Wertschätzung des Daseins

  • Hallo Mirco,
    ich liebe diesen Text.
    Aber die letzte Zeile...


    Thich Nhat Hanh übersetzt hier bezeichnenderweise:
    "und werden mit Gewissheit über Geburt und Tod hinausgelangen".

  • Zitat

    Wenn dem so wäre, dann sollte man den Leuten reinen Wein einschenken, wenn man ihnen vom Buddhismus erzählt. Man sollte ihnen nichts von Mitgefühl und liebender Güte erzählen, nichts von den Wonnen der Meditation, nichts von Gleichmut, nichts von Frieden, nichts von Glück. Man sollte ihnen gleich von Anfang klarmachen, dass es langfristig vor dem Hintergrund der totalen Ablehnung menschlichen Lebens nur um gründliche Existenzvernichtung geht, um die dauerhafte Verunmöglichung künftigen menschlichen Lebens. Und dass das größte vorstellbare Glück in den Augen mancher Exegeten darin liegt, nie mehr geboren zu werden.


    Es sollte kein Geheimnis sein, dass im Buddhismus angestrebt wird, letztendlich die "Kette der Wiedergeburten" zu durchbrechen. Mit Vernichtung im konventionellen Sinne hat dies jedoch nichts zu tun. Leben wird ja nicht vernichtet. Ein Buddhist lebt sicherlich nicht weniger lang wie jeder andere Mensch auch und da sich ein Buddhist anderen Lebewesen friedvoll gegenüber verhält, ist der Buddhismus im Gegenteil sehr "lebensverschonend". Wenn man zukünftiges Leben nicht entstehen lässt, so vernichtet man kein Leben. Jeder der nicht mit einer Frau schlafen will (ev. lieber wixt^^), würde dann ja millionen von Menschen "verunmöglichen" und wäre "total lebensverneinend". ^^ Ev. habe ich dich auch nicht richtig verstanden? Bin mir nicht sicher...


    Aber die Frage ist schon sehr gut. So ganz kann man den Eindruck auch nicht ausräumen, der da eventuell aufkommen könnte.


    Was man noch hinzufügen sollte: Die Idee nicht nochmal leben zu wollen, nachdem man einst verstorben ist, kann ich schon gut verstehen. Ich glaube nicht, dass man dazu unbedingt lebensverneinend sein muss. Zudem ist das ja eine ganz pers. Entscheidung, welche man nur für sich selbst trifft (wenn man mal von den etwas "übermotivierten" Bodhisattvas absieht ^^).

  • Erdmaus:

    Es sollte kein Geheimnis sein, dass im Buddhismus angestrebt wird, letztendlich die "Kette der Wiedergeburten" zu durchbrechen. Mit Vernichtung im konventionellen Sinne hat dies jedoch nichts zu tun. Leben wird ja nicht vernichtet. Ein Buddhist lebt sicherlich nicht weniger lang wie jeder andere Mensch auch und da sich ein Buddhist anderen Lebewesen friedvoll gegenüber verhält, ist der Buddhismus im Gegenteil sehr "lebensverschonend". Wenn man zukünftiges Leben nicht entstehen lässt, so vernichtet man kein Leben.



    Erdmaus ist weise.

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • nibbuti:


    Das wird konventionell (für Nicht(-vollständig)erwachte) als körperliches Leid oder Schmerz (dukkhadukkhatā) bezeichnet.


    Ganz genau, für nicht Erwachte wird es so gesagt (dukkhadukkhatā).
    "Leider" gibt es in der Lehre keine Beschreibung einer Paticcasamuppāda
    der Erwachten.


  • Das "Leben" (und Leiden) will er behalten.

  • Onda:

    Hallo Mirco,
    ich liebe diesen Text.
    Aber die letzte Zeile...


    Thich Nhat Hanh übersetzt hier bezeichnenderweise:
    "und werden mit Gewissheit über Geburt und Tod hinausgelangen".


    Das ist wohl eine selbst gedichtete Zeile.


    _()_

  • Onda:

    zielen die 4 Edlen Wahrheiten auf die Überwindung des Leidens oder auf die Überwindung des Daseins?


    Onda


    Meditation kann helfen, mit einem offenen Geist über den gewohnten Tellerrand zu sehen.


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.



  • aus christlicher Sicht die Wertschätzung des Daseins


    Ich, die höchste und feurige Kraft,
    habe jedweden Funken von Leben entzündet
    und nichts Tödliches sprühe ich aus.
    Ich entscheide über alle Wirklichkeit.
    Mit meinen höheren Flügeln
    unfliege ich den Erdkreis.
    Mit Weisheit habe ich das All geordnet.
    Ich, das feurige Leben göttlicher Wesenheit,
    zünde hin über die Schönheiten der Flure,
    ich leuchte in den Gewässern,
    und brenne in der Sonne, Mond und Sterne.
    Mit jedem Lufthauch,
    wie mit unsichtbarem Leben,
    das alles erhellt,
    erwecke ich alles zum Leben . . .
    So ruhe ich in aller Wirklichkeit
    verborgen als feurige Kraft
    Alles brennt so durch mich.,
    wie der Atem den Menschen unablässig bewegt,
    gleich der windbewegten Flamme im Feuer.
    Dies alles lebt in seiner Wesenheit
    und ist kein Tod darin.
    Denn ich bin das Leben.
    Ich bin auch Vernunft,
    die den Hauch des tönenden Wortes in sich trägt,
    durch das die ganze Schöpfung gemacht ist.
    Allem hauche ich Leben ein,
    so daß nichts davon in seiner Art sterblich ist.
    Denn ich bin das Leben. -


    Hildegard von Bingen

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Onda:

    zielen die 4 Edlen Wahrheiten auf die Überwindung des Leidens oder auf die Überwindung des Daseins?


    Das Dasein ist im Buddhismus NICHT gleich Leben, sondern Leben, wie es sich für ein Ich darstellt.
    Die Daseinsmerkmale sind Vergänglichkeit, Leiden und Nicht-Ich. Diese aufzulösen bedeutet überhaupt erst sich dem Leben zu zu wenden.


    _()_

  • Aiko:
    Onda:

    zielen die 4 Edlen Wahrheiten auf die Überwindung des Leidens oder auf die Überwindung des Daseins?


    Das Dasein ist im Buddhismus NICHT gleich Leben, sondern Leben, wie es sich für ein Ich darstellt.
    _()_


    Das ist falsch. Erst einmal gibt es ja kein tatsächliches Ich sondern nur
    vermeintlich wird daran geglaubt und zweitens ist jede Lebensform
    durch Dasein und Geburt bedingt. Diese beiden Aspekte sind untrennbar.
    Geburt ist Leiden, Tod ist Leiden usw. alles das sind Dinge die untrennbar
    mit Leben verbunden sind. Gäbe es gar kein Leben, gäbe es auch kein
    Tod, kein Alter, kein Sterben und kein Leiden.


  • Geburt und Sterben ist Leiden, weil sie mit dem Dasein eines Ich verbunden sind. Leben ist jedoch nicht nur Dasein, sondern es ist eben auch Nicht-Ich. Es ist immer ein Ich, das geboren wird und stirbt - aber Leben hat keinen Anfang und kein Ende und es ist auch nicht von diesem Ich bedingt. "Diese Körper ist nicht mein, das bin nicht ich ...."
    Das geglaubte Ich ist wirklich, tatsächlich, wie das eben für jede verblendete Ansicht gilt.


    _()_

  • accinca:

    Gäbe es gar kein Leben, gäbe es auch kein
    Tod, kein Alter, kein Sterben und kein Leiden.


    Und darum ist es besser, es gäbe gar kein Leben, nicht wahr?
    LG
    Onda

  • Aiko:


    Die Daseinsmerkmale sind Vergänglichkeit, Leiden und Nicht-Ich. Diese aufzulösen bedeutet überhaupt erst sich dem Leben zu zu wenden.
    _()_


    Im Buddha-Dharma geht es nicht darum, die drei Daseinsmerkmale "aufzulösen" (was immer das heißen mag), sondern darum, sie zu erkennen.
    LG
    Onda

  • Onda:
    Aiko:


    Die Daseinsmerkmale sind Vergänglichkeit, Leiden und Nicht-Ich. Diese aufzulösen bedeutet überhaupt erst sich dem Leben zu zu wenden.
    _()_


    Im Buddha-Dharma geht es nicht darum, die drei Daseinsmerkmale "aufzulösen" (was immer das heißen mag), sondern darum, sie zu erkennen.
    LG
    Onda


    Und wer erkennt diese?


    Den Buddhaweg ergründen heißt sich selbst ergründen
    (Dem Buddhaweg folgen heißt sich selbst folgen/Den Buddhaweg gehen heißt selbst gehen).
    Sich selbst ergründen (sich selbst folgen/selbst gehen) heißt sich selbst vergessen.
    Sich selbst vergessen heißt von den zehntausend Dingen bezeugt werden.
    Von den zehntausend Dingen bezeugt werden heißt Körper und Geist von sich selbst und den anderen fallen lassen.
    Genjôkôan, Dôgen.


    _()_

  • Aiko:
    Onda:


    Im Buddha-Dharma geht es nicht darum, die drei Daseinsmerkmale "aufzulösen" (was immer das heißen mag), sondern darum, sie zu erkennen.
    LG
    Onda


    Und wer erkennt diese?


    Die Theorie vom Nicht-Selbst (anatta) besagt nicht, dass es kein Ich gibt. Als erkennende Instanz bleibt das Ich auch beim Erleuchteten erhalten.
    Erleuchtung korrigiert lediglich - auf transrationaler Ebene - die falschen Auffassungen von diesem Ich (nämlich, dass es dauerhaft und getrennt/isoliert existiert).


    LG Onda

  • Aiko:
    Onda:

    zielen die 4 Edlen Wahrheiten auf die Überwindung des Leidens oder auf die Überwindung des Daseins?

    .Die Daseinsmerkmale sind Vergänglichkeit, Leiden und Nicht-Ich. Diese aufzulösen bedeutet überhaupt erst sich dem Leben zu zu wenden.


    Fürs Auflösen müssen sie erstmal erkannt werden,
    bzw. durchs Erkennen lösen sie sich auf.



    Alles Gute
    :) _()_

  • Onda:

    Erleuchtung korrigiert lediglich - auf transrationaler Ebene - die falschen Auffassungen von diesem Ich (nämlich, dass es dauerhaft und getrennt/isoliert existiert).


    Willst du damit sagen, dass du erleuchtet bist?


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

    Einmal editiert, zuletzt von nibbuti ()

  • Aiko:
    Zitat

    »Gleichwie, ihr Mönche, selbst schon ein wenig Kot, Urin, Schleim, Eiter oder Blut übel riecht, so auch preise ich nicht einmal ein kurzes Dasein, auch nicht für einen Augenblick.«


    A.I.32. Das Gleichnis vom Kot (XVI,3. 13-14)


    Du schmeißt da einiges durcheinander - es geht in dem Text um die Betrachtung der Vergänglichkeit und nicht um Scheiße.


    Es geht um die Wertung des Daseins - und nicht um die Vergänglichkeit. Da liest du falsch.
    Da wird das Dasein - so kurz es auch sein mag - vom Wert her auf die gleiche übelriechende Stufe gestellt wie Kot, Urin, Schleim, Eiter.
    Es geht um die Gleichsetzung von Leben & Scheiße.
    LG
    Onda

  • nibbuti:
    Onda:

    Erleuchtung korrigiert lediglich - auf transrationaler Ebene - die falschen Auffassungen von diesem Ich (nämlich, dass es dauerhaft und getrennt/isoliert existiert).


    Willst du damit sagen, dass du erleuchtet bist?



    Ich arbeite dran.
    LG
    Onda

  • Onda:

    Die Theorie vom Nicht-Selbst (anatta) besagt nicht, dass es kein Ich gibt. Als erkennende Instanz bleibt das Ich auch beim Erleuchteten erhalten.


    Das stimmt so nicht ganz, lieber Onda.


    Beim Sotapanna verschwindet bereits jeglicher Persönlichkeitsglaube (sakkaya-ditthi).


    Der Sotapanna sieht, dass "Ich" nur ein Wort oder Gedanke ist, das Erkennen nur ein Bewusstseinsvorgang.


    Wort (Erinnerung), Gedanke und Bewusstsein sind nicht "Ich", nicht "mein", nicht "mein Selbst" (anatta).


    Es bleiben nur Elemente, Vorgänge, Stille, Bliss, Befreiung.


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Onda:
    Aiko:

    Du schmeißt da einiges durcheinander - es geht in dem Text um die Betrachtung der Vergänglichkeit und nicht um Scheiße.


    Es geht um die Wertung des Daseins - und nicht um die Vergänglichkeit. Da liest du falsch.
    Da wird das Dasein - so kurz es auch sein mag - vom Wert her auf die gleiche übelriechende Stufe gestellt wie Kot, Urin, Schleim, Eiter.
    Es geht um die Gleichsetzung von Leben & Scheiße.
    LG
    Onda


    Es geht um die Gleichsetzung von Dasein und Scheiße ...... Dasein ist was anderes als Leben. Und Dasein ist nur ein Leben als ICH. Ich bin da - ich lebe - ich werte mein Leben höher als Scheisse.
    Das ist natürlich eine Herausforderung, wenn jemand das Höchste mit dem Niedrigsten gleich setzt und damit Wertungen des Ich hinterfragt.
    Noch mal zum Verständnis - Dasein im Buddhismus ist gekennzeichnet durch drei Merkmale - Vergänglichkeit, Nicht-Ich und Leiden.
    Es geht im Buddhismus um das Ende des Werdeprozesses, des Daseins als genau DIESES - es hängt auch nicht von einem Ich ab, ob es Leben gibt. Also kann das Ich kein Leben erschaffen, sondern es erschafft statt dessen DASEIN ... und damit Leiden. Und daher ist ja auch das Problem eines ICH, dass es zwischen Daseinsbegehren und Nicht-Daseinsbegehren taumelt.
    Also nochmal: ein Ich erschafft Dasein durch sein Begehren. Zu erkennen, dass das Scheisse ist, ist zwar drastisch, aber wahr. Und vielleicht hilft es, dieses Daseinsbegehren in seinem wahren Wert zu erkennen.


    _()_

  • IMHO: Doch es geht nämlich genau um die Vergänglichkeit,
    da hat Aiko völlig recht/Recht.
    Nämlich um die Vergänglichkeit der Daseinsmomente als Verkettung [als Verknüpfung u. Einbettung],
    das sogenannte »Hier und Jetzt«.
    Das davor ist eine Analogie.

    Wenn :
    »Gleichwie, ihr Mönche, selbst schon ein wenig Kot, Urin, Schleim, Eiter oder Blut übel riecht, ...«


    Dann:
    »... so auch preise ich nicht einmal ein kurzes Dasein, auch nicht für einen Augenblick


    Weil der gegenwärtige Moment/Augenblick,
    »als Hier und Jetzt «
    unauffindbar ist,
    da bereits vergangen,
    aus und vorbei,
    unwiederbringlich mit seinem Entstehen bereits vergangen.


    Sarva mangalam


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Letztes Jahr traf ich in einer wirklich abgelegenen Ecke der Welt einen Österreicher, mit dem sich ein unerwartetes Kommunikationsproblem auftat: der gebrauchte nämlich "da" konsequent für "hier" - ich verstand aber immer "dort".
    Wir konnten das dann aber nach einen Flasche Makkoli als geklärt abschließen :lol:


    _()_

  • Onda:

    Ich arbeite dran.


    Gut, ich würde an deiner Stelle mit einem offenen Geist drangehen und erstmal eine gerade Linie (die Anweisungen deines Lehrers) beibehalten. Oder hat das spirituelle Shopping dir bisher etwas anderes als Missverständnisse gebracht, hat es deiner Praxis geholfen, hat es deinen Geist friedvoller gemacht?


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • nibbuti:
    Onda:

    Ich arbeite dran.


    Gut, ich würde an deiner Stelle mit einem offenen Geist drangehen und erstmal eine gerade Linie (die Anweisungen deines Lehrers) beibehalten. Oder hat das spirituelle Shopping dir bisher etwas anderes als Missverständnisse gebracht, hat es deiner Praxis geholfen, hat es deinen Geist friedvoller gemacht?



    Bitte unterlasse Spekulationen, Wertungen und Belehrungen dieser Art!
    Danke!


    LG
    Onda