Muss ich als Buddhist denn perfekt sein?

  • Heute war leider kein guter Tag, ich weiß nicht, warum ich immer wieder in Situationen lande, wo Menschen mich wie aus dem Nichts heraus verärgern und verletzen können und mir fehlt die Spontanität richtig zu reagieren. Letzten Mittwoch hatte ich auch so eine Situation, jemand denn ich jahrelang geschätzt habe, hat sich total im Ton vergriffen, ich war sprachlos und nachhaltig verletzt.


    Weil genau dieser Mensch immer sagte, er hasse Menschen, die schlecht über andere sprechen und dann wirft er mir mehrere gravierende Sachen entgegen und patzt auch andere an, langsam fällt mir wirklich niemand mehr ein, wo ich das Gefühl habe, da ist eine neutrale Person.


    Wobei ich bin da sehr enttäuscht von mir selbst, weil ich dann immer das Gefühl habe, ich mache doch keine Fortschritte.


    Ich habe gelesen unsere Gedanken, unsere Wörter und unser Handeln trägt unsere Unterschrift, das hat mir gefallen, weil so ist es auch.

  • Wie kann ein Mensch sich immer wieder genau so verhalten wie Du ihn hier beschreibst lieber Vincent

    und herzlich und liebevoll von Dir angesehen werden?


    In Metta🙏

  • Ich zitiere einfach noch mal LL. ;)

    Perfektionismus ist ein menschenfeindlicher, hinderlicher Aspekt. Nichts, dem ich vertrauen kann.

    (Nur meine eigene Erfahrung.)

    Mir scheint, das erwartest Du von Dir und allen Deiner Mitmenschen. Mein Lehrer würde sagen: "Jetzt brauchst Du mehr Liebende Güte!". Für Dich und für den anderen. Ihr seid beide fehlbar.


    Noch ein Gedanke, vielleicht kannst Du etwas damit anfangen: Du schreibst, Du bist verletzt. Aber wo ist denn Dein Ärger, wenn sich jemand Dir gegenüber unangemessen verhält?


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Guten Morgen Vincent,

    Weil genau dieser Mensch immer sagte, er hasse Menschen, die schlecht über andere sprechen und dann wirft er mir mehrere gravierende Sachen entgegen und patzt auch andere an, langsam fällt mir wirklich niemand mehr ein, wo ich das Gefühl habe, da ist eine neutrale Person.

    Er sagt, er hasse Menschen ...

    Da ist also schon mal Hass mit im Spiel. Also neutral ist dieser Mensch nicht.


    Und - es gibt keine neutralen Menschen, so wie Raucher auch keine Nicht-Raucher sind, sondern nur Raucher, die nicht mehr rauchen.

    Insofern sind wir alle mehr oder weniger bis zu unserem völligen Erwachen "gefährdet", rückfällig zu werden.

    Dieser Mensch ist aber noch nicht einmal auf dem Pfad, oder?


    Dir muss niemand einfallen, der Deinen Ansprüchen entspricht. Auch ist es kein Fortschritt, immer auf andere zu schauen. Es muss für Dich gleich gültig werden, denn Du hast ja die Wahl, mit wem Du Kontakt hältst und mit wem nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich die Kontakte minimieren. Und das ist gut so.

    Wobei ich bin da sehr enttäuscht von mir selbst, weil ich dann immer das Gefühl habe, ich mache doch keine Fortschritte.

    Vor allem brauchst Du Geduld mit Dir. Alle anderen sind erstmal egal, wenn sie nicht wie Du auf dem Weg sind. Deine Erwartungen enttäuschen Dich, nicht diese Menschen. Ich empfehle Dir, lass los.

    Ich habe gelesen unsere Gedanken, unsere Wörter und unser Handeln trägt unsere Unterschrift, das hat mir gefallen, weil so ist es auch.

    Und was bringt Dir das? Wir tragen für all unsere Gedanken und Handlungen die Verantwortung. Das nennt sich Karma.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)


  • Ah :idea: du hast mich nur zitiert, meinst mit "Du" aber Vincent?

    Dann verstehe ich.


    Mein Beitrag drückt jedenfalls kein Verletztsein aus, sondern nur ein leises, abgeklärtes Bedauern, dass ich in meiner Jugend zu lange Jahre Perfektionismus für einen wichtigen Verbündeten gehalten habe. Das war ganz kontraproduktiv und hat lange gedauert, bis ich gelernt habe, ohne Perfektionismus viel besser klarzukommen.


    Mein Beitrag war als Tipp gemeint - und nun verstehe ich, dass er auch so verstanden worden ist. Hahaha. 😊

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    2 Mal editiert, zuletzt von Lirum Larum ()

  • Ich hatte das auch nicht verstanden :erleichtert:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • @S-Mater: Wie sich ein Mensch so verhalten kann wie ich ihn beschreibe? Das weiß ich nicht, das ist auch nicht mein Thema. So schwierig sind die einfachen Regeln, die ich mir erwarte nicht, das ist ja nicht mal 1% von dem was Buddha lehrte vermutlich.


    Aravind:
    Auf deine Frage was das mit mir macht, es verletzt mich und macht mich wütend, enttäuscht mich und ich ziehe mich zurück.


    Monika

    Nein, dieser Mensch ist nicht neutral und auch nicht sehr "klug" scheinbar zumal er Menschen lehren sollte, wie sie ethisch gut leben.

    Dieser Mensch ist auf einem Pfad, nämlich Geld zu verdienen mit dem was er tut, leider hat er das moralische Ziel aus den Augen verloren. Gier bestimmt hier das handeln, so erscheint es mir subjektiv halt.


    Ich kann nur Menschen aus dem Weg gehen in meinem Privatleben, in Gesellschaft, Familie und bei Verpflichtung leider nicht, dazu zählt auch mein Broterwerb, ein paar Jahre muss ich noch arbeiten, da kann ich mir die Menschen nicht aussuchen bedauerlicherweise.


    Ich habe meine Kontakte nicht minimiert sondern ich habe keine mehr, abseits dessen wo ich muss.


    Lirum Larum:

    Es geht nicht um den totalen Perfektionismus, aber um Grundregeln unseres Glaubens und nicht um Perfektion, wobei ich mich dann im Titel geirrt habe, zugegeben.

  • Okay, ich hatte nur endlich mal auf den Threadtitel geantwortet, weil der mir ständig über den Weg lief. 😊

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Lieber Vincent,
    als Anfänger kann ich deine Worte und Gedanken durchaus nachvollziehen. Nun haben dir einige Mitglieder dir schon sehr wertvolle und gute Worte ans Herz gelegt, ich möchte nur kurz meine persönliche Erfahrung hier beschreiben. Vielleicht hilft dir das auch etwas.
    Ganz zu Beginn, als der Buddhismus komplett neu für mich war, kam mir die Lehre kompliziert und sogar seltsam vor. Allein die Faszination war groß genug, um weiter zu machen. Bei mir brauchte es erst die Vollendung des 25. Lebensjahres und Jahre der immer wieder kehrenden Beschäftigen mit den Lehrreden und Themen des Buddhismus, auch mit der Biographie des Erhabenen, bis ich mehr und mehr verstand. Das und meine meditative Praxis haben mir geholfen. Versuche dich, von der Idee des Perfektionismus zu verabschieden.
    Auch ich bin so ein Mensch, der am liebsten immer alles 100%-tig korrekt machen will. Als ich eingesehen habe, dass das im Buddhismus nicht geht, hat mich das schließlich sehr erleichtert und befreit. Der Pfad und die fünf Silas beispielsweise sind zum Üben da. Es geht nicht darum, sie perfekt einzuhalten, sondern so gut es geht dein Handeln und Denken daran auszurichten. Auch, sie zu betrachten und zu reflektieren: "Ist das sinnvoll, bringt mir das etwas?" (das habe ich zunächst getan). Wenn dir das nicht stets gelingt, dann ist das nicht schlimm. Mitgefühl für sich selbst ist ebenso wichtig, wie für andere Wesen.
    Auch ich bin der einzige Mensch in meinem direkten Umfeld, der überhaupt dieses ausgeprägte Interesse am Buddhismus hat. Weißt du, was ich erkannt habe? Alles, was mich nervt, was mir oberflächlich erscheint oder schwierig, all das ist eine perfekte Gelegenheit, um zu üben (dies sollte man jedoch nicht mit toxischen Beziehungen verwechseln, die es allerdings gibt. Manchmal ist es besser, bestimmte Menschen in Liebe gehen zu lassen).
    Üben in Metta, Geduld, Karuna. Es ist nicht einfach, nein, aber es lohnt sich. So würde ich die gesamte Lehre zusammen fassen.
    Alles Gute weiterhin für deinen Weg! Mögest du frei und glücklich sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Stille. ()

  • Lieber Vincent,


    Ärger und Enttäuschung wegen Fehlverhaltens von Anderen und einem selber ist ja nichts ungewöhnliches, es ist Hass im weitesten Sinn, bekanntlich eine der drei Geistestrübungen (Gier, Hass und Verblendung). Würde sich jeder damit auseinandersetzen und Lösungen finden würde die Welt anders aussehen.


    Wir empfinden etwas als Fehlverhalten, als falsch, unmoralisch oder unethisch, weil ein natürliches Bedürfnis nach Frieden in uns ist. Es ist nicht schwer einzusehen wie unvernünftig es ist, Schaden und Leid zu verursachen und sich selbst und andere damit zu belasten, aber die tief wurzelnden Geistestrübungen überwältigen immer wieder die Vernunft, trüben eben den Geist und die Reinheit des Herzens.

    Wenn man so weit gekommen ist das einzusehen hat man da schon eine rechte Erkenntnis gewonnen, das betrifft den ersten Teil des achtfachen Pfades. Jetzt kann man sich bemühen die entsprechende Gesinnung zu entwickeln, den zweiten Teil. Sehr hilfreich finde ich dabei die Entwicklung von Metta. Wenn klar ist dass Wohlwollen und Güte das Beste bei allen Begegnungen mit Menschen und auch allen anderen Lebewesen ist, kann man sich üben diese Haltung einzunehmen: 'Ich wünsche dir alles Gute, Glück und Einsicht, mögest du nicht leiden'. Ehrlich von Herzen gewünscht, fühlt man es und so können sich die Brahmavihara entwickeln - liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut bei Kränkungen.


    Rechte Erkenntnis und rechte Gesinnung sind auch unter "Weisheit" zusammengefasst. Ohne Weisheit kann Metta zu Sentimentalität werden, mehr eine Gefühlsduselei, oder zu einer übetriebenen Opferrolle. Richtig entwickelt führt es zu ethischem Handeln, die nächsten drei Teile des Pfades und begünstigt Sammlung und Meditation, die übrigen drei Teile.

    Metta ist ein wesentlicher Schlüssel zur Beendigung von Dukkha, gepaart mit Panna kann dieser Ansatz wohl sogar bis zum Ziel endgültiger Befreiung, zu Nibbana führen. Aber ich sehe mich auch als Anfänger und muss mir Metta auch selber entgegenbringen, Geduld mit mir haben und Nachsicht üben, wenn Hass gegen mich selber aufsteigt wegen hartnäckiger Geistestrübungen.

  • @S-Mater: Wie sich ein Mensch so verhalten kann wie ich ihn beschreibe? Das weiß ich nicht, das ist auch nicht mein Thema. So schwierig sind die einfachen Regeln, die ich mir erwarte nicht, das ist ja nicht mal 1% von dem was Buddha lehrte vermutlich.

    Lieber Vincent

    ich schrieb;


    Wie kann ein Mensch sich immer wieder genau so verhalten wie Du ihn hier beschreibst lieber Vincent

    und herzlich und liebevoll von Dir angesehen werden?


    In Metta🙏


    Bin sicher Du findest Deine Antwort.


    Alles Gute für Dich

    In Metta🙏

  • Stille:


    Deine Worte strahlen eine Ruhe und Einfühlsamkeit aus und deine Erzählung über deine Erfahrungen sind sehr interessant.


    Den Perfektionismus gibt es nicht, schon allein die Fragestellung war eigenartig im Nachhinein.


    Ich wünschte, ich käme beim Handeln annähernd meiner Gedankenwelt und Vorstellung näher. Das geschieht zwar, aber ich bin alt, zu alt, zu viel Zeit verpasst. Unsere Lebenszeit vergeht sehr schnell.


    Wie ich schon sagte, meine Vorstellungen im Bewusstsein waren da, bevor ich über den Buddhismus etwas wusste.


    Der Buddhismus hat eine unklare Vorstellung in eine klarere verwandelt und um es anders zu formulieren, es geht um Fortschritt nicht um Perfektionismus. Da ist sowohl Selbstanspruch wie Anspruch an andere hoch, da kann man vielleicht nur scheitern.


    Mitgefühl mit sich selbst zu haben fällt mir schwer, trage nicht ich die volle Verantwortung für die Persönlichkeit, die ich heute bin?


    Wie kann ich da Mitgefühl haben?



    mukti:


    Danke für den ausführlich erklärenden Text wie du es aus deiner Perspektive siehst und wohl auch versuchst zu leben. Ich wiederhole mich, auch deine Worte klingen ruhig und gefasst. Man soll nicht Zeit oder wie viele Beiträge jemand schreibt mit Wissen gleichsetzen.


    Als Anfänger dich selbst zu bezeichnen ist sehr tiefgestapelt, da hat jemand geschrieben, der viel Erfahrung im Leben und in der Lehre hat. Mir gehen ein wenig die Worte aus, weil Eure Texte allesamt sehr hilfreich sind. Ich könnte auch nur ein Wort schreiben, was alles beinhaltet DANK.



    @S-Mater:


    Ob ich eine Antwort darauf finde? Ich denke, die habe ich bereits gefunden, dieses Ideal gibt es einfach nicht und ist für sich selbst und andere nicht fair einzufordern.



    Danke für Eure Erklärungen, Hilfe, Wünsche, ich habe alles „gehört“ was mir ein Anliegen war.

  • Zitat

    Mitgefühl mit sich selbst zu haben fällt mir schwer, trage nicht ich die volle Verantwortung für die Persönlichkeit, die ich heute bin?


    Wie kann ich da Mitgefühl haben?


    Die Frage ist immer: Warum sollte ich kein Mitgefühl haben? Die Antwort des Buddha ist: So einen Grund gibt es nicht.


    Das nennt sich unbedingte Liebe, Metta.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Mitgefühl mit sich selbst zu haben fällt mir schwer, trage nicht ich die volle Verantwortung für die Persönlichkeit, die ich heute bin?


    Wie kann ich da Mitgefühl haben?

    Der Buddha hatte Mitgefühl mit allen Lebewesen, weil er erkannte, wie schwer es ist, die Ursachen der Wirkungen in Zusammenhang zu bringen. Wer sich nie damit beschäftigt hat, wird auch nie seine Perspektive und damit sein Leben ändern können. Das hat der Buddha nicht verurteilt. Ihm war klar, dass es für die meisten Menschen unmöglich ist. Deshalb wollte er ja zunächst auch nicht lehren.


    Und gerade deshalb ist es wichtig, auch sich selbst gegenüber mitfühlend zu sein, sonst kannst Du, lieber Vincent, das auch nicht anderen Menschen gegenüber empfinden. Wir wachsen in Verblendung auf, wie sollen wir wissen, was Gier und Hass bedeuten?

    Jeder Schritt, den wir tun, um aus diesem Dilemma herauszukommen, ist ein Stück Befreiung - nicht nur für uns.


    Und nein, Du trägst nicht die volle Verantwortung für die Persönlichkeit, die Du heute bist. Da waren Deine Eltern, Verwandte, Freunde, der Beruf, die Umwelt, die Lebensbedingungen ...


    Freu Dich einfach, dass Du jetzt erkennst, worum es geht. Und mache einen Schritt vor den nächsten.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ich wünschte, ich käme beim Handeln annähernd meiner Gedankenwelt und Vorstellung näher. Das geschieht zwar, aber ich bin alt, zu alt, zu viel Zeit verpasst. Unsere Lebenszeit vergeht sehr schnell.

    Danke für deine Antwort. Ich stimme dir zu, dass unsere Lebenszeit schnell vergeht (oder eher, dass wir unsere Lebenszeit oft als selbstverständlich annehmen). Doch du kommst dem, was du erreichen möchtest, näher. Es dauert seine Zeit, das ist es. Wobei ich es nicht als Problem betiteln würde, eher als eine Chance, um sich in Geduld und Disziplin zu üben. Ich habe, wenn leider auch nur über das Internet, eine ältere Dame kennen gelernt, die 80 ist und mit der Meditation begonnen hat. Den Buddhismus für sich entdeckt hat. Ich finde das wunderbar, denn es ist niemals zu spät. Bitte, glaube das nicht.
    Du bist nun auf dem Weg, geh einfach weiter. Jeder kleine Schritt bringt dich voran.

    Aus deinen Zeilen meine ich Selbstkritik, vielleicht sogar Ablehnung gegenüber dir selbst, zu entnehmen.
    Es kann eine wunderbare Gabe sein, wenn man sich selbst realistisch einschätzen und reflektieren kann. Doch du solltest dich selbst nicht fertig machen (dies entsteht ja oft allein schon aus dem Vergleich - vielleicht vergleichst du dich zu viel mit anderen?).
    Du sprichst hier gerade ein Thema an, mit dem ich aktuell selbst zu tun habe: bin ich nicht selbst dafür Verantwortlich, dass ich so viel Leid in diesem Leben erfahren habe? Aber hier möchte ich Monika, unter anderem, zustimmen. Wir alle sind beeinflusst worden von Beziehungen und wir beeinflussen alle durch Beziehungen. Sich dieser Macht bewusst zu sein, das heißt für mich Verantwortung zu übernehmen. Das kannst nicht nur du tun, sondern andere ebenso. Es sollten sogar alle tun, finde ich.
    Und doch, gerade, weil wir alle nur empfindsame Wesen sind die in diesem Daseinsstrom existieren, weil wir alle den tiefen Wunsch haben, nicht zu leiden, ist Mitgefühl für alle wichtig. Daher auch für dich selbst. Ich freue mich, dass du hier offen über deine Anliegen schreibst.

  • Danke Stille für Deinen schönen Beitrag.


    Lieber Vincent,

    was bedeutet alt? Ich bin 72. Und ja, ich habe schon ganz früh begonnen, mich für den Sinn des Lebens, Religionen und letztlich Buddhas Lehre zu interessieren. Aber das hat nichts zu bedeuten, es hat mein Leben lediglich in den letzten 30 Jahren vereinfacht und meine Entscheidungen positiv beeinflusst. Das ist für mich ein Segen, war es doch zuvor überwiegend von meinen Trieben bestimmt und daher oft unheilsam und mit viel Leiden verbunden.


    In Indien und überhaupt in Asien ist es üblich, sich erst "auf den Weg zu machen", wenn man Kindheit/Jugend und Haushälter hinter sich gebracht hat. Das hat schon seine Bewandtnis.


    Solange wir involviert sind, ist es auch schwer gewisse Regeln einzuhalten. Wobei ich denke, dass das in unserem Land relativ leicht sein kann (nicht muss). Wir haben die Freiheit, uns so zu entfalten wie wir es für richtig halten und natürlich können.

    In einer 2-Zimmer-Wohnung mit 6 Familienmitgliedern wird es kompliziert. Ich will das nicht kleinreden.


    Aber die meisten von uns sind in der Lage, sich einen Raum zu schaffen, in dem sie ungestört meditieren und lesen können. Wir können Gruppen besuchen, die uns unterstützen. Wir können uns in den Garten oder Park setzen oder durch den Wald gehen ...


    Jeder Tag, an dem Du Dich nicht darauf konzentrierst, was Dir fehlt oder was Du möglicherweise alles falsch gemacht hast, sondern darauf, dass Du der Befreiung "entgegengehst" und den von Moment zu Moment sich lösenden Fesseln, schafft Dir Linderung und macht Deinen Geist klar.


    Dafür ist es nie zu spät.


    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Hinzufügen möchte ich noch - und das hat sich mir seit Jahren immer wieder bestätigt -, dass das Drehen um die eigenen Fehler und vergangene unheilsame Einschätzungen und die damit verbundenen Handlungen sehr viel Energie raubt. Diese fehlende Energie macht schwach und letztlich immer wieder selbstbezogen bis hin zum Selbstmitleid, das nicht zu verwechseln ist mit Mitgefühl mit sich selbst. Das führt zu Stillstand.


    Ein Zitat eines indischen Lehrers hat mir immer wieder in den letzten 30 Jahren geholfen, mich auf das wesentliche zu konzentrieren, denn es gibt auch bei mir Vieles, das ich bereue.

    Zitat

    Warum gebt Ihr Euch nicht einfach hin an die Unvermeidlichkeit Eures Seins.

    Diese Hingabe führt zu einer großen Entspannung. Jeder Widerstand gegen das, was war oder womöglich sein wird oder gerade ist, macht schwach. Hingabe aber macht stark und wendet den Blick ab vom ICH ICH ICH. So meine Erfahrung.


    Das ist auch der Grund für die Lehre Buddhas vom Nicht-Ich.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Wir existieren im Strom des Da-Seienden. Daseinsstrom hat sowas von sich nicht bewegen können, weder gegen, noch mit dem Strom sein, sondern nur drin der Strom des Daseins. Gutes Beispiel ist der Daseinsstrom, den der Buddhismus da zu sein glaubt. Mindestens 2 Jahrzehnte war ich im Daseinsstrom des Buddhismus. Es gibt darin kein "perfekt" sein, obwohl doch alles eigentlich genau aufgezeichnet ist, hatte ich keine Chance den Buddhismus wirklich zu begreifen, verstehen.

    Das geht erst seit ich zu einer Mitte geworden bin, die wie eine Luftblase im Strom ist. Da ist dann kein im Daseinsstrom sein mehr. Da ist ein Daseinsstrom und die Luftblase, die ohne diesen Daseinsstrom nicht ist. Aber sicher ist diese Luftblase (Die Hülle der Leere ist der Strom des Da seienden) nicht der Daseinsstrom. Dieses Erkennen macht es möglich perfekt zu sein, aber eben nicht ein Buddhist oder sonst eine Person.

    Die Umwelt umströmt mich aber ich bin nicht die Umwelt, obwohl ich ohne diesen Umweltstrom nicht bin.

  • Hinzufügen möchte ich noch - und das hat sich mir seit Jahren immer wieder bestätigt -, dass das Drehen um die eigenen Fehler und vergangene unheilsame Einschätzungen und die damit verbundenen Handlungen sehr viel Energie raubt. Diese fehlende Energie macht schwach und letztlich immer wieder selbstbezogen bis hin zum Selbstmitleid, das nicht zu verwechseln ist mit Mitgefühl mit sich selbst. Das führt zu Stillstand.

    Das bringt mich wieder mal zu de Mellos Sichtweise:


    "Ich bin ein furchtbarer Mensch." - Ein "Problem".

    "Es ist so schrecklich, dass ich ein furchtbarer Mensch bin!" - Jetzt hast Du schon zwei Probleme.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Genau Aravind! Und mit diesen 2 Problemen dreht sich dieser Mensch immer nur im Kreis um sich selbst. Er bleibt in der Unwissenheit stecken, nämlich der Verblendung, dass es um diese Probleme geht.


    Ins Freie treten wie aus einer stickigen Hütte - und durchatmen, alles hinter sich lassend einen neuen Raum betreten.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Lieber Vincent, mir fällt so viel ein dazu.


    Ich verstehe, dass Du darunter leidest. Das gehört sicher auch mit dazu, sozusagen ein Reinigungsvorgang. Er darf eben nicht in dieser Selbstanklage enden, sondern in dem Wunsch, das von nun an besser zu machen, eventuell sogar sich mit Menschen versöhnen, die darunter zu leiden hatten. Dazu gehört Demut. Und diese wiederum ist eine der Tugenden des Buddhismus.


    Ich habe eine Tochter, die mich die letzten Jahre immer mal wieder an meine - aus ihrer Sicht - Irrtümer und Fehler herangeführt hat. Das war sehr schmerzhaft, hielt ich mich doch für eine klasse Mutter, die ihr Leben bestens gemeistert hat. Auch hatte ich nie den Eindruck, meine Tochter hätte darunter gelitten, wie alles gelaufen ist, was ich für Entscheidungen traf usw.


    Das war ein Irrtum. Das hat mich zunächst niedergeschmettert. Ich habe mich aber nicht dagegen gewehrt, was sie mir vorhielt, sondern hingeschaut und darüber reflektiert.


    Ich bin inzwischen nicht mehr der Ansicht, dass alles so richtig wahrgenommen wurde von ihr. Aber ich habe anerkannt, dass eben sie es so erlebt hat. Sie sagte mal eindringlich zu mir: "Aber so, Mama, habe ICH es erlebt, so fühle ich es!!!" Da rutschte plötzlich der Groschen und ich begriff, dass es hier nicht um mich ging, sondern um ihre Gefühle.

    Seither bin ich sowohl mit ihr als auch mit mir wieder in Frieden. Wir fühlen uns nahe.


    Und es hatte Auswirkungen auf all meine Beziehungen, denn jetzt schaue ich nicht auf mich: "ha, so ist oder so war es doch gar nicht ...", sondern ich lausche, was der/die andere empfindet. Ich sehe immer wieder, dass wir in verschiedenen Welten leben.


    Diese Einsicht ist eigentlich klar - und vielleicht meint auch so manche/r, sie zu haben - aber sie ist bahnbrechend, wenn wir sie wirklich anwenden.


    Und so geht es eben auch nicht um Dich, obwohl es natürlich auch um Dich geht, lieber Vincent.:rose:

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)