Herz Sutra

  • Hallo liebe Forum Mitglieder,


    ich habe schon paar mal das Herz Sutra gelesen, aber ich muss sagen ich verstehe es nicht. Form ist Leere, Leere ist Form. Also ich bin leer und alle Objekte. Sorry verstehe ich nicht.


    Ja, bin vergänglich, unbeständig und dem Wandel unterworfen, aber dass meine Form Leer ist muss was anderes sein oder? Was meint ihr?


    Ein Freund sagte zu mir dass Atome zu 99,99 % leer sind und wir bestehen ja aus Atomen. Wir sehen nur eine Illusion. Ist das richtig? Ist das Leerheit?


    Würde mich freuen zu lesen was ihr unter, Leere ist Form und Form ist Leere, versteht


    May all beings benefit

    Asod

  • Hallo Asod,

    mein Verständnis ist, dass es keine Leerheit zu finden gibt, außerhalb der sich ständig zeigenden Formen wie Menschen, Blumen, Körper, Gefühle, Gedanken, ...

    Gleichsam sind alle Form leer, d.h. unbeständig und sich die ganze Zeit gegenseitig beeinflussend.

  • Hallo, das Herz Sūtra ist ein bisschen so wie die Seite eines Studenten auf der alles wichtige kurz und knapp zusammengefasst ist, damit man es vor der Prüfung noch mal schnell durchlesen kann. So ein Text kann nicht alleine verstanden werden ohne andere Quellen.


    Im Herz sūtra geht es um die Lehre von der Leere (śunyata) die vom indischen Philosophen Nāgārjuna aus dem „entstehen in Abhängigkeit“ gefolgert wurde und seitdem breit rezipiert wurde und Eingang in die Mahayana Sutren gefunden hat.


    Der Begriff der Form geht auf den indischen Begriff rūpa zurück. Wie viele Begriffe ist der nicht nur mit einem Begriff übersetzbar. Körper ist eine andere Übersetzung.


    Ganz high Level würde ich zusammenfassen dass das Herz sutra ausdrückt dass Körper keine eigene Essenz haben, in Abhängigkeit entstanden sind. Daraus kann man folgern dass 2 Körper in ihrer Wesenheit nicht essentiell-verschieden sind. Was uns zu einer nicht-dualistischen Sicht führen kann.


    Siehe auch


    Thays Neu-Übersetzung des Herz Sutra
    Am 11. September hat Thay eine tiefgründige und wunderschöne Neu-Übersetzung des Herz Sutra ins Englische fertig gestellt. Das Herz Sutra ist eines des…
    blog.gal-bayern.de


    https://blog.gal-bayern.de/wp-content/uploads/2015/01/Herz-Sutra-Kommentar.pdf

  • Das ist aus dem Traktat des Goldlöwen.

    Stell dir die Beschreibung eines goldenen Tempellöwen vor.


    Zweitens. Die Unterscheidung zwischen Form und Leerheit machen.

    * 谓狮子相虚,唯是真金。狮子不有,金体不无,故名色空。又复空无 自相, 约色以明。不碍幻有,名为色空。*

    *Es wird gesagt, der Löwe ist nur durch Gold wirklich, es gibt keinen Löwen, nur Gold. Weder Löwe noch der Gold-Körper existieren getrennt, darum heißt es Form ist Leere. Die Leere hat auch keine Eigenständigkeit, ihr Sein existiert nicht ohne Aneignen der Form. Die Form wird nicht durch die Illusion der Existenz der Leere behindert, deshalb wird es Form ist Leere genannt. *


    # 1* Es wird gesagt, die Erscheinung der Leere ist nur durch Form wirklich, es gibt keine Leere, nur Form. 2* Weder Leere noch Form existieren getrennt, darum heißt es Form ist Leere. 3* Die Leere hat auch keine Eigenständigkeit, ihr Sein existiert nicht ohne Aneignung der Form. 4* Die Form wird nicht durch die illusionäre Existenz einer Leere behindert, deshalb wird es Form ist Leere genannt. #


    Das ist für den Anfang genauso irre wie das Herzsutra.


    1* Es wird gesagt, der Raum um und in einer Vase ist nur durch das Objekt der Vase wirklich, es gibt keine Leere, nur Form,

    denn Raum kann man im Gegensatz zur Vase nicht mit Händen ertasten.


    2* Weder Raum (Leere) noch Vase (Form) existieren getrennt, darum heißt es Form ist Leere.

    Denn ohne Vase (Objekt) gibt es auch keinen Raum, in der sie ist, der sie sein könnte. Ohne Vase gibt es auch keinen Raum zu erkennen. Nimm die Vase da weg und du erkennst keinen Form-Raum, in dem sie war.


    3* Der Raum (Leere) hat auch keine Eigenständigkeit, sein Dasein existiert nicht ohne seine Aneignung der Vase (Form).

    Bei der Betrachtung der Vase kann man die Ansicht haben, das sich die Vase den Raum in Anspruch nimmt oder das der Raum sich die Vase aneignet, um sich zeigen zu können. In der Realität ist da nur eine Vase, kein Raum, den man greifen kann.


    4* Die Vase wird nicht in ihrer Realität behindert, durch die Illusion, Raum (Leere) existiert, als Objekt, deshalb wird es Form ist Leere genannt.

    Die Vase ist real und ihre Existenz wird nicht durch die Illusion, einer als Gegenstand gedachtem Raum (Leere) behindert.

    Wenn du die Vase an einen anderen Ort nimmst, bleibt keine Form des Raumes zurück, an dem die Vase gestanden hat. Ein Raum der Vase existiert nur um, in der realen Vase.

    Das wird bis in die Quantenmechanik und zum Urknall hin nie anders sein.



    Die Illusion, Gedanken sind reale Objekte, behindert nicht die Realität des Körpers, der nur Gedanken in handeln umsetzt. Das Handeln des Körpers beeinflusst in seinem Wirken sowohl die Gedanken als auch den Körper und doch bleiben Gedanken der Raum (Leere) und der Körper die Realität (Form).

    Das Herzsutra beschreibt genau das. In Versunkenheit sitzen macht absolut klar, das der Körper real ist und Gedanken Leere. Denn, wenn die Gedanken den Körper nicht zum handeln bringen können, weil er eben im nur sitzen wollen an Bewegung gehindert ist, sind sie leer von jeder Funktion und wahrer Existenz. Warum sollte sich das ändern, wenn der Körper handelt?

    Körper ist immer Real, Gedanken sind immer Leer vor Körperlichkeit.

  • Das Herzsutra war ursprünglich Teil eines viel größeren Texts der Prajñāpāramitā Literatur der die Inhalte in ganz kompakter Form auf den Punkt bringt. Diese ist wiederum sehr von der Philosophie Nagārjunga geprägt. Von daher macht es - um das Herzsutra zu verstehen - nicht um unbedingt Sinn beim Herzsutra selber anzusetzen sondern man muß weiter ausholen - und die Entwicklung des Begriffs von Leerheit ansehen:

    1. Leerheit I: Zunächst bedeutete Leerheit einfach nur, dass alles anattā ist - also leer von einem Selbst.
    2. Leerheit II: Dann würde zunehmend auch betont, dass alles was es gibt leer von inhärenter Existenz ist. Nichts besteht aus sich selbst. Alles ist abhängig entstanden.
    3. Leerheit III. Und jetzt der Twist: Wenn Leerheit allem zugrunde liegt, dann ist es die wahre Natur der Welt. Alles was ist ist eine Erscheinungsform von Leerheit.

    Das ist jetzt nur sehr grob. Und der Übergang ist nicht so sehr als philosophische Aussage wichtig, sondern von der Beziehung zur Befreiung.

    1. Bei Leerheit I ist das das Ablegen des Anhaftens an der Idee eines Selbsts. Ich und Mein wird als leer durchschaut
    2. Bei Leerheit II gibt es einen Übergang hin zur Leerheit unsere Welt. Nicht nur das eigene Ich, sondern auch die Welt hat den Charakter einer Illusion.
    3. In Leerheit III wird dies positiv gewendet. Alles offenbart gerade in seinem Illusionscharakter die wahre Natur der Welt - die eng mit Befreiung verbunden ist.

    Diese Idee von "Befreiung ist schon da und äußert sich in allem" ist eng mit dem Konzept von Buddhanatur verbunden.


    Dies hat viel mit einem anderen Übergang zu tun. Dass man sich fragt wie die Welt aus der Perspektive nicht eines verblendeten Wesens sondern aus der Sicht eines Befreiten - eines Arhats - aussieht. Dieser wurde ja ähnliches sehen - Bäume, Menschen, Häuser, aber alles wäre als bedingt und ichlos durchschaut.


    Wenn wir mit Gewahrsein und Verständnis ausgestattet sind und mit Achtsamkeit und Weisheit studieren, dann werden wir Dhamma als Realität erkennen. Wir sehen dann, wie Menschen ständig geboren werden, sich verändern und schließlich vergehen. Wir sind alle dem Kreislauf von Geburt und Tod ausgesetzt; und weil dem so ist, sind alle Wesen im Universum 'eins' darin. Indem man eine Person klar und deutlich erkennt, erkennt man gleichzeitig alle Wesen dieser Welt.

    Auf diese Art und Weise ist alles Dhamma, nicht nur die Dinge, die wir mit unserem physischen Auge sehen, sondern auch die Dinge in unserem Geist. Ein Gedanke entsteht, wandelt sich und vergeht. Dies nennt man nama-dhamma, ein geistiger Eindruck, der entsteht und vergeht. Dies ist die wahre Natur des Geistes. Zusammengenommen bezeichnet man dies als die edle Wahrheit des Dhamma. Wenn man nicht auf diese Weise wahrnimmt und beobachtet, so wird man nicht sehen! Sieht man jedoch, so besitzt man die Weisheit, den Dhamma zu hören, wie der Buddha ihn lehrte.

    Von daher würde ich sagen, dass Herzsutra hat etwas von einer Hymne in der jemand, dem sich die Sicht alles als Dharma zu sehen, auftut und der dann diese Sicht - hier Prajñāpāramitā genannt - ausdrückt. Ich bin aber nicht sicher, ob es die ganzen konzeptionellen Ebenen so stark braucht. Oder ob man nicht so schlicht wie Ajahn Chah ausdrücken kann, dass der Weise in allem Dhamma sieht und ihm alles Vergänglichkeit, Verstrickung und Befreiung davon ausdrückt.

  • Asod55 :

    von mir aus einem früheren Thread:

    Das Herzsutra ist denkbar ungeeignet, die Lehre der Prajñāpāramitā zu studieren und zu verstehen. Dazu war es auch nie gedacht; es handelt sich um ein dhāraṇī, einen Rezitationstext und nicht um 'Prajñāpāramitā für Dummies' oder eine Kurzfassung. Entstanden ist es aus einem kleinen Abschnitt des Pañcaviṃśatisāhasrikā Prajñāpāramitā Sūtra - einem Text von 25.000 ślokas. Das Herzsutra hat 25 ślokas, also vom Umfang her ein Promille ...


    Der gesamte Textkorpus der Prajñāpāramitā-Literatur hat in etwa den 25-fachen Umfang der Bibel. Nun muss man das nicht alles gelesen haben um zu verstehen, worum es da geht - aber alleine mit dem Herzsutra kommt man da nicht weit.

    Bei tieferem Interesse an dem Thema - wie hatten dazu mal einen Lesekreis:

    Muss ja nicht jedesmal neu durchgekaut werden ... ;)

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Muss ja nicht jedesmal neu durchgekaut werden ... ;)

    Sofern es dazu dient, dass auch nur ein Mensch im subjektiven Nachvollziehen des schon zigtausend Mal Erkannten und Ausgesprochenen einen Heureka Moment hat, warum nicht! Das subjektive Verstehen braucht manchmal Umwege und muss das Selbstverständliche in Frage stellen.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Sofern es dazu dient,

    ... sollte ein Verweis auf die extensive Diskussion dieses Textes doch schon Hilfestellung genug sein. Die meisten (gefühlt - hab's nicht nachgezählt) der damaligen Diskussionsteilnehmer sind ja für evt. Nachfragen nach wie vor verfügbar. Ist es so eine Zumutung, sich da in das Thema einzulesen; bspw. an einem feucht-windigen Sonntagnachmittag?


    Ich hegte immer gerne die Illusion, dass die Unterhaltungen hier, die ausgetragenen Kontroversen mit inbegriffen, aus gutem Grund archiviert werden. Das sollte hier schon ein wenig anders sein als bei Facebook.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sofern es dazu dient,

    ... sollte ein Verweis auf die extensive Diskussion dieses Textes doch schon Hilfestellung genug sein. Die meisten (gefühlt - hab's nicht nachgezählt) der damaligen Diskussionsteilnehmer sind ja für evt. Nachfragen nach wie vor verfügbar. Ist es so eine Zumutung, sich da in das Thema einzulesen; bspw. an einem feucht-windigen Sonntagnachmittag?


    Ich hegte immer gerne die Illusion, dass die Unterhaltungen hier, die ausgetragenen Kontroversen mit inbegriffen, aus gutem Grund archiviert werden. Das sollte hier schon ein wenig anders sein als bei Facebook.

    MMn macht es einen großen Unterschied, ob man in einer Unterhaltung dabei ist oder nur passiv Texte liest. Wegen mir kann aller Inhalt nach zwei Monaten gelöscht werden, aber die Meinung dürfte nicht mehrheitsfähig sein.

  • Sehr interessante Quelle:


    Publikationen

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

    • Offizieller Beitrag
    Moderation

    Bitte im Anfängerbereich darauf achten, dass keine Diskussion untereinander daraus wird, sondern, dass es auf das Anliegen des Fragenstellers eingeht und für diesen möglichst verständlich ist.

  • MMn macht es einen großen Unterschied, ob man in einer Unterhaltung dabei ist oder nur passiv Texte liest. Wegen mir kann aller Inhalt nach zwei Monaten gelöscht werden, aber die Meinung dürfte nicht mehrheitsfähig sein.

    Für mich ist es sehr anregend in vielen alten archivierten Usenet- oder emaillisten-postings oft vergessene, manchmal übersehene Gedankenanregungen zu finden und (nochmal) darüber nachzudenken. Ich habe solche (kleinen) Sammlungen von 1998 an und wenn ich gelegentlich darin stöbere werden mir oft auch die damaligen Teilnehmer/Innen wieder lebendig. Auch meine eigene Entwicklung über die Jahre finde ich spannend - den Wechsel der Schwerpunkte, der Intensitäten in den Argumentationen (und Spekulationen ;-)) ...also die leibhaftige Erfahrung, daß auch "das Ich" (oder "selbst") wandelbar ist... - - - aber auch die paar Konstanten bis heute, die mir dabei auffallen...