Eine Bitte an die "Gesetzeseifrigen": Pali-Kanon für Halberleuchtete. Wo und wie anfangen?

  • Andreas:

    ... Aber nun zu meiner Bitte an Euch: ich möchte gern mein "Wissens-Bein" nachziehen, und weiß nicht, wo anfangen? Klar, ich habe im Pali-Kanon gelesen, mal hier, mal dort, mir was daraus zusammengesucht, was gerade interessant war und auf der Oberfläche trieb. Aber wie nähert man sich dem systematisch? Verstehen-wollend? Lernen-wollend? Anfänger-geistig?


    Es hat jetzt auch keine fürchterliche Eile, ich hab' hier noch ein Shobogenzo-Projekt laufen, das mich sicher noch ein paar Monate beschäftigen wird. Aber wenn das durch ist, würde ich gern mal "richtig" an die buddhistischen Grundlagentexte gehen, und weiß nicht, wie. Einführungsbücher? Die sind ja direkt schon wieder interpretatorisch geprägt, fürchte ich. Oder 'rein ins Vergnügen und den PK direkt angehen? Aber wo und welchen? Der Reihe nach? Von kurz nach lang? Von früh nach spät? Der Nase nach? Oder...?


    Ich danke für jede Anregung!


    Ich kann Dir empfehlen, zunächst alle 152 Lehrreden des Majjhima Nikāya zu lesen.


    Allerdings nicht unbedingt in der Reihenfolge von Mūlapariyāyasuttaṃ bis Indriyabhāvanāsuttaṃ.


    Mit welcher Lehrrede Du anfängst, hängt von Deinen Neigungen, Interessen und Fragen ab.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Tychiades:

    Deshan kam auf den Trichter, aber nicht von selbst. Es bedarf immer eines Anstoßes, wie auch beim 6. Patriarchen. Wie du ja selbst mal hier schriebst, durch das Studium, das Lesen von Schriften, erwacht einer nicht.


    Ich denke, die Problematik lässt sich sehr gut als map–territory relation beschreiben. Inklusive des psychologischen Aspekts, dass Menschen dazu neigen, die 'map' für das 'territory' zu halten. Diese Verwechslung ist das, worauf die Reiskuchenverkäuferin Deshan aufmerksam macht, indem sie unmittelbar 'map' und 'territory' miteinander konfrontiert.


    Das Paradigma 'the map is not the territory' entwertet natürlich nicht die 'map' - nur ist deren entscheidendes Kriterium 'usability', Nützlichkeit, und nicht Wahrheit (was hier, um im Bild zu bleiben, absolute Genauigkeit wäre). Interessant ist da das Verhältnis von Nützlichkeit und Genauigkeit, eine schwierige Relation. Mangelnde Genauigkeit beeinträchtigt ebenso wie zu große Genauigkeit (im - natürlich rein theoretischen - Extrem Lewis Carrolls 1:1 Karte) die Nützlichkeit. Ein Problem, das ja auch im 2. Kapitel des Lotossutra (upāyakauśalya, hōben) metaphorisch - also hinreichend ungenau :) - verdeutlicht wird. In diese Richtung geht natürlich auch Nāgārjunas Konzept der zwei Wahrheiten (saṃvṛti-satya und paramārtha-satya) - die Wahrheit, die sich in Sprache fassen lässt, repräsentiert nicht Wirklichkeit; sie ist notwendig lediglich intentional. Notwendig, weil es keine Strukturgleichheit von Wirklichkeit (Śūnyatā / Pratītyasamutpāda) und Sprache gibt. Eben die Begrenztheit der Sprache zu überwinden ist ja der Grund, warum im Chan / Zen eine Didaktik nonverbaler Unterweisung entwickelt wurde. Wobei man sich bei Deshan schon fragen kann, ob da jemand nicht einfach von einem Extrem ins andere gefallen ist - ob es wirklich hilfreicher ist, sein Publikum mit dem Stock zu verprügeln als ihm das Diamantsutra auszulegen.


    Jedenfalls - das alles negiert nicht die intentionale Wahrheit der Sutren und damit ihre Nützlichkeit / Brauchbarkeit ('usability'). Die wiederum erweist sich nicht durch Studium, sondern durch das nutzen / gebrauchen. Es geht also nicht um das Studium der 'map', sondern darum, sich mittels 'map' im 'territory' zu orientieren, seinen Weg zu finden und ihn zu gehen. Das ist "ausüben was der Buddha lehrte" und dies bedeutet laut Dōgen "die Worte und Wege aller Buddhas zu manifestieren". "Worte und Wege manifestieren" verweist auf das von mir schon erwähnte "Studium mit ungeteiltem Körper und Geist", das eben auch ein Studium mit Arschbacken und Intellekt umfasst.


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  • Sudhana:


    Jedenfalls - das alles negiert nicht die intentionale Wahrheit der Sutren und damit ihre Nützlichkeit / Brauchbarkeit ('usability'). Die wiederum erweist sich nicht durch Studium, sondern durch das nutzen / gebrauchen. Es geht also nicht um das Studium der 'map', sondern darum, sich mittels 'map' im 'territory' zu orientieren, seinen Weg zu finden und ihn zu gehen. Das ist "ausüben was der Buddha lehrte" und dies bedeutet laut Dōgen "die Worte und Wege aller Buddhas zu manifestieren". "Worte und Wege manifestieren" verweist auf das von mir schon erwähnte "Studium mit ungeteiltem Körper und Geist", das eben auch ein Studium mit Arschbacken und Intellekt umfasst.


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    Danke! :D
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    Andreas

  • Elliot:

    Ich kann Dir empfehlen, zunächst alle 152 Lehrreden des Majjhima Nikāya zu lesen.


    Allerdings nicht unbedingt in der Reihenfolge von Mūlapariyāyasuttaṃ bis Indriyabhāvanāsuttaṃ.


    Mit welcher Lehrrede Du anfängst, hängt von Deinen Neigungen, Interessen und Fragen ab.


    In Bezug auf den Suttapitaka insgesamt wurde ja auf Anthologien verwiesen, die inhaltlich sortiert sind. Da kann man sich dann direkt dem entsprechenden Abschnitt in der Anthologie zuwenden - das ist dann auch für späteres Nachschlagen und -lesen nützlich.


    Was nun den Majjhima Nikāya angeht - wie ich ja schon schrieb, hatte ich mich an die Reihenfolge gehalten, also 'from cover to cover' gelesen. Deine Empfehlung ist natürlich sinnvoll - nur hätte ich da das Problem, wie ich denn herausfinde, welche Lehrreden im Majjhima Nikāya nun gerade meine jeweiligen oder momentanen "Neigungen, Interessen und Fragen" behandeln. Gibt es da so etwas wie einen 'Führer durch den Majjhima Nikāya' - eine Art thematisch sortiertes Inhaltsverzeichnis? Oder was schlägst Du als praktische Vorgehensweise vor?


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  • Sudhana:

    Gibt es da so etwas wie einen 'Führer durch den Majjhima Nikāya' - eine Art thematisch sortiertes Inhaltsverzeichnis? Oder was schlägst Du als praktische Vorgehensweise vor?


    Der Majjhima Nikāya gliedert sich in drei Teile und jeder Teil besteht aus fünf Vagga.


    Für den Einstieg ist besonders der zweite Teil geeignet, da hier Gespräche mit den Vertretern der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wiedergegeben sind: Hausleute, Bhikkhus, Wanderasketen, Könige und Brahmanen. In diesem Teil wird der weltanschauliche Gesamtzusammenhang der Lehre erörtert.


    Falls Andreas Interesse daran hat und ein paar Aspekte nennt, die ihn besonders beschäftigen, dann kann ich ihm auch gern konkrete Empfehlungen für Lehrreden geben.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Sudhana:
    Tychiades:

    Deshan kam auf den Trichter, aber nicht von selbst. Es bedarf immer eines Anstoßes, wie auch beim 6. Patriarchen. Wie du ja selbst mal hier schriebst, durch das Studium, das Lesen von Schriften, erwacht einer nicht.


    Ich denke, die Problematik lässt sich sehr gut als map–territory relation beschreiben. Inklusive des psychologischen Aspekts, dass Menschen dazu neigen, die 'map' für das 'territory' zu halten.


    Korzybski hat ja auch gesagt: the word is not the thing. Wir haben es mit Fakten und ihren Repräsentationen im Geist zu tun. Die Landkarte ist ein Fakt (Ding) aber sie bildet ein anderes Faktum ab. Das Wort ist ein Faktum, bildet aber auch ein anderes Faktum (Ding) ab. Es gibt dazu eine Reihe von Beispielen im Zen, wie die Frage von Pai-chang Huai-hai mit der Wasserflasche (Fall 40 Mumonkan). Genau darum geht es mit dem "Anstoß" - weil das Diamantsutra sowohl Faktum als auch Repräsentation der Erleuchtung ist - also eine Realisierung - kann es in dieser Weise ein Anstoß sein, wenn sich die Ebene des Faktum öffnet. Hui-neng hat sich da wieder erkannt, bzw. der Ausdruck den er hörte, entsprach seinem Geist, repräsentierte diesen Zustand. Das versetzte ihn wahrscheinlich in großes Erstaunen, sowie einem die Augen aufgehen.


    Zitat


    Das Paradigma 'the map is not the territory' entwertet natürlich nicht die 'map' - nur ist deren entscheidendes Kriterium 'usability', Nützlichkeit, und nicht Wahrheit (was hier, um im Bild zu bleiben, absolute Genauigkeit wäre).


    Eine Landkarte ist nichts anderes als eine Datenübertragung und es entspricht genau dem heutigen Problem von Datensammlungen und wirklicher Abbildung. Das ist wohl auch der Punkt bei der Sprache. Dabei geht es immer um Wahrheit - denn die Nützlichkeit hängt davon ab, wie meine Abbildung der Wahrheit (=Wirklichkeit) entspricht. Dabei gibt es Grenzen - ich kann Wirklichkeit nicht wirklich ( :) ) abbilden, ich muss immer eine Reduktion machen. Aber diese Reduktion kann wahr sein. Und da ist eben genau die Landkarte das Beispiel - sie ist nämlich dann nützlich, wenn sie wahr ist.


    Zitat


    In diese Richtung geht natürlich auch Nāgārjunas Konzept der zwei Wahrheiten (saṃvṛti-satya und paramārtha-satya) - die Wahrheit, die sich in Sprache fassen lässt, repräsentiert nicht Wirklichkeit; sie ist notwendig lediglich intentional. Notwendig, weil es keine Strukturgleichheit von Wirklichkeit (Śūnyatā / Pratītyasamutpāda) und Sprache gibt. Eben die Begrenztheit der Sprache zu überwinden ist ja der Grund, warum im Chan / Zen eine Didaktik nonverbaler Unterweisung entwickelt wurde.


    Die Wahrheit, die sich in Sprache fassen lässt, ist nicht die ganze Wahrheit. Für mich gibt es keine zwei Wahrheiten, aber es gibt eben Wahrheit und Lüge. Und das hängt eben mit Gedanken zusammen. Wilfred Bion meinte dazu - wahre Gedanken, brauchen keinen Denker. Das Faktum - der Schlag mit dem Stock - ist wahr, ist evident. Und nur deshalb gibt es im Zen diese Art der Unterweisung - nicht bloß aus didaktischen Gründen - sondern spontan als eine Realisierung.


    Zitat


    Wobei man sich bei Deshan schon fragen kann, ob da jemand nicht einfach von einem Extrem ins andere gefallen ist - ob es wirklich hilfreicher ist, sein Publikum mit dem Stock zu verprügeln als ihm das Diamantsutra auszulegen.


    Ja - es ist hilfreicher, dem anderen einen Schlag zu versetzen, als das Diamantsutra auszulegen. Letzteres kann man immer machen, erstes ist eine einmalige Sache, das berühmte "Kehrwort" im Zen.
    Das setzt die unmittelbare Begegnung voraus - und das ist m.E. wesentlich. Wenn das Sutra die Kraft hat, dich zu wenden - dann ist es natürlich ein gleichwertiges Faktum, wie das Lächeln.

  • Andreas:

    Klar, ich habe im Pali-Kanon gelesen, mal hier, mal dort, mir was daraus zusammengesucht, was gerade interessant war und auf der Oberfläche trieb. Aber wie nähert man sich dem systematisch? Verstehen-wollend?


    Dazu ist mir noch eingefallen, dass das Samyutta Nikāya vielleicht eine Hilfe ist, weil dort einige Themen zusammengefasst sind:


  • Der Palikanon im Netz hat auch eine Übersicht zu jedem Sutta, mit Kurzform zum Inhalt. Das ist die alte Webseite mit der Übersetzung von Neumann. Es gibt auch auf der Hauptseite eine Einführung.
    http://www.palikanon.de/majjhima/majjhima1.htm


    Die Seite, die alle Übersetzungen aufzeigt:
    http://www.palikanon.com/index.html
    http://www.palikanon.com/majjhima/majjhima1.htm


    Und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich da durch zu arbeiten.

  • Reinkopiert als Reminder für mich, sonst finde ich das in sechs Monaten nie wieder ;) :



    von hier: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=16724

  • Andreas:

    Reinkopiert als Reminder für mich, sonst finde ich das in sechs Monaten nie wieder ;) :


    Wenn du es für dich persönlich machst, dann kannst du das als Entwürfe bei dir speichern.

  • Lieber Elliot, liebe Runde!


    Da sind ja schon ein ganzer Berg an Tipps und Hilfen angekommen, danke Euch dafür! :D


    Elliot:

    Falls Andreas Interesse daran hat und ein paar Aspekte nennt, die ihn besonders beschäftigen, dann kann ich ihm auch gern konkrete Empfehlungen für Lehrreden geben.


    Viele Grüße
    Elliot


    Also, ja, Deine Meinung dazu würde mich schon sehr interessieren. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob es mir gelingt, das sinnvoll einzugrenzen. Aber, Versuch macht kluch, ich lege mal los:


    Derzeit lese ich (zum dritten Mal) das Shobogenzo von Dogen. Anfänglich tat ich mich schwer mit den vielen poetischen Bildern und dachte, es läge an meinem mangelnden Verständnis des japanischeen bzw. chinesischen Lebens vor 800 Jahren. Liest man mittelhochdeutsche Poesie im Original, scheitert man ja schon ganz gern mal, und selbst etwas relativ "leicht" verständliches aus einem nahem Kulturraum wie Shakespeare kann ja so seine Fallhöhen bergen...
    Von daher war mir bei den ersten beiden Durchgängen schon erklärlich, dass ich im Grunde mit dem Text nicht viel anfangen konnte. Ein paar schöne Sätze und Bilder sind hängengeblieben, aber die anderen 90%? Naja.


    Beim jetzigen Durchgang stelle ich vermehrt fest, dass ich befürchte, mein Dharma-Haus auf Sand gebaut zu haben. Ich kein Buddhist bin, sondern der einzige Anhänger der Andreas'schen Buddhismus-Verblendung. Ich lese Dogen mit MEINEM Verständis des Buddhismus, aber wo kommt das eigentlich her? Worauf gründet das? Hier gehört, dort gelesen, dies geprüft und das für gut befunden, ja. Aber FUNDIERT?


    Gleichzeitig schwebt - aus der Zen-Ecke kommend - natürlich immer auch so ein bisschen der Unterton im Hinterkopf "ach, die ganze Leserei kann man sich doch schenken. Putz' das Klo für Instant-Erleuchtung!".
    Das ist nun natürlich nicht das, was die wirklichen Zen-Lehrer vermitteln (allen voran sicher Dogen auch nicht), aber es ist so ein "Klima" in einigen Zen-Bereichen, dem man sich nur schwer entziehen kann.


    Trotzdem, vielleicht sogar deswegen, wächst die Erkenntnis, dass etwas fehlt. Eben das Fundament.
    Die Threads der letzten Tage hier, insbesondere der des "authentischen" Buddhismus, haben da für mich schon ein paar konkretere Fragen ermöglicht, ich stelle sie hier einfach mal in aller Unbedarftheit, vielleicht magst Du mir ja vorschlagen, mit welchem Ansatz ich sie sinnvoll bearbeiten könnte:


    1) Die Vier Siegel. Das ist für mich der Kern, der Inner Core, das, was auf jeden Fall im Paket sein muss, wenn Buddhismus draufstehen soll. Da würde mich die Herleitung/Begründung/ERklärung des Buddha interessieren, so rein, ursprünglich und "authentisch" wie möglich.


    2) Das Verhältnis von "der Lehrdarlegung verbundenen" zu "sich versenkenden" Mönchen. Ist das ein Entweder/Oder aus Sicht des Buddha oder ein Sowohl/Als-Auch? Dieser Text, den accinca zitiert hatte, war ja Auslöser meiner Erkenntis, dass ich mein "Theorie-Bein, Schroedinger) jetzt mal dringend nachziehen muss, wenn ich nicht in Buddha-Verblednung im Spagat enden will. Oder, ähnlich griffig und frei nach Sudhana formuliert: die Arschbacken sind gut durchtrainiert. Zeit für etwas Intellekt :)


    Vielleicht hilft Dir ja meine etwas unsichere Beschreibung schon für eine Empfehlung, sonst frag' gern nach!


    Herzlichen Dank Euch bis hier schon mal und ich freue mich sehr über weiteren Austausch!


    Viele Grüße
    Andreas

  • Tychiades:

    Es gibt dazu eine Reihe von Beispielen im Zen, wie die Frage von Pai-chang Huai-hai mit der Wasserflasche (Fall 40 Mumonkan).

    Ja - wobei ich mich frage, ob sich Baizhang da nicht doch zu billig abspeisen ließ, auch wenn Guishan sehr elegant und ohne Anlauf die Hürde von Affirmation und Negation nimmt. Dahui beispielsweise ging die Sache etwas anders (freilich mit sehr viel mehr Worten) an, als er seinen Stock (shippei) vorzeigte:

    Zitat

    Nennt ihr dieses einen Stock, liegt ihr falsch. Nennt ihr dies nicht einen Stock, liegt ihr auch falsch. Sagt nichts, aber bleibt auch nicht stumm. Ihr dürft nicht denken, ihr dürft nicht raten. Es ist euch nicht erlaubt, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Nichts, was ihr tut, ist angemessen. Wenn ihr euch den Stock schnappen wollt, dann los, schnappt ihn euch. Ich werde dann meine Faust um ihn schließen und von euch eine Aussage verlangen. Wenn ihr wollt, dass ich meine Faust öffne, ist das auch in Ordnung. Aber dann verlange ich von euch eine Aussage zur ganzen Welt. Könnt ihr diese auch wegnehmen?

    Die zwölf Abteilungen der Schriften sind "eine Aussage zur ganzen Welt". Baizhangs umgetretene Wasserflasche macht hingegen nur den Boden nass. Und Guishan macht sich nicht einmal die Mühe, die Schweinerei selbst aufzuwischen. Den Boden zu nässen ist freilich immer noch besser als dies (oder die Schriften) zu kommentieren, wie ich zu meiner Schande einräumen muss. "Das Faktum - der Schlag mit dem Stock - ist wahr, ist evident" - aber andererseits ist es ja meistens ganz gut, dass uns diese Art der Faktenvermittlung hier in Buddhaland nicht auch noch zur Verfügung steht. :)


    Jedenfalls ist die 'Wahrheit' einer Aussage (eines 'Nicht-stumm-bleibens') zu einer Blume, einer Wasserflasche, einem Shippei oder zur ganzen Welt abhängig von den momentanen Bedingungen und Umständen - weswegen ich es vorziehe, von 'intentionaler Wahrheit' statt von Wahrheit zu sprechen. Die Begegnung Yaoshans mit Mazu illustriert dies sehr treffend:

    Zitat

    Der, der hier vor euch steht, hat mehr oder weniger geklärt, worum es in den zwölf Abteilungen der Schriften, wie sie unter den Nachfolgern der drei Fahrzeuge gefunden werden, geht. Aber warum kam Bodhidharma aus dem Westen?
    Auf diese Art befragt, anwortete der Zenmeister Mazu: Zeitweise lasse ich diesen hier eine Augenbraue heben und mit den Augen zwinkern, zeitweise lasse ich ihn nicht die Augenbraue heben und mit den Augen zwinkern. Zeitweise ist, ihn eine Augenbraue heben und mit den Augen zwinkern zu lassen, richtig und zeitweise ist, ihn eine Augenbraue heben und mit den Augen zwinkern zu lassen, falsch.

    Hätte Yaoshan nicht "mehr oder weniger geklärt, worum es in den zwölf Abteilungen der Schriften geht", wäre auch Mazus Antwort kein Wendewort gewesen. Nicht nur die "zwölf Abteilungen der Schriften", auch Mazus Antwort ist nur intentionale Wahrheit, sie sind Bedingungen und Umstände eben jenes "zeitweise": des Moments, auf den die Intention der 'Wahrheit' zielt. Getrennt von diesem Moment ist auch das Heben der Augenbraue oder der Schlag mit dem Stock zwar ein Faktum - aber eben auch nur ein Schlag mit einem Stock oder Heben der Augenbraue. Und die zwölf Abteilungen der Schriften nur eine Menge Papier.


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  • Zwecks Zufluchtobjekt; letzte Zeilen Sudhana, siehe oben. Auch Zufluchtsobjekt:Dharma scheint sich zu unterscheiden. Im Mahayana, zumindest im Zen aber, ist das Zufluchtsobjekt NICHT der "Lehrkörper".

  • Morpho:

    Zwecks Zufluchtobjekt; letzte Zeilen Sudhana, siehe oben. Auch Zufluchtsobjekt:Dharma scheint sich zu unterscheiden. Im Mahayana, zumindest im Zen aber, ist das Zufluchtsobjekt NICHT der "Lehrkörper".

    Der Unterschied im Verständnis ist vor allem beim Zufluchtsobjekt Sangha extrem. Für Theravadin ist gemäß AN 11.12 Zufluchtsobjekt lediglich der Ariya Sangha - um zu der gezählt zu werden, muss jemand zumindest 'Stromeingetretener' sein.


    Aber es soll ja auch im Zen Gemeinschaften geben, wo der 'Ariya Sangha' in der Zendo übt und der Rest vor der Tür sitzen muss ... :D


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  • Sudhana:

    Getrennt von diesem Moment ist auch das Heben der Augenbraue oder der Schlag mit dem Stock zwar ein Faktum - aber eben auch nur ein Schlag mit einem Stock oder Heben der Augenbraue. Und die zwölf Abteilungen der Schriften nur eine Menge Papier.


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    Tja.
    Was ist schon getrennt von diesem Moment?

  • Tychiades:
    Sudhana:

    Getrennt von diesem Moment ist auch das Heben der Augenbraue oder der Schlag mit dem Stock zwar ein Faktum - aber eben auch nur ein Schlag mit einem Stock oder Heben der Augenbraue. Und die zwölf Abteilungen der Schriften nur eine Menge Papier.


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    Tja.
    Was ist schon getrennt von diesem Moment?


    samoham cittam


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  • Jedenfalls kann man mir nicht mit dem Thera-Vada als "einzig authentisch" kommen, da das System in so einigem den Lehrreden widerspricht.

  • nirghoṣanirghoṇi bhayā bhayaviśodhani mantre mantrākṣayate rute rutakauśalye akṣaye akṣa ya vanatāye vakkule valoḍa amanyanatāye

  • Andreas:

    Die Threads der letzten Tage hier, insbesondere der des "authentischen" Buddhismus, haben da für mich schon ein paar konkretere Fragen ermöglicht, ich stelle sie hier einfach mal in aller Unbedarftheit, vielleicht magst Du mir ja vorschlagen, mit welchem Ansatz ich sie sinnvoll bearbeiten könnte:


    1) Die Vier Siegel. Das ist für mich der Kern, der Inner Core, das, was auf jeden Fall im Paket sein muss, wenn Buddhismus draufstehen soll. Da würde mich die Herleitung/Begründung/ERklärung des Buddha interessieren, so rein, ursprünglich und "authentisch" wie möglich.


    So "authentisch" wie möglich ... dann würde ich doch erstmal nachsehen, wo in den Lehrreden der Begriff "Vier Siegel" auftaucht.


    Im Majjhima Nikaya schon mal nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.


    Vielleicht möchtest Du etwas näher erläutern, worum es sich dabei handelt? Manchmal werden ja einfach auch Synonyme verwendet.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Festus:

    Ergänzend: ein dhāraṇī speziell speziell zum Schutz der "Gesetzeseifrigen" bzw. der Schluss davon. Ob es was nutzt, ist eine andere Frage - so etwas zu rezitieren ist aber sicher sinnvoller als dieses Mantra:

    Zitat

    »Diese da denken: 'Gesetzeseifrig sind wir! Gesetzeseifrig sind wir!' So denken diese aufgeregten, aufgeblasenen, unsteten Plapperer, diese verworrenen Schwätzer! Ohne Achtsamkeit sind sie und ohne Wissensklarheit; ungesammelt sind sie, geistig zerfahren und lassen ihren Sinnen freien Lauf. Worin sind diese wohl gesetzeseifrig? Wozu sind diese wohl gesetzeseifrig? Inwiefern sind diese wohl gesetzeseifrig?«


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  • Elliot:

    dann würde ich doch erstmal nachsehen, wo in den Lehrreden der Begriff "Vier Siegel" auftaucht.


    Im Majjhima Nikaya schon mal nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.


    Vielleicht möchtest Du etwas näher erläutern, worum es sich dabei handelt? Manchmal werden ja einfach auch Synonyme verwendet.

    Wie ich kürzlich in einem anderen Thread schrieb, scheint der Begriff der "Vier Siegel" auf das Avataṃsakasūtra (Mahāvaipulya Buddhāvataṃsaka Sūtra, Chin. Huayan Jing, Jap. Kegon Kyō, Tib. mdo phal po che) zurückzugehen. Die ersten drei "Siegel" sind die tilakkhaṇa (die natürlich auch im Mahayana als trilakṣaṇa bekannt sind), als viertes Siegel gilt nibbāna / nirvāṇa.


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