• Hallo miteinander und ein gesundes neues Jahr !

    In einem nicht-buddhistischen Buch werden diese Zitate dem Buddha zugeschrieben:

    "Der Ursprung all unserer Probleme ist unser Unvermögen, loslassen zu können"
    sowie:

    "Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück"

    Kann mir Jemand sagen ob das stimmt und an welcher Stelle ich dies nachlesen kann ?

    Vielen Dank !
    LG Rolf

  • Gemeint ist hier sicher die „Anhaftung“, Festhalten wollen, was man nicht festhalten kann, weil alles einer immer währenden Veränderung unterworfen ist (anicca). Auch wenn das keine echten Zitate sind.


    Das Thema wird in vielen Variationen erörtert. Nur ein paar Beispiele:

    Erster Teil

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Der erste Schritt wäre, zu schauen für welchen buddhistischen Begriff "Loslassen" die Übsetzung wäre. Ajahn Brahmali nennt da ganz schön viele:


    1. cāgo
    2. paṭinissaggo
    3. mutti
    4. anālayo,
    5. vossagga
    6. nekkhamma

    Was man da rausziehen kann ist, dass es nicht den einen, zentralen Begriff für "Loslassen" gibt.


    Zitat

    "Der Ursprung all unserer Probleme ist unser Unvermögen, loslassen zu können"



    "Der Ursprung all unserer Problem" erscheint mir als eine populäre Umschreibung des Themas der dritten edlen Wahrheit "Der Ursache von Dukkha" :


    Zitat

    „Und dieses ist die edle Wahrheit vom Ursprung von Leiden: das Verlangen, welches zu weiterem Werden treibt, begleitet von Begierde und Erfreuen, genösse nun hier und nun dort, d. h. Verlangen nach Sinnesvergnügen, Verlangen nach Werden, Verlangen nach Nicht-Werden.“



    Da es da um tanha - den Daseinsdurst geht, müsste dann das "Loslassen" das sein, was eben das Gegenteil von tanha ist?

  • Ich würde sagen, dass diese Zitate aus dem Kanon des Populär-Buddhismus stammen. Damit könnten sie bereits die gesamte Doktrin des Populär-Buddhismus widergeben, denn viel mehr als "loslassen" kennt der Populär-Buddhismus nicht.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Ich denke dabei an ddie Dritte , der vier Edlen Wahrheit:

    Niroda- Beendigung von dukha


    Um dukkha vollständig zu beseitigen, muss man die Hauptwurzel, diesen sogenannten Durst beseitigen.
    'Das Erlöschen des Begehrens, das Erlöschen des Hasses, das Erlöschen der Illusion.' Das Aufgeben und die Auflösung von Begehren und Verlangen. Diese Beendigung von Kontinuität und Werden bezeichnet Buddha als Nibbana (Nirvana).
    Der Buddha sagte:
    'O Bhikkhus, es gibt Ungeborenes, Ungewordenes und Unbedingtes. Gäbe es das nicht, gäbe es auch kein Entkommen. Aber da es das gibt, gibt es auch ein Entkommen.'
    Weil Nirvana so ausgedrückt wird, haben viele eine negative Vorstellung davon und denken, dass diese Beschreibungen, eine Selbstvernichtung ausdrücken. Nirvana ist aber keine Selbstvernichtung, da es nach Buddhas Ansicht kein Selbst gibt, das wegradiert werden muss. Wenn überhaupt Auslöschen, dann ist es die Auslöschung der Illusion, die auf einer falschen Vorstellung von sich selbst beruht.
    Vorstellungen von "negativ" und "positiv" sind relativ und liegen im Bereich der Dualität. Aber das kann nicht auf Nirvana bezogen werden, da Nirvana, jenseits von Dualität und Relativität liegt.
    Als Buddha eines Nachts mit seinem Freund zusammensaß sprach er folgendes:
    *Ein Mensch besteht aus sechs Elementen: Festigkeit, Flüssigkeit, Wärme, Bewegung, Raum und Bewusstsein. Wenn er herausfindet, dass kein "mein", "ich" oder "mein Selbst" besteht, wird er begreifen, dass das Bewusstsein erscheint und verschwindet, genauso wie angenehme, unangenehme und neutrale Empfindungen erscheinen und verschwinden. Durch dieses Wissen, wird sein Geist losgelöst und er wird in sich, reinen Gleichmut (upekha) erwecken. Deshalb klammert er sich an nichts mehr und wenn eine angenehme, unangenehme oder neutrale Empfindung erfährt, weiß er, dass sie unbeständig ist. Er spürt, dass all diese Empfindungen so wie eine Flamme sind, die erlischt, wenn Öl und Docht erlöschen sind. Eine so ausgestattete Person ist mit der absoluten Weisheit ausgestattet. *
    Was meinte nun aber der Buddha in diesem Kontext mit*Absolute Wahrheit*?
    Nach dem Buddhismus ist die Absolute Wahrheit, dass es nichts Absolutes in der Welt gibt, dass alles relativ, bedingt und unbeständig ist und dass es keine unveränderliche, ewige, absolute Substanz wie das Selbst, die Seele oder den Atman gibt, weder innen noch außen.
    Trotzdem haben einige populäre Ausdrücke wie "Der Buddha ging nach seinem Tod ins Nirvana oder Parinirvana ein" zu vielen Spekulationen über das Nirvana geführt. Denn im selben Moment, in dem man die Formulierung hört, dass "der Buddha ins Nirvana oder Parinirvana eintrat", wird man man unter Nirvana einen Zustand, ein Reich oder eine Position verstehen, in der es eine Art von Existenz gibt, und versucht, es sich im Sinne des Wortes "Existenz" vorzustellen. Aber selbst als der Buddha darüber sprach, wies er darauf hin, dass keine Worte im Wortschatz gibt um es zu beschreiben. Das Einzige, was wir tun können, ist, dranbleiben und die Dinge so zu sehen, wie sie sind.
    Dukkha entsteht aufgrund von "Durst" und es hört aufgrund von Weisheit auf. Durst und Weisheit bedingen sich- Wenn das Geheimnis entdeckt wird, wenn die Wahrheit gesehen wird, werden alle Kräfte, die, die fieberhaft die Kontinuität von Samsara und Illusion vorantreiben, ruhig und die Gier nach Werden und Entstehen, ist beendet
    Sariputta sagte:
    Nirvana liegt jenseits von Logik und Argumentation. Wie sehr wir uns auch beschäftigen mögen, oft ist es nicht mehr als eitler intellektueller Zeitvertreib, in hochspekulative Diskussionen über das Nirvana oder die letztendliche Wahrheit. Ein Kind im Kindergarten sollte sich nicht über die Relativitätstheorie streiten. Stattdessen, wenn es geduldig und fleißig dranbleibt, wird es möglicherweise eines Tages begreifen können. Wenn wir geduldig und eifrig den Weg gehen, ernsthaft dranbleiben, dann können wir es möglicherweise eines Tages manifestieren, ohne dass wir uns selbst mit verwirrenden und hochtönenden Worten belasten.
    Denn das Nirvana, wird von den Weisen, in sich selbst verwirklicht".

    (aus

    (übersetzt, gekürzt und angelehnt an *Was der Buddha lehrt*, W. Rahula)




  • Wow, vielen Dank für die ausführlichen Antworten !

    Populärbuddhismus, wie Stefo schreibt, „ zitiert“ oftmals angebliche Aussagen des Buddha bei denen ich mich wundere, das ich sie nicht kenne, manchmal ganze YouTube- Beiträge voll.

    Wahrscheinlich fallen meine Zitate ebenso in diese Kategorie….


    Vielen Dank!

    LG Rolf

  • Auf fakebuddhaquotes.com gibt es ganze Seiten falscher und verfälschter Buddha Zitate.


    Wo man auch hinschaut: Twitter, Facebook, Blogs, Zitatenseiten - sogar in Büchern von bekannten Buddhisten. Gefälschte Buddha-Zitate gibt es zuhauf.

    Für diejenigen, die mit den buddhistischen Schriften vertraut sind, klingen diese Zitate, die dem Buddha zugeschrieben werden, falsch, aber es scheint, dass sich viele Menschen bevorzugt von der gefälschten Variante angezogen fühlen.


    Manchmal ist es schwer zu sagen, warum sie falsch klingen. In der Regel liegt es an der Sprache, die zu blumig und poetisch sein kann. Manchmal ist es auch das Thema, das zu modern klingt. Obwohl die buddhistischen Schriften sehr umfangreich sind (viel umfangreicher als die Bibel), sind sie oft nicht sehr zitierfähig, oder zumindest haben sie nicht die unmittelbare Anziehungskraft, die einige der gefälschten Varianten haben.

  • Ich finde, Rolf, die kann man doch schon an der Ausdrucksweise erkennen, oder?

    Schau lieber in den Palikanon, Du bist doch auch schon solange "hier" :)

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Lest die "Rede zum ersten Löwenruf"

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Ich finde, Rolf, die kann man doch schon an der Ausdrucksweise erkennen, oder?

    Deswegen hatte ich den Verdacht, das sie „ gefaked“ oder verfälscht sind… :-). LG

    Gefaked würde ich sie nicht nennen, aber so manch eine/r glaubt, alles zu wissen und mit seiner eigenen Interpretation andere unterweisen zu müssen/wollen.

    Ich benutze auch mein Verständnis von der Lehre und interpretiere, aber ich würde das nicht als Buddhas Worte veröffentlichen.

    Das ist für mich Selbstüberschätzung/Anmaßung.

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)


  • Deswegen hatte ich den Verdacht, das sie „ gefaked“ oder verfälscht sind… :-). LG

    Über die Jahrtausende hat sich (im Buddhismus) viel Unrat angesammelt seit Buddha die Lehre verkündete hat. Das war früher so und ist auch heute noch so. Aus diesem Grund habe ich mich immer mehr vom "Buddhismus" entfernt.

    Erst als ich realisierte, dass ich die Lehre Buddhas in mir selber suchen und finden muss trat Veränderung auf. Es ist alles schon da aber eben verdeckt.

    Der Palikanon ist bloss eine grobe, lückenhafte Landkarte. Und der achtfache Pfad schwierig zu meistern.

  • "Wahrscheinlich fallen meine Zitate ebenso in diese Kategorie…."


    Ja und nein. Es handelt sich sicher um Formulierungen, die man oft im Abreißkalender-Buddhismus findet. Aber sie lassen sich IMHO zu 100 % aus den Vier Edlen Wahrheiten ableiten (zweite und dritte Wahrheit). Wenn man aber weder weiß, was Anhaftungen sind, noch, was loslassen im buddhistischen Sinn bedeutet, sind die Aussagen alleine zu nichts wirklich zu gebrauchen.


    Liebe Grüße,

    Aravind.