"Alle Dinge sind Nicht-Selbst." - Was ist dann Selbst ?

  • Ja genau, das kommt drauf an, was man unter "Wirklichkeit" versteht. Samsara ist verschieden von Nibbana. Ich finde es irreführend von zwei gleichen Sachen (indem man einen gemeinsamen Begriff Wirklichkeit verwendet) zu sprechen, die in einer Eigenschaft verschieden wären. Also eine Wirklichkeit so und daneben eine weitere Wirklichkeit so.


    Es hat seinen Grund, warum ausgehend von dem, was ist (Dasein) gesprochen wird und konsequent davon gesprochen wird, dass Abwesenheit/schrittweise Ablösung davon möglich ist.


    Das höchste Ziel, das Höchste, das Erhabenes, solche positiven Wendungen kenne ich.


    Zitat

    »Es gibt, ihr Mönche, ein Bereich, wo weder Festes noch Flüssiges ist, weder Hitze noch Bewegung, weder diese Welt noch jene Welt, weder Sonne noch Mond. Das, ihr Mönche, nenne ich weder ein Kommen, noch ein Gehen, noch ein Stillestehen, weder ein Geborenwerden, noch ein Sterben. Es ist ohne jede Grundlage, ohne Entwicklung, ohne Stützpunkt: das eben ist das Ende des Leidens.« (Ud.VIII.3).


    Den Begriff "Wirklichkeit" finde ich im Palikanon zB hier:


    Zitat

    1. So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene zu Sāvatthī, im Jeta-Hain, im Kloster des Anāthapindika.


    2. Dort wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche!" - "Ja, o Herr", antworteten jene Mönche dem Erhabenen. Der Erhabene nun sprach also:


    3. "Entfaltet Sammlung, ihr Mönche! Geistig gesammelt, ihr Mönche, erkennt der Mönch der Wirklichkeit gemäß.


    4. Was nun erkennt er der Wirklichkeit gemäß? - Der Körperlichkeit Entstehung und Ende, des Gefühls Entstehung und Ende, der Wahrnehmung Entstehung und Ende, der Gestaltungen Entstehung und Ende, des Bewusstseins Entstehung und Ende.


    5. Was nun, ihr Mönche, ist der Körperlichkeit Entstehung, des Gefühls Entstehung, der Wahrnehmung Entstehung, der Gestaltungen Entstehung, des Bewusstseins Entstehung?


    6. Da, ihr Mönche, ergötzt man sich, heißt es willkommen, ist zugeneigt. Woran ergötzt man sich, was heißt man willkommen, wem ist man zugeneigt?


    7. An der Körperlichkeit ergötzt man sich, sie heißt man willkommen, ihr ist man zugeneigt. Dem, der sich an der Körperlichkeit ergötzt, sie willkommen heißt, ihr zugeneigt ist, entsteht Ergötzen. Was da nun Ergötzen an der Körperlichkeit ist, das ist das Anhangen (upādāna).Durch dieses Anhangen bedingt ist Dasein; durch Dasein bedingt ist Geburt; durch Geburt bedingt ist Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. So kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensfülle.


    8.-11. Am Gefühl - an der Wahrnehmung - an den Gestaltungen - am Bewusstsein ergötzt man sich... (wie oben).


    12. Dies, ihr Mönche, ist der Körperlichkeit Entstehung, des Gefühls Entstehung, der Wahrnehmung Entstehung, der Gestaltungen Entstehung, des Bewusstseins Entstehung.


    13. Was nun, ihr Mönche, ist der Körperlichkeit Ende, des Gefühls Ende, der Wahrnehmung Ende, der Gestaltungen Ende, des Bewusstseins Ende?


    14. Da ergötzt man sich nicht an der Körperlichkeit, heißt sie nicht willkommen, ist ihr nicht zugeneigt. Dem, der sich nicht an der Körperlichkeit ergötzt, sie nicht willkommen heißt, ihr nicht zugeneigt ist: was da Ergötzen an der Körperlichkeit ist, das kommt zur Aufhebung. Durch Aufhebung des Ergötzens kommt es zur Aufhebung des Daseins, durch Aufhebung des Daseins kommt es zur Aufhebung der Geburt, durch Aufhebung der Geburt kommt es zur Aufhebung von Altern und Sterben, von Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. So kommt es zur Aufhebung dieser ganzen Leidensfülle.


    15.-18. Da ergötzt man sich nicht am Gefühl - an der Wahrnehmung- an den Gestaltungen - am Bewusstsein... (wie oben).


    19. Dies, ihr Mönche, ist der Körperlichkeit Ende, des Gefühls Ende, der Wahrnehmung Ende, der Gestaltungen Ende, des Bewusstseins Ende."


    Samyutta Nikaya 22.01-11


    Da wird nicht gesagt, dass Samsara die eine Wirklichkeit wäre und Nibbana eine andere. Da kann man der Wirklichkeit gemäss, und damit auch, dass Nibbana möglich ist, erkennen.


    Verstehen tut man ja zumeist bedingt, und so bedingt versteht man auch eine Wirklichkeit, die so oder so wäre. Richtig über das Dasein zu sprechen heisst für mich zB , dass man über die Daseinsmerkmale und bedingtes Entstehen spricht. Damit spricht man automatisch auch davon, dass NichtWissen überwunden werden kann, also man spricht damit auch von der Möglichkeit Nibbana. Was ich damit sagen will: man spricht über eine Sache Wirklichkeit, und nicht zwei.

  • 3. "Entfaltet Sammlung, ihr Mönche!

    Geistig gesammelt, ihr Mönche, erkennt der Mönch der Wirklichkeit gemäß.

    Samādhiṃ bhikkhave, bhāvetha.

    Samāhito bhikkhave, bhikkhu yathābhūtaṃ pajānāti.

  • Den Begriff "Wirklichkeit" finde ich im Palikanon zB hier:

    Um nochmal auf den Begriff der Wirklichkeit (yathābhūtaṃ = auch mit

    "der Wahrheit gemäß" übersetzt ) in dieser Lehrrede zurück zu kommen,

    so ist hier nicht von einer höheren oder niederen Wirklichkeit die Rede.

    Das Wort wird eigentlich nur zur Bekräftigung eingesetzt indem gesagt wird,

    das der gesammelte Geist das sieht was immer schon da ist, vom zerstreuten

    Geist, entgegen der richtigen Betrachtung aber nicht beachtet wird.

  • So ist es.


    Schon der engl. Philosoph John Locke im 17.Jh. hat gelehrt, dass die meisten Kontroversen in der Philosophie und anderswo dadurch entstehen und aufrecht erhalten werden, weil die debattierenden Personen abstrakte Begriffe anders verstehen, anders auslegen, ihnen einen etwas anderen konkreten Inhalt geben. Substanz, Gott, Seele, Bewusstsein, Wirklichkeit, usw.

    Und dann streiten sie bis an ihr Lebensende darüber.

    Weil sie sich nicht auf eine gemeinsame genaue Definition ihrer Begriffe einigen.


    Wenn nun im Text ("Die 2 Wirklichkeiten, Prof. Dr. Helmut Tauscher, Uni Wien) steht:

    "Der Buddha hat gelehrt, daß die erscheinende Welt nichtig ist, wertlos .....usw."

    kommt es darauf an was man unter "nichtig" versteht.

    Liest man den ganzen Text (nicht aus dem Kontext gerissen) von einem Autor, so wird es einem vielleicht klar, was er meint, und man könnte dann zustimmen.

    Ich jedenfalls stimme dem Adjektiv "nichtig" auch jetzt schon zu. Nichtig bedeutet für mich nicht "da ist nichts", oder "das ist eigentlich ganz anders", oder "nichts Wirkliches" sondern es ist nicht viel wert, nicht der Mühe wert, die wir und geben, wenn wir etwas "Weltliches" erreichen wollen, was die Weltlinge halt für so toll halten.

    :rainbow: