Daseinsreste und Nirvana

  • Ich verstehe irgendwie nicht wie es ein "Nirwana mit einem Rest von Bezügen" geben kann, wo Nirwana doch den Zustand absoluter Befreiung bezeichnet. Nirwana mit einem Rest von Bezügen wäre dann doch eben Gerade-noch-nicht-Nirwana, oder?

  • Ich nehme mal an das das Nibbana erreicht ist aber es immer noch Bezüge geben muss, um die Sinnesbefriedigungen des Körpers der ja das Nibbana aufrecht erhält solange es noch kein Zerfallen gegeben hat. Auch Buddha musste essen, trinken, schlafen, sich bewegen, sich des Nibbana bewusst sein, um nicht eine Auswahl bei den Sinnesbefriedigungen des Körper zu treffen.

  • Ich verstehe irgendwie nicht wie es ein "Nirwana mit einem Rest von Bezügen" geben kann, wo Nirwana doch den Zustand absoluter Befreiung bezeichnet. Nirwana mit einem Rest von Bezügen wäre dann doch eben Gerade-noch-nicht-Nirwana, oder?

    Ich sehe das so: Nirvana bedeutet für mich "leer und anhaftungslos", dh. da sind noch Skandhas, aber eben keine Unwissenheit (darüber) mehr. Also ihm ist bewusst was da bedingt abläuft und ist nicht die Skandhas los, sondern einen bestimmten "Umgang" damit. Der "Weltling" hat auch Skandhas, aber er steigert sich da so halbbewusst rein (upadana-skandha, sh. erste edle Wahrheit), ohne das Wissen über die Bedingtheit. Also es geht imho eher um den Durst.

    Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die Unterscheidung verstehe.

    Nehmen wir doch mal die Rückenschmerzen des Buddha als Beispiel.

    Wäre er kein Buddha, sondern ein Weltling, würde er mit Aversion auf seine Rückenschmerzen reagieren.

    Ein Befreiter reagiert aber nicht mit Aversion oder Begehren, soweit ist es klar.

    Ein Befreiter mit Daseinsrest empfindet allerdings noch die körperlichen Schmerzen. Und er hat vermutlich darüber hinaus die Präferenz, keine Schmerzen zu haben. Denn die Schmerzen beeinträchtigen seine Unterrichtstätigkeit. Entsprechend ist überliefert, dass der Buddha in solchen Fällen die Fortsetzung des Unterrichts an einen fortgeschrittenen Schüler übergeben und sich hingelegt hat, was ja auch zweckmäßig ist.

    Was wäre dann ein Befreiter ohne Daseinsrest?

    Wie soll das überhaupt möglich sein? Es sind doch stets irgendwelche körperlichen Reaktionen da, sogar bei dem Buddha (siehe Rückenschmerzen).

  • Der Ausdruck "schon hier kühl werden" scheint darauf hinzudeuten, dass nicht Tote gemeint sind, sondern noch Lebende, bei denen aber das körpereigene Lust-Unlust-System sozusagen abgeschaltet ist.


    Das geht aber nur in bestimmten meditativen Versenkungszuständen (zeitweise!) oder in einer Art Wachkoma vielleicht.

  • Hmm... Sind diese "körpergefährdenden und lebensgefährdenden" Gefühle beim Sterben denn nicht üblicherweise mit unangenehmen Körperempfindungen verbunden?


    Wenn schon Rückenschmerzen (sogar für einen Buddha) unangenehm sind, wie unangenehm ist dann erst der Zerfall des Körpers beim Sterben. Zumindest solange das Nervensystem noch intakt genug ist, diese Empfindungen zu registrieren.


    Vielleicht gibt es direkt vor dem Tod einen vermutlich kurzen Moment, in dem ein Mensch noch lebt, aber nichts mehr empfindet.

    Meinst du, das ist gemeint, wenn von Nirvana ohne Daseinsrest die Rede ist?


    Erscheint etwas merkwürdig, für diesen kurzen Moment - falls es ihn gibt - den Begriff "Nirvana ohne Daseinsrest" zu reservieren.


    Die Unterscheidung und die Motivation dahinter bleibt mir weiterhin rätselhaft.

  • Es gibt ein Sutra, wo Buddha stirbt und gesagt wird, dass er ins Parinirvana eingeht. Der Begriff wurde aber nicht einheitlich verwendet. Einmal wird Parinirvana für vollkommene Erleuchtung im Sinne der Triebfreiheit im Leben benutzt und einmal als Begriff für das völlige Erlöschen eines Heiligen (den Tod).

    Das Konzept vom Parinirvana war mir schon immer etwas rätselhaft. Als Synonym für den körperlichen Tod eines Erleuchteten scheint es mir am meisten Sinn zu machen, da für die "vollkommene Erleuchtung im Sinne der Triebfreiheit im Leben" doch bereits Nirvana ein völlig hinreichender Begriff ist.

  • Die Unterscheidung und die Motivation dahinter bleibt mir weiterhin rätselhaft.

    Wenn ich so denken würde wie du, dann

    würde mir das auch rätselhaft sein.

    Nibbana ist Nibbana bzw. völlige Befreiung ist völlige Befreiung.

    Es gibt keine andere völlige Befreiung als völlige Befreiung ob mit

    oder ohne sog. Daseinsrest. Befreit ist eben befreit. Wie kann man

    nur denken es gäbe zwei verschiedene Nibbana?

    Ob da nun Nibbana bei Lebzeiten ist oder nicht:

    Nibbana ist immer Nibbana.

    Ob ein Gefühl auftritt das gewöhnlich als unangenehm und schmerzhaft

    bezeichnet wird oder ein Gefühl auftritt das gewöhnlich mit angenehm

    und freudig bezeichnet wird, so fühlt er es als ein Abgelöster der frei

    davon ist. Ein (solches) Gefühl dringt nicht in den Geist ein. Ein Befreiter

    ist ein Befreiter. Wer das nicht versteht, versteht die ganze Lehre nicht.

  • Ein Problem ist es ja das der normale Mensch dazu neigt

    von sich auf einen Befreiten zu schließen und das er sich

    sehr schwer tun sich vorzustellen das es auch ganz anders geht

    wie es z.B, im M152 beschrieben wird:


  • Es steht dort in dem Sutra, schau doch. Das hat sich Frieden-und-Freude nicht selber ausgedacht, es ist Thema des Threads.

    Der in den Sutten beschriebene Unterschied betrifft nicht unterschiedliche Befreiung

    sondern nur ob diese mit oder ohne Daseinsrest vorhanden ist. Die Befreiung (Nibbana)

    ist aber immer gleich, mit oder ohne Daseinsrest.

  • Zitat

    Zwei Arten des Nirvana gibt es. Welche zwei? Die Art des Nirvana mit Rest von Bezügen und die Art des Nirvana ohne einen Rest von Bezügen.Zitat

    ‘‘Dvemā, bhikkhave, nibbānadhātuyo. Katame dve? Saupādisesā ca nibbānadhātu, anupādisesā ca nibbānadhātu.

    Ich das wurde nicht bestritten, trotzdem gibt es nur eine Befreiung ein Nibbana mit

    oder ohne Daseinsrest.

  • Zitat

    Zwei Arten des Nirvana gibt es. Welche zwei? Die Art des Nirvana mit Rest von Bezügen und die Art des Nirvana ohne einen Rest von Bezügen.Zitat

    ‘‘Dvemā, bhikkhave, nibbānadhātuyo. Katame dve? Saupādisesā ca nibbānadhātu, anupādisesā ca nibbānadhātu.

    Ich das wurde nicht bestritten, trotzdem gibt es nur eine Befreiung ein Nibbana mit

    oder ohne Daseinsrest.

    Und was bedeutet das nun genau, was ist mit Rest gemeint, etwa wenn der Körper noch nicht gestorben ist? Ist das dieselbe Unterscheidung wie Nibbana und Parinibbana? Man hört ja auch öfter dass es Parinabbana auch zu Lebzeiten gibt :?

  • Zwei Arten des Nirvana gibt es. Welche zwei? Die Art des Nirvana mit Rest von Bezügen und die Art des Nirvana ohne einen Rest von Bezügen.

    Erstmal , Danke für das Teilen und die Mühen die du hier vollbringst.

    Gehe ich wohl recht der Annahme,

    Mag das Erstere mit dem Bodhisatta zu tun haben und das Zweite mit dem Buddha b.z.w. Thatagata ?


    _()_

    Ja, manchmal weiss ich nicht was ich über die Dinge denken soll und dann lass ich es. Und dann sind die Dinge so wie sie sind.

  • Und was bedeutet das nun genau, was ist mit Rest gemeint, etwa wenn der Körper noch nicht gestorben ist? Ist das dieselbe Unterscheidung wie Nibbana und Parinibbana? Man hört ja auch öfter dass es Parinabbana auch zu Lebzeiten gibt

    Ja genau so ist es. Parinibbana ist nur noch einmal eine zusätzliche Verstärkung, wie

    z.B. wenn da ein leerer Eimer ist und einer sagt "der Eimer ist leer" und ein anderer

    sagt "der Eimer ist vollständig leer". Leer ist aber leer. Es hat also nichts speziell

    mit vor oder nach dem körperlichen Tode zu tun. Aber ein Buddha ohne Daseinsrest

    könnte ja auch nicht mehr die Lehre lehren.

  • Gehe ich wohl recht der Annahme,

    Mag das Erstere mit dem Bodhisatta zu tun haben und das Zweite mit dem Buddha b.z.w. Thatagata ?

    Die Frage ist zwar an Spock gerichtet, aber ich glaube eher nicht dass es mit dem Bodhisatta zu tun hat. Der Begriff taucht im Palikanon immer nur im Zusammenhang mit dem Buddha auf als er noch am Weg war und noch nicht Nibbana erreicht hatte.

  • Parinibbana ist nur noch einmal eine zusätzliche Verstärkung, wie

    z.B. wenn da ein leerer Eimer ist und einer sagt "der Eimer ist leer" und ein anderer

    sagt "der Eimer ist vollständig leer". Leer ist aber leer. Es hat also nichts speziell

    mit vor oder nach dem körperlichen Tode zu tun. Aber ein Buddha ohne Daseinsrest

    könnte ja auch nicht mehr die Lehre lehren.

    Wozu dann diese Unterscheidung zwischen zwei Arten in einer Lehrrede, zwischen leer und vollständig leer ist ja nicht wirklich ein Unterschied. Könnte mir vorstellen dass Parinibbana bzw. "ohne Daseinsrest" zu Lebzeiten in tiefster Versenkung eintritt, wie auch nach dem Tod.



  • Der Punkt, den ich nicht verstehe:


    Der Ausdruck "Nirvana ohne Daseinsrest" bezieht sich in der von dir zitierten Lehrrede offenbar auf einen Zustand, in dem ein Mensch noch lebt, aber keine normalen körperlichen Empfindungen (Lust/Schmerz) mehr hat.


    Wenn deine Deutung richtig ist, bezieht sich das ausschließlich auf einen Zustand unmittelbar vor dem Tod.

    Da frage ich mich: Warum soll dieser Moment unmittelbar vor dem Tod so wichtig sein, um einen eigenen Fachterminus ("Nirvana ohne Daseinsrest") reserviert zu bekommen?


    Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass (soweit ich das beurteilen kann) manche Sterbeprozesse offenbar bis zum Tode mit körperlichem Leid verbunden sind.

    Das heißt, auch ein Arahant oder ein Buddha wird unter Umständen erst durch den physischen Tod von körperlichem Schmerz befreit sein.

  • Die Frage ist zwar an Spock gerichtet, aber ich glaube eher nicht dass es mit dem Bodhisatta zu tun hat. Der Begriff taucht im Palikanon immer nur im Zusammenhang mit dem Buddha auf als er noch am Weg war und noch nicht Nibbana erreicht hatte.

    Aha. Du meinst den Begriff "Bodhisatta" . Ich sollte mir mal den Begriff im Palikanon etwas näher anschauen. Dachte bis jetzt das der Bodhisattva so ne Art Verlöschen verwirklichte oder erreichte zumindest zu einem Grad .

    Ja, manchmal weiss ich nicht was ich über die Dinge denken soll und dann lass ich es. Und dann sind die Dinge so wie sie sind.

  • Wozu dann diese Unterscheidung zwischen zwei Arten in einer Lehrrede, zwischen leer und vollständig leer ist ja nicht wirklich ein Unterschied. Könnte mir vorstellen dass Parinibbana bzw. "ohne Daseinsrest" zu Lebzeiten in tiefster Versenkung eintritt, wie auch nach dem Tod.

    Genau, mit und ohne Daseinsrest gibt es ja. Aber Parinibbana ist aber wie nibbana und

    hat nichts mit Versenkung zu tun. Auch ist nach dem Tode bei einem Befreiten eigentlich

    kein Geist der in Versenkung ist.

  • Okay, jetzt verstehe ich den Kontext besser!

    In diesem Fall stimme ich dir zu, dass die Absicht hinter dem Begriff darin bestand, die Mönche in ihrem Sterbeprozess heilsam zu unterstützen.

    Das ist auch psychologisch nachvollziehbar, was der Buddha da macht: Er lenkt die Aufmerksamkeit der Sterbenden auf die Möglichkeit, dass das körperliche Leiden bereits beim Sterben und vor dem Tod verschwindet.

    Mögest du frei sein von Schmerzen!

    Das ist Karuna-Praxis, also Aufmerksamkeits-Fokussierung auf den Punkt der Befreiung von Leiden.


    In diesem Kontext erscheint mir dann die Verwendung des Ausdrucks "Nirvana ohne Daseinsrest" helfend-psychologisch motiviert, also rein ad hoc aus der Situation heraus, ohne inhaltlich-systematische Bedeutung.

  • Ich habe nach x Jahren Buddhaland ehrlich gesagt immer noch nicht herausgefunden ob der Begriff "Bodhisattva" einheitlich verwendet wird und wenn nicht, wo dort traditionsbedingt (Thera, Mahayana, Vajrayana) der/die Unterschied/e sind. :)

    Im PK ist es meines Wissens immer nur "der werdende Buddha". In einer seiner vorigen Leben hat er den Entschluss gefasst endgültige Erleuchtung zu erlangen, "ein Buddha zu werden", ich glaube das steht in den Jatakas. Ab da war er dann wohl ein Bodhissatva.

  • Also wesentlich klarer ist mir der Sinn dieser Lehhrede noch nicht geworden. Der Unterschied wird darin so beschrieben;


    "...wird er des Angenehmen und Unangenehmen inne, empfindet er Wohl und Wehe. Dessen Versiegung von Gier, Haß und Irre - das nennt man die Art von Nirvana mit einem Rest von Bezügen."


    "Wenn dessen gesamte Fühlbarkeit, an der er keinerlei Genügen mehr hat, schon hier kühl werden kann - dann nennt man das die Art von Nirvana ohne einen Rest von Bezügen."


    Was mag das bedeuten, die Fühlbarkeit ist kühl geworden - dass er nicht mehr Wohl und Wehe fühlt? MIt Daseinsrest fühlt er das noch, aber er hängt nicht dran?

  • Ich lese das so, dass bei Erstens die "Sucht" aufhört und bei Zweitens körperliche Funktionen nachlassen. Das "kühlwerden" verstehe ich hier als wörtlich, also physisch, nicht sinnbildlich im Sinne der Gemütsruhe (usw.).

    Hm, ist auch möglich. Eine Bedeutung von Nibbana ist allerdings "kühl", wohl nicht physisch gemeint. Wie auch immer, ich werde bei Gelegenheit mal einen Mönch fragen, wie diese Lehrrede traditionell im Theravada verstanden wird.

  • Hm, ist auch möglich. Eine Bedeutung von Nibbana ist allerdings "kühl", wohl nicht physisch gemeint. Wie auch immer, ich werde bei Gelegenheit mal einen Mönch fragen, wie diese Lehrrede traditionell im Theravada verstanden wird.

    Magst du das teilen, wenn du zu der Gelegenheit kommen solltest?

    Gerne, wird sich aber wahrscheinlich ein wenig hinziehen weil ich demnächst für sechs Wochen an einen Ort verreise, wo es keine Mönche gibt.

  • Hm, ist auch möglich. Eine Bedeutung von Nibbana ist allerdings "kühl", wohl nicht physisch gemeint. Wie auch immer, ich werde bei Gelegenheit mal einen Mönch fragen, wie diese Lehrrede traditionell im Theravada verstanden wird.

    Irgendwie würde mich das wundern.