Der mittlere Weg

  • Die Metapher vom mittleren Weg wirkt eben bis heute gegen exzessive frömmigkeits-Performance an (nicht immer Erfolgreich), und dass hat schon damals funktioniert wie auch heute.

    Ja, in vielen Religionen gibt es ja so eine lineare Skala zwischen dem niederen Weltlichen und dem höheren, reinen Sakralen. Da zeugt es doch von der tiefen Einsicht Shakyamunis dass er diese lineare Skala zurückweist und Gier auch dann zurückweist wenn sie sich auf das Höhere und Heilige richtet. Auch Religion und Askese können Gier. Von daher könnte ja gerade ein säkularer Buddhist die Idee des "mittleren Wegs" als Wegbereiter religionskritischen Denkens sehen.

    Daran anschließend stellt sich mir die Frage in wieweit der „mittlere Weg“ schon den Monismus im Buddhismus begründet (also im Gegensatz zum dualismus).


    Wobei ich es nun einen monismus-dualismus-dualismus aufmache… auch darüber muss ich wohl nochmal nachdenken

  • Ich möchte auch etwas unter dieser Überschrift schreiben. Allerdings heisst das Aufnehmen von Fragen mitunter auch das Annehmen von Standpunkten bzw Sichtweisen die mit einer entsprechenden Antwort bestärkt werden.


    Ich erlebe ja das was ich als mittleren Weg bezeichnen würde, vor allem als eine Hinwendung und Erfahrung zum mittleren Urteil, bzw eine Hinwendung zum bedachten, zum Wohle unterscheidenden Denken.


    Insofern, und auch weil ich das was ich den mittleren Weg nennen möchte empfinde, möchte ich in literarischeren aber mir passend erscheinenden Worten ein kleines Abbild dieses Weges geben. Erstens. Dieser Weg hat eine Farbe und die ist durchwegs gelb. Desweiteren ist es ein sehr friedlicher Weg. Das liegt zum einen daran, dass man die Kultur und ihre triebgebundenen Beobachtungs- und Denkanstrengungen weiter hinter sich gelassen hat. Insofern ist es auch friedlich still auf diesem Weg.


    Lebensbejahung

    Lebensverneinung


    das sind grosse, laute Worte. Was ist das Leben, was ist Leben nicht, wie äussert sich eine Bejahung, wie eine Verneinung - das sind grosse Fragen aufbauend auf grossen Gedanken. Auf dem mittleren Weg, wie ich ihn nennen würde wandelt es sich abgesondert und befreit davon mit einem Lächeln im Herzen :moon: .


    Stattdessen kann man dann und wann ein paar Vögel zwitschern hören. Dazu ist die Luft sehr gut. Das liegt an den Wäldern durch die dieser Weg auch führt.



    Alles Gute und einen friedlichen Abend Kaiman und andere die das lesen

  • Weiß ich nicht , mukti, ich bin kein Mönch, um es zu bewerten. Mir erscheint aber es eher so, dass der normale Mensch, der in der Familie lebt, sollte die Kinder erziehen, zuerst aber die zu erzeugen. Dann er sollte sich um die Zukunft kümmern, um für die eigene Kinder die gute Ausbildung zu leisten. Er sollte schuften, abrackern, es geht in der modernen Gesellschaft nicht anders. Mein Sohn weiß das am den eigenen Leib, was das Überleben hier bedeutet. Aber der Prinz hatte die eigene Familie verlassen, den eigenen Palast und den Reich , ( nach der Legende, ich war nicht dabei-OT). Also, er hatte sich sehr verantwortungslos verhalten, wenn ich die heutige Maßstäbe benutze. Ist das die goldene Mitte?

    Dieser Prinz hatte die goldene Mitte ja noch nicht gefunden, als er den Palast verließ. Trotzdem finde ich das nicht verantwortungslos, weil für die Familie auch ohne ihn wohl bestens gesorgt war. Nachdem er den Weg gefunden hat, hat er ihn nicht für sich behalten sondern unzähligen Menschen damit geholfen, bis heute. Das würde ich auch nicht verantwortungslos nennen. Seine Frau und seine Verwandten haben schließlich verstanden warum er sie verlassen hat und es gutgeheißen, einige sind seine Schüler geworden. Hätte mich mein Vater verlassen und die höchste Wahrheit gefunden, wäre ich ihm bestimmt äußerst dankbar gewesen.


    Im MN 26 steht: „'Ich habe alles transzendiert ..“. Man braucht den ganzen Trubel, diese leere ( innerlich) Show niemals mehr. Das ist so wie der innere Frieden, diese immense Stille , die kaum vorstellbar ist. Und nur durch sehr tiefes samadhi und den klaren Blick, also panna möglich wäre. Dazu man sollte tief verwurzelt in Sila sein, ansonsten es geht nicht. Also , lange Rede, kurzer Sinn, dass ist für den gewöhnlichen Menschen ist enorm schwer, so nur meine bescheidene Meinung. LG.

    Ich denke dass jeder der die Lehre praktiziert eine Erleichterung von Dukkha erfährt. Und möglicherweise überschätzt man sich wenn man es in einem Leben vollkommen schaffen will.

  • Hätte mich mein Vater verlassen und die höchste Wahrheit gefunden, wäre ich ihm bestimmt äußerst dankbar gewesen.

    Ja, Rahula war doch dem eigenen Vater ( am Ende) sehr dankbar.



    Ich denke dass jeder der die Lehre praktiziert eine Erleichterung von Dukkha erfährt. Und möglicherweise überschätzt man sich wenn man es in einem Leben vollkommen schaffen will.

    Ich denke, wenn man sich schon mit der eigenen Körper, Krankheit, Sterben und auch dem Tod nicht mehr identifiziert, das wäre schon der Anfang. Wie Alter, so krank zu sein und am Ende zu vergehen, das ist sehr schwer innerlich zu realisieren ( nachvollziehen) , aber das ist die einzige Wahrheit, was echt Tod-sicher ist. Das Tod-Lose , eigentlich, bedeutet , dass ich nicht damit zu tun habe. Ich kann nur den Prozess des Alterns verlangsamen, aber ich werde wie alles auf dieser Erde, sterben, will ich das oder nicht. Wer weiß, der mittlere Weg kann man auch so betrachten, dass ich mich an absolut nicht klammere, denn es gehört mir nicht. Das Leben ist dann nur das Darlehen, die Gnade, das Geschenk, mehr nicht.



    »Was immer es an Körperlichkeit gibt, an Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, edel oder gemein, fern oder nahe, da sollte man der Wirklichkeit gemäß in rechter Einsicht also erkennen: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst' « (S.22.49).

    Ich bedanke mich bei dir herzlich für die Diskussion, mukti. LG. _()_ :taube:

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • ich schenk dieses Leben dem Leben zurück...
    weil es nie meins war...
    und jede Trennung nur scheinbar...
    alles in Vielfalt immer eins war...
    brich meinen Stolz…bis ich in Demut mir die Wahrheit schenke...
    nimm hinfort all die falschen Ideen, den falschen Glauben...
    denn wenn nichts mehr bleibt ist alles übrig...
    es gibt nichts zu verstehen...

    Aus dem Song ,,Schmerz" vom Deepwalka

  • Quote from Pano:

    "Daran anschließend stellt sich mir die Frage in wieweit der „mittlere Weg“ schon den Monismus im Buddhismus begründet (also im Gegensatz zum dualismus)."


    Die Antwort ist wohl Nein. Sie ist das Lebenswerk des indischen Philosophen Candrakirti und im Madhyamakavatara (The Entry into the Middle Way) ausgeführt. Die kurze Argumentation lautet: Mit einer Dichotomie wie Monismus-Dualismus machst du selber zwei Extreme auf, von denen weder das eine noch das andere korrekt sein kann, weil beide in Widersprüche führen. (Anmerkung von mir: diese Widersprüche Schritt für Schritt im Werk nachzuvollziehen, ist sehr mühselig, zumal sie aus heutiger Sicht nicht wasserdicht sind, aber bei gutem Willen wohl wasserdicht gemacht werden könnten.) Man kann sich damit Jahre beschäftigen. C.W. Huntington hat das bravourös gemacht in "The Emptiness of Emptiness: An Introduction to Early Indian Madhyamika".

    Er sieht Candrakirtis Anwendung des Mittleren Weges auf einer Stufe mit dem Dekonstruktivismus von Derrida, was etwas heißen will.