Der mittlere Weg

  • Hi,


    ich möchte ein paar Gedanken loswerden, die mich zu zahlreichen Grübeleien verleitet haben.

    Der Mittlere Weg besagt den weg jenseits der Extreme.

    Was sind nun aber diese Extreme. Aus meiner Sicht gibt es da nur zwei Extreme.


    Einmal das Leben bejahen oder eben verneinen.

    Ich muss mal wieder Schopenhauer zu rate ziehen. Dieser besagt in seinem Hauptwerk , das es zwei Wege gibt . Einmal die Bejahung des Willens zum Leben und einmal die Verneinung. Die Menschliche Fackel dazwischen ist die Moral.


    Nun meint er weiterhin, das man sich im Leben an irgendeinem Punkt entscheiden muss. Nämlich sich entweder zur gänzlichen Resignation bekennen und der Verneinung des Willens Tür und Tor öffnen sollte oder eben das Leben bejahen.

    Was zurückbliebt wenn man sich nicht entscheidet ist nach Schopenhauer wässrige Sentimentalität, man verspielt sich sozusagen beides das Leben und das Nirvana


    Nach dieser Auffassung gibt es also gar keine richtige Mitte und einen Mittleren Weg.

    Wie könnte man Schopenhauers annahmen auf den Buddhismus und den Mittleren Weg beziehen ?



    Nietzsche verweist vielleicht zurecht auf den schwächlichen Lebensverneinenden Geist. Woher soll auch dann noch die Willenskraft kommen ? Was schonmal ein Minuspunkt für die Lebensverneinung ist.

    Schopenhauer hat ja weder das eine oder das andere anempfohlen . Jedoch ist gänzliche Erlösung nur durch die Verneinung möglich.


    Aber wer kann schon entscheiden was für einen der richtige Weg ist. Vielleicht ist für einen glücklichen Familienvater die Bejahung des Lebens vollkommen richtig und kann trotzdem seinen Geist nach Buddhistischer weise bis zur Erleuchtung schulen.

    oder umgekehrt jemand der viele Schicksalsschläge einstecken musste es leichter mit der Verneinung hat.


    Wie versteht ihr den Weg im Buddhismus als Mittleren Weg ?


    Viele Grüße


    Kaiman

  • Der Mittlere besagt den weg jenseits der Extreme.

    Was sind nun aber diese Extreme. Aus meiner Sicht gibt es da nur zwei Extreme.

    Einmal das Leben bejahen oder eben verneinen.

    ....

    Wie versteht ihr den Weg im Buddhismus als Mittleren Weg ?


    Weder begehren noch hassen, sondern das Leben so zu sehen wie es ist, nach den vier edlen Wahrheiten.

    Der mittlere Weg (der achtfache Pfad) ist zwischen Sinnesvergnügen und Askese. Das Begehren nach Sinnesvergnügen lässt allmählich aufgrund von Einsicht und Achtsamkeit nach, ohne dass man sich dabei geißeln muss,


    Zitat

    Man sollte nicht nach dem Glück der Sinnesvergnügen trachten, welches niedrig, gewöhnlich, grob, unedel und unheilsbringend ist; und man sollte nicht nach Selbstkasteiung trachten, welche schmerzhaft, unedel und unheilsbringend ist.

    ...

    'Der Mittlere Weg, der vom Tathāgata entdeckt wurde, vermeidet beide Extreme; er gibt Schauung, gibt Wissen, er führt zum Frieden, zur höheren Geisteskraft, zur Erleuchtung, zu Nibbāna.

    M.139

  • Schopenhauer und Nietzsche muss man ihrer Zeit sehen, also auf welche Philosophien sie reagiert haben. Das waren damals so 'wenn Gott tot ist, hat nichts mehr einen Sinn'- Diskurse. Bei Schopenhauer und Nietzsche begann damals eine Tendenz des Schwarz-Weiß-Denkens. Sie haben sich Ende des 19.Jh. bewußt von der Mitte abgewandt, da die vorher von Hegel, Schelling und den anderen Idealisten bis zum Überdruss mit scheinbar 'wässrigem Gelaber' ausgefüllt wurde. Doch: Extremdenken führt nicht zum Ziel, hat der Buddha sinngemäß gesagt und er sollte auch im 20. Jh. Recht behalten. Schopenhauer und Nietzsche waren ganz große Denker, aber das bedeutet nicht, dass ihre Philosophien der Weisheit letzter Schluss waren. Husserl, Heidegger, Derrida und das ganze 20. Jh. sind der Beweis dafür, dass man weiter denken muss, um sein Leben in seiner Zeit sinnvoll zu orientieren.

  • Bei Nietzsche hat "Gott ist tot." nicht ausgelöst, alles ist sinnlos. Im Gegenteil: Wenn Gott tot ist, bin ich nicht mehr an ihn gebunden.

    Nicht, hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, sondern hilf dir selbst, dann wird dir von Menschen geholfen.

    Bei Buddha Gleiches: Wenn alles ein Anfang und ein Ende hat, ist das befreit sein zum selbstverantwortlichen handeln, wenn auch Götter sterblich sind, habe ich keine Probleme mehr mit metaphysisches.


    Der mittlere Weg ist ganz einfach, sich nicht festhalten, verbinden, anbinden an Meinungen.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.


  • Den Mittleren Weg sehe ich auch "jenseits der Extreme". Ich würde aber die Extreme anders definieren. Jenseits der Extreme verbinde ich mit "Leben bejahen"/Loslassen/Nirvana/Glück. Diesseits der Extreme verbinde ich mit "Leben verneinen"/Haften/Hass und Gier/Samsara/Leid.


    Insofern ist der Mittlere Weg mehr als nur Verzicht und am Ende ein Gewinn für mich und andere (auch für die eigenen Kinder).

    DON'T HATE, MEDITATE.

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  • Der Begriff "lebensbejahend" erscheint mir nicht sehr hilfreich.


    Als Synonyme werden mir "lebensfroh" , "frohgemut", "sonniges Gemüt" angeboten. Ein Buddha - jemand der ohne Gier und Hass und ohne Leid ist, kann natürlich jede Situation akzeptieren und zu ihr "ja" sagen.


    Andererseits wird unter Lebensbejahung von bestimmten auch die Bejahung der Triebe verstanden - von Gier und Hass - Zuneigung und Abneigung. Diese sind aber nach Buddha der Grund warum wir nicht zufrieden sein und "Ja" sagen können. So lange etwas fehlt oder etwas zu viel ist sagen wir "nein" zum Leben es ist ungenügend - es ist Dukkha


    Der Begriff der Lebensbejahung scheint mir also seltsam und inkonsistent und deswegen nicht brauchbar.


    Buddha geht es um die Freiheit von Gier und Hass. Und dabei hat er festgestellt, dass die Leute nicht nur an Sinnesvergnügen haften können, sondern Asketen auch einen Asketenstolz entwickeln können, wo sie ihr Ego darauf aufbauen, auf was sie alles verzichten können. Es gab damals ja recht schräge Asketen:


    2. Da gingen Puṇṇa, ein Sohn der Koḷiyer, ein Asket, der sich der Ochsenübung verpflichtet hatte, und auch Seniya, ein nackter Asket, der sich der Hundeübung verpflichtet hatte, zum Erhabenen [1]. Puṇṇa, der Asket mit der Ochsenübung, huldigte dem Erhabenen und setzte sich seitlich nieder, während Seniya, der nackte Asket mit der Hundeübung, Grußformeln mit dem Erhabenen austauschte, und nach diesen höflichen und freundlichen Worten setzte auch er sich seitlich nieder, zusammengerollt wie ein Hund. Puṇṇa, der Asket mit der Ochsenübung sagte zum Erhabenen: "Ehrwürdiger Herr, dieser Seniya ist ein nackter Asket, der sich der Hundeübung verpflichtet hat, der das tut, was schwierig zu tun ist: er nimmt seine Nahrung zu sich, wenn sie auf den Boden geworfen wurde. Jene Hundeübung hat er seit langer Zeit auf sich genommen und ausgeübt. Was ist seine Bestimmung? Was wird sein künftiger Weg sein?"

    "Genug, Puṇṇa, laß es sein. Frag mich das nicht."

    Ein zweites Mal sagte Puṇṇa, der Asket mit der Ochsenübung zum Erhabenen: "Ehrwürdiger Herr, dieser Seniya ist ein nackter Asket, der sich der Hundeübung verpflichtet hat, der das tut, was schwierig zu tun ist: er nimmt seine Nahrung zu sich, wenn sie auf den Boden geworfen wurde. Jene Hundeübung hat er seit langer Zeit auf sich genommen und ausgeübt. Was ist seine Bestimmung? Was wird sein künftiger Weg sein?"


    "Mittlerer Weg" bedeutete für Buddha also nicht, keinesfalls irgendeinen Kompromiss oder eine Halbherzigkeit im Bezug auf Nibbana. Sondern nur dass man neben der Anhaftung an Sinnliches auch die Anhaftung an übersteigerte Askese aufgibt.

  • Extreme sind alle Subjekte und Objekte an denen mit dem Geist als beständig, befriedigend und Ich-Kern enthaltend wider besseres Wissen der Realität festhalte.

    Der mittlere Weg existiert nur für durch geistiges Festhalten leidende.

    Alle anderen Wesen sind befreit von jedem Weg und jeder Lehre.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

  • Beim mittleren Weg geht es immer um die Vermeidung von zwei Extremen. Extreme sind eben dadurch gekennzeichnet, dass sie die Realität verzehrt darstellen. Man kann vom mittleren Weg in Bezug auf das Verhalten und in Bezug auf Ansichten sprechen.


    In Bezug auf das Verhalten ist das eine Extrem die Suche nach Glück in Sinnesvergnügen; das andere Extrem ist die Suche nach übertriebener Askese und Selbstqual. (s. SN 56.11; mukti hat ja bereits eine gleichlautende Textstelle aus MN 139 zitiert). Diese beiden sind Extreme, weil sie nicht zur Befreiung aus Samsara führen.


    In Bezug auf die Ansicht ist das eine Extrem die Ansicht, dass die Phänomene inhärent existieren; das andere Extrem ist die Ansicht, dass die Phänomene nicht existieren könnten, wenn sie keine inhärente Existenz hätten. Das erste Extrem wird auch als Extrem der Beständigkeit und das zweite Extrem auch als Extrem des Nihilismus bezeichnet.


    Die aufzugebenden Extreme sind natürlich auch mit Anhaftung verbunden, weil man aufgrund von Unwissenheit an diesen Extremen festhält, da man sie für wahr hält.


    Der mittlere Weg löst eben diese Extreme auf und dadurch verwirklichen wir die wahren Beendigungen (dritte edle Wahrheit) und erlangen das Nirvana, die Befreiung aus Samsara, als Arhat oder als Buddha.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Man kann vom mittleren Weg in Bezug auf das Verhalten und in Bezug auf Ansichten sprechen.

    Die Lehrrede in S.12.35 handelt z.B. vom mittleren Weg in Bezug auf Ansichten: Entweder Leben und Körper sind dasselbe (Vernichtungsansicht), oder Leben ist vom Körper verschieden (Ewigkeitsansicht). Die wahre Lehre in der Mitte ist die bedingte Entstehung.


    Zitat

    Wenn, o Bhikkhu, die Anschauung besteht, Leben und Körper seien dasselbe, so gibt es keinen heiligen Wandel; oder wenn, o Bhikkhu, die Anschauung besteht, ein anderes sei das Leben, und ein anderes sei der Körper, so gibt es keinen heiligen Wandel. Diese beiden Enden vermeidend, o Bhikkhu, verkündet in der Mitte der Tathāgata die wahre Lehre.

  • Ich will Euch ja nicht verwirren oder enttäuschen aber der historische Ursprung des „Mittleren Weg“ ist ein politisches Statement.


    Die frühe Sangha wollte sich zunächst von den anderen Asketen abgrenzen, die krassere asketische Übungen favorisierten als die Buddha-Sangha. Sie fasteten zum Beispiel bis zum Tode. Und gleichzeitig wollten sie sich von der „Welt“ abgrenzen. Sie suchten einen Platz in dem ganzen Gewirre und erklärten sich zur Mitte.


    Erst viel später wurde das ein spirituelles Ding, der „Mittlere Weg“. In den man alles mögliche hinein interpretieren kann.


    Das bedeutet auch, das, was damals die Mitte war, heute radikaler Rand ist. Oder würdet ihr heute bud. Asketentum als einen „Mittleren Weg“ bezeichnen? Wohl kaum.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Oder würdet ihr heute bud. Asketentum als einen „Mittleren Weg“ bezeichnen? Wohl kaum.

    Was meinst du denn, wenn du von buddhistischem Asketentum sprichst?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Nach der Überlieferung hatte Buddha hatte gerade dadurch Befreiung erlangt, dass er von seiner asketischen Extremismus abgewandelt hatte. Und dann fragte er sich, wem er die neue Lehre verkünden könnte. Und da seine beiden Lehrer gestorben waren, wandte er sich eben an seine 5 Mitasketen. Und für diese war er ein Abtrüniger, ein Weichei, das statt sich asketisch zu Knechte ein Lottrleben führte:


    Auf diese Worte hin sprachen die fünf Mönche zu dem Erhabenen: "Du hast, lieber Gotama, mit deinem Wandel, deiner Lebensweise, deiner Betätigung schmerzlicher Abtötung nicht den höchsten von Menschen erreichbaren Zustand, die völlige Erkenntnis edlen Wissens erreicht. Wie kannst du jetzt, wo du im Überfluß lebst, von deinem Ringen nach Vollkommenheit dich abgewendet hast und von Überfluß umgeben bist, zu diesem höchsten von Menschen erreichbaren Zustande, zu der völligen Erkenntnis edlen Wissens gelangt sein?"

    Und von daher war es für ihn zentral zu betonen, dass er sich zwar von der Welt angewand hatte aber eben auch von der Extrem Askese:


    Darauf sprach der Erhabene zu den fünf Mönchen: "Der Vollendete, ihr Mönche, lebt nicht im Überfluß, nicht hat er sich von seinem Ringen nach Vollkommenheit abgewendet, nicht ist er umgeben von Überfluß. Der Vollendete, ihr Mönche, ist heilig und völlig erleuchtet.

    ...

    "Folgende zwei Extreme, ihr Mönche, sind von dem, der die Welt verlassen, zu meiden. Welche zwei? Das erste besteht in der Betätigung von Lust, Freude und Neigungen zu den Vergnügungen; es ist niedrig, gemein, passt nur für einen Unbekehrten, ist unedel und führt zum Verderben. Das zweite besteht in der Betätigung übermäßiger Selbstanstrengung; es ist leidensvoll, unedel und führt auch zum Verderben. Diese zwei Extreme sind zu vermeiden. Der mittlere Wandel aber, wie er von dem Vollendeten erkannt wurde, bringt Einsicht und Verständnis und führt zur Ruhe, zur Erkenntnis, zur Erleuchtung, zum Nirvana.

    Hier ist die Reihenfolge also die , dass Shakyamuni sich zuerst vom Asketentum abwand, dann Befreiung erlangte, und erst dann eine Sangha gründete


    Eine Reihenfolge in der Buddha als Asket Befreiung erlangt hätte, als Asket die Sangha gründete und dann aus *politischen Gründen" verkündet, dass Askese zur Befreiung unnötig und hinderlich ist, wäre nicht glaubwürdig gewesen.

  • Nach der Überlieferung hatte Buddha hatte gerade dadurch Befreiung erlangt, dass er von seiner asketischen Extremismus abgewandelt hatte. Und dann fragte er sich, wem er die neue Lehre verkünden könnte.

    Der historische Buddha war selber doch der Asket (Mönch) , wenn ich dem Duden den Glauben schenken sollte.

    Und „

    Bei der Predigt von Benares, seiner ersten Lehrrede nach der Erleuchtung, erläuterte Buddha den Mittleren Weg seinen ehemaligen Asketen-Gefährten:

    Zitat
    „Zwei Extreme sind, ihr Mönche, von Hauslosen nicht zu pflegen. Welche zwei? Bei den Sinnendingen sich dem Anhaften am Sinnenwohl hingeben, dem niederen, gemeinen, gewöhnlichen, unedlen, heillosen; und sich der Selbstqual hingeben, der schmerzlichen, unedlen, heillosen. Diese beiden Extreme vermeidend, ist der Vollendete zum mittleren Vorgehen erwacht, das sehend und wissend macht, das zur Beruhigung, zum Überblick, zur Erwachung, zum Nirvāna führt.“[1][2]

    Also „Begehren“, „ Tanhā, die „Gier“, gilt im Buddhismus als Ursache allen Leidens (Dukkha) die den Menschen an den Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) fesselt. Mit Tanha sind alle Formen des Verlangens gemeint, ob sie sich auf Nahrung, Leben, Sex, oder irgendein anderes Objekt richten. „. Drin steht keine Politik, denke ich, nur meine Meinung.

    Aber die Essenz der Lehre.So dachte auch Arthur Schopenhauer. So zum TE.

    P.S. Von kurzem ich hatte ein Buch gelesen, der internationale Bestseller, wie sich der junge sehr erfolgreiche Mensch für den Wald-Mönchtum entschieden hatte, das ist heute auch mehr als je auch aktuell und hat mit der Sehnsucht der Menschen nach der Freiheit zu tun, aber kein „ Politischer

    Testament“. Die Natur des Menschen, wie er tickt, ist dieselbe geblieben, wie in die Zeit , als der Buddha lebte.

    In MN 13 man kann sehr gut nachlesen, worin bestehen die Folgen:


    Zitat

    11. "Wiederum, mit Sinnesvergnügen als Ursache, Sinnesvergnügen als Quelle, Sinnesvergnügen als Grundlage, weil die Ursache davon schlicht Sinnesvergnügen sind, streiten Könige mit Königen, Adelige mit Adeligen, Brahmanen mit Brahmanen, Haushälter mit Haushältern; die Mutter streitet mit dem Kind, das Kind mit der Mutter, der Vater mit dem Kind, das Kind mit dem Vater; der Bruder mit der Schwester, die Schwester mit dem Bruder, der Freund mit dem Freund. Und in ihrem Streit, ihrem Zank, ihrer Auseinandersetzung, greifen sie sich mit Fäusten, Erdklumpen, Stöcken oder Messern an, wodurch sie sich den Tod oder tödliches Leid zuziehen. Nun ist auch dies eine Gefahr im Fall der Sinnesvergnügen, eine Masse von Dukkha, die hier und jetzt sichtbar ist, die Sinnesvergnügen als Ursache hat, Sinnesvergnügen als Quelle hat, Sinnesvergnügen als Grundlage hat, weil die Ursache davon schlicht Sinnesvergnügen sind."


    Aktuell, und zwar immer! _()_

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    Sokrates

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    Mallinson spricht in dem Vortrag (ab ca. 11:50) die Frage an inwieweit Buddha das Asketentum als Irrweg verwarf oder als Stufe auf dem Pfad zur Erleuchtung betrachtete. Anscheinend gibt es für beide Sichtweisen Belege in den kanonischen Texten.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Mallinson spricht in dem Vortrag (ab ca. 11:50) die Frage an inwieweit Buddha das Asketentum als Irrweg verwarf oder als Stufe auf dem Pfad zur Erleuchtung betrachtete. Anscheinend gibt es für beide Sichtweisen Belege in den kanonischen Texten.

    Buddha sah in der Askese nicht Irrweg sondern etwas optionales. Von daher wehrte er sich gegen Vorschläge wie die von Devadatta der verpflichtende strengere Regeln für alle Mönche forderte, er sah es aber nicht als Problem das mit Mahākāśyapa einer seiner Hauptschüler als großer Asket galt. Das Problem war ja nicht Askese selbst sondern das Anhaften daran - der Asketenstolz.


    Von daher ist das mit dem mittleren Weg doch nur für Leute wichtig, die zum Asketenstolz neigen. Wenn ich so rumschaue sind das eher weniger.

  • Oder würdet ihr heute bud. Asketentum als einen „Mittleren Weg“ bezeichnen? Wohl kaum.

    Was meinst du denn, wenn du von buddhistischem Asketentum sprichst?

    Wäre nett, wenn du auf das geschriebene eingehst, anstatt sinnlose Fragen zu stellen. Sinnlos, weil du genau weißt, was damit gemeint ist. Es gibt buddhistisches Asketentum, das Buddha grundsätzlich verworfen hat. Hier krebsen genug rum, die diesem Weg der buddhistischen Askese folgen und nichts mehr von der Lehre des Buddha verstehen.


    Tatsächlich empfinde ich für die heutige Zeit jedes Dasein als Nonne oder Mönch (sofern es nicht die Zen-Variante ist) als asketisch gegenüber einem „normalen“ Leben in unserer Gesellschaft als asketisch.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Das Problem war ja nicht Askese selbst sondern das Anhaften daran - der Asketenstolz.


    Von daher ist das mit dem mittleren Weg doch nur für Leute wichtig, die zum Asketenstolz neigen. Wenn ich so rumschaue sind das eher weniger.

    Kann sein, dass er erkannt hatte, dass die Selbstquälerei zu nicht führte. Dann er fragte sich , „ob es vielleicht einen anderen Weg gibt“ , und es war die Erinnerung an ein Jugenderlebnis. Ich zitiere kurz( M 36):


    Zitat

    Aber durch diese quälende Praxis der Askese habe ich keinerlei übermenschliche Geisteszustände erlangt, keinerlei Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist. Könnte es einen anderen Pfad zur Erleuchtung geben?'"

    31. "Ich überlegte: 'Ich erinnere mich an eine Begebenheit, als mein Vater, der Sakyer beschäftigt war, während ich im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaums saß; ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, trat ich in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilte darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Könnte das der Pfad zur Erleuchtung sein?' Dann, auf diese Erinnerung folgend, kam das Bewußtsein: 'Das ist der Pfad zur Erleuchtung.'"

    32. "Ich dachte: 'Warum habe ich Angst vor jener Glückseligkeit, die nichts mit Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen zu tun hat?' Ich dachte: 'Ich habe keine Angst vor jener Glückseligkeit, die nichts mit Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen zu tun hat.'"

    Also es geht um jhāna, , die Kraft der Entrückung. ( Vertiefung). Und die ist echt frei von Begierden und Sinnensucht , deswegen man ( auch jetzt ) praktiziert Vipassana oder Satipatthana . Macht Sinn.( frei nach Analayo). Sogar nur rein neurobiologisch gesehen.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • In der Buddhageschichte gibts doch auch die Geschichten in denen der Buddha sich asketisch fast zu tode gehungert hatte, anschließend die Einsicht dass dies ihn nicht befreit hatte.


    Ich finde das auch weder verwirrend, noch enttäuschend, denn die Abggrenzung zum Asketismus hatte und hat ja durchaus einen Sinn, hält die Sangha doch irgendwie auf Kurs.


    Vergleichbar ist es mit der Stoa die sich ja auch irgendwo als mittlerer Weg zwischen Hedonismus und Kynismus verortet hat.


    Die Metapher vom mittleren Weg wirkt eben bis heute gegen exzessive frömmigkeits-Performance an (nicht immer Erfolgreich), und dass hat schon damals funktioniert wie auch heute.

  • Die Metapher vom mittleren Weg wirkt eben bis heute gegen exzessive frömmigkeits-Performance an (nicht immer Erfolgreich), und dass hat schon damals funktioniert wie auch heute.

    Ja, in vielen Religionen gibt es ja so eine lineare Skala zwischen dem niederen Weltlichen und dem höheren, reinen Sakralen. Da zeugt es doch von der tiefen Einsicht Shakyamunis dass er diese lineare Skala zurückweist und Gier auch dann zurückweist wenn sie sich auf das Höhere und Heilige richtet. Auch Religion und Askese können Gier. Von daher könnte ja gerade ein säkularer Buddhist die Idee des "mittleren Wegs" als Wegbereiter religionskritischen Denkens sehen.

  • Kompromiss ist mir eingefallen. Das ist der moderne Schlüssel zum Gehen, des achtfachen Weges.


    Der Kompromiss zwischen zwei Extremen hält auf dem mittleren Weg und verhindert festhalten an einem Extrem, aber ermöglicht, dass ein Extrem ergriffen werden kann.

    Extreme müssen ergriffen werden, Ja oder Nein. Ein Leben im Jein ist unter Menschen zwar möglich, grenzt aber gleichzeitig aus. Eine Gruppe, die keine Kompromisse eingeht und ihr Leben lebt, ist auf die Kompromissbereitschaft der umgebenden Gruppen angewiesen, um ein Extrem zu bilden, das sie als ihre Lebensart festhalten kann. Demokratie.

    Eine Gruppe, die groß genug wird, um Macht über andere durchzusetzen, sogar gegen die Tugenden ist eine Oligarchie/Aristokratie, aus der eine Diktatur entstehen kann.


    Mir meinen Wünschen muss ich kompromissbereit sein, sonst werden sie zu Geistesgiften. Bestehe ich auf die kompromisslose Erfüllung, werden alle Wünsche zu leiden.


    Taisen Deshimaru Shinjinmei

    Den Weg zu gehen, ist nicht schwer, nur braucht es keine Liebe, keinen Hass,

    kein Herauspicken oder Ablehnung. Es genügt, dass es weder Liebe noch Hass gibt.

    Damit das Verständnis erscheint wie das Tageslicht in einer Höhle.


    Schwer macht es den Weg durch maximal Forderungen meinerseits und nicht beachten der Kompromissbereitschaft des Gegenübers.

    Kompromisslosigkeit vernichtet Lebensweisen und verhindert Fortschritt und Wohlstand aller.


    Qualia: Eigenartig ist, dass sich dieses Konzept auf alle Lebensbereiche und nicht Rechte Ansicht anwenden lässt.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

  • Die Praxis des mittleren Weges ist für Laien natürlich nicht dieselbe wie für Ordinierte. Die Mindestanforderungen für Laien sind die Zuflucht zu Buddha, Dhamma und Sangha und die fünf Sila: nicht töten, stehlen, sexuell ausschweifen, lügen und berauschen. Wobei da nicht mal von Gelübden die Rede ist, sondern nur von der aufrichtigen Bemühung das einzuhalten.


    Die Laien versorgen den Orden mit den Lebensnotwendigkeiten und erhalten vom Orden Belehrung und das Beispiel vorbildlichen Verhaltens, so war das gedacht. Den Laien steht es frei wie weit sie es am mittleren Weg bringen wollen oder können, das reicht von einem einigermaßen sittlichen Leben bis zur hohen Stufe der Nichtwiederkehr (anāgāmī), je nach Fähigkeit und Bemühung am achtfachen Pfad, der ohne Glauben an eine ewige Seele und ohne Glauben an die völlige Vernichtung nach dem Tod ist.

  • Kann sein, dass er erkannt hatte, dass die Selbstquälerei zu nicht führte.

    Körperliche Misshandlung löscht die unheilsamen Regungen eben nicht aus, man muss sie im Geist oder Herzen beseitigen. Das dürfte wohl der Grund sein warum er übertriebene Askese verworfen hat.

  • Tatsächlich empfinde ich für die heutige Zeit jedes Dasein als Nonne oder Mönch (sofern es nicht die Zen-Variante ist) als asketisch gegenüber einem „normalen“ Leben in unserer Gesellschaft als asketisch.

    Wenn man das normale Leben als Maßstab nimmt, mag das so erscheinen. Aus dieser Sicht kann es ja nicht sinnvoll sein, auf weltliche Sinnesvergnügen, Fernsehen, Fußball, Konzerte, Kino usw. zu verzichten.


    Die buddhistischen Ordinierten, die ich kenne, gehören der Tradition des tibetischen Buddhismus an. Sie leben hier in Deutschland nicht in Sack und Asche, losgelöst von unserer Gesellschaft vor sich hin. Sie kümmern sich genauso wie Nicht-Ordinierte um ihre Gesundheit, sorgen dafür, dass sie das Notwendige fürs Leben wie Kleidung, Nahrung und Unterkunft zur Verfügung haben. Damit ist man als Mönch oder Nonne eben zufrieden.


    Die Ordinierten wenden sich von den unzuverlässigen Vortrefflichkeiten des Samsara ab und schulen ihren Geist und bemühen sich um die Verwirklichung des Dharma. Sie geben aber auch den Dharma weiter, indem sie lehren. An unserem Hamburger Zentrum in Form von Kursen, Seminare, Mehrjahreskursen usw.


    Die Ordinierten geben die Extreme des Verhaltens und der Ansicht auf, weil diese Hindernisse für die Befreiung sind. Sie üben sich im mittleren Weg, der vom Buddha oft auch als achtfacher Pfad bezeichnet wird.


    Der achtfache Pfad dient ja nicht dazu sich zu quälen, sondern der achtfache Pfad, der mittlere Weg, ist der Weg, "der zur Einsicht führt, der zum Wissen und zum Frieden, zur direkten Einsicht, zum Erwachen, zum Nibbana führt." (SN 56.11), indem man die Extreme des Verhaltens und der Ansicht aufgibt.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Der Mittlere Weg besagt den weg jenseits der Extreme.

    Einen "mittleren Weg" gebietet ja oft genug der sogenannte "gesunde Menschenverstand", die Vernunft (entgegen der tatsächlichen Neigung...), während die Extreme immer irgendwelche Schwierigkeiten (dukkha) mit sich bringen - für den Handelnden und seine Umgebung...


    Das Leben spielt sich auch biologisch - zwangsläufig - innerhalb bestimmter vorgegebener Grenzen, in einem mittleren Bereich, jenseits der Extreme, ab: Zu viel Hitze/Kälte/Sauerstoff...sind mit dem Leben genauso unvereinbar, wie zu wenig, es ist letztlich ein ständiger Balanceakt.


    Extreme forder(t)n Menschen jedoch zu allen Zeiten heraus, Höchstleistungen zu erbringen und Grenzen zu überschreiten, um bestimmte Ziele/Fortschritte zu erreichen.

    Auch der Buddha kasteite sich auf das Übelste, bis er einsah, dass es ihn eher umbringen, als weiterbringen würde:


    "...28. "Ich dachte: 'Welche Mönche oder Brahmanen in der Vergangenheit auch immer schmerzhafte, quälende, bohrende Gefühle aufgrund ihres Strebens gefühlt haben, dies hier ist das äußerste, nichts übertrifft dies. Und welche Mönche oder Brahmanen in der Zukunft auch immer schmerzhafte, quälende, bohrende Gefühle aufgrund ihres Strebens fühlen werden, dies hier ist das äußerste, nichts übertrifft dies. Und welche Mönche oder Brahmanen in der Gegenwart auch immer schmerzhafte, quälende, bohrende Gefühle aufgrund ihres Strebens fühlen, dies hier ist das äußerste, nichts übertrifft dies. Aber durch diese quälende Praxis der Askese habe ich keinerlei übermenschliche Geisteszustände erlangt, keinerlei Klarheit des Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist. Könnte es einen anderen Pfad zur Erleuchtung geben?'"......


    https://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m085z.html


    Daher genießt "Mittelmaß" bzw. "Mittelmäßigkeit" den zweifelhaften Ruf der Beschränktheit, Langeweile, Stagnation und "Fortschrittsfeindlichkeit"...

    (Buddha Shakyamuni wurde gar mal als "Wachstumsvernichter" bezeichnet.)




    Andererseits wird in anderen Kontexten gerne die "goldene Mitte/der goldene Mittelweg" als ideale Lösung gepriesen, die alle Seiten (ein bisschen) zufriedenstellen könne.


    Nettes Beispiel ;) :

    Die Stachelschweine




    Liebe Grüße :) _()_ :heart:

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

    Einmal editiert, zuletzt von Anna Panna-Sati ()

  • Kann sein, dass er erkannt hatte, dass die Selbstquälerei zu nicht führte.

    Körperliche Misshandlung löscht die unheilsamen Regungen eben nicht aus, man muss sie im Geist oder Herzen beseitigen. Das dürfte wohl der Grund sein warum er übertriebene Askese verworfen hat.

    Weiß ich nicht , mukti, ich bin kein Mönch, um es zu bewerten. Mir erscheint aber es eher so, dass der normale Mensch, der in der Familie lebt, sollte die Kinder erziehen, zuerst aber die zu erzeugen. Dann er sollte sich um die Zukunft kümmern, um für die eigene Kinder die gute Ausbildung zu leisten. Er sollte schuften, abrackern, es geht in der modernen Gesellschaft nicht anders. Mein Sohn weiß das am den eigenen Leib, was das Überleben hier bedeutet. Aber der Prinz hatte die eigene Familie verlassen, den eigenen Palast und den Reich , ( nach der Legende, ich war nicht dabei-OT). Also, er hatte sich sehr verantwortungslos verhalten, wenn ich die heutige Maßstäbe benutze. Ist das die goldene Mitte? Es kommt darauf an, von welcher Warte man das ganze betrachtet. Alles , was man macht, stellt am Ende das Sinnenvergnügen dar. Man ist wie von Durst getrieben, aber er kann nicht dafür, um zu überleben.

    Wahrscheinlich , „beseitigen“, im Sinne zu beheben, es wäre keine Lösung. Im MN 26 steht: „'Ich habe alles transzendiert ..“. Man braucht den ganzen Trubel, diese leere ( innerlich) Show niemals mehr. Das ist so wie der innere Frieden, diese immense Stille , die kaum vorstellbar ist. Und nur durch sehr tiefes samadhi und den klaren Blick, also panna möglich wäre. Dazu man sollte tief verwurzelt in Sila sein, ansonsten es geht nicht. Also , lange Rede, kurzer Sinn, dass ist für den gewöhnlichen Menschen ist enorm schwer, so nur meine bescheidene Meinung. LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates