Wahnnsinn und Erleuchtung

  • Hi,


    ich möchte verschiedene Deutung des Wahnsinns im Buddhistischen Kontext diskutieren.


    1. Arthur Schopenhauer


    Stark verkürzt sieht Schopenhauer denn Wahnsinn darin Begründet, das irgendwann in einem Bedeutenden Moment für einen der Schmerz so stark werden kann , dass der Wille versucht den Intellekt abzustoßen mit Gewalt. So zu sagen wenn es nicht mehr funktioniert die Lebensumstände gemäß seines Egos zu deuten. Der Sinn des Daseins ist verfehlt. Der Darin besteht den Willen zum Leben zu verneinen. Er sucht sich einen neuen Intellekt . So lange bis er die Wahre Beschaffenheit erkennt, wie es ist und es daraufhin nicht mehr Will. Im Buddhistischen Kontext würde dies bedeuten die drei Daseinsmerkmale so zu erkennen.


    Jetzt frag ich mich das dann jeder auf irgendeine Weise Wahnsinnig wird mehr oder weniger, wenn er die Drei Daseinsmerkmale nicht erkennt und kann man diesen Wahnsinn Transzendieren in dem Man sich bewusst macht, das es wahrscheinlich ist die Erleuchtung in diesem leben nicht zu erlangen ?


    2. Erich Fromm.


    Erich fromm sieht den komplett Beziehungslosen Menschen als Wahnsinnig . Der keine Bindung zu anderen Personen aufgebaut hat und nicht mehr aufbauen kann.


    Dazu im Gegensatz kann es Zeichen der Erleuchtung sein sein Herz nicht mehr an die Welt zu ketten oder an irgendwelche Personen binden


    3 Lama Ole Nydhal.


    Sieht den Wahnsinn darin Begründet , dass derjenige in Früheren oder in diesem Leben viel Drogen konsumiert hat oder nichts positives im Speicherbewusstsein aufbauen konnte.


    Welche der drei Ansätze findet Ihr am Überzeugendsten.


    Viele Grüße

  • Ich denke, die Fragestellung ist bereits problematisch. Was ist denn Wahnsinn?


    Wikipedia gibt da auf diese Antwort:


    Als Wahnsinn wurden bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts bestimmte Verhaltens- oder Denkmuster bezeichnet, die nicht der akzeptierten sozialen Norm entsprachen. Unterstellt wurde dabei stets ein dieser Norm konformes Ziel. Meist bestimmten gesellschaftliche Konventionen, was unter „Wahnsinn“ verstanden wurde.


    Was also gestern noch als Wahnsinn galt, kann aufgrund geänderter sozialer Normen heute als normal gelten oder umgekehrt.



    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Ich denke, die Fragestellung ist bereits problematisch. Was ist denn Wahnsinn?

    Ich denke das neumodische Wort dafür ist eine eine Psychose. Charakterisiert sich dadurch, das man sich etwas ein bildet was nicht ist. wahnideen im schlimmsten Fall

  • 1.

    ich schenk dieses Leben dem Leben zurück...
    weil es nie meins war...
    und jede Trennung nur scheinbar...
    alles in Vielfalt immer eins war...
    brich meinen Stolz…bis ich in Demut mir die Wahrheit schenke...
    nimm hinfort all die falschen Ideen, den falschen Glauben...
    denn wenn nichts mehr bleibt ist alles übrig...
    es gibt nichts zu verstehen...

    Aus dem Song ,,Schmerz" vom Deepwalka

  • Ich denke das neumodische Wort dafür ist eine eine Psychose. Charakterisiert sich dadurch, das man sich etwas ein bildet was nicht ist. wahnideen im schlimmsten Fall

    Ich fürchte, wenn Du eine ernste Diskussion führen willst, musst Du schon konkreter werden, worüber Du diskutieren willst. *Jede und jeder* bildet sich ständig und immer wieder Dinge ein, die nicht real sind, das ist völlig normal. Der ganze Kern der buddhistischen Praktiken zielt darauf ab, bestimmte dieser Trübungen zu erkennen. Deshalb sind aber nicht alle Menschen psychotisch.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Hi, Kaiman , das ist sehr tolles Thema. Danke sehr!

    Ich hatte bei zwei Autoren, als Minimum, schon gelesen, also Robert Wrigt und James Kingsland, dass der normale Mensch eher so im permanenten Wahhn-sinn lebt, aber er merkt es nur nichts. So , diesen Zustand man sollte nicht mit dem verwechseln, was man in Wiki über die "Psychose" im rein klinischen Sinne spricht.

    Wenn man innerlich anerkennt, eher erfährt, dass es ihm absolut nicht gehört, also alles als vergänglich, unzulänglich und ohne den inneren Kern sei, wie fühlt es sich so an?

    Richtig, sehr dreckig, scheint mir.

    Denn im jedem Moment ich werde älter, also der Tod ist ! mit dem jeden Augenblick immer näher, das steht Tod-sicher.. oder?

    Der Otto-Normale verdrängt das ganze oder wollte es nicht wahrhaben, also wie die Straußenpolitik, Vogel-Strauß-Politik, usw.. Denn die drei Dasein-s-Merkmale auf dem eigenen Leib zu er-leib(d)-en, das ist absolut anderes, als darüber zu reden. Der Buddhismus ist am Ende keine vertrockende Philosophie, aber die unmittelbare Erfahrung der Realität. ("").

    Manche Autoren schildern diesen Zustand als den gähnenden Abgrund (Schlund, Kluft..), wo man sich verliert, so wie Ezra Bayda, wenn ich richtig erinnere. Auch Nanavira Thera zitiert alle existenzielle Autoren und die Philosophen, die sehr ausführlich und echt meisterhaft diesen Zustand schildern. Aber es geht eher um die reine existenzielle--"Verzweiflung" , so wie der junge Siddhartha sah keinen Sinn im Leben, wenn er nichts das "todlose" findet. ( es sollte dahin gestellt werden, was das alles real oder nicht).

    Im diesem Sinne man kann echt über Wahn reden, so wie Paul Debes oder Hellmuth Hecker, über "Ich-Wahn", also die innere Identifikation mit den khandha, die uns nicht gehören, denn alles entsteht und vergeht augenblicklich und wie wähnen uns, dass wir die Kontrole haben. Das ist aber immer die Illusion, der Trug, der Schein, aber wir gehen auf dem Leim, und so Game ( Samsara) laüft weiter ab.

    Im diesem Sinne man kann bestimmt über den Wahnsinn reden, aber nicht als von dem Blinkwinkel der Psychiatrie, das bringt uns ( mich) nicht weiter.

    Ich , rein persönlich, würde eher absolut A. Shopenhauer zustimmen, so dein Zitat:


    Der Sinn des Daseins ist verfehlt. Der Darin besteht den Willen zum Leben zu verneinen. Er sucht sich einen neuen Intellekt . So lange bis er die Wahre Beschaffenheit erkennt, wie es ist und es daraufhin nicht mehr Will. Im Buddhistischen Kontext würde dies bedeuten die drei Daseinsmerkmale so zu erkennen.

    Innerlich erkennen, also die Nichtigkeit des Daseins ( als den Prozess des Werdens) durchzuschauen, das ist echt rein buddhistich. Meine Meinung, sorry, auch die Wahr-nehm-ung.

    Was ist hier gemeint?, so Nyanatiloka:


    Zitat

    Wer die Unpersönlichkeit des ganzen Daseins nicht durchschaut hat und nicht erkennt, daß es in Wirklichkeit nur diesen beständig sich verzehrenden Prozess des Entstehens und Vergehens geistiger und körperlicher Daseinsphänomene gibt, aber keine Ich-Wesenheit in oder hinter diesen Daseinserscheinungen, der ist außerstande, die vier Edlen Wahrheiten (siehe sacca) im richtigen Lichte zu erfassen. Er wird glauben, daß es eine Ichheit, eine Persönlichkeit sei, die das Leiden erfahre; eine Persönlichkeit, die böses oder gutes siehe Karma verübe und gemäß ihres Karma wiedergeboren werde; eine Persönlichkeit, die ins Nirwana (siehe nibbāna) eingehe; eine Persönlichkeit, die auf dem Achtfachen Pfade (siehe magga) wandle.


    Man sollte sich fragen, wie es sich anfühlt, mehr nicht.

    Machs gut, LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich fürchte, wenn Du eine ernste Diskussion führen willst, musst Du schon konkreter werden, worüber Du diskutieren willst. *Jede und jeder* bildet sich ständig und immer wieder Dinge ein, d

    Das stimmt wohl was wohl der Phantasie geschuldet ist. Fixe wahnideen waren allerdings das man z. B von der Polizei abgehört wird obwohl das faktisch nicht der Fall ist. Aus buddhistischer Sicht ist wohl das ganze Leben ein gewisser Wahn. Oder eben Maja. Ich wollt erstmal schauen was so zu diesem Thema kommt und ob sich daraus eine Diskussion ergibt.

  • Also "Sinnen" ist ja Denken. Und "Wahnsinn" ist, wenn das Denken nicht zur Realität passt, sondern sich verirrt hat- wenn das was man von der Welt denkt extrem von dem abweicht, wie die Welt wirklich ist.


    Dieses Scheitern an der Realität auf verschiedenen Ebenen passieren. Und von daher ist das was Fromm sagt ( Scheitern auf der Ebene der Beziehungsfähigkeit) nicht falsch.


    Aber so vom Buddhismus auch gedacht sind die wesentlichen Eigenschaften der Welt die drei Daseinsmerkmale:


    • anicca (Pali; Sanskrit anitya) – Alles ist vergänglich und nichts von ewigem Bestand. Alles ist dem Wandel unterworfen.
    • dukkha (Pali/Sanskrit) – Alles ist dem Leiden unterworfen. Der Begriff dukkha kann auch als Unzulänglichkeit bzw. Unbefriedigendheit übersetzt werden.[1]
    • anatta (Pali; Sanskrit anātman) – Alle Dinge und Phänomene existieren ohne einen unveränderlichen Wesenskern. Es gibt kein getrenntes, permanentes „Ich“ und keine ewige Seele. Alles entsteht abhängig von anderem.[1] Jeder Mensch wird etwa von seinen Eltern gezeugt und muss Nahrung zu sich nehmen, um existieren zu können.[1

    Alle Formen von Gier und Hass basieren auf der Idee eines von der Welt getrennten aus sich existierenden ich und sind von daher wahnhaft. Insofern Gier und Hass Formen des Willens sind ( etwas soll da sein, etwas soll weg sein) sagt Schopenhauer da etwas kompatibles.


    Und da Lama Ole Nydahl ja trotz einiger Absonserlichkeiten in der Tradition des Karma Kagyü verankert ist, wird er das auch ganz buddhistisch sehen. Also dass die drei Daseinsmerkmale real ist und ihr Leugnen eine Fallhöhe zur Realität aufbaut.

  • Zitat

    Der Wahn ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung (A), an welcher trotz der Unvereinbarkeit mit den empirisch prüfbaren (B) und in der Gesellschaft mehrheitlich akzeptierten (C) Fakten festgehalten wird.


    So steht es in der WP:Wahn

    Es müssen also A, B und C zusammen gegeben sein.

    Und damit ist alles gesagt.


    Alles andere ist Kacke (der von Kaiman aufgeführten Interpreten 1. 2. u. 3. ), da Jeder davon den Begriff anders zu definieren scheint. Und so würde alles aneinander vorbei schreiben.

    "Setz dich, Freund und trink einen Tee."

    5 Mal editiert, zuletzt von nuk () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Alles andere ist Kacke (deine aufgeführte 1. 2. u. 3. Definition), da Jede davon den Begriff anders zu definieren scheint. Und so würde alles aneinander vorbei schreiben.

    "Setz dich, Freund und trink einen Tee."

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    So ein Schmarrn des ist vielleicht für dich kacke. 1 und 2 sind sich psychische Ursachen.Was Lama Ole beschreibt eine neurologische Ursache nämlich dass das Gehirn geschädigt ist.

  • Dieses Scheitern an der Realität auf verschiedenen Ebenen passieren. Und von daher ist das was Fromm sagt ( Scheitern auf der Ebene der Beziehungsfähigkeit) nicht falsch.

    Natürlich nicht, man täuscht vor, also spielt sehr gut mit. ("vor"!).

    E.Fromm hatte das besondere Interesse zum Zen (D.T. Suzuki) , auch zum Nyanaponika, aber den echten Sinn des Buddhismus er konnte nicht erfassen.

    Man kann sehr gut egal wie als ob "normal" weiter funktionieren. Sehr ausführlich schildert das ganze Phänomen Nanavira. Das echte Aha-Erlebnis. Im Internet man findet das Buch nicht. Nur zum Bestellen beim Verlag. Ansonsten ich konnte diese Stelle ( über das Spiel, also, in der "Ehe- Beziehung"!) zitieren. Kaum zu fassen, wenn man darüber nachdenkt.

    War M. Heidegger wahn-sinnig? Oder Sartre? Kafka? Er zitiert die alle überall. Die waren meistens sehr gut "beziehung-s-fähig", aber nur nach aussen, lieber void .

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich glaube, dass psychotische & spirituell weit entwickelte Menschen was gemeinsam haben können: Spontanität - die Präsens des Augenblicks. Der Hauptunterschied zwischen diesen ist meiner Meinung nach, dass ein Psychotiker nicht so gut geerdet ist, das kommt meistens von Trauma und kann auch wieder heilen. Erwachen im Augenblick kann potentiell jede(r).

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    Einmal editiert, zuletzt von E1NER () aus folgendem Grund: habe Klammern am Schluss gesetzt - damit es sich auch auf Frauen bezieht

  • E1NER . Nach St. Grof wie der Mystiker so wie der Psychotiker schwimmen im demselben Ozean. Aber einen die Leute verehren und erklären als den heiligen, den anderen man steckt in die Psychiatrie und der würde vollgestopft mit den Beruhigung Pillen. Die Quelle auf deutsch kann ich hinweisen. Ich schreibe es von Handy. Alles Liebe ❤️ dir.

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    Sokrates

  • Nach einem neurophysiologischen Verständnis ist Wahnsinn eine Störung der Gehirnfunktionen, die zu abnormen Wahrnehmungen, Denkprozessen, Emotionen und Verhaltensweisen führt. Dabei können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, wie zum Beispiel genetische Veranlagung, Hirnverletzungen, Infektionen, Vergiftungen, Hormonstörungen oder psychischer Stress. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann man versuchen, die strukturellen oder funktionellen Veränderungen im Gehirn zu erfassen, die mit Wahnsinn einhergehen. Allerdings ist die Beziehung zwischen Gehirn und Geist nicht immer klar und eindeutig. Es gibt auch Fälle von Wahnsinn, bei denen keine organischen Ursachen gefunden werden können oder bei denen die Gehirnveränderungen nicht ausreichen, um die Symptome zu erklären.


    Ich persönlich würde den Begriff "Wahnsinn" für mich nur für authentisch halten, wenn es sich durch bestimmte Zeichen in Bildgebenden Verfahren nachweisen lässt. Alles andere ist schwierig oder gar nicht einzuordnen, denn wir Menschen sind alle extrem verschieden und die Charaktere prägen sich aus durch die Genetik, Erziehung/Kultur/Umfeld, und was dieses Wesen bereits in die Welt mitgebracht hat.


    Zu den häufigsten Formen von Wahnsinn gehören Schizophrenie, bipolare Störung, Depression, Angststörung und Persönlichkeitsstörung. Ich gehe davon aus, dass diese Störungen durch o. a. Nachweisverfahren "übersetzt" werden können. Wenn nicht, muss man vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen.

    Das verbietet uns aber nicht, in der Sprache die Bemerkung "Das ist ja Wahnsinn!" oder "Der ist ja wahnsinnig" zu benutzen, weil jeder, der in dieser Kultur aufgewachsen ist, weiß, wie eine überspitzte Ausdrucksweise nichts anderes bewirken will als die Lebendigkeit und Würze des Redestils.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Das was die Wikipedia da anführt ist die medizinische Definition. Und für Mediziner ist eben entscheidend, inwieweit jemand nicht dazu fähig ist eine normale Lebensführung zu haben oder ob diese behindert ist.


    Während aus einer religiösen Perspektive andere Kriterien wichtiger sein können. In unserem Nachbardorf gab es einen geistig Behinderten, der durch seine Güte, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit bekannt war. Ein "Narr mit einem reinen Herzen" sozusagen. So jemand der wenig Gier und Hass hat, ist wohl aus buddhistischer Sicht wenig verblendet.

    Während jemand der von Hass und Egoismus durchdrungen ist - ein Hetzer und Brandstifter - auch wenn er super für sich selber sorgen kann - aus buddhistischer Sicht zutiefst verblendet sein kann.


    Das Kriterium der behinderten Lebensführung ist für Mediziner sinnvoll, aber nicht die einzige Herangehensweise.


    Vielleicht macht es Sinn da unterschiedliche Wörter zu verwenden. "Wahn" für das Medizinische und "Verblendung" für das Buddhistische. Dann verwechselt man es nicht.

  • In Übersetzungen buddhistischer Begriffe wurde öfter mal das Wort "Wahn" benutzt.


    Zum Beispiel hier:


    oder karmisch unheilsam ist, was das Begehren, den Lebensdurst und damit Ich-Wahn und Ich-Sucht stärkt, dadurch zu neuer und zwar übler Wiedergeburt führt und damit das Leiden mehrt. Gut oder karmisch heilsam ist, was das Begehren und den Ich-Wahn schwächt und schließlich aufhebt.

    Die drei "Wurzeln des Bösen",

    .....

    Die drei "Wurzeln des Bösen", des unheilsamen Wirkens, sind: Gier, Haß und Wahn in allen ihren Stärkegraden.

    Die drei "Wurzeln des Guten", des heilsamen Wirkens, sind:

    • Gierlosigkeit = Verzicht, Entsagung, Wunschlosigkeit, Loslösung, Reinheit;
    • Haßlosigkeit = Wohlwollen, Versöhnlichkeit, All-Güte;
    • Wahnlosigkeit = Besonnenheit, Wissen, Erkenntnis, Weisheit.

    Das was im letzteren Fall als "Wahn" übersetzt wird ist moha/avija , was sehr häufig als "Unwissenheit" und Verblendung übersetzt wird.


    Das was oben als "Ich-Wahn" übersetzt wird ist wahrscheinlich attaditthivāda als der Persönlichkeitsglaube.


    Weil nämlich aufgrund jenes Unerschaffenen (asankhata) der Dünkelwahn (māna) der Männlichkeitswahn und alle übrigen Arten des Wahns (In A.III.39b werden 3 Arten des Wahns oder der Eitelkeit (mada, eig. Berauschung) aufgezählt: Gesundheitswahn, Jugendwahn, Lebenswahn; Vibh. p.345 sogar 27 Arten, nämlich: Abstammungswahn, Familienwahn, Gesundheitswahn, usw.), wahnlos und zunichte werden, darum nennt man es die Wahnzerstörung.

    Hier wird das Wort mada benutzt , dass wohl in der Grundbedeutung "Rausch" bedeutet.

  • Mir scheint, da haben manche Übersetzer sich einfach nicht die Mühe gemacht, nach geeigneteren Worten anstelle des in der Öffentlichkeit breitwandigen Wortes "Wahn" zu benutzen. Kann man das dann den Originalquellen anlasten?


    Und so kommen dann - aufgrund von mangelhaft übersetzten Textstellen - User auf den Trichter, über die verschiedenen Formen von Wahn im buddhistischen Kontext diskutieren zu wollen, die in den Originalquellen bestimmt nicht so enthalten sind.

    "Setz dich, Freund und trink einen Tee."

    Einmal editiert, zuletzt von nuk () aus folgendem Grund: Satzdreher behoben

  • Im Palikanon kommen auch Geisteskranke vor. Hier wird z.B die "Wiederzulassung von Ordinierten nach überstandener Geisteskrankheit" vor. Das zeigt ja sehr deutlich, dass man im Palikanon einen Begriff von Geisteskrankheit (ummattaka sammuti) hatte und diesen sehr von den anderen hier verwendeten Begriffen (moha ,avija klesha mada) die irgendwer mal als "Wahn" übersetzte- abgrenzt. Sudhana hatte mal etwas dazu in einem anderen Thread ("Geisteskrankheit im Buddhismus") geschrieben.


    Im Palikanon wird Geisteskrankheit (umatta) exemplarisch anhand des Bhikku Gagga (no joke, der hieß wirklich so ...) behandelt, und zwar im Vinaya. Genauer in MV.II.25 und CV.IV.5.

    Beim Studium der Texte zeigt sich, dass Geisteskrankheit bzw. dadurch bedingtes Fehlverhalten von Bhikkus durch den Sangha zu tolerieren ist. Voraussetzung ist ein entsprechender Sangha-Beschluss, wonach der Bhikku als 'Verrückter' (ummattaka sammuti) anzusehen und mit entsprechender Nachsicht zu behandeln ist.

    Es macht also Sinn anzuerkennen, dass wenn über "Wahn" gesprochen wird, nicht über das selbe gesprochen wird, sondern etwas sehr verschiedenes gemeint sein kann.

  • Es stellt sich natürlich die Frage, ob wärend eines 'Wahnzustands' im klinischen Sinne (also wärend eines Paranoiden Schizophrenen Schubes, wie man heutzutage wohl sagen würde) Menschen dazu fähig sind den Dharma zu praktizieren. Eventuell könnten solche Menschen nach überstandenem Schub praktizieren.


    Heutzutage ist es, zumindest hier in D üblich, dass solche Patienten nur dann medizinische Hilfe erhalten, wenn sie es (A) selbst wollen, (B) Eigen- oder Fremdgefärdung vor liegt. Z.B. wird hier niemand eingewiesen, nur weil er z.B öffentlich predigt der wiedergeborene Messias zu sein.

    "Setz dich, Freund und trink einen Tee."

  • Welche der drei Ansätze findet Ihr am Überzeugendsten.

    Da tendiere ich wieder mal zum "Sowohl - als auch" (mit leichtem Überhang zu Schopenhauer), weil jeder Ansatz für mich nachvollziehbare Anteile aufweist...


    Immanuel Kants Definition leuchtet mir ebenfalls ein:


    Unvernunft

    Die in der Neuzeit bestimmende Charakterisierung von Wahnsinn nimmt Immanuel Kant in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) vor. Diese wegweisende Einteilung basiert auf der Dichotomie von Vernunft und Unvernunft. Denjenigen, die er als „Verrückte“ kategorisiert, teilt er die Krankheitsformen „Wahnsinn“, „Wahnwitz“ und „Aberwitz“ zu. Seine Einschätzung des Wahnsinns als „methodische Verrückung“, die sich durch „selbstgemachte Vorstellungen einer falsch dichtenden Einbildungskraft“ auszeichnet, wird zur klassischen Definition des Wahnsinns im 18. und 19. Jahrhundert. „Wahnwitz“ ist für Kant hingegen eine systematische, wenngleich nur teilweise Störung der Vernunft, die sich als „positive Unvernunft“ äußert, da die Betroffenen andere Vernunftregeln gebrauchen als die Gesunden. Gemein ist allen Formen des Wahnsinns nur der Verlust des Gemeinsinns (sensus communis), der durch einen logischen Eigensinn (sensus privatus) ersetzt wird.


    (Quelle: Wikipedia)



    Ich provoziere jetzt mal ein bisschen:


    "Buddhisten sind - wie andere Religiöse/Anhänger von "Weisheitslehren" - in gewisser Weise "wahnsinnig", weil sie das Leben nicht so an/hinnehmen können, wie es ist: mal leidhaft, mal freudvoll und die meiste Zeit irgendwo dazwischen, bzw. "neutral".


    Ob eine Hochsensibilität, besondere psychische und physische Herausforderungen o. A. dahinterstecken, Tatsache ist, dass andere Menschen mit ähnlichen Belastungen auch ohne Religion/buddhistische Praxis zurechtzukommen scheinen."


    Es ist allerdings vernünftig, nach einem Ausweg zu suchen, wenn man merkt, dass man (am Leben) leidet, ergo sind Buddhisten (zumindest nach Kants Definition) NICHT "wahnsinnig". :erleichtert:


    Wer am Leben leidet, neigt dazu, die Ursachen dafür im "Außen" zu suchen - der eigene "Wahnsinn" wird sozusagen nach außen projiziert und dort wahrgenommen.


    Die Buddhalehre bringt die Suchenden wieder zurück zu sich selbst, nach innen, wo die Ursachen des (eigenen) Leide(n)s wirklich zu finden sind - eine Art Psychotherapie und Geistesschulung gleichermaßen.


    Vielleicht besteht ERLEUCHTUNG schlicht in der Erkenntnis:

    "Das Leben ist ein Geschenk."

    (Allerdings eines, das sich abnutzt, u.U. ziemliche Probleme erzeugt und ein "Verfallsdatum" hat... ;) )

    ( Mist, ich kann's nicht lassen, immer dieser "Fehlersuchergeist", ... :grinsen: )

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • nuk, bei einer akut stark eindringlichen psychotischen Symptomatik, ist es sicher schwer in Distanz zu sich selbst zu gehen, selbst wenn man das Wissen um das abhängige Entstehen der Skandhas im Hinterkopf hat.

    Wahn wird meist als gewiss erlebt und Halluzinationen können sehr überzeugend sein.

    Aber normaler aufsteigender Groll, kann auch sehr überzeugend erscheinen, gefüttert mit Gedanken, die oft gar nicht der Realität entsprechen, hat sicher jeder schon mal erlebt.


    Ich hatte vor 30 Jahren eine einmalige Episode einer wahnhaften Depression und wahrscheinlich hätte der Dharma geholfen, um mich besser von den belastenden und als fremd erlebten Inhalten zu distanzieren und sie als "Nicht-Mein" zu entkräften.


    Als ich nach der akuten Phase dann doch noch in der Nachsorge auf den Dharma stieß :rad: , hat dies meine Erholung und Stabilität soweit unterstützt, dass ich sogar viele Jahre gar keine Medikamente brauchte und meine Resilienz sich ziemlich verstärkt hat, so dass ich wieder anderen Menschen im Beruf helfen konnte.


    In der Sangha könnten bestimmte Persönlichkeitsstörungen und wahnhaft bedingtes fremdgefährdentes Verhalten zum Problem werden, vermute ich.


    Interessante Beiträge hier, vielen Dank _()_

  • Ich hatte vor 30 Jahren eine einmalige Episode einer wahnhaften Depression und wahrscheinlich hätte der Dharma geholfen, um mich besser von den belastenden und als fremd erlebten Inhalten zu distanzieren und sie als "Nicht-Mein" zu entkräften.

    Mein Lieber, dharma als das Gesetz der Existenz ist echt zeitlos, und das hilft immer , auch am Sterben-Tod und hinaus in den Tod, auch nach dem Tod...

    Wahnhafte Depression hat aber mit dem "Ich-Wahn", an welche wir alle "leiden", nicht zu tun, aber das Praktizieren und sehr tiefes Verstehen kann uns ( mir) immer helfen, in der inneren Harmonie zu leben. Alles Liebe, schön, dich hier zu lesen, Railex . LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Das was oben als "Ich-Wahn" übersetzt wird ist wahrscheinlich attaditthivāda als der Persönlichkeitsglaube.

    Wie ich es verstanden hatte, das ist die innere Identifikation mit den khandha, es klingt sehr einfach, aber es durchzuschauen ist enorm schwer.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • hey Igor ;)

    Ja, klar, stimmt!


    Ich hatte mich aber auch speziell auf @nuks Frage bezogen mit meinem Beispiel.


    Anna Panna-Sati


    Dein Text gefällt mir und über die "Provokationen", kann man ja ruhig mal nachdenken.

    Als mich meine Freundin fragte, was denn nun die "verkehrten Ansichten" ,"Unwissenheit und Verblendung" sind ? antwortete ich ihr kurzum, ja, wenn du es nicht buddhistisch siehst (:

    Also die buddhistische Brille spielt schon eine Rolle,aber nicht jeder mag sie tragen oder empfindet sie als hilfreich.


    Ich erwähnte es schon mal, eine Psychiaterin sagte mal, Religion sei nur deshalb kein klassischer, pathologischer Wahn, weil so Viele daran glauben.

    Bei ca. 500 Millionen Buddhisten also, reicht es wohl für die Akzeptanz und eine Gefahr geht von ihnen ja auch nicht aus.

    Einmal editiert, zuletzt von Railex ()

  • Ich erwähnte es schon mal, eine Psychiaterin sagte mal, Religion sei nur deshalb kein klassischer, pathologischer Wahn, weil so Viele daran glauben.

    Was für eine Psychiaterin war das denn und in welchem Kontext hat sie es gesagt?


    Wahn bedeutet ja, dass man sich in seinen eigenen Phantasievorstellungen verliert und den Kontakt zur Wirklichkeit verliert. Das heißt man ist weniger offen für den anderen und man haftet stattdessen an fixen Ideen.


    Ich denke, dass unter Wahnvorstellungen religiöser Wahn tatsächlich häufig ist. Leute sehen sich als Messias oder von Teufeln bedroht. Und umgekehrt gibt es Formen von Religion, die in einem "Wir-Gegen-Sie" Denken nahe an wahnhaften Denken sind.


    Da eine Schnittmenge zwischen religiösen Denken und Wahn zu sehen, macht also Sinn. Aber von da aus zu folgern, dass alle Formen von Religion wahnhaft wären ist dagegen selber eine Extremposition.


    Das Wort "Erwachen" bedeutet ja, dass man aus einer Täuschung, einer Umnachtung entkommt. D.h sich nicht mehr in seinen inneren Geschichten verstrickt sondern, offener, geduldiger und freundlicher wird. Wo Wahn ein Rückzug von der Wirklichkeit ist, ist Befreiung eine Öffnung hin zu Wirklichkeit.


    Weil das für mich also Gegensätze sind, finde ich es nicht gut, wenn man das in einen Topf wirfst. Was ist das für eine Psychiaterin?