Auch wenn im Abhidharma eine allgemeine Daseinsanalye, die sowohl die äußere Welt in der wir leben als auch unsere inneren mentalen Prozesse umfasst, dargelegt wird, so sind die inneren mentalen Prozesse meines Erachtens bedeutsamer.
Man kann auch fragen, wo die innere Welt aufhört und die äußere anfängt. Ist die innere Welt Teil der äußeren oder die äußere Teil der inneren?
Die Sarvastivadins, zu denen ja auch Vasubandhu und sein Abhidharmakosabashya gezählt werden, vertraten einen Realismus in Bezug auf die Dharmas, wie du ja auch geschrieben hast.
Anmerkung zum Begriff Ding: Im Kontext des Abhidharma werden den Dingen eine Eigennatur zugeschrieben. Ohne eine solche Eigennatur kann nach dieser Auffassung kein Ding existieren. Diese Sichtweise wird nicht von allen Dharma-Schulen geteilt.
Dagegen sprechen andere Schulen wie die Vijñānavāda (Bewusstseinslehre), auch Cittamātra (Nur-Geist) oder Yogācāra nur vom Geist als existierendem Sein.
Diese mentalen Prozesse, also Geist und Geistesfaktoren, kann man einmal untersuchen aus der Perspektive ihres abhängigen Entstehens. Ein Bewusstseinsmoment bringt den nächsten hervor. Der gegenwärtige Bewusstseinsmoment ist durch einen vorherigen Bewusstseinsmoment, der nun nicht mehr besteht, hervorgebracht worden. Der gegenwärtige Bewusstseinsmoment bringt einem zukünftigen Bewusstseinsmoment hervor, und dann besteht der gegenwärtige Bewusstseinsmoment nicht mehr. Das ist ein grundlegender Ursache-Wirkungs-Zusammenhang.
Wie ist deiner Meinung nach dieser Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu verstehen?
Zwischen dem Vergehen des einen Gedanken und dem Entstehen des nächsten Gedankens besteht keine Lücke im Bewusstseinskontinuum. Der vergangene Gedanke und der neue Gedanke folgen direkt aufeinander und können allerdings recht unterschiedlich sein.
Ich kenne den von JoJu91 beschriebenen leeren offenen Raum zwischen den Gedanken auch. Und in vielen Anleitungen zu Shamata / Vipashyana wird dieser Raum erwähnt, in dem die Gedanken sich ereignen. Bekannt ist das Bild von dem Himmel durch den die Wolken ziehen.
Das hieße ja auch, diese Kette von Gedanken kann unterbrochen werden. Es kann eine Gedankenstille eintreten. Das wird auch im Abhidharmakosabashya als einer der Faktoren, die von Gedanken getrennt sind, beschrieben als asamjnï-samapatt
ZitatDiese Errungenschaft wird unter dem vierten Dhyäna subsumiert:
Wenn man in Bezug auf das dritte, aber nicht auf das vierte Dhyana losgelöst ist, gibt es ein losgelöstes Dharma, das ideenlose Erlangung genannt wird, [das] das Aufhören der Gedanken und Gedankenbegleiter eines Menschen im Stadium des vierten Dhyana bewirken kann.
Jeder Bewusstseinsmoment entsteht aber nur, wenn es mitwirkende Bedingungen gibt. Das sind die Geistesfaktoren. So ist jeder Bewusstseinsmoment immer mit den Faktoren Empfindung, Unterscheidung, Absicht, Berührung und Aufmerksamkeit verbunden.
Und da sind wir dann bei den simultanen oder zusammenhängenden Ursachen, oder?
Darüber hinaus ist ein Bewusstseinsmoment mit weiteren Geistesfaktoren verbunden wie zum Beispiel heilsamen oder unheilsamen Geistesfaktoren.
Sind nicht schon die Bewusstseinsmomente und die gleichzeitig existierenden Geistesfaktoren an sich die heilsamen und unheilsamen Geistesfaktoren?