Früher, bevor ich zum Buddhismus kam, beschäftigte ich mich auch im Rahmen des Studiums mit Kognitionswissenschaft. Genauer gesagt, befand ich mich in einem recht exotischem Abstellgleis der Kognitionswissenschaft. Ich war mit Roger Penrose nämlich der Meinung, daß die Natur des Bewusstseins, nicht-algorithmischer Natur sei. Die Beweisführung hat ihren Kern im Gödelschen Unvollständigkeitssatz, sowie Alan Turings Halteproblem. Es würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen, dies hier darzulegen. Dazu nur soviel: Gödel konstruierte einen mathematischen Satz, welcher in natürliche Sprache übersetzt von sich selber sagt:"Ich bin in diesem System nicht beweisbar". Diesen Satz machte er dann zum Bestandteil eines formalen Systems. Geht man nun mit Maßstäben wie wahr/falsch an diesen Satz heran, zeigt sich folgendes: Ist der Satz wahr, dann ist er nicht beweisbar. Ist er falsch, muss natürlich das Gegenteil gelten, und der Satz muss beweisbar, also wahr sein. Das ist jedoch ein Widerspruch. Im formalen Sinne, ist es unentscheidbar, ob er nun wahr oder falsch ist. Man kann auch keinen Algorithmus konstruieren, kein Rechenverfahren, welches diese Unentscheidbarkeit aufdröseln könnte. Doch das, was dieser selbstbezügliche Satz aussagt, ist trotzdem wahr, nur eben formal nicht beweisbar. Wir erkennen das. Es trifft ja zu, was er von sich aussagt:"Ich bin in diesem System nicht beweisbar". An diesem Punkt, kommt also das Verstehen ins Spiel, welches die Unmöglichkeit des Sich-selbst-Erkennens sozusagen transzendiert, womit/wodurch 'aus dem System gesprungen wird', und die Wahrheit nun erkannt. Es kristallisiert sich also heraus, daß 'Verstehen' nie das Ergebnis einer wie auch immer gearteten Berechnung sein kann. Und doch ist es das Verstehen, durch welches man im Falle des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, seine mathematische Wahrheit folgern kann, obwohl es keinen klassischen Algorithmus geben könne, welcher die Wahrheit dieses Satzes formal beweist. Wie kommt also dieser Kern des Verstehens zustande, wenn es keine Berechnung, keinen Ablauf, keinen Algorithmus in der Natur geben könne, welcher zu Verstehen führt? Penrose bemüht hierfür die Quantenphysik, und ortet nicht-algorithmische Prozesse in der Idee der Quantengravitation, einem immer noch gescheiterten Versuch der Verbindung von Quantenphysik und Relativitätstheorie.
Doch irgendeine physikalische Erklärung ist um Grunde für uns nicht von Belang, ebenso wie der Rest des bisher Geschriebenen. Zum Buddha. Aus dem Satipaṭṭhāna und Ānāpānasati Sutta entnehmen wir, daß es das 'Verstehen' ist, welches den Dreh-und Angelpunkt der Übung/Achtsamkeit ausmacht.
Zitat4. "Und wie, ihr Bhikkhus, verweilt ein Bhikkhu, indem er den Körper als einen Körper betrachtet? Da setzt sich ein Bhikkhu [3] nieder, nachdem er in den Wald oder zum Fuße eines Baumes oder in eine leere Hütte gegangen ist; nachdem er die Beine gekreuzt, den Oberkörper aufgerichtet und die Achtsamkeit vor sich verankert hat, atmet er völlig achtsam ein, achtsam atmet er aus. Wenn er lang einatmet, versteht er: 'Ich atme lang ein;' oder wenn er lang ausatmet, versteht er: 'Ich atme lang aus.' Wenn er kurz einatmet, versteht er: 'Ich atme kurz ein;' oder wenn er kurz ausatmet, versteht er: 'Ich atme kurz aus.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei den ganzen Atemkörper [4] erleben;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei die Gestaltung des Körpers [5] beruhigen;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen.' So wie ein geschickter Drechsler oder sein Gehilfe versteht, wenn er eine lange Drehung macht: 'Ich mache eine lange Drehung;' oder wie er versteht, wenn er eine kurze Drehung macht: 'Ich mache eine kurze Drehung;' genauso versteht ein Bhikkhu, wenn er lang einatmet: 'Ich atme lang ein;' oder wenn er lang ausatmet, versteht er: 'Ich atme lang aus.' Wenn er kurz einatmet, versteht er: 'Ich atme kurz ein;' oder wenn er kurz ausatmet, versteht er: 'Ich atme kurz aus.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen.'" Quelle
Wenn der Drechsler versteht, so wie wir in unserer Übung verstehen bzw. wissen, daß wir zum Beispiel atmen, dann ist dieses Gewahrsein, dieses Verstehen, dieses Wissen, diese Achtsamkeit, im Sinne der Penrose-Argumentation, eine nicht-algorithmische, und nur gemäß der mechanistisch Newton'schen Physik, nicht erklärbare Gegebenheit. Dieses reine 'Verstehen', oder auch 'Wissen', ist das, was sich ausserhalb des rechnerischen formalen Systems befindet, um es sehr sehr weitläufig und in Anlehnung an die Beweisführung im Kontext des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, auszudrücken. Interessanterweise, wird etwas recht ähnliches, ja auch in unserer Übung klar, was jetzt wiederum weitläufig und eher als Metapher ausgedrückt ist. In Gegensatz zu diversen Selbsterforschungen, welche an der Unmöglichkeit des Sich-selbst-Erkennens scheitern müssen, scheint der einzige Ausweg wohl der vom Buddha erkannte zu sein. Rechte Achtsamkeit. Dieses Verstehen. So. Wozu das alles? Keine Angst, es macht Sinn, wenngleich sich dieser sicherlich versteckt zu haben scheint, für Diese und Jene.