Buddhismus und freier Wille

  • Es gibt einen freien Willen. Das ist meine persönliche Meinung.


    Du fragst jedoch wie dies im Buddhismus gesehen wird. Ich kann weder für eine bestimmte buddhistische Schule (die sehen die Dinge nämlich sehr verschieden) noch für den Buddhismus allgemein sprechen. Ich schreibe deshalb hier meine ganz persönliche buddhistischen Ansicht, die man am ehesten mit agnostischem Buddhismus umschreiben könnte.


    Ich erkläre jetzt nicht weshalb ich persönlich vom freien Willen überzeugt bin sondern erläutere meine buddhistischen "Wahrnehmung" die natürlich eine persönliche ist.


    Die buddhistische Geistesschulung, wie ich sie aus dem Palikanon herauslese, macht ohne einen freien Willen keinen Sinn. Die zentrale buddhistische Handlungsanweisung, quasi meine alltägliche Richtschnur nennt sich "der achtfache Pfad".
    Auf diesem Pfad sollte sich das Individdum in jedem Moment stets willentlich aktiv entscheiden. Es soll recht Reden, recht achtsam sein Gefühle, Motivationen und dergleichen beobachten und entsprechend richtig denken und handeln. Ohne freien Willen kann man das nicht.


    Es gibt jedoch ein Aber. Der freie Wille wird getrübt, gehemmt von den sogenannten Kleshas, die sogenannten "den Geist trübenden Leidenschaften". Dabei handelt es sich unter anderen um die von dir bereits erwähnten Prägungen, Erfahrungen usw.


    Es ist deshalb mein oberstes Ziel (andere Buddhisten haben möglicherweise andere Ziele) den Geist von diesen Kleshas zu befreien und damit einen möglichst reinen freien Willen zu erlangen. Wobei der Bgriff Wille hier aus meiner spezifischen buddhistischen Sicht unglücklich ist, da ich etwas zu "wollen" als äusserst hinderlich und alles andere als erstrebenswert betrachte. Dennoch braucht es Willen, Anstrengung um das Ziel die Befreiung des Geistes, des Herzens, der sterblichen Seele oder wie man das alles auch immer nennen will zu erreichen.


    Nochmal kurz zusammengefasst:


    Am Anfang ist der Geist und somit sein Wille eher unfrei weil er durch die Kleshas getrübt wird. Mit zunehmender Geistesschulung kann der Geist nach und nach befreit werden und somit wird auch der Wille frei. Er entscheidet nun frei etwas zu tun (z.B heilsames) oder nicht zu tun (z.B unheilsames).

  • Bakram:

    Es gibt einen freien Willen. Das ist meine persönliche Meinung.usw.


    Von was auch immer dieser Wille frei sein soll, eine Meinung die man durchaus vertreten kann.
    Entscheidend für den Pfad und das Ziel ist allerdings
    nur ob der jeweilige Wille heilsam oder unheilsam ist.
    Da stellt sich die Frage ob es denn überhaupt wünschenswert
    sein könnte einen ungebremsten freien Willen zu haben.
    Bedingt ist er aber immer.
    Je mehr er hat, je mehr er will,
    nie schweigt der Wille mit seinem Wollen still.
    Ob er überhaupt bemerkt wird oder nicht und für
    "normal" und "frei" gehalten wird oder nicht.

  • Es gibt freien Willen - ohne diese Idee wäre sowohl Zuflucht wie die Bemühung um Erkenntnis als auch die Absicht die silas einzuhalten ohne echten Inhalt.
    Ohne freien Willen verkommen rechte Rede, rechtes Handeln und rechte Lebensführung zu einem zynischen Witz.


    Es gibt keinen (absolut) freien Willen wegen der Eingebundenheit aller Dinge in ein Wirk- und Zusammengehörigkeitsgeflecht von Handlungen und Wirkungen.
    Es gibt keinen (absolut) freien Willen wegen des Fehlens (Leere) des möglichen Trägers eines freien Willens.


    Was sollen solche philosophischen Gedankenspielchen bringen?
    Was wäre in bezug auf den mittleren Weg anders, wenn man 100% sicher wäre - es gibt freien Willen oder es gibt keinen freien Willen?


    Eines ist sicher, es gibt Leiden. Und es gibt einen Weg, dieses Leiden zu überwinden.

  • Irmin82:


    Ich meine das, was Schopenhauer thematisiert, wenn er sagt:" Der Mensch kann zwar tun, was er will, er kann aber nicht wollen, was er will."


    So sehe ich das auch. Was weiß ich denn überhaupt, was ich wirklich will. Alles, was ich bisher meinte zu wollen, hat sich früher oder später als "gezwungenermaßen" herausgestellt. Selbst der Lehre zu folgen, ist doch nur daraus entstanden, weil ich vor irgend etwas Angst hatte, vor irgend etwas fliehen wollte. Zu meinem Glück - muss ich dazu "sagen". :D
    Ich betrachte daher meine Gedanken und Handlungen im Zusammenhang mit den Ursachen als jeweils notwendige Re-Aktion auf vorangegangen Erlebtes. Ich betrachte mich aus dieser Sicht überhaupt nicht mehr als eigenständige Person im Sinne von ICH-ICH, sondern als zusammengesetzt funktionierendes Etwas.


    Wenn ich mich also heute für das entscheiden kann, was ich als richtig erkannt habe, dann doch nur deshalb, weil ich zuvor entsprechende Erfahrungen gemacht habe, die mich aufgrund meiner Veranlagung und Umfeld dazu gezwungen haben.
    Im Laufe der Jahre entstand so die Fähigkeit, "meinen Willen" entgegen meiner Neigungen zu stärken. Aber nur aus Vernunft. ;) Woher kommt die?


    Wenn ich mir früher etwas wünschen durfte, dann war das: faul rumliegen, rauchen, essen so viel ich wollte, bis in die Puppen mit Freunden diskutieren über Gott und die Welt, einfach sinnlich leben und dabei glücklich sein.
    Disziplin musste ich mir verordnen. Wer war das?
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • fotost:

    Es gibt freien Willen - ohne diese Idee wäre sowohl Zuflucht wie die Bemühung um Erkenntnis als auch die Absicht die silas einzuhalten ohne echten Inhalt.
    Ohne freien Willen verkommen rechte Rede, rechtes Handeln und rechte Lebensführung zu einem zynischen Witz.


    Es gibt keinen (absolut) freien Willen wegen der Eingebundenheit aller Dinge in ein Wirk- und Zusammengehörigkeitsgeflecht von Handlungen und Wirkungen.
    Es gibt keinen (absolut) freien Willen wegen des Fehlens (Leere) des möglichen Trägers eines freien Willens.


    Diese Unterscheidung zwischen einen absoluten freien Willen und einen freien Willen, der relativ ist (Absatz 1) finde ich gut und sinnvoll!


    fotost:

    Und es gibt einen Weg, dieses Leiden zu überwinden.


    Es gibt mehrere Wege, das Leiden zu überwinden! Hatte der Buddha nicht 84.000 Belehrungen gegeben, weil die Menschen so unterschiedlich veranlagt sind ?

  • Sherab Yönten:
    fotost:

    Und es gibt einen Weg, dieses Leiden zu überwinden.


    Es gibt mehrere Wege, das Leiden zu überwinden! Hatte der Buddha nicht 84.000 Belehrungen gegeben, weil die Menschen so unterschiedlich veranlagt sind ?


    Sind es wirklich ~84.000 - woww!
    In 45 Jahren intensiver Lehrtätigkeit kommt schon einiges zusammen 8)


    Ob es jetzt nur einen mittleren Weg mit verschiedenen Zugängen entsprechend der verschiedenen Ausgangsvoraussetzungen oder wirklich viele verschiedene Wege gibt ist mir nicht so wichtig ;)


    Jeder, der sich auf seinen Weg macht ist ein willkommener Weggefährte :om:

  • Die Frage "von was" der freier Wille frei ist, beantwortet also der Buddhismus mit "Frei von unheilsamen Willensimpulsen", was dann weiter die Be-frei-ung auf der geistigen Ebene bewirkt. Das ist etwas anderes als eine nicht-buddhistisch verstandene Auslegung - "frei im Sinne der Beliebigkeit". Diese Vielfalt ist begrenzt, an Bedingungen geknüpft und vergänglich. Deshalb sagte Arthur Schopenhauer nichts Unrechtes. Mit seinem In-Frage-Stellen der konventionellen Gegebenheiten ist er den anderen westlichen Philosophen sicher in vieler Hinsicht voraus gewesen.


    "Alles Wollen entspringt aus Bedürfnis, also aus Mangel, also aus Leiden."
    Arthur Schopenhauer

  • Sherab Yönten:


    Es gibt mehrere Wege, das Leiden zu überwinden! Hatte der Buddha nicht 84.000 Belehrungen gegeben, weil die Menschen so unterschiedlich veranlagt sind ?


    Hi Sherab Yönten,
    es gibt nur einen Weg, den der Buddha auf tausende Weise von allen Seiten beleuchtet bzw. erklärt hat.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Yofi:


    "Alles Wollen entspringt aus Bedürfnis, also aus Mangel, also aus Leiden."
    Arthur Schopenhauer


    Ja, ich z.B. will gerade im Moment nicht Kontakt zu bestimmten Personen aufnehmen. Da sie aber wichtig sind, leide ich an meinem Ge-Wissen. Deshalb werde ich früher oder später doch Kontakt aufnehmen. Aber eigentlich geht es nicht um die Person, sondern um den Abbau meiner unguten Gefühle.
    Wo ist da noch der freie Wille?
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Monikadie4.:
    Sherab Yönten:


    Es gibt mehrere Wege, das Leiden zu überwinden! Hatte der Buddha nicht 84.000 Belehrungen gegeben, weil die Menschen so unterschiedlich veranlagt sind ?


    Hi Sherab Yönten,
    es gibt nur einen Weg, den der Buddha auf tausende Weise von allen Seiten beleuchtet bzw. erklärt hat.
    _()_ Monika


    Stimmt, so hast Du es besser ausgedrückt! :rose::angel:

  • Monikadie4.:
    Yofi:


    "Alles Wollen entspringt aus Bedürfnis, also aus Mangel, also aus Leiden."
    Arthur Schopenhauer


    Ja, ich z.B. will gerade im Moment nicht Kontakt zu bestimmten Personen aufnehmen. Da sie aber wichtig sind, leide ich an meinem Ge-Wissen. Deshalb werde ich früher oder später doch Kontakt aufnehmen. Aber eigentlich geht es nicht um die Person, sondern um den Abbau meiner unguten Gefühle.
    Wo ist da noch der freie Wille?
    _()_ Monika


    Die Freiheit schlechte Gefühle zu wandeln, abbauen, wie du schreibst, ist ja gegeben. Dazu muss man ggf. den Gedanken daran zulassen, dass alle unsere Versprechungen und Verbindlichkeiten unseren eigenen Bedürfnissen entspringen. Ohne sie gäbe es keinen Grund dafür, an einem bestimmten Ort oder bei einer bestimmten Person sein zu müssen. Bedürfnislosigkeit kennt keine Verpflichtungen, sie beruht auf Freiwilligkeit, und das ist vermutlich genau das Gegenteil davon, was du jetzt erlebst.

  • Zitat

    Bedürfnislosigkeit kennt keine Verpflichtungen

    ... sprach das weise Kaninchen in die Runde und stellte das Mümmeln ein. :grinsen:

  • Das ist aus dem Zusammenhang gerissen, warum und was auch immer das Kaninchen hier zur Sache zu beitragen soll - unklar wie immer.

  • Yofi:


    Die Freiheit schlechte Gefühle zu wandeln, abbauen, wie du schreibst, ist ja gegeben. Dazu muss man ggf. den Gedanken daran zulassen, dass alle unsere Versprechungen und Verbindlichkeiten unseren eigenen Bedürfnissen entspringen. Ohne sie gäbe es keinen Grund dafür, an einem bestimmten Ort oder bei einer bestimmten Person sein zu müssen. Bedürfnislosigkeit kennt keine Verpflichtungen, sie beruht auf Freiwilligkeit, und das ist vermutlich genau das Gegenteil davon, was du jetzt erlebst.


    Ja, die Freiheit ist gegeben.
    Ich bin im Moment sicher nicht bedürfnislos.
    Wo also ist mein Wille?
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Yofi:

    Die Frage "von was" der freier Wille frei ist, beantwortet also der Buddhismus mit "Frei von unheilsamen Willensimpulsen", was dann weiter die Be-frei-ung auf der geistigen Ebene bewirkt.


    Das ist dein freier Wille, und daher:


    Yofi:

    Die Freiheit schlechte Gefühle zu wandeln, abbauen, wie du schreibst, ist ja gegeben.


    ... und:


    Bakram:

    Am Anfang ist der Geist und somit sein Wille eher unfrei weil er durch die Kleshas getrübt wird. Mit zunehmender Geistesschulung kann der Geist nach und nach befreit werden und somit wird auch der Wille frei. Er entscheidet nun frei etwas zu tun (z.B heilsames) oder nicht zu tun (z.B unheilsames).


    Am Anfang ist der Wille unfrei.


    Gruß, Yofi

  • Yofi:

    Am Anfang ist der Wille unfrei.


    Im/Am Anfang ist kein Wille. Es ist nur Wollen. (Kalendersprüche 0815-4711-0014)


    Das Postulat des Willens ist nur das, in das Korsett einer erfundenen Ethik gepresste, Wollen, um nur noch den Erfindern der Ethik das Ergebnis des Wollens darzubringen, statt dem Wollen zu opfern.

  • Irmin82:

    Hab ich da die freie Wahl? Bevor jeder Mensch eine Entscheidung trifft, greift er auf sein Erlebtes zurück. Aus dem heraus, wird er sich immer für das entscheiden, was ihm wohl bringt und nicht wehe. Wir suchen uns unsere Prägungen aber nicht aus. Diese Ursache-Wirkungs-Kette beginnt mit unserer Geburt und wir suchen uns ja nicht aus, wo wir reingeboren werden.



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • :dao:
    Wenn du Fragen hast, frage.
    Aber ich kann dir schon jetzt sagen, dass du nach den Antworten, so du sie bekommst, auch nicht klüger bist.
    Klug wird man durch Zerstörung, Abbau, Vergessen. Klug wird man... nicht. Und verstehen kann man gleich gar nicht.



    Wenn z.B. da steht: Hoffentlich versteht es niemand.
    Dann bedeutet dies, dass wenn alle es verstehen würden,
    a) täte man es irgendwie falsch erklären
    b) würde es niemand verstehen, weil dann alles Alles wären und somit Nichts. Und dies müßte man schon wieder erklären.


    Es ist kein böser Wille! Es gibt nur nichts zu erklären/verstehen.
    Allerdings muss man dies auch erstmal verstehen *OMG* (:

  • Spacy:
    Yofi:

    Am Anfang ist der Wille unfrei.


    Im/Am Anfang ist kein Wille. Es ist nur Wollen. (Kalendersprüche 0815-4711-0014)


    Das Wollen ist bedingt durch Täuschungen, nicht eine, sondern viele, die sich immer weiter fortpflanzen.


    https://biglovelamayeshe.wordp…/29/we-react-react-react/


    Der Wille zum Heilsamen erlischt irgendwann auf dem Weg, eben dann, wenn die Möglichkeit sich anders zu verhalten, nicht mehr gegeben ist. Bevor sie endgültig erloschen ist, existieren die Täuschung und ihre Unterarten dann nur noch latent, werden nicht mehr aufsteigen/werden nicht aufgegriffen.

  • yofi:

    Zitat

    Die Freiheit schlechte Gefühle zu wandeln, abbauen, wie du schreibst, ist ja gegeben.


    Wieso ist Gewissenhaftigkeit ein schlechtes Gefühl ?


    In MN 8 ( deines "reinen Dharma" ) heißt es

    Zitat

    'Die anderen werden unverschämt sein, wir aber werden uns schämen', ...'Die anderen werden gewissenlos sein, wir aber werden gewissenhaft sein', ...


    Buddha rät zu erwägen, ob eine schuldhafte Tat vorliegt, wenn es eine Gewissensregung gibt.
    Er rät aber davon ab, Gewissensnöten Raum einzuräumen.


    Ps: Auch ungute Gefühle haben ihre Berechtigung. Wenn ich in einem Kontakt oft ungute Gefühle habe, meide ich ihn, und das muss nicht verkehrt sein. Es gibt da ja noch die Sache mit dem unheilsamen Umgang.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Yofi:

    Monika hat geschrieben:


    "... um den Abbau meiner unguten Gefühle."


    sie sagte nicht : "meiner schlechten Gefühle".

  • Es wäre hilfreich und heilsam, wenn du Implikationen von 'gut' und 'böse' ganz aus deinem Denken verbannst. Wenn diese mal in Texten oder Ansprachen in einem ethischen Kontext auftauchen, ordne sie auch dort ein. Zum Beispiel:

    Zitat

    Tue nichts Böses, tue nur Gutes, hänge nicht an Leben und Tod.

    Das ist was ganz gegenwärtiges.
    Implikationen von Gut und Schlecht oder Gut und Böse tauchen in der Lehre auf, wenn es um die Tätigkeit des Gestaltens geht (Taten, Wirken), nicht aber wenn es um (karmisches) Gestaltetsein, ein (aufkommendes) Gebilde und Phänomen als solches geht.


    Gewisse Yoga Ansichten, vedischen Ursprunges, - egal in welche buddh. Richtung eingeflossen - passen nicht zum Buddha Dharma.

    2 Mal editiert, zuletzt von Anonymous ()