Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?

  • Jemandem der sich überhaupt nicht mit Buddhismus auskennt, oder sonstwie mit Spiritualität.


    Da ich es immer mal wieder mit Sterbenden zu tun zu haben scheine, habe ich mir auch desöfteren die Frage gestellt was ich darüberhinaus noch für sie tun kann. Manchmal denke ich, das einige Buddhadasa-Texte geradezu perfekt für solche Momente sind, aber dann sehe ich auch das das alles wahrscheinlich einfach zu kompliziert ist, um es mal eben zu überfliegen und auch nur irgendwie zu verstehen. Ganz besonders wenn der- oder diejenige dann wesentlich andere Sorgen hat, als sich nun irgendeinen Text durchzulesen, mit dem er denkt sowieso nichts am Hut zu haben.


    Schwierige aber auch interessante Fragestellung, gerade weil man dem Tod auch nicht aus dem Weg gehen kann :)

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Gar keine, ich würde mich selbst geben. Das ist alles , was ich habe. Und da wir letztendlich eins sind, bekommt er darüber auch sich selbst geschenkt.
    Geboren werden und sterben ist eine von vielen möglichen Sichtweisen.

  • Ji'un Ken:
    Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Gar keine, ich würde mich selbst geben. Das ist alles , was ich habe. Und da wir letztendlich eins sind, bekommt er darüber auch sich selbst geschenkt.
    Geboren werden und sterben ist eine von vielen möglichen Sichtweisen.


    Manchmal verfügt man aber auch (noch) nicht über solche emotionale Kapazitäten.


    Ich meine die Frage auch perspektivisch, wenn der Tod sich zunächst erst einmal nur angekündigt hat, aber dabei auch keine Zweifel hinterlässt das es schon besiegelt ist. Ein paar Monate vielleicht.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Dann kann man das ja am Beispiel üben.
    Ich finde es nicht so toll, jemandem ein Buch zu geben: "Hier, lies mal. Das könnte Dir helfen. Ich geh jetzt mal wieder." und selbst traut man sich nicht einmal einfach für den Anderen da zu sein, mitsamt der eigenen Angst und Ratlosigkeit.
    Ich würde ihm die Hand drücken statt ein Buch in die Hand zu drücken.


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Ich sehe das ähnlich, auch wenn es in der Praxis nicht so lieblos ist, wie von dir dargestellt :) Wenn es keine geeigneten Bücher dafür gibt, ist das auch in Ordnung.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
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  • Wie sollten sich auch Bücher hierfür eignen?
    Wer sich mit dem eigenen Sterben schon vorher befasst hat, braucht womöglich kein Buch. Wer sich noch nicht damit befasst hat, dem wird das eher weniger helfen. Aber natürlich gibt es Ausnahmen.
    Welches Buch jedoch so eine Ausnahme sein könnte, so denke ich, kann nicht beantwortet werden. Was für den einen dann ein Rilke-Band sein kann, würde dem anderen ein Kinderbuch von früher bedeuten, wieder einem anderen sein Sparbuch (weil es ein Beweis dafür ist, dass er sich um die Versorgung seiner Lieben keine Sorgen machen muss), ein anderer wird plötzlich die Bibel lieben, wieder einem anderen wird sie höchste Angst bereiten, dem nächsten hilft das Tibetische Totenbuch, einer wird sich mit der Tora befassen, einem anderen tröstet Maxi Wander … Wie könnte man das schon wissen?


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:

    Wie sollten sich auch Bücher hierfür eignen?
    Wer sich mit dem eigenen Sterben schon vorher befasst hat, braucht womöglich kein Buch. Wer sich noch nicht damit befasst hat, dem wird das eher weniger helfen. Aber natürlich gibt es Ausnahmen.
    Welches Buch jedoch so eine Ausnahme sein könnte, so denke ich, kann nicht beantwortet werden. Was für den einen dann ein Rilke-Band sein kann, würde dem anderen ein Kinderbuch von früher bedeuten, wieder einem anderen sein Sparbuch (weil es ein Beweis dafür ist, dass er sich um die Versorgung seiner Lieben keine Sorgen machen muss), ein anderer wird plötzlich die Bibel lieben, wieder einem anderen wird sie höchste Angst bereiten, dem nächsten hilft das Tibetische Totenbuch, einer wird sich mit der Tora befassen, einem anderen tröstet Maxi Wander … Wie könnte man das schon wissen?


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack


    Das ist ein guter Punkt, aber ich lass die Frage einfach mal weiter stehen. Vielleicht entwickelt sich ja noch etwas.

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  • Ich finde die Antwort von Jiun Ken sehr gut. Hat man aber, wie bereits gesagt, nicht die emotionalen Kapazitäten dazu, so würde ich ihm Texte und Dinge geben, die er kennt und zu denen er zeitlebens eine emotional positive Verbindung hatte.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • Ein Texteliebhaber freut sich vielleicht dann noch über einen schönen Text, den man vorlesen kann.
    Aber wenn der Tod nah ist, möchte man es vielleicht lieber tatsächlich einfacher haben: das jemand da ist, ruhig ist, Händchen hält und Frieden gibt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:



  • Weder Texte noch Bücher,
    sondern meine Hand !


    LG

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Ja, die Wirkung der Texte ist je nach Person anders und das was einem selbst gefällt oder helfen würde, würde jemand anderem nichts sagen.


    Ich habe meinem krebskranken Vater einige Auszüge aus dem Zhuangzi übers Leben und Tod und der Gleichheit der Dinge vorgelesen (Ein Tod ist nicht Erlebbbar, es gibt nur Leben), Verbindung mit der Natur usw....


    Jedoch hab ich meinem Vater diese Dinge auch erklärt, da diese Symbolsprache für viele schwierig ist.
    Dazu kommt der allgemeine Umgang mit dem Thema Sterben. Die Sichtweisen können sehr extrem sein/werden und für alle Sichten gibt es gute Begründungen z.B.


    - Tod ist ein friedlicher Zustand, nicht so schlimm > Wie kann man den Tod nur so verharmlosen, es ist der Verlust von allem und mit der Einstellung hat man sich schon aufgegeben.


    - Kämpfen, tue alles um am Leben zu bleiben > Der Tod ist trotzdem unausweichlich gerade der Buddhismus zeigt auf, den "Lebenswillen" verlöschen zu lassen und sich nicht krampfhaft dran festzubeißen.


    - Es gibt immer Hoffnung und Chancen, alles wird gut, Positives Denken > Verdrängung des Sterbens, letzte Dinge die erledigt werden wollen oder gesagt werden sollten werden verschoben, vielleicht bis es zu spät ist sie zu tun.....


    Es gibt noch mehr Sichtweisen, auch spirituelle. Ich fand noch keine Sichtweise die ohne negative Kritik da steht. Und es wird Problematisch wenn der Sterbende dann Dinge liest oder vorgelesen bekommt die seiner Sichtweise nicht entsprechen oder eher sehr kritisch mit dem Thema ist.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Aus all diesen Gründen habe ich wohl auch noch keinen geeigneten Text gefunden, was in Ordnung ist :)

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Jemandem einen Text zu geben, hat für mich auch einen leichten Hauch (wenn nicht eine starke "Fahne" :) ) nach "Guck mal hier, lies das, da weiß es jemand besser als Du" oder "Ich weiß es besser als Du" - muss ja nicht so gemeint sein und auch nicht so rüber kommen.
    Nur möcht ich hier noch den Aspekt mit einbringen, dass vielleicht nicht nur wir den Sterbenden etwas lehren können, sondern im Gegenteil, wir in aller Demut vom Sterbenden eine Lehrstunde bekommen können. Schließlich ist er uns auf der Zeitschiene gerade voraus...
    Genauso, wie man im Umgang mit Kindern eine Menge von dem Kind lernen kann, statt sich ununterbrochen als Erwachsener aufzuspielen, der die Welt erklärt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Geronimo:

    Jemandem der sich überhaupt nicht mit Buddhismus auskennt, oder sonstwie mit Spiritualität.


    Das kommt wohl darauf an, was der Sterbende haben will. Es gibt Menschen, die bis zum letzten Atemzug nichts von Spiritualität wissen wollen. Ich würde also den Text besorgen, den er haben will, oder einen gemäß seiner Einstellung empfehlen, soweit mir dazu einer bekannt ist.

  • Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Welche würdest du einem Lebenden geben?


    :)

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • nibbuti:
    Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Welche würdest du einem Lebenden geben?


    :)


    Ist fast genau die gleiche Frage :)

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Ein Sterbender = eine handvoll Tage/Stunden? oder Wochen/Monate? Wenn ein Sterbender tatsächlich lesen will, dann würde ich ihm das zu lesen geben was er will.

  • Andererseits, ist mir dazu noch eingefallen, wäre es wohl auch sinnvoll jemanden der nichts weiß von Spiritualität darauf hinzuweisen. Gerade in der höchsten Not ist man da empfänglich, und wenn noch genügend Zeit ist, kann eine Beschäftigung mit Weisheitslehren und Meditation wesentlich dazu beitragen, die Situation zu bewältigen. Darauf sollte man eigentlich aufmerksam machen, und wenn der Betreffende dafür offen ist , würde ich eine Einführung empfehlen, etwa "das Wort des Buddha" von Nyanatiloka, vielleicht das Sattipathana Sutta, und diverse Textstellen heraussuchen, die vom Tod handeln in Bezug zur Anattalehre. Auch die diesbezüglichen tibetischen Schriften könnten da helfen. Hm, man könnte eigentlich auch einé Art Totenbuch nach Texten aus dem Pali-Kanon zusammenstellen.

  • Ji'un Ken:
    Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Gar keine, ich würde mich selbst geben. Das ist alles , was ich habe. Und da wir letztendlich eins sind, bekommt er darüber auch sich selbst geschenkt.
    Geboren werden und sterben ist eine von vielen möglichen Sichtweisen.


    Danke, ein ganz Diamant-klares hochkarätiges, JA :D


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • mukti:

    Andererseits, ist mir dazu noch eingefallen, wäre es wohl auch sinnvoll jemanden der nichts weiß von Spiritualität darauf hinzuweisen. Gerade in der höchsten Not ist man da empfänglich, und wenn noch genügend Zeit ist, kann eine Beschäftigung mit Weisheitslehren und Meditation wesentlich dazu beitragen, die Situation zu bewältigen. Darauf sollte man eigentlich aufmerksam machen, und wenn der Betreffende dafür offen ist , würde ich eine Einführung empfehlen, etwa "das Wort des Buddha" von Nyanatiloka, vielleicht das Sattipathana Sutta, und diverse Textstellen heraussuchen, die vom Tod handeln in Bezug zur Anattalehre. Auch die diesbezüglichen tibetischen Schriften könnten da helfen. Hm, man könnte eigentlich auch einé Art Totenbuch nach Texten aus dem Pali-Kanon zusammenstellen.


    Immer, wenn jemand die Frage nach buddhistischer Missionierung stellt, wirft man sich in den Staub des "das tut der Buddhist nicht, höchstens auf Anfrage".
    Wenn es darum geht, den Löffel abzugeben (es gabg ja schon einmal so einen Thread), ist man allgemein hurtig dabei, die Lehre noch im letzten Moment an den-/diejenigen zu bringen.
    Das erinnert mich doch stark an das Prinzip der Not-Taufe. Die dazugehörigen Floskeln und Rituale fand ich damals im Gottesdienst immer am spannendsten im Gesangbuch nachzulesen…
    Die christliche Seele ist ja nun tendentiell verloren, wenn sie nicht richtig hinübergeht. War der Buddhist da nicht weiter?


    Darüber hinaus frage ich mich, ob diese Verkopplung (Sterben = da muss noch Buddhismus rein) nicht doch einen tiefen Blick auf das Heilslehrenpostulat wirft, dass eine Religion letztlich um die zwei Fragen "warum bin ich hier?" und "warum muss ich schon wieder gehen?" kreist. Da hatte ich mir mehr erhofft.


    Und – es wurde ja schon nach der voraussichtlichen Dauer des Sterbens gefragt – wenn die Rezeption des Buddhismus – wie meist postuliert – etwas mit intensiver Auseinandersetzung auf sprachlich/intelkektueller Ebene, der Praxis-Ebene der Meditation und der nicht-verbalisierbaren Einsichts-/Erkenntnisebene zu tun hat und die Zeitachsen dieser Prozesse in der Regel als eher lang angesehen werden – was will man erreichen, einen Crash-Kurs? Ist das nicht etwas schräges, wie die letzte Ölung (s.o.)? Ich würde mir etwas mehr Vertrauen in das Konzept der Zeitlosigkeit wünschen.
    Ich meine für mich ist das Ableben final, aber der Buddhist hat da doch eigentlich eine andere Auffassung?


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • Ji'un Ken:
    Geronimo:

    Welche Texte/Bücher würdet ihr einem Sterbenden geben?


    Gar keine, ich würde mich selbst geben. Das ist alles , was ich habe.


    Schon, aber ich kann ja nicht Tag und Nacht dabeisein.

  • malsehen


    Gibt es im Christentum eine genaue Beschreibung des Prozesses "Sterben" ? Im tibetischen Totenbuch gibt es die und wenn man ihr Glauben schenkt, dann kann da so einiges auf den Sterbenden zu kommen, das nicht angenehm ist.


    Vielleicht ist es ganz einfach unser Vertrauen, dass es so ablaufen wird, wie beschrieben, dass wir aus Mitgefühl versuchen, das Schlimmste zu verhindern.


  • Wenn man im Dhamma nur Religion sieht, die jetzt noch schnell reingeprügelt werden muss, dann bringt das sicherlich nichts.


    Aber wenn man im Dhamma die Naturgesetze sieht wie alles miteinander verknüpft ist, dann kann das nie der falsche Zeitpunkt sein diese jemandem Nahe zu bringen.


    Und da du die Zeit angesprochen hast. Ich kann mir vorstellen, das sich jemand der kurz vor dem Tod steht, in viel kürzerer Zeit auf das Dhamma einlassen kann, da er eben kurz davor steht alles loszulassen (alles loslassen zu müssen).
    Da Bedarf es dann nicht unbedingt jahrelanger Text-Studien und Meditation. Da kann dann schon einkurzes und intensives Gespräch, über die Welt, über Leben und Tod, reichen um Einsicht, Loslassen und Gleichmut zu erzeugen.
    Vielleicht geht dessen Einsicht in das Dhamma am Ende sogar noch weit über das des "Aufklärers" hinaus, aufgrund der besonderen Umstände.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha