Buddha und Penrose

  • Früher, bevor ich zum Buddhismus kam, beschäftigte ich mich auch im Rahmen des Studiums mit Kognitionswissenschaft. Genauer gesagt, befand ich mich in einem recht exotischem Abstellgleis der Kognitionswissenschaft. Ich war mit Roger Penrose nämlich der Meinung, daß die Natur des Bewusstseins, nicht-algorithmischer Natur sei. Die Beweisführung hat ihren Kern im Gödelschen Unvollständigkeitssatz, sowie Alan Turings Halteproblem. Es würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen, dies hier darzulegen. Dazu nur soviel: Gödel konstruierte einen mathematischen Satz, welcher in natürliche Sprache übersetzt von sich selber sagt:"Ich bin in diesem System nicht beweisbar". Diesen Satz machte er dann zum Bestandteil eines formalen Systems. Geht man nun mit Maßstäben wie wahr/falsch an diesen Satz heran, zeigt sich folgendes: Ist der Satz wahr, dann ist er nicht beweisbar. Ist er falsch, muss natürlich das Gegenteil gelten, und der Satz muss beweisbar, also wahr sein. Das ist jedoch ein Widerspruch. Im formalen Sinne, ist es unentscheidbar, ob er nun wahr oder falsch ist. Man kann auch keinen Algorithmus konstruieren, kein Rechenverfahren, welches diese Unentscheidbarkeit aufdröseln könnte. Doch das, was dieser selbstbezügliche Satz aussagt, ist trotzdem wahr, nur eben formal nicht beweisbar. Wir erkennen das. Es trifft ja zu, was er von sich aussagt:"Ich bin in diesem System nicht beweisbar". An diesem Punkt, kommt also das Verstehen ins Spiel, welches die Unmöglichkeit des Sich-selbst-Erkennens sozusagen transzendiert, womit/wodurch 'aus dem System gesprungen wird', und die Wahrheit nun erkannt. Es kristallisiert sich also heraus, daß 'Verstehen' nie das Ergebnis einer wie auch immer gearteten Berechnung sein kann. Und doch ist es das Verstehen, durch welches man im Falle des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, seine mathematische Wahrheit folgern kann, obwohl es keinen klassischen Algorithmus geben könne, welcher die Wahrheit dieses Satzes formal beweist. Wie kommt also dieser Kern des Verstehens zustande, wenn es keine Berechnung, keinen Ablauf, keinen Algorithmus in der Natur geben könne, welcher zu Verstehen führt? Penrose bemüht hierfür die Quantenphysik, und ortet nicht-algorithmische Prozesse in der Idee der Quantengravitation, einem immer noch gescheiterten Versuch der Verbindung von Quantenphysik und Relativitätstheorie.


    Doch irgendeine physikalische Erklärung ist um Grunde für uns nicht von Belang, ebenso wie der Rest des bisher Geschriebenen. Zum Buddha. Aus dem Satipaṭṭhāna und Ānāpānasati Sutta entnehmen wir, daß es das 'Verstehen' ist, welches den Dreh-und Angelpunkt der Übung/Achtsamkeit ausmacht.


    Zitat

    4. "Und wie, ihr Bhikkhus, verweilt ein Bhikkhu, indem er den Körper als einen Körper betrachtet? Da setzt sich ein Bhikkhu [3] nieder, nachdem er in den Wald oder zum Fuße eines Baumes oder in eine leere Hütte gegangen ist; nachdem er die Beine gekreuzt, den Oberkörper aufgerichtet und die Achtsamkeit vor sich verankert hat, atmet er völlig achtsam ein, achtsam atmet er aus. Wenn er lang einatmet, versteht er: 'Ich atme lang ein;' oder wenn er lang ausatmet, versteht er: 'Ich atme lang aus.' Wenn er kurz einatmet, versteht er: 'Ich atme kurz ein;' oder wenn er kurz ausatmet, versteht er: 'Ich atme kurz aus.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei den ganzen Atemkörper [4] erleben;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei die Gestaltung des Körpers [5] beruhigen;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen.' So wie ein geschickter Drechsler oder sein Gehilfe versteht, wenn er eine lange Drehung macht: 'Ich mache eine lange Drehung;' oder wie er versteht, wenn er eine kurze Drehung macht: 'Ich mache eine kurze Drehung;' genauso versteht ein Bhikkhu, wenn er lang einatmet: 'Ich atme lang ein;' oder wenn er lang ausatmet, versteht er: 'Ich atme lang aus.' Wenn er kurz einatmet, versteht er: 'Ich atme kurz ein;' oder wenn er kurz ausatmet, versteht er: 'Ich atme kurz aus.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei den ganzen Atemkörper erleben.' Er übt sich so: 'Ich werde einatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen;' er übt sich so: 'Ich werde ausatmen und dabei die Gestaltung des Körpers beruhigen.'" Quelle


    Wenn der Drechsler versteht, so wie wir in unserer Übung verstehen bzw. wissen, daß wir zum Beispiel atmen, dann ist dieses Gewahrsein, dieses Verstehen, dieses Wissen, diese Achtsamkeit, im Sinne der Penrose-Argumentation, eine nicht-algorithmische, und nur gemäß der mechanistisch Newton'schen Physik, nicht erklärbare Gegebenheit. Dieses reine 'Verstehen', oder auch 'Wissen', ist das, was sich ausserhalb des rechnerischen formalen Systems befindet, um es sehr sehr weitläufig und in Anlehnung an die Beweisführung im Kontext des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, auszudrücken. Interessanterweise, wird etwas recht ähnliches, ja auch in unserer Übung klar, was jetzt wiederum weitläufig und eher als Metapher ausgedrückt ist. In Gegensatz zu diversen Selbsterforschungen, welche an der Unmöglichkeit des Sich-selbst-Erkennens scheitern müssen, scheint der einzige Ausweg wohl der vom Buddha erkannte zu sein. Rechte Achtsamkeit. Dieses Verstehen. So. Wozu das alles? Keine Angst, es macht Sinn, wenngleich sich dieser sicherlich versteckt zu haben scheint, für Diese und Jene.

    • Offizieller Beitrag

    hallo thigle,


    Ich war mal an einem wunderschönen Strand und habe dort für ein Prüfung sämtliche Aspekte der Berechenbarkeit vor und zurück lernen müssen. Das erfüllt mich noch immer mit einer gewissen Bitterkeit. Das Halteproblem ist doch folgendes: Was tut ein Programm, das dann hält, wenn das ihm übergebene Programm nicht hält, wenn es sich selbst übergeben wird? Letzenlich ist das nur eine Variante des Pradoxen des Epimenides von dem dem Kreter, der sagt das alle Kreter lügen. Das steht ja sogar im neuen Testament.


    Für mich liegt der Kern der Sache darin, , dass bestimmte Aspekte der Realität komprimierbar sind, das heisst mag kann einfache Regeln niederschreiben um sie zu berechnen. (z.B Algortihmus um alle geraden Zahlen zu finden)
    Der überwältigende Teil aller Probleme ist nicht durch einen Algorithmus berechenbar sondern nur durch mehr oder weniger geschicktes rumprobieren. ( z.B "traveling Salesman" Problem ) Letztendlich aht das was Tröstliches. denn währe die Realität auf einen einfach "Sinn" reduzierbar dann könnte man sie ja in die Tonne treten und den Sinn behalten. Vor Gödel war die Matehmatik ja in ihren Zielvorstellungen sehr aufgeblasen Noch beim Mathematikerkongress um 1900 verkündete Hilbert seine Überzeugung, dass edes Problem grundsätzlich lösbar sein muss:



      „Diese Überzeugung von der Löslichkeit eines jeden mathematischen Problems ist uns ein kräftiger Ansporn während der Arbeit; wir hören in uns den steten Zuruf: Da ist das Problem, suche die Lösung. Du kannst sie durch reines Denken finden; denn in der Mathematik gibt es kein Ignorabimus!“


    Mit anderen Worten war für ihn alles in der Welt ein lösbares Problem. Mittels seiner Intelligenz - und Hilbert sah in der Mathematik ja die Mutter des wissenschaftlichen Denkens - könnte sich der Mensch der Welt bemächtigen. Gödel zersprengte diesen Traum, indem er zeigte das die überwältigende Mehrheit aller Probleme nicht lösbar sind. Dass das Lösbare eine kleine Insel in einem Meer des Unlösbaren ist. Die Aussage "Die Probleme sind nicht lösbar" kommt sehr nahe an Buddhas Begriff von Dukkha heran. Während Hilbert und sein Fortschrittoptimismus ganz im Zeichen der damaligen Zeit mit ihren Allmachtphantasien stand, zeigte Gödel die Grenzen menschlicher Herrschaft auf, die dann ja im 1. Weltkrieg augenfällig werden sollten.


    thigle:

    . Geht man diese sehr komplizierte Beweisführung durch, kristallisiert sich heraus, daß 'Verstehen' nie das Ergebnis einer wie auch immer gearteten Berechnung sein kann. Und doch ist es das Verstehen, durch welches man im Falle des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, seine mathematische Wahrheit folgern kann, obwohl es keinen klassischen Algorithmus geben könne, welcher die Wahrheit dieses Satzes formal beweisen kann. Wie kommt also dieser Kern des Verstehens zustande, wenn es keine Berechnung, keinen Ablauf, keinen Algorithmus in der Natur geben könne, welcher zu Verstehen führt? Penrose bemüht hierfür die Quantenphysik, und ortet nicht-algorithmische Prozesse in der Idee der Quantengravitation, einem immer noch gescheiterten Versuch der Verbindung von Quantenphysik und Relativitätstheorie.


    Ich war mal bei einem Vortrag von Pernrose und fand ihn sehr kompetent und auch symapthisch. Penrose ist ein glänzender Mathematiker, aber ich versthe schon, dass er mit seinen Ideen über das menschliche Gehirn erntet er bei Neuorlogen eher Strnrunzeln .


    Das man verstehen kann,dass das Verstehen begrenzt ist, ist für mich überhaupt nicht paradox. Manche Phänomene sind halt komprimierbar und andere nicht. Warum sollte es keinen mathematischen Satz über die Grenzen mathematischer Sätze geben? Ich versteh nicht, wo da das Problem liegt. Es kann auch Gesetzte über die Grenze von Gesetzten geben. Warum soll es nicht systematisierbar sein, wo das Systematisieren sein Ende findet? Oder ich kann mir ja auch ein Buch über die Schädlichkeit von Konsum kaufen. ( oder sogar süchtig nach dem Konsum solcher Bücher werden)

    Zitat

    Wenn der Drechsler versteht, so wie wir in unserer Übung verstehen bzw. wissen, daß wir zum Beispiel atmen, dann ist dieses Gewahrsein, dieses Verstehen, dieses Wissen, diese Achtsamkeit, im Sinne der Penrose-Argumentation, eine nicht-algorithmische, und nur gemäß der mechanistisch Newton'schen Physik, nicht erklärbare Gegebenheit. Dieses reine 'Verstehen', oder auch 'Wissen', ist das, was sich ausserhalb des rechnerischen formalen Systems befindet, um es sehr sehr weitläufig und in Anlehnung an die Beweisführung im Kontext des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, auszudrücken. Interessanterweise, wird etwas recht ähnliches, auch in unserer Übung klar, was jetzt wiederum weitläufig und eher als Metapher ausgedrückt ist. Wozu das alles? Keine Angst, es macht Sinn, wenngleich sich dieser sicherlich versteckt zu haben scheint, für Diese und Jene.


    Da ist zunächst mal Realität. Und manchmal tut uns die Realität den Gefallen dass sie so strukturiert ist, dass sie komprimierbar ist. Irgendwas ist so ähnlich, dass man z.B irgendwelche Früchte unter dem Konzept "Apfel" zusammenfassen kann. Weil der Unterschied klein ist. Das Gehirn ist etwas, was versucht, die unendliche Komplexität der Welt zu vereinfachen und zu formalisieren. Manchmal funklioniert diese Verdinglichung, die im Chaos des Kontigenten "Dinge" und ihre "Attribute" generiert aber manchmal versagt sie auch an der Wolkigkeit des Ganzen und versandet im totalen Chaos.


    Das was sich im Verstehen ausdrückt ist ja die Realität die jenseits des Verstehbaren liegt. Das Wort "Apfel" verdunkelt die realen Äpfel und ihre Unterscheide. Und macht so alles (Um dem Preis der Reduktion) leichter handhabar. Alle Abstraktion beruht auf einen Abstraktionforgang der natürlich nicht auf der abstrakten Ebene gefunden werden kann auch wenn er sich letzendlich da abbildet. Weil sich die Abstraktion vor den Abstraktionsvorgang schiebt und das Zeichen vor das Bezeichnete ensteht der falsche Eindruck, das ersteres mehr Realität besässe als zweiteres.

  • Oh, void, wie hilfreich und troestlich Deine Worte mich gerade treffen.
    Vielen Dank. :)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Das das Bewusstsein nicht-algorithmischer Natur sei, ist jetzt nicht das große Problem (zumindest nicht für mich als Informatiker), sofern man nicht doch irgendwann das Gegenteil beweist. Auch wenn man sagt, dass Bewusstsein ist aus seinem eigenem System heraus bzw. innerhalb des eigenen Systems nicht beweisbar bzw. seine (erste) Ursache darin nicht erkennbar/ableitbar, so ist dies auch noch kein Beinbruch für die Wissenschaft, den Buddhismus oder gar die menschliche Zivilisation. Vielleicht kann man das Bewusstsein - und somit seine Ursachen - außerhalb des "Systems" ausfindig machen bzw. ableiten. Man darf nicht vergessen, dass Buddha selbst die Existenz einer Art (nahezu) unveränderlichen und unsterblichen (bzw. den Tod/Sterbeprozess überdauernden) "Seele" - aufgrund seiner Erleuchtung - als falsch entlarvte. Deshalb hat ja der Begriff 'Wiedergeburt' für uns Buddhisten eine etwas andere Bedeutung als z.B. für Hindus. Nach Buddha besteht die Gesamtheit unseres Bewusstseins/Seele aus vielen verschiedenen mentalen und physischen Zuständen/Prozessen (Skandhas), die ineinander übergehen und sich gegenseitig beeinflussen bzw. miteinander interagieren. Diese Zustände bzw. mentale und physische Prozesse kann man gewiss in noch weitere Unterkategorien aufteilen. Was das betrifft, geht die heutige Neurowissenschaft Hand in Hand in Sachen Erkenntnis den Weg, den wir Buddhisten schon vor 2500 Jahren beschritten haben. Unabhängig davon, ob wir nun die letztendlichen Ursachen/Komponenten für die Entstehung dessen, was wir heutzutage als menschliches bzw. tierisches Bewusstsein bezeichnen, entdecken, sollten wir zumindest als Buddhisten nicht vergessen, dass so interessant eine solche wissenschaftliche Entdeckung auch wäre, sie - als intelektuelle Erkenntnis - uns dennoch nicht aus dem Kreislauf der Wiedergeburten befreien und uns die Leidfreiheit schenken wird. Dies erreicht man nur, in denn man den Weg des Buddha zu Ende geht.


    Gruß
    Garfield

  • Zitat

    Gödel und Turing waren ja beides so Geistesmenschen ( heute würde man sagen "totale Nerds" ) die letzendlich an ihrer Entfernung zur konkreten Realität draufgagangen sind.Bei Turing war es ja so, dass er mit wegen seiner Homosexualität gemobbt wurde und sich mit einem vergifteten Apfel tötete.


    Hallo Void,


    Ich finde deinen Text sehr gut, aber diese Schlussfolgerung ist in meinen Augen ein bischen daneben. Das klingt ein wenig nach Hobbypsychologie. Turing wurde wegen seiner Homosexualität nicht nur gemobbt, sondern strafrechtlich verfolgt und schlussendlich zwangsweise mit Hormonen (Östrogen) vollgepumpt, woraufhin sein Stoffwechsel durcheinander geraten ist (ihm wuchsen sogar Brüste). Der arme Kerl wurde dermaßen kaputtgemacht (heute würde man sagen er wurde misshandelt), dass er schlussendlich an einer Depression erkrankte und sich vermutlich umbrachte (auch das wurde nie richtig aufgeklärt).


    Deine Schlussfolgerung, dass er sich auf Grund seiner "Distanzierung vom Konkreten" (kurzum durch seine geistige Betätigung) selbst umbrachte ist haarsträubend und fast schon zynisch. Das muss ich hier einfach mal so loswerden. Auch unter den Biographen gilt die psychiatrische "Behandlung" seiner Homosexualität als Hauptgrund für seine Depression. Vermutlich würde fast jeder Ottonormalmensch bei solch einer Behandlung depressiv. Im Übrigen: Touring war ein sehr sportlicher Typ (Läufer und Tennisspieler), der sein Leben durchaus auch auf ganz profane/konkrete Weise lebte. Dieses Bild vom total vergeistigten Nerd entspricht doch einem Klischee, dass du ihm hier in einer Art "Ferndiagnose" angeheftet hast.


    Ansonsten ist dein Beitrag aber wie gewohnt sehr aufschlussreich und hervorragend geschrieben. Auch das muss ich an dieser Stelle mal sagen!


    Gruß
    Maus

  • void:


    Das was sich im Verstehen ausdrückt ist ja die Realität die jenseits des Verstehbaren liegt.


    Danke für deinen Beitrag void. Aber auch ich werde hier komprimieren. Denn ich habe dieses Thematik und diverse Überlegungen, schön länger hinter mir gelassen. Das Geschriebene war eine Art Metapher auf die konkrete Übung, auf den Kern ebendieser, so wie ich es verstehe und aus den besagten Sutten entnehme. Sicherlich besteht hier eine tiefere Verbindung in Bezug auf das Geschriebene, und es wäre sicherlich möglich, diese Verbindungen zwischen Gödel-Turing-Lucas-Penrose-Searle-Hameroff und der buddhistischen Praxis konkreter herauszuarbeiten, aber es ist nicht meine Aufgabe, dies zu vertiefen, und eine Doktorarbeit daraus zu machen. So bleibt es von meiner Seite aus nur bei vagen Andeutungen. Viel wichtiger ist, daß es das Verstehen ist, welches den Dreh- und Angelpunkt der Übung ausmacht. Nicht Beobachtung, nicht Konzentration, oder irgendwelche anderen krampfhaft verengenden Bemühungen, welche Ausdruck von Anhaftung sind. Und auch diverse Selbsterforschungen im Sinne mancher Advaita Vedanta Vertreter, sowie deren notwendiges Scheitern, können ruhig im Kontext des obigen Beitrages spielerisch betrachtet werden. Als weitere Metapher betrachtet, finde ich es amüsant, daß es auch in der buddhistischen Übung das reine Verstehen bzw. Wissen - in Gegensatz zur Unwissenheit - ist, welches sozusagen aus dem unvollständig, lücken- und leidhaften formalen samsarischen System katapultiert, um es rein plakativ auszudrücken, was ich mir in diesem Thread eben erlaube. Denn in diesem Verstehen/Wissen/Gewahrsein, besteht aus der Übung heraus, kein Anhaften an das System. Da ist kein 'mein'. Es ist ausserdem noch aufgefallen, daß dieses Verstehen nicht gemacht ist. Putze ich mir die Zähne, und tippe ich diesen Text, dann ist da bereits dieses reine Verstehen. Im Grunde vergegenwärtigt man sich in der besagten Übung nur, daß da bereits ein reines Verstehen ist. Was genau dieses Verstehen ist, kann nicht ausgesagt werden. Aber es führt uns raus, gen Nirwahn. Ist ja auch was.


    Bhante Vimalaramsi:


    Du weißt doch, wenn du gehst?
    Du weißt doch, wenn du sitzt?
    Du weißt doch, wenn du atmest?
    Das ist es schon.

    • Offizieller Beitrag
    Erdmaus:


    Ich finde deinen Text sehr gut, aber diese Schlussfolgerung ist in meinen Augen ein bischen daneben. Das klingt ein wenig nach Hobbypsychologie. Turing wurde wegen seiner Homosexualität nicht nur gemobbt, sondern strafrechtlich verfolgt und schlussendlich zwangsweise mit Hormonen (Östrogen) vollgepumpt, woraufhin sein Stoffwechsel durcheinander geraten ist (ihm wuchsen sogar Brüste). Der arme Kerl wurde dermaßen kaputtgemacht (heute würde man sagen er wurde misshandelt), dass er schlussendlich an einer Depression erkrankte und sich vermutlich umbrachte (auch das wurde nie richtig aufgeklärt).


    Deine Schlussfolgerung, dass er sich auf Grund seiner "Distanzierung vom Konkreten" (kurzum durch seine geistige Betätigung) selbst umbrachte ist haarsträubend und fast schon zynisch. Das muss ich hier einfach mal so loswerden. Auch unter den Biographen gilt die psychiatrische "Behandlung" seiner Homosexualität als Hauptgrund für seine Depression. Vermutlich würde fast jeder Ottonormalmensch bei solch einer Behandlung depressiv. Im Übrigen: Touring war ein sehr sportlicher Typ (Läufer und Tennisspieler), der sein Leben durchaus auch auf ganz profane/konkrete Weise lebte. Dieses Bild vom total vergeistigten Nerd entspricht doch einem Klischee, dass du ihm hier in einer Art "Ferndiagnose" angeheftet hast.


    Ja, ich fürchte ich habe da totalen unsinn geschrieben,. Ich werden das löschen, weil es wirklich haarsträubend und zynisch ist.

  • Zitat

    Ja, ich fürchte ich habe da totalen unsinn geschrieben,. Ich werden das löschen, weil es wirklich haarsträubend und zynisch ist.


    Ist ja nicht so tragisch. Ich fand deinen Text ansonsten sehr gut. Ich lese deine Beiträge immer gerne und kann da auch einiges mitnehmen.


    lg
    maus

  • void:


    Ja, ich fürchte ich habe da totalen unsinn geschrieben,. Ich werden das löschen, weil es wirklich haarsträubend und zynisch ist.


    Chapeau- das nenne ich einfach gut. Nicht den post, sondern die Einsicht und die Reaktion. :P


    _()_ c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • Interessant ist es schon wenn sich der Geist beim Denken beobachtet, quasie der Beobachter wird.
    Der Geist nimmt eine Stufe Abstand von sich selbst und beobachtet


    Ich habs noch nicht ausprobiert aber jetzt könnte dieser Beobachter sich beim Beobachten zu sehen, dass wäre dann Stufe 2,


    Interessant wäre ob sich mit Meditationserfahrung diese Stufen beliebig erweitern ließen, das ich mir beim Beobachten des Beobachten des Beobachten.... des Beobachten des Denkens/Bewusstseins zusehe :idea:


    Aber vielleicht wird man dann verrückt oder erreicht die Kapazitätsgrenze im Kopf.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:

    Interessant ist es schon wenn sich der Geist beim Denken beobachtet, quasie der Beobachter wird. Der Geist nimmt eine Stufe Abstand von sich selbst und beobachtet. Ich habs noch nicht ausprobiert aber jetzt könnte dieser Beobachter sich beim Beobachten zu sehen, dass wäre dann Stufe 2, Interessant wäre ob sich mit Meditationserfahrung diese Stufen beliebig erweitern ließen, das ich mir beim Beobachten des Beobachten des Beobachten.... des Beobachten des Denkens/Bewusstseins zusehe :idea: Aber vielleicht wird man dann verrückt oder erreicht die Kapazitätsgrenze im Kopf.


    Der Schlüssel ist der erste Satz den du oben geschrieben hast:
    "Interessant ist es schon wenn sich der Geist beim Denken beobachtet,
    quasi der Beobachter wird.
    " Und zwar mit besonderer Betonung auf
    dem Wort "quasi", denn da ist natürlich nicht wirklich ein "Beobachter"
    im Geist. Beobachtung ist eben nur eine Funktion der gerichteten
    Achtsamkeit. "Der Beobachter" ist eine Vorstellung ein geistiges Strukturkonzept.
    Das durchschaut der weisheitliche Anblick (yonisomanasikāra) aber. Die
    Achtsamkeit kann maximal auf alles was geistig oder durch die fünf
    Sinne jeweils erscheint gerichtet sein.

  • Mabuttar:

    Interessant wäre ob sich mit Meditationserfahrung diese Stufen beliebig erweitern ließen, das ich mir beim Beobachten des Beobachten des Beobachten.... des Beobachten des Denkens/Bewusstseins zusehe :idea: Aber vielleicht wird man dann verrückt oder erreicht die Kapazitätsgrenze im Kopf.


    Zumindest eines läßt sich nicht beliebig erweitern. Wenn du beobachtest, und verstehst, daß du beobachtest ¹, also die Beobachtung dadurch auf sich selbst zurückwirfst, was mit Beobachtung der Beobachtung nicht funktioniert. Wie verhält es sich nun mit diesem Verstehen? Und wie verhält es sich nun mit der Beobachtung in diesem Verstehen? Was wird dabei von sich aus klar?


    ¹ Einfacher noch, und darum für viele viel zu schwierig, wäre es, Beobachtung zu lassen wie sie ist. Und zwar als Übung, welche als solche in direkter Konsequenz heraus, losgelassen. Oder direkt als weder Übung noch Nicht-Übung.