Gedanken zum Herzsutra

  • Das HerzSutra ist übrigens dasselbe wie Haiku:


    ZB.:


    Der alte Teich

    Ein Frosch springt hinein

    „Platsch“


    Im Haiku ist zwischen der zweiten und dritten Zeile immer eine „unerwartete Wendung“ (wo etwas anderes geschieht als die Logik oft erwartet oder vermutet oder meint „aufregenderes“ müsste doch jetzt kommen)


    Und das Haiku handelt auch immer vom Hier und Jetzt!

  • Ich vermute Leerheit ist einer der missverständlichsten Begriffe der buddhistischen Lehre. Mit der Bezeichnung von Leerheit als beständiges Phänomen habe ich meine Bauchschmerzen.

    Sieh hier:


    Zitat

    Die Welt einschließlich der empirischen Person ist leer von einer (ewigen) Seele (attan/ātman), so erklärt der Buddha, aber an keiner - ich wiederhole: keiner Stelle des Pāli-Kanons behauptet er, sie seien Leerheit (suññatā/śūnyatā). Zwar verwendete auch er das Substantiv "Leerheit" - z.B. als er davon sprach, dass nur Texte hörenswert sind, die von der Leerheit handeln (SN 20,7) - aber er vergaß nie, dass Leerheit eine Absenz, ein Nichtvorhandensein, ein Negativum ausdrückt, nämlich das Fehlen eines Ewigen in der Welt und einer ewigen Seele (ātman) in den lebenden Wesen. Bei allen Ausführungen über die Nicht-Seelenhaftigkeit benutzte der Buddha die adjektivische Ausdrucksweise: Die empirische Person ist von einer ewigen Seele leer. Er wollte vermeiden, die Aussage "leer" durch Substantivierung des Wortes zu einer Sache zu erheben, d.h. ihr durch die Nominalform "Leerheit" grammatische Gegenständlichkeit zu verleihen: Zu leicht kann die Dinglichkeit des Substantivs für reale Dinglichkeit der Leerheit gehalten, der negierende Ausdruck als ein positives Etwas verstanden werden.

    Der Mahāyāna-Buddhismus, dreihundert Jahre nach dem Tode des Buddha im letzten vorchristlichen Jahrhundert entstanden - genau in der Zeit, als indische Mathematiker die Null erfanden, die, ohne Zahlenwert, eine leere Stelle bezeichnet - verwarf diese Bedenken und benutzte das Substantiv "Leerheit" ohne zu zögern: der folgenschwerste Gedankensprung der mahāyānischen Philosophie. Bereits im ältesten Mahāyānasūtra überhaupt, in der "Weisheitsvollkommenheit in achttausend Ślokas" (Aṣṭasāhasrikā-Prajñāpāramitā), ist die Leerheits-Philosophie vollständig ausgebildet.


    leerheit

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Daher ist es widersinnig Leerheit als ein Phänomen zu bezeichnen, ein beständiges dazu. Wobei beständig wohl in der buddhistischen Philosophie eine besondere Bedeutung hat.

    Im Buddhismus ist "Phänomen" die Übersetzung des Fachbegriffs "Dharma" - dieser bedeutet so etwas wie "grundlegende Sache".


    Es geht um „beständig“ (tib. rtag-pa) und „unbeständig“ (tib. mi-rtag-pa). Das Problem ist, dass diese Wörter zwei verschiedene Bedeutungen haben. Eine Bedeutung ist „statisch“ und „nichtstatisch.“ Statisch heißt, es ändert sich nicht und nichtstatisch heißt, es ändert sich.

    Für "mi-rtag-pa" ist die Übersetzung von annica ( Unbeständigkeit)

    Weil alle Dinge unbeständig sind, ist jedes Upadana („Anhaften“) an ihnen vergeblich und führt zu Leid. Die einzige Möglichkeit, Anicca zu beenden, ist Nirvana zu erlangen. Nirvana gilt als die einzige Form der Existenz, die keine Vergänglichkeit, Verfall oder Tod kennt.

    Während alle zusammengesetzten Dinge ( Saṅkhāra) bedingt und vergänglich sind, gilt Nibbana als ein Dharma ( etwas "grundlegendes" das nicht "anicca" ist.


    Also entweder hat jemand da subtil Leerheit mit Nibbana gleichgesetz. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit


    Berzin - der ja süß einer ähnlichen Tradition wie Helmut kommt - spricht hier über die Leerheit:

    Wir haben über nichtstatische Phänomene gesprochen und nun kommen wir zu statischen Phänomenen. Das sind Phänomene, die sich nicht ändern und die Beispiele dazu sind nicht wirklich einfach zu verstehen. Da geht es beispielsweise um Tatsachen.


    Ein anderes Beispiel bezieht sich auf Leerheit oder Leere, worüber im Buddhismus viel gesprochen wird. Leerheit ist die Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen. Das ist eine Tatsache in Bezug auf etwas, das nicht auf eine unmögliche Weise existiert. Es existiert nicht so, es ist ganz einfach nicht der Fall und daran ändert sich auch nichts. Es ist eine Tatsache und sie bleibt immer gleich. Aber sie kann einen Anfang und sie kann ein Ende haben. Die Abwesenheit der unmöglichen Existenzweise dieses Glases hatte einen Anfang, als das Glas hergestellt wurde. Es gab sie nicht, bevor es hergestellt wurde und sie wird enden, wenn das Glas zerbricht. Aber solange es das Glas gibt, ist es eine Tatsache, die diesbezüglich wahr ist.

    Die ist für ihn also nur insofern ein "nichtstatisches ( beständiges) Phänomen" als es eine universell wahre Aussage ist - also als Abstraktion! Das war ja weiter oben meine Hypothese.

  • Da hab ich gerade erkannt, dass ich die deutschen Worte richtig anwende. Das mit dem „Dharma“ war allerdings ein Baustein, den ich bisher nicht erkannt habe. (Befreiung von Meinung)

    Im Buddhismus ist „Phänomen“ die Übersetzung des Fachbegriffs „Dharma“ - dieser bedeutet so etwas wie „grundlegende Sache“.

    Das scheint aber auch vielen nicht klar zu sein.

    Phänomene und Erscheinungen werden so zu Dharma.

    Phänomene un-dingliche Realität und Erscheinung dingliche Realität.

    Phänomene = Wirkungen, Erscheinungen = Ursachen.

    Bedingungen sind Nicht-Dharma, weil Bedingungen Wechselwirkungen zwischen Wirkungen und Ursachen durch Handlung/Karma sind.

    Einmal editiert, zuletzt von Qualia ()

  • Ich vermute Leerheit ist einer der missverständlichsten Begriffe der buddhistischen Lehre.

    Auf der rationalen Ebene kann man Leerheit auch mit dem Raum vergleichen.

    Der Raum an sich hat keinen Mittelpunkt, keine Grenzen, keine Eigenschaften. Eben weil er leer ist, kann er alles enthalten. Er ist die Basis seiner "Erscheinungen".

  • Ich vermute Leerheit ist einer der missverständlichsten Begriffe der buddhistischen Lehre.

    Auf der rationalen Ebene kann man Leerheit auch mit dem Raum vergleichen.

    Der Raum an sich hat keinen Mittelpunkt, keine Grenzen, keine Eigenschaften. Eben weil er leer ist, kann er alles enthalten. Er ist die Basis seiner "Erscheinungen".

    Mit dieser Einsicht scheitere ich hier seit zwanzig Jahren.

    Die Eigenschaft des Raumes ist Leere.

    Raum kann überhaupt erst definiert werden, wenn es zwei Punkte gibt, die in Beziehung stehen (Stecke).

    Der Raum wird mit mindestens drei Punkten erkennbar.

    Ein Ort im Raum benötigt schon mehrere Punkte.

    Punkt ist ein Ort von Materie, der in fast unendlicher Kleinheit bestehen kann.

    Der Raum ist ohne materielle Punkte nicht erkennbar, schon weil es kein Erkennendes gibt.


    Ich hab mal eine Definition von Raum gelesen, in der es heißt, dass Objekte eigentlich der Raum sind, denn Raum an sich ist leer.

  • Ich hab mal eine Definition von Raum gelesen, in der es heißt, dass Objekte eigentlich der Raum sind, denn Raum an sich ist leer.

    Mit seinem "transzendentalen Raumexperiment" begründet Kant u.a., warum die Natur aus der Perspektive von Verstand und Vernunft mathematischen Gesetzen folgt, warum der Mensch der natur ihre Gesetze vorschreibt und nicht umgekehrt.


    Immanuel Kants transzendentes Raumexperiment:

    Jeder kann es in Gedanken durchführen.

    Nimm einen begrenzten, d.h. einen relativen Raum.

    Zum Beispiel das Zimmer, in dem du gerade bist.

    Mach das Zimmer langsam leer.

    Nimm alles heraus, was in ihm ist.

    Nimm das gesamte Mobiliar, alle Gegenstände heraus.

    Sogar die Luft kannst Du aus dem Zimmer absaugen.

    Dann tu den den letzten Schritt und nimm die Wände weg.

    Jetzt ist dieser ganze relative Raum in der Vorstellung vernichtet.

    Aber eines bleibt übrig: DER RAUM.

    Es gibt kein Mittel, diesen absoluten und grenzenlosen Raum aus mir zu entfernen.

    Jedes Ding, das mir von neuem erscheint, müsste in diesem Raum "erscheinen".

    Denn es hat sich durch das gerade durchgeführte transzendentale Experiment

    herausgestellt, dass dieser absolute Raum bleibt und vor aller neuen Erfahrung als reine Form (*) der sinnlichen Anschauung da ist.

    Dieser absolute Raum gehört also nicht den Dingen selber an, sondern mir, dem Subjekt.

    Das Ergebnis des Experiments lautet einfach:

    Der absolute Raum gehört nicht ins Objekt, sondern ins Subjekt.


    (*) Kant arbeitet auf der Ebene des menschlichen Alltagsbewusstsein, wenn auch auf höchster Ebene von Verstand und Vernunft.


    Im Sinne des Herz-Sutra können wir von Kants Raum sagen:

    Auch dieser Raum ist eine Form, wenn auch eine hochgeistig-abstrakte Form der Philosophie.

    Auch Kants Raum ist noch leer im Sinne des Herz-Sutra.


    :?

  • Nagarjuna meint mit Leere bzw. Leerheit, dass Personen und Dinge kein Wesen haben. Hätten sie ein Wesen unterlägen sie nicht der Veränderung. Wenn man also Leerheit als beständig ansieht, dann macht man die Leerheit zu einem atman.

    :zen:



  • Was nützt all das theoretische Verstehen wollen…


    Letztendlich geht es dabei doch um den Alltag…


    Sonst könnte man sich das HerzSutra auch sparen…


    Letztendlich geht es doch um Erkennen und Loslassen können der üblichen beschränkten Gedanken und Vorstellungen die uns von der Wahrheit des HerzSutra trennen…


    Und WIE man sie loslässt:


    Ich fange ja nicht an jeden Moment dabei über das HerzSutra zu denken und sage mir: Hallo Du Tasse, Du bist Form und Leere


    So kann das ja nicht funktionieren


    Über das WIE wird in der Sache meiner Meinung nach zu wenig diskutiert

  • Ohne ein gutes begrifflich-inhaltliches Verständnis der Antwort Avalokitesvaras auf Sariputras Frage wird man kaum in der Lage sein, den Pfad, den Avalokitesvara kurz und knapp erklärt, praktizieren zu können.


    Es ist schon wichtig, sich - wenn auch zunächst auf der begrifflichen Ebene - zu verdeutlichen, dass man als Person kein Eigenwesen (svabhava) besitzt, weil man abhängig entstanden ist. Dies ist bereits im Alltag förderlich.


    Das reicht natürlich nicht aus. Dieses begriffliche Verständnis muss man natürlich in der Meditation kontinuierlich vertiefen bis man eine unmittelbare nicht-begriffliche Einsicht in die Leerheit, das Freisein von inhärenter Existenz erlangt hat.


    Wenn man die nicht-begriffliche Einsicht in die Leerheit nicht nur auf die Person, sondern auf alle Phänomene beziehen kann, dann ist man in der Praxis zur Verwirklichung der Vollkommenheit der Weisheit schon weit fortgeschritten.


    Nach dieser Praxis hat Sariputra ja gefragt und Avalokitesvaras Antwort bedeutet: Die Praxis zur Verwirklichung der Vollkommenheit der Weisheit besteht in der Entwicklung von Erkenntnis.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Mit der Bezeichnung von Leerheit als beständiges Phänomen habe ich meine Bauchschmerzen. Leerheit ist ja kein Phänomen in dem Sinne , sondern eher eine Abwesenheit.


    Leonie hat darauf hingewiesen, dass man Leerheit nicht wahrnehmen kann.

    Wenn man mit der Leerheit als beständigem Phänomen so seine Schwierigkeiten hat, empfiehlt mein Lehrer immer, das Thema erst einmal für eine Zeit beiseite zu legen. Stattdessen sollte man sich besser gründlich mit dem abhängigen Entstehen beschäftigen. Dadurch kann man dann auch einen tiefgründigeren Zugang zur Leerheit und ihren Qualitäten finden.


    Man kann die Leerheit, das Freisein von inhärenter Existenz, nicht mit den Sinneswahrnehmungen erfassen, man kann sie nicht mit dem Auge sehen oder mit dem Ohr hören usw.

    Die Leerheit kann man nur durch Analyse mittels des geistigen Bewusstseins erfassen und verstehen. Hat man eine schlussfolgernde gültige Erkenntnis der Leerheit, dann kann man sie in der Meditation kontinuierlich in eine nicht-begriffliche Wahrnehmung umwandeln. Aber auch dies ist dann eine geistige Wahrnehmung, eine Wahrnehmung des geistigen Auges, nicht des sinnlichen Auges.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Also entweder hat jemand da subtil Leerheit mit Nibbana gleichgesetz.

    Ja, genau das. Buddhadasa Bhikkhu.


    Schaue mal:



    Zitat

    Suññatā: Zustand der Leerheit, des „Freiseins von“, der Begriffe wie Freiheit, Leichtigkeit, Frieden, Offenheit, etc. mit in seiner Bedeutung trägt.

    Alle Dinge ohne Ausnahme sind leer und frei von „Selbst“, „Ich“, „Seele“, „Ego“, oder irgend etwas, das für „Ich“ oder „Mein“ gehalten werden oder einem „Selbst“ gehören könnte (außer im konventionellen Sinne). Suññatā ist eine allem, ohne Ausnahme, innewohnende Qualität; auch die „Letzte Wirklichkeit“, „Gott“ und nibbāna sind leer. Auch der Zustand der Leere und Freiheit des Geistes


    von Verunreinigungen. Nibbāna ist die „höchste Leere“.



    Oder hier, auch von ihm:


    Zitat

    Und diese Freiheit von „Ich-und-Mein“ ist die buddhistische Bedeutung von suññatā (Leerheit). Die „Leerheit“ von Nibbāna bedeutet einfach leer von „Ich-und-Mein“ zu sein. „Absolutes Erlöschen“, die wörtliche Bedeutung von Nibbāna, bedeutet das Erlöschen von „Ich-und-Mein“, das Erlöschen der Herzenstrübungen, die zu Leid führen und das Erlöschen des durch diese geistigen Verunreinigungen entstandenen Leids. Da suññatā das vollständige Erlöschen des Leidens ist, sollte dies das Ziel eines jeden Menschen in jeder Situation sein.


    Wer hat bei wem geklaut? (Ironie, oder?)

    Weiterhin kann man die Definition bei der Madhyamaka-Schule im Glossar des Buches von Dalai Lama „Die Lehren des tibetischen Buddhismus“ nachlesen:

    Zitat
    "...die endgültige Seinsweise aller Phänomene. Alles Existierende ist leer von einer unabhängigen, inhärenten und absoluten Existenz und kann nur in gegenseitiger Abhängigkeit bestehen. Die Leerheit von inhärenter Existenz und das abhängige Entstehen sind nur begrifflich verschiedene Aspekte derselben ungeteilten Wirklichkeit."

    Wenn man dies aufmerksam liest, wird klar: Es gibt keine „Leerheit“ als eigenständiges Phänomen. Anders ausgedrückt, sie ist vielmehr ein Kunstgriff, um das abhängige Entstehen zu erklären.

    Das Gleiche sagte bereits Nagarjuna:

    Zitat
    "Das Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit (pratītyasamutpāda) – dies ist es, was wir 'Leerheit' nennen. Das ist [aber nur] ein abhängiger Begriff (prajñapti); gerade sie (die Leerheit) bildet den Mittleren Weg."
    yaḥ pratītyasamutpādaḥ śūnyatāṃ tāṃ pracakṣmahe |
    sā prajñaptir upādāya pratipat saiva madhyamā ||

    (MMK 24.18)

    Abschließend: Wenn Samsara und Nirvana dasselbe sind, springt man ständig zwischen der absoluten und der relativen Ebene hin und her. Doch das führt oft zu noch mehr Verwirrung. Der Artikel von H. Schumann spricht genau über diese Doppelbedeutung sehr ausführlich.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Im Buddhismus ist "Phänomen" die Übersetzung des Fachbegriffs "Dharma" - dieser bedeutet so etwas wie "grundlegende Sache".

    Dharmas ist ja ein sehr vielschichtiger Begriff und bezeichnet unter anderem mentale und physische Faktoren, die es zu untersuchen gilt auf dem Weg zur Befreiung. Es gibt etliche Listen und Einteilungen von Dharmas. Ich habe allerdings nichts finden können dazu, dass Leerheit auch als Dharma bezeichnet wird.

    Ich habe nur etwas zur Leerheit (sunyata) als eine Charakteristik von Dharmas gefunden, und zwar eine universell-allgemeine Charakteristik, was ja in Richtung deiner Überlegung geht, dass Leerheit eine Abstraktion darstellt, die von allen konkreten Einzeldingen (Formen) und auch mentalen Faktoren als ihre Existenzform abstrahiert werden kann.

    Wenn man mit der Leerheit als beständigem Phänomen so seine Schwierigkeiten hat, empfiehlt mein Lehrer immer, das Thema erst einmal für eine Zeit beiseite zu legen.

    Daher würde mich interessieren, wo konkret diese Beschreibung der Leerheit als beständiges Phänomen herkommt?


    Leerheit ist, wie Berzin es beschreibt, eine Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen, von Projektionen unseres Geistes.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Leerheit ist, wie Berzin es beschreibt, eine Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen, von Projektionen unseres Geistes.

    Der Punkt, wo diese Abwesenheit von unmöglichen Existenzweise aber vollkommen durchschaut ist, ist Nibbana - das eben als beständiges Dharma gesehen wird.


    Weil alle Dinge unbeständig sind, ist jedes Upadana („Anhaften“) an ihnen vergeblich und führt zu Leid. Die einzige Möglichkeit, Anicca zu beenden, ist Nirvana zu erlangen. Nirvana gilt als die einzige Form der Existenz, die keine Vergänglichkeit, Verfall oder Tod kennt. Im Nirvana-Sutra wird gesagt, dass alle zusammengesetzten, konstruierten Dinge und Zustände „vorübergehend“ sind – die einzigen Ausnahmen davon sind das Nirvana und der Buddha (die Personifizierung von Nirvana).

    Im Nirvana Sutra springt die Charakterisierung als "beständiges Dharma" von Nirvana auf Buddha über:


    A key teaching found in the Nirvana sutra is the eternal nature of the Buddha. Blum notes that the sutra makes it clear that the Buddha is not subject to the processes of birth and death, but abides forever in an undying state. While the Buddha will appear to die (and manifest parinirvāṇa, his final nirvana, the apparent death of his body), he is in fact eternal and immortal, since he was never born, and had no beginning or end.[36] The sutra states:


    Zitat

    The body of the Tathāgata is an eternal body (*nityakāya), an indestructible body (*abhedakāya), an adamant body (*vajrakāya); it is not a body sustained by various kinds of food. That is to say, it is the Dharma Body (*dharmakāya). Do not say now that the body of the Tathāgata is soft, can easily be broken, and is the same as that of common mortals. O good man! Know now that for countless billions of kalpas, the body of the Tathāgata has been strong, firm, and indestructible.[37]


    The Nirvana sutra thus presents the Buddha as an eternal and transcendent being (lokottara) who is beyond being and non-being and is Thusness (tathata), the ultimate reality, the eternal Dharmakāya or "dharma body" (which is equivalent to the buddha-body)

    Natürlich ist die Natur eines Buddhas eng mit Leerheit verbunden. Aber ja eher mit dem.erkennen der Leerheit. Ich denke, es braucht einen weiteren Schritt, in dem das "Durchschauen der Leerheit" in den Begriff shunyata mit einfließt.


    Wenn Leerheit mit Nibbana und der Sicht eines Buddhas in eines fließen, dann erstreckt sich der Status von Nibbana als beständiges Dharma auch auf Leerheit. Aber wo wird so eine Gleichsetzung eingeleitet?

  • die Natur eines Buddhas

    Tut echt weh.

    Da wird eben ein Buddha zu einem Atman gemacht - das hat der Buddha nicht verdient. Das ist einfach grottenschlecht, diese Provinz-Vorstellung.

    :zen:



  • Was nützt all das theoretische Verstehen wollen…


    Letztendlich geht es dabei doch um den Alltag…


    Sonst könnte man sich das HerzSutra auch sparen…

    Hingebungsvolle Praktizierende können manchmal den Nutzen von philosophischen Studien nicht sehen. Dzongsar Khyentse hat in einem Vortrag ein treffendes Bild dafür genutzt:


    Der Krieg zwischen Praktizierenden und ... wir nennen ihn im Tibetischen Shedra und Drubdra. Shedra ist das Lernzentrum und Drubdra ist das Meditationszentrum. Der Krieg zwischen Shedra und Drubdra ist seit Jahrhunderten im Gange. Wisst ihr, die Shedra-Leute sagen: Ah, wisst ihr, wenn ihr kein Ohr für die Kontemplation habt, dann ist es ein bisschen so, als ob ihr den Berg ohne Hand besteigt. Und dann werden die Praktizierenden sagen: oh Ja, ja, ihr macht tausend Hände, und wenn ihr nicht klettert, dann ist das nur Gepäck.

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    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Handeln ohne systemisches Wissen ist ineffektiv, andauernder Versuch und Irrtum.

    Systemisches Wissen ohne Handeln mit Dingen ist Unsinn und Dummheit.

  • Ich hatte hier einen Übersetzungsfehler in dem Zitat von Dzongsar Khyentse Rinpoche drin: Statt "wenn ihr kein Ohr für die Kontemplation habt", müsste es heißen, "wenn ihr nicht die Lehre hört und kontempliert". Das bezieht sich auf den Dreiklang von hören, kontemplieren und meditieren.

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  • die Natur eines Buddhas

    Tut echt weh.

    Da wird eben ein Buddha zu einem Atman gemacht - das hat der Buddha nicht verdient. Das ist einfach grottenschlecht, diese Provinz-Vorstellung.

    Es ist ja nicht der Buddha als Person.

    Ich denke der zentrale Begriff ist für tathāta ( Soheit)


    Soheit ist die Wahrheit über die Welt als leer, unbeständig, anatta. Und dann ist der nächste Schritt, in dem was einen Buddha

    ( tathāgata) ausmacht, eben zu sehen das er diese Soheit in jedem Moment erkennt und ihr lebt. Er erkennt die Natur der Welt nicht nur sondern sie drückt sind ihm aus, manifestiert sich.


    Und so verschiebt sich der Begriff:


    Ich glaube, dass kommt auch schon im Herzsutra vor. Ein ganz großes Thema im.Mahayana ist ja, dass sich Dharmakaya nicht nur in Worten ausdrücken kann, sondern auch anders."Prajna Paramita" ist da nicht rein ein "Wissen über" Leerheit. "Prajna Paramita" ist die Grundlage aller Buddhas. Das Herzsutra erzählt nicht nur philosophisch von Prajna Paramita sondern drückt es aus z.B im Mantra.


    "Prajna Paramita" würde ja sogar in der Form eines weiblichen Bodhisattva verehrt:


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    Auch dem Rezitieren des Herzsutra selber wurde ja immer heilsame Effekt nachgesagt.

  • Die Schriften versteht man erst im Nachhinein (nach dem Erwachen) wirklich. Ihre tiefere Bedeutung.


    Solange das Ego noch präsent ist, gibt es auch immer noch ein „Ich“, gibt es auch immer mindestens zwei Objekte. Gibt es somit auch immer bewusste Trennung, und Verschiedenheit und Unterscheidung.


    Das unterbewusste Ego wird, wenn die Zeit ist gekommen, bemerken, wenn das bewusste Ego schwächer wird, und es wird auch versuchen Alarm zu schlagen, Angst machen und sagen: „Bitte geh jetzt nicht noch weiter, sonst <sterbe> Ich…“


    Ego könnte deshalb zu Dir auch sagen, „Ich hab’s verstanden! Jetzt weiß ich was gemeint ist!

    Und dich versuchen zu täuschen.


    Oder es sagt zu Dir, du musst nur einmal durch alle Schmerzen gegangen sein, das war’s!


    Und belohnt dich sofort mit Endorphinen und Glücksgefühlen.


    Das Ego („Ich“) kennt viele Tricks.


    Und der Buddha hat auch versucht das Ego zu durchschauen.


    Und das Ego hat mit ihm auch genauso versucht dieselben Spielchen zu spielen.


    Bis er hinter dem Ego gekommen ist.


    Der Verblendung die durch das Ego entsteht.


    Der Buddha hat auf das HerzSutra glaube ich selbst auch gar nichts konkret gesagt:


    Sondern als Antwort wortlos nur eine Blume genommen


    Und nur einer verstand wirklich was das bedeutete

  • Die Schriften versteht man erst im Nachhinein (nach dem Erwachen) wirklich. Ihre tiefere Bedeutung.

    Ich glaube, dass die Schriften nicht nur für Erwachte bestimmt sind, sondern uns auch einen Weg zum Erwachen weisen können und uns vor Irrwegen bewahren können.


    Wenn es wirklich so wäre, dass jede begriffliche Anstrengung des Verstehens nutzlos wäre, solange man noch nicht erwacht ist, dann wäre das Studium wirklich sinnlos.


    Spannend wird es doch da, wo Studium und Praxis sich gegenseitig bekräftigen, befruchten und Synergien entstehen. Es hilft auch nichts nur über die Praxis zu reden, im Zweifelsfall muss man sie einfach machen.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ich glaube, dass die Schriften nicht nur für Erwachte bestimmt sind, sondern uns auch einen Weg zum Erwachen weisen können und uns vor Irrwegen bewahren können.


    Wenn es wirklich so wäre, dass jede begriffliche Anstrengung des Verstehens nutzlos wäre, solange man noch nicht erwacht ist, dann wäre das Studium wirklich sinnlos.


    Spannend wird es doch da, wo Studium und Praxis sich gegenseitig bekräftigen, befruchten und Synergien entstehen. Es hilft auch nichts nur über die Praxis zu reden, im Zweifelsfall muss man sie einfach machen.

    Ja, das darf auch letztendlich jeder für sich selbst entscheiden…

    Wie hilfreich ihm die Schriften dabei sind…


    Aber manchmal kommt es mir so vor, als würde Zuviel Wert auf die Schriften gelegt.

    Oder wenn Zuviel hin und her diskutiert wird und man merkt „es findet kein Ende“.


    Wie nun eben hier…


    Denn der „große Weg“ (zu entdecken) ist im Grunde ganz einfach…


    Und man kann sich dabei auch leicht verirren oder täuschen.


    Ich glaube das wollte ich im Grunde nur etwas mehr verdeutlichen.

    Und die Fallstricke mit dem eigenem Ego dabei.


    Ich möchte auch noch ergänzen, das selbst nach dem ersten Erwachen noch lange nicht „Schluss ist“:


    Das Ego wird sich früher oder später wieder anfangen hinterrücks einzuschleichen.

    Versuchen zu hinterfragen, ob das Erwachen denn wirklich echt war. Und versuchen es zu wiederholen und zu prüfen.


    Oder es wird wieder mehr Besitz von uns nehmen, und sich uns überlegen anderen gegenüber fühlen lassen…


    Oder man wird anfangen ohne gefragt worden zu sein darüber zu plappern…


    Oder man meint nun auch alle anderen die gar nicht interessiert daran sind davon überzeugen zu müssen (das nur zu weiterem Leiden führt)…


    Darum habe ich selbst Erwachen und Erleuchtung auch als verschieden gesehen:


    Erleuchtung ist für mich selbst ein „Weg“ den man ewig „geht“.

    Ein fortwährende Übung der Achtsamkeit und Konzentration.

    Im Hier.

    Im Jetzt.


    Für das Hier.

    Für das Jetzt.


    Das man zB mit ZaZen gut üben kann.

    Und wenn man aufsteht mit in den Alltag Gut hinein nehmen kann.


    Ein nun auch anderer „Weg“ als vorher im Leben.

    Mit nun auch neuer Erfahrung mit der Zeit.


    Mit uU der zusätzliche Erfahrung von Erwachen auch:


    Die alle restlichen Zweifel (zumindest für Augenblicke) beseitigt hat.


    Es gehört auch dazu, selbst zu bemerken, wenn man sich selbst wieder verliert, oder bereits verloren hat:


    Dann kehrt man wieder zurück:

    Dort wo man angefangen hat.


    Und darum ist es auch ein „ewiger Weg“.


    Auch mir selbst geschieht das immer wieder.

    So bin ich auch nicht anders als Andere.

    Werde ich es auch nie sein.

    Wird es niemand sein.


    Auch der Buddha war kein „Übermensch“.


    Unser Aussehen ändert sich dadurch nicht.

    Unser Altern ändert sich dadurch nicht.

    Das was wir einst erlebt haben nicht.

    Das was unserem Ego beliebt ändert sich dadurch nicht.


    Das Universum an sich bleibt hingegen wie es ist.


    Das ist auch nur meine eigene Ansicht und Erfahrung dazu.


    Vielleicht hilft das irgend jemand weiter oder nicht.

  • Wie ist es denn möglich, den Lehrreden des Buddha zu viel Bedeutung beizumessen? Umgekehrt bedeutet es ja, den Lehrreden des Buddha nicht zu viel Bedeutung beizumessen, da es wichtigeres als die Lehrreden des Buddha gibt.


    Wenn der "große Weg" einfach zu entdecken ist, braucht man dann die Lehrreden des Buddha überhaupt? Wie entdeckt man denn auf ganz einfache Weise den "großen Weg"?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.