now"




  • Bitte schau dir mal ein paar Stunden die Sonne an, dann wirst du die Erfahrung machen, dass das Leiden immer größer wird und nicht das angenehme Gefühl.

    Rudolf, das ist doch Käse, man kann angenehme Erfahrungen schon recht lange als angenehm empfinden, und wenn dann die Sonne untergeht, gibt es für mich keinen Grund zu leiden. In Deinem Beispiel verhindert die Vergänglichkeit der Sonnenstrahlung sogar das Leiden daran.


    Wohl trägt aber jede angenehme Erfahrung den Keim zum Leiden in sich, wenn ich sie nämlich festhalten oder wiederholen will, und das nicht gelingt.


    Ich habe auch nicht nach dem Text gefragt, sondern nach Deiner Erfahrung: Führt bei Dir wirklich jede oder die meisten angenehmen Erfahrungen tatsächlich automatisch zu Leiden?

    zu (2) IMHO beschreibt die dritte Wahrheit die Überwindung des Leidens, die dann in Nirvana endet. Auf welche Textversion der vier edlen Wahrheiten würdest Du Dich denn beziehen? In denen, die ich kenne, ist immer von Anhaftung und deren Überwindung zu lesen, aber ich bin kein guter Textkenner, es gibt ja anscheinend auch andere Formulierungen.


    Wie sieht für Dich denn die Überwindung des Leidens ganz praktisch aus?


    zu (1) Der Schmerz ist unvermeidbar, nicht das Leiden daran. "Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist eine Entscheidung" ist doch ein bekannter (zen-?) buddhistischer Leitspruch. Aber das ist auch ein wenig spitzfindig, je nachdem, wie man Leiden genau definiert. Grundsätzlich sollte aber ein Erwachter auch Zahnschmerzen gegenüber gleichmütig sein, oder meinst Du nicht? Sonst hätte er oder sie das Leiden ja nicht überwunden.



    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Der Zenmeister Thich Nhat Hanh schreibt in seinem Buch "Das Herz von Buddhas Lehre" im 5. Kapitel "Ist alles nur Leiden?":

    "Es ist wahr, daß der Buddha die Wahrheit vom Leiden lehrte, aber er lehrte auch die Wahrheit vom 'Glücklichen Verweilen in den Dingen, so wie sie sind' (drishta dharma sukha viharin). Um auf unserem Übungsweg voranzukommen, müssen wir aufhören, beweisen zu wollen, daß alles leidvoll ist."

  • Wenn wir das Leidhafte durchschauen, durchdringen können wir das Begehren oder das Nicht Haben Wollen loslassen, und einfach nur SEIN.

    Und durch diese Entsagung kann erst eine wirkliche Fülle des Lebens entstehen, ohne irgendwelche Begehrlichkeiten, denn genau das ist doch das Leidhafte, wie hier schon mehrmals geschrieben wurde.

  • 1) Natürlich gibt es unterschiedliche Grade von Schmerzempfindung. Das Leiden kann gemindert werden, wenn ich einen Sinn im Leiden sehe, z.B. wenn der Zahnarzt mich behandelt und bohrt. Leiden bleibt es aber.

    Hallo Rudolf,

    natürlich bleibt das Leiden, deshalb ist es ja auch nicht beim Buddha einfach so verschwunden. Aber natürlich können wir Vieles, was Leiden verursacht verhindern allein durch das Begreifen der Lehre. Im übrigen hat der Buddha auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das Leiden letztlich nur durch das völlige Verlöschen im Tode "verschwindet". Ob das nun bedeutet, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt alle Hindernisse beseitigt haben müssen, also mindestens ein Nichtwiederkehrer/in sein müssen oder ob es genügt, einfach zu sterben, bleibt dem Glauben überlassen.


    Von mir kann ich nur sagen, dass ich in dem Maße, in dem ich praktiziere und auf dem - aus meiner Sicht - richtigen Weg bin, auch Schmerzen nicht mehr so wahrnehme wie zuvor, ja sogar schon in der Lage war, durch Fokussierung ihn verschwinden zu sehen und nicht litt - z.B. auch beim Zahnarzt, da begebe ich mich in eine Art meditativen Zustand. Auch durch Hypnose gelingt das. Aus diesem Grund ist mir klar, dass jemand, der sich darin besonders gut übt, keine Schmerzen mehr empfindet, also auch kein Leid.


    Viel wichtiger als das körperliche Leiden, denn das hatte der Buddha auch bis zuletzt, erscheint mir jedoch das Leiden am Leben selbst, was ich habe oder bekomme, was ich verliere oder nicht bekomme, wie ich bewerte oder bewertet werde, welche Träume sich erfüllen, was ich erwarte oder andere von mir usw.

    Wenn ich all das loslassen kann, bin ich schon ziemlich frei und das fühlt sich auch wie Glück an. Ja, Glück ist die Abwesenheit von Leid.

    _()_

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    Ayya Khema

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    • Offizieller Beitrag

    Der Buddha sagt ziemlich klar, was er von Sinnesvergnügen hält:


    Majjhima Nikāya 75


    Zitat

    [...] Ebenso, Māgandiya, war die Berührung von Sinnesvergnügen in der Vergangenheit schmerzhaft, heiß und sengend; in der Zukunft wird die Berührung von Sinnesvergnügen schmerzhaft, heiß und sengend sein; und jetzt in der Gegenwart ist die Berührung von Sinnesvergnügen schmerzhaft, heiß und sengend. Aber diese Wesen, die nicht frei von Begehren nach Sinnesvergnügen sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, haben Sinne, die beeinträchtigt sind; daher, obwohl die Berührung der Sinnesvergnügen in Wirklichkeit schmerzhaft ist, nehmen sie sie fälschlicherweise als angenehm wahr.


    Angenommen, Māgandiya, es gäbe einen Leprakranken mit Wunden und Blasen an den Gliedern, der, von Würmern zerfressen, mit den Fingernägeln den Schorf von seinen wunden Stellen kratzte und seinen Körper zur Erleichterung über einer Grube mit brennender Holzkohle einbrannte; je mehr er den Schorf abkratzt und seinen Körper einbrennt, desto fauliger, übelriechender und stärker infiziert würden seine wunden Stellen werden, und doch würde er ein gewisses Maß an Befriedigung und Vergnügen daran finden, seine wunden Stellen zu kratzen. Ebenso, Māgandiya, schwelgen Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, dennoch in Sinnesvergnügen; je mehr solche Wesen in Sinnesvergnügen schwelgen, desto mehr wächst ihr Begehren nach Sinnesvergnügen an, und desto mehr werden sie von ihrem Fieber nach Sinnesvergnügen verbrannt, und doch finden sie ein gewisses Maß an Befriedigung und Vergnügen bedingt durch die fünf Stränge sinnlichen Vergnügens.


    Wenn Buddha sagt, dass jede Erfahrung leidvoll ist, so trifft er diese Aussage aus seiner Perspektive; also aus der Perspektive dessen, der einen Grad von Frieden und Glück erlangt hat, der für uns unvorstellbar ist. In Relation dazu ist wahrscheinlich schlicht jede Wahrnehmung, selbst die glücklichste schmerzhaft.


    Wenn man in der Großstadt lebt, hat man sich an den Straßenverkehr gewöhnt. Der Lärm fällt einem kaum mehr auf. In einer Kleinstadt hat man dann das Gefühl, es sei sehr still, auch wenn immer noch viele Autos fahren. Auf dem Dorf ist es dann wieder leiser, wie auch im Wald. In einer Region fern aller Zivilisation ist es dann nochmals stiller. Ein Mensch, der aus einer solchen Region plötzlich in eine Großstadt versetzt würde, würde den Lärm kaum aushalten. Für ihn ist der Ruf eines Zaunkönigs schon sehr laut.


    Wenn Nirvana das höchste Glück ist, so ist jedes geringere Glück leidhaft. In der Meditation gibt es manchmal solche Augenblicke, in denen ich freier bin als üblicherweise. In Relation dazu ist vieles, was der Alltag bereithält, weniger beglückend, weniger befreiend.


    Wenn man genau hinschaut, selbst im Zustand der relativen Ausgeglichenheit und Schmerzfreiheit: Im Bewusstsein und im Körper ist ständig irgendein Ziehen und Schmerzen und Wollen und Nicht-Wollen, irgendeine Unzufriedenheit, irgendein Begehren, irgendeine Angst, irgendeine Unruhe, irgendwelches Planen, Suchen, Denken, Argumentieren. Ständig! In der Meditation nimmt das dann etwas ab. Diese Abnahme empfinde ich als befreiend, und Wohlsein breitet sich aus. Aus der Perspektive dieser geringen Erfahrung schon, ist vieles, was mir früher angenehm erschien, deutlich weniger angenehm, ja, sogar störend und unsinnig. Wie erst bei einem, der soweit vorgedrungen ist, wie der Buddha.


    Wenn man dieses ständige Ziehen und Schmerzen und Wollen und Nicht-Wollen, etc. als Leiden, als dukkha begreift, dann ist die Abwesenheit oder Abnahme davon tatsächlich eine andere Form von Glück als es das Glück in seiner Alltagsform (in Form des Leides des Wandels) sein kann.


    Lama Zopa Rinpoche schreibt in seinem Buch Mitgefühl: Heilkraft für Geist und Körper:

    Zitat

    Unser Mitgefühl zu stärken, hilft uns auch dabei, Weisheit zu entwickeln, besonders die Weisheit, welche die Leerheit erkennt und damit die grundlegende Natur des Ich, des Geistes und aller anderen Phänomene. Diese Weisheit löst allmählich die Wolken der Verblendungen auf, die den Geist im Moment verdüstern, bis dieser so rein wird wie ein klarer blauer Himmel, den Sonnenlicht durchströmt. So reinigt diese Weisheit den Geist ganz direkt. Sie befreit ihn von Unwissenheit, Zorn, Anhaftung und allen anderen Verblendungen, von den Keimen dieser Verblendungen und selbst von den Eindrücken, die sie hinterlassen haben.


    Diese Erfahrung des klaren Himmels, der nicht durch Wolken der Verblendung verdüstert ist, wird im tibetischen Buddhismus oft beschrieben. Das ist vielleicht die positive Formulierung dessen, was übrig bleibt, wenn man von der Wahrnehmung der Wirklichkeit das abzieht, was leidhaft ist.


    Klar, wer Champagner kennt, mag man keinen Rotkäppchen Sekt mehr. Wer das Nirvana kennt, findet das Glück der Normalos bescheuert. Und hier bekomme ich den Eindruck von Undankbarkeit, wenn ich das Glück, das die Welt bereithält, in Relation zu "echtem Glück" als unwert und leidhaft bewertet vorfinde. Das ist so, als würde man mit den Freunden von früher nicht mehr reden wollen, weil man nun in andere Kreise vorgerückt ist.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Wenn man genau hinschaut, selbst im Zustand der relativen Ausgeglichenheit und Schmerzfreiheit: Im Bewusstsein und im Körper ist ständig irgendein Ziehen und Schmerzen und Wollen und Nicht-Wollen, irgendeine Unzufriedenheit, irgendein Begehren, irgendeine Angst, irgendeine Unruhe, irgendwelches Planen, Suchen, Denken, Argumentieren. Ständig!

    Nein, Bei Dir vielleicht (noch). Bitte verallgemeinere nicht so. Es ist Deine Wahrnehmung.


    In der Meditation nimmt das dann etwas ab. Diese Abnahme empfinde ich als befreiend, und Wohlsein breitet sich aus. Aus der Perspektive dieser geringen Erfahrung schon, ist vieles, was mir früher angenehm erschien, deutlich weniger angenehm, ja, sogar störend und unsinnig. Wie erst bei einem, der soweit vorgedrungen ist, wie der Buddha.

    Bei einem, der weiter vorgedrungen ist als (offenbar) Du, wird das immer unbedeutender. Er/sie ist einfach frei davon und höchstens verwundert, wie sehr er/sie sich früher danach gesehnt haben mag - aber bestenfalls voller Verstehen, wie die Dinge sind.

    _()_

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    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Klar, wer Champagner kennt, mag man keinen Rotkäppchen Sekt mehr. Wer das Nirvana kennt, findet das Glück der Normalos bescheuert.

    Nur wenn derjenige meint, das Nirvana so besitzen zu können wie eine Flasche Schampus. Wenn man erkennt, dass alles Nirvana ist, bzw. das immer stärker ahnt, dann schließt das ja auch das 'Glück der Normalos' ein. Dann wird nichts mehr gegenüber gestellt: Hier Nirvana, da billiges Glück. Hier Erleuchtung, da Verblendung.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Monika.


    Vielleicht bist Du vollkommen befreit. Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur für mich, dass selbst in Situationen der Ruhe und des Friedens immer noch genug Tummult anwesend ist. Nur sieht man diesen Tumult, meiner Erfahrung nach, erst einmal gar nicht. Bis es dann ruhiger wird – und noch noch ruhiger – und noch ruhiger. Plötzlich hört man Dinge, bemerkt man Wollen, Nicht-Wollen, Schmerzen, etc, die man zuvor gar nicht wahrgenommen hat. Und soweit ich es verstanden habe, werden die Ausformungen dieses Tumultes von Stufe zu Stufe zwar immer subtiler, aber nicht weniger, im Gegenteil. Möglicherweise hast Du schon alle Stufen der Meditation durchlaufen. Dann freut mich das sehr für Dich! :) Möglicherweise gibt es aber auch den einen oder anderen blinden Fleck? (:


    Liebe Grüße


    Thorsten

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Niemand.


    Zitat

    Wenn man erkennt, dass alles Nirvana ist, bzw. das immer stärker ahnt, dann schließt das ja auch das 'Glück der Normalos' ein.


    Nun ja, Buddha beschreibt das Glück der Normalos so:


    Zitat

    Māgandiya, früher, als ich ein Leben zu Hause führte, vergnügte ich mich, versorgt und ausgestattet mit den fünf Strängen sinnlichen Vergnügens: mit Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Klängen, die mit dem Ohr erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Gerüchen, die mit der Nase erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Geschmäckern, die mit der Zunge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen; mit Berührungsobjekten, die mit dem Körper erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen. Ich hatte drei Paläste, einen für die Regenzeit, einen für den Winter und einen für den Sommer. Ich hielt mich die vier Monate der Regenzeit über im Regenzeit-Palast auf, vergnügte mich mit Musikern, die alle Frauen waren, und ich ging nicht zum unteren Palast hinunter."


    "Bei einer späteren Gelegenheit, nachdem ich den Ursprung, das Verschwinden, die Befriedigung, die Gefahr und das Entkommen im Falle der Sinnesvergnügen der Wirklichkeit entsprechend kannte , überwand ich das Begehren nach Sinnesvergnügen, entfernte ich das Fieber nach Sinnesvergnügen, und ich verweile ohne Durst, mit einem Geist, der inneren Frieden hat. Ich sehe andere Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, die in Sinnesvergnügen schwelgen, und ich beneide sie nicht, auch ergötze ich mich nicht daran. Warum ist das so? Māgandiya, weil es eine Freude gibt, abseits von Sinnesvergnügen, abseits von unheilsamen Geisteszuständen, welche himmlische Glückseligkeit übertrifft. Da ich mich an jenem erfreue, beneide ich nicht, was geringer ist, auch ergötze ich mich nicht daran.


    [...]


    Aber diese Wesen, die nicht frei von Begehren nach Sinnesvergnügen sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, haben Sinne, die beeinträchtigt sind; daher, obwohl die Berührung der Sinnesvergnügen in Wirklichkeit schmerzhaft ist, nehmen sie sie fälschlicherweise als angenehm wahr.


    Das Glück des Nirvana schließt offenbar – zumindest nach der Ansicht des Buddha – das "Glück der Normalos" nicht mit ein, ja, er bewertet es offenbar aus geringer und als im Grunde leidvoll. Oder?


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Nein, ich bin noch (lange) nicht völlig befreit, aber durch achtsames Leben von Moment zu Moment, so weit das irgendwie möglich ist, verlieren sich diese Unterschiede. Ganz im Gegenteil, ich merke sofort, wenn etwas nicht stimmt, halte inne und schaue hin. Aber es gibt Zeiten, in denen alles stimmig ist, Tumult schon mal gar nicht. Und auf blinde Flecken werde ich immer auch aufmerksam gemacht, denn ich höre und lausche auf meine Umwelt, in mich hinein, wenn ich Widerstand spüre, und halte immer wieder inne, wenn unheilsame Gefühle (Tumult) auftauchen wollen. Ich erlebe das als spannend und unglaublich aufschlussreich. Der Weg ist Übung. Mehr ist nicht zu tun.

    _()_

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  • Māgandiya, früher, als ich ein Leben zu Hause führte, vergnügte ich mich, versorgt und ausgestattet mit den fünf Strängen sinnlichen Vergnügens

    Vielleicht sollte man alternativ so übersetzen:

    "Māgandiya, früher, als ich ein Leben zu Hause führte, vergnügte ich mich,

    versorgt und ausgestattet mit den fünf Bereiche des sinnlichen Vergnügens."

    Einmal editiert, zuletzt von accinca ()

  • Und soweit ich es verstanden habe, werden die Ausformungen dieses Tumultes von Stufe zu Stufe zwar immer subtiler, aber nicht weniger, im Gegenteil.

    Kann ich so von mir auch nicht bestätigen. Ich erlebe das eher als eine Wellenbewegung von sehr tiefer Ruhe und aufregenden Zeiten, die sich abwechseln (also keine ständige Zunahme des Tumults; schönes, passendes Wort, übrigens!). So, wie man die Schichten der Verblendung abträgt.


    Umgekehrt wäre es nach meiner Erfahrung aber auch völlig irreführed, zu behaupten (oder zu versprechen), buddhistische Praxis führte umgekehrt kontinuierlich zu immer mehr innerer Ruhe, ohne Ausnahmen. Nicht umsonst sagt man, dass der Weg des Buddha auch ganz schön viel Mut verlangt, sich dem Tumult zu stellen. Deinen Hinweis darauf finde ich sehr wichtig.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Das Glück des Nirvana schließt offenbar – zumindest nach der Ansicht des Buddha – das "Glück der Normalos" nicht mit ein, ja, er bewertet es offenbar aus geringer und als im Grunde leidvoll. Oder?

    Wenn man ein Stück Schokolade isst darf man ja ruhig darüber staunen, wie gut sie schmeckt, aber es wird leidvoll, wenn man die ganze Tafel verputzt und sich dann wundert, wie so etwas gutes Bauchschmerzen verursachen kann. Wenn es nichts anderes zu geben scheint als sinnliches Vergnügen ist die Mission, möglichst viel davon zu bekommen und das ist das Leidvolle. Es ist nie genug und es fehlt immer was. Wenn hinter dem sinnlichen Vergnügen, auch während es erlebt wird, durch scheint, dass es im Grunde weder Mangel noch Überfluss gibt, dann entsteht auch kein Leid.


    Wenn ein Mangel empfunden wird und aus diesem Mangel heraus ein sinnliches Vergnügen gesucht wird, also um diesen eingebildeten Mangel zu beseitigen, dann betrügt man sich quasi und das ist wohl bei dem Zitat gemeint, dass es eigentlich schmerzhaft ist. Wenn man trotz des Bewusstseins, dass kein Mangel existiert ein sinnliches Vergnügen erlebt, dann wird damit kein aufgebauschter Zweck verfolgt, sondern es ist einfach Vollzug des Lebens. Zu was haben wir Sinnesorgane, wenn wir sie nicht benutzen sollen?

  • Wenn ein Mangel empfunden wird und aus diesem Mangel heraus ein sinnliches Vergnügen gesucht wird, also um diesen eingebildeten Mangel zu beseitigen, dann betrügt man sich quasi und das ist wohl bei dem Zitat gemeint, dass es eigentlich schmerzhaft ist. Wenn man trotz des Bewusstseins, dass kein Mangel existiert ein sinnliches Vergnügen erlebt, dann wird damit kein aufgebauschter Zweck verfolgt, sondern es ist einfach Vollzug des Lebens. Zu was haben wir Sinnesorgane, wenn wir sie nicht benutzen sollen?

    Es gibt immer zwei Gründe für das Suchen nach Befriedigung durch sinnliches Wohl.

    Einmal einen inneren Mangel nach einem sinnlichen Vergnügen oder Unwissen.

    Vollzug des Lebens in Vergnügen nur weil es Sinnesorgane gibt, würde der Buddha

    sicher als durch Nichtwissen motiviert betrachten. Selbst die Nahrung wird nicht

    zur Befriedigung sinnlichen Begehrens eingenommen.

  • Hallo Accinca,

    was bedeutet Nibbanavada?

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

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  • Hallo Accinca,

    was bedeutet Nibbanavada? _()_

    Nibbanāvāda würde ich als Lehre bzw. Wahrheit zu Nibbanā bezeichnen.


    vāda heißt ja Wahrheit bzw. eben die Lehre.

  • Vollzug des Lebens in Vergnügen nur weil es Sinnesorgane gibt, würde der Buddha

    sicher als durch Nichtwissen motiviert betrachten. Selbst die Nahrung wird nicht

    zur Befriedigung sinnlichen Begehrens eingenommen.

    so hab ich das nicht gesagt: 'Vollzug des Lebens in Vergnügen nur weil es Sinnesorgane gibt'

    Ich meinte nur, dass man sich einer sinnlichen Freude auch nicht verschließen sollte, wenn sie sich gerade anbietet, nur weil man vielleicht meint, dass Buddha das bestimmt böse gefunden hätte. Wenn man so vorgeht wird man nur verbittert und dreht sich in einem neuen Kreis, von dem man glaubt er helfe einem aus dem alten Kreis zu entkommen.

    Wenn ich Dich richtig verstehe sollte man am besten nur trockenen Zwieback essen, selbst wenn einem jemand ein Stück Schokolade anbietet.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Niemand.


    Zitat

    Wenn man trotz des Bewusstseins, dass kein Mangel existiert ein sinnliches Vergnügen erlebt, dann wird damit kein aufgebauschter Zweck verfolgt, sondern es ist einfach Vollzug des Lebens. Zu was haben wir Sinnesorgane, wenn wir sie nicht benutzen sollen?


    Es wird der totale Mangel kommen. Alles, jede Möglichkeit, jede Fähigkeit, jede Wahrnehmung wird vergehen. Und wenn man dann der Ansicht ist: Das bin ich, das ist mein, das gehört mir, dann gehört man der Katz.


    Haben wir Sinnesorgane? Da sind Sinnesorgane. Aber: Diese Sinnesorgane, das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst.


    Seltsam, oder? Die Empfehlung, so jeden Kontakt, jedes Berührtwerden abschneiden zu wollen, sich davon soweit distanzieren, bis man gleichgültig wird. Ich habe noch viel zu viel Daseinsdurst, um das wirklich zu wollen.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Seltsam, oder? So jeden Kontakt, jedes Berührtwerden abschneiden zu wollen, sich davon soweit distanzieren, bis man gleichgültig wird. Ich habe noch viel zu viel Daseinsdurst, um das wirklich zu wollen.

    Wie kommst Du darauf, dass das nötig wäre?

    Vielleicht hilft es, den Begriff "gleichgülttig" durch "gleichmütig" zu ersetzen, dann kannst Du in Frieden mit den Wahrnehmungen leben, ohne sie abzuschneiden.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Seltsam, oder? Die Empfehlung, so jeden Kontakt, jedes Berührtwerden abschneiden zu wollen, sich davon soweit distanzieren, bis man gleichgültig wird. Ich habe noch viel zu viel Daseinsdurst, um das wirklich zu wollen.

    darum gehts ja auch nicht.

    Hast Du nicht geschrieben Du hättest einen Zen-Lehrer? Was meint der denn dazu, vor allem was die Gleichgültigkeit anbelangt.

    Zen ist doch nicht dazu da, sein Menschsein und alles was dazu gehört weg zu werfen. Man bekommt doch eine neue Dimension dazu und das Menschsein wird nur in einem neuen Licht betrachtet. Das ist doch keine Nihilismuspraxis.

    • Offizieller Beitrag

    Aravind


    Die Berührung gehört zu den zwölf Gliedern des abhängigen Entstehens. Dieses Berührt-Werden sollte man beenden, wenn man dem Daseinskreislauf entkommen möchte, nicht?


    Niemand


    Zen ist Zen... klar, da klingt alles etwas anders, netter, menschlicher, vor allem hier im Westen. Ich beziehe mich hier aber auf die Lehre des Śākyamuni-Buddha, zu dem wir auch im Zen dauernd Zuflucht nehmen. Das ist der Ursprung der Lehre.


    Und klar geht es darum, den Daseinsdurst zu überwinden, indem man die Unwissenheit überwindet:


    A.X.61-62 Bedingte Entstehung


    Zitat

    Nicht läßt sich, ihr Mönche, ein erster Anfang des Daseinsdurstes (bhava-tanhā) derart erkennen, als ob der Daseinsdurst vordem nicht dagewesen und erst später entstanden wäre. Wohl aber läßt sich erkennen, daß der Daseinsdurst eine bestimmte Bedingung hat. Auch der Daseinsdurst hat eine ihn ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung des Daseinsdurstes? »Die Unwissenheit«, hätte man zu antworten. Aber auch die Unwissenheit, sage ich, hat eine sie ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung der Unwissenheit? »Die fünf Hemmungen«, hätte man zu antworten.


    Doch auch die fünf Hemmungen, sage ich, haben eine sie ernährende Bedingung, sind nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung der fünf Hemmungen? »Der dreifach üble Wandel (in Werken, Worten und Gedanken)«, hätte man zu antworten.


    Also halten wir einmal fest:

    Daseinsdurst hat seine ernährende Bedingung in der Unwissenheit, diese gründet im dreifach üblen Wandel (in Werken, Worten und Taten). Mit dem Ende der Unwissenheit erlischt also automatisch auch der Daseindurst.


    Ich bin immer wieder überrascht, wie viel radikaler die Lehre des Buddha ist – zumindest im Vergleich zu dem, was man im "normalen mahayana-buddhistischen Alltag" zu hören und zu lesen bekommt. Mich wundert es nicht, dass das Mahayana die Lehre des Buddha erstmal aufbereiten wollte. So ungefiltert vergrault man ja die Leute... ;)


    Liebe Grüße


    Thorsten