Welchen Ruf genießt Thich Nhat Hanh unter Buddhisten?

  • Ich finde es recht bezeichnend, wenn in manchen Gegenden (auch Deutschlands) Gerichtssäle und insbesondere auch Räume in Erziehungseinrichtungen (Kindergärten, Schulen ...) mit der möglichst lebensnahen Darstellung eines grausam (kreuzigen war eine besonders unschöne weil langwierige Hinrichtungsmethode) zu Tode Gefolterten *geschmückt* wird. Adäquater ikonischer Ausdruck der Drohbotschaft. Da lernt man doch wenigstens von klein auf Respekt ...


    Spass beiseite, solche subtilen Werkzeuge psychischer Deformation im öffentlichen Raum sind nicht wirklich lustig. Aber es ist immerhin ein sehr bezeichnendes Zeichen (sic) für die Art, wie das Christentum auf das existenzielle problem duhkha antwortete: mit einem Leidenskult. Das Leiden ist - gütiger, verzeihender Gott hin oder her - nicht mal selbst verschuldet, wie es die frechen Buddhisten behaupten. Es ist geerbt und wir hatten und haben keine Chance, das Erbe auszuschlagen. Eine Macke in der Schöpfung, da kann man nix machen. Also echt jetzt - wie kann man einem Geschöpf freien Willen zugestehen ohne vorherzusehen, dass es versuchen wird, herauszufinden, was es damit anfangen kann? Dazu muss man doch nicht mal allwissend sein. Verbot der Erkenntnis von 'gut' und 'böse' - und dann erwarten, dass ein Geschöpf, das ja, bevor es durch Übertreten des Verbots zu dieser Erkenntnis gelangen kann, gar nicht weiss, dass das Übertreten des Verbotes 'böse' ist, sich daran hält. Also - ich vermag da einen Denkfehler zu erkennen. Den die Schöpfung 'Mensch' dann ausbaden durfte, wegen 'Erbsünde' und so ... Irgendwie hört sich das für mich nach einem ähnlich fiesen Spielchen an wie das, was Gott mit Hiob treibt. Ein Testfall, wie 'ne Laborratte.


    Bis sich dann Gott erbarmte und die Schuld abbüßen ließ oder selbst abbüßte, indem er sich selbst als Sohn inkarnierte oder so - die Christologen sind da bemerkenswert uneins und man hat sich über diese Fragen nicht nur metaphorisch wechselseitig die Köpfe eingeschlagen. Jedenfalls - keine Sünde ohne Buße, und die musste nun Jesus stellvertretend ableisten. Wenn der Schuldner Jesus und der Gläubiger Gott eins sind, ist das wenigstens keine übertriebene Zumutung. Aber irgendwie hatte Jesus schon die Arschkarte gezogen, finde ich ... Da hat er wenigstens etwas kultisches Brimborium aus Dankbarkeit verdient - die Leiden, die er auf sich genommen hat, hätten ja sonst uns gedroht. Ohne Wiederauferstehung, ewig. Das Leiden des Opfers (Götter leben bekanntlich von Opfern) Jesus, das er stellvertretend für uns auf sich genommen hat, möglichst drastisch darzustellen, weckt profitable Dankbarkeit für solche Gnade.


    Wobei man nach Freud kaum den sublim masochistischen Charakter dieser Opfer- und Leidensreligion übersehen kann. Ihr zentrales Motiv ist durch Opferung abgewendete Strafe für eine ererbte Sünde. Praktischerweise gibt es einen Stellvertreter, der die Schuld großzügig als Opferlamm auf sich nimmt.


    Dumm nur, dass sich durch das Opfer ja so direkt nix geändert hat. Die paradiesischen Zeiten (die man ursprünglich noch zu Lebzeiten zumindest einiger von Jeschuas direkten Schülern erwartete) blieben aus. Am Leiden hat sich bei nüchternem Blick eigentlich nichts geändert. Wir haben nur die Gewissheit, dass es nach dem Tod (wann, ist unter den Fachleuten auch umstritten) alles ganz anders wird - und zwar besser, um nicht zu sagen optimal. Wenn wir es ganz fest glauben und nur dann.


    Wenn einem das jemand abkauft, dann hat der wenigstens keine Gelegenheit mehr zur Reklamation.

    OM MONEY PAYME HUNG

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  • Hendrik

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    • Offizieller Beitrag

    Dies ist ein Thread über TNH. Können wir bitte Diskussionen über das Christentum im Bereich für den Dialog mit anderen Religionen führen. Das wäre schön.

  • Dies ist ein Thread über TNH. Können wir bitte Diskussionen über das Christentum im Bereich für den Dialog mit anderen Religionen führen. Das wäre schön.

    Der TNH ist übrigens ein leichter Kampfpanzer aus der Tschechoslowakei.

    :zen:

  • Um zum Thema zurückzukehren, TNH ist ja mittlerweile verstorben. Aber insgesamt scheint es mit plum village weiterzugehen. Ich benutze die plum village App für geführte Meditationen (leider nur englisch aber ok für mich).

  • Ich möchte versuchen, zusammenfassen, was auf dem Asso-Blog behauptet wird, und dabei auch einiges "korrigieren", was hier dazu gesagt wurde. M.E. gibt es freilich in dieser umfassenden Form niemanden sonst, der TNH derart vernichtend kritisiert. Es gibt sogar Zen-Lehrer wie Soen Nakagawa, die ihn ausdrücklich empfahlen.


    1) Es wird (u.a. auch von Buddhologen wie Charles Prebish) die Authorisierung von TNH als Thien-Meister angezweifelt (diese gibt es auch im vietnamesichen Buddhismus, ich habe selbst in den 90ern Thien-Klöster aufgesucht). TNH hat das mit maschinengeschriebenen Gatha zu beweisen gesucht.


    2) Es wird aufgezeigt, dass TNH während des Vietnamkriegs eine gewalt-bejahende Phase hatte. Zum einen hatte der CIA ihn als Einflüsterer eines militant Widerstand leistenden vietn. Mönchs beschrieben. Zum anderen gab es aus seiner Sangha eine Nonne, die sich selbst verbrannte, was offensichtlich als Protestform für TNH okay war. Aus den unter 4) genannten Kreisen war jedoch zu vernehmen, dass zumindest einige der sich angeblich selbst verbrennenden Ordinierten tatsächlich unter Drogen gesetzt worden und Opfer kommunistischer Propaganda und des Geheimdienstes waren.


    3) Der (verstorbene) Millionenspender, der zeitnah von TNH den Titel acarya verliehen bekam, war deutschsprachig (Genpo Döring und andere aus der DBU kennen den Fall), ich habe den Namen vergessen, dies wurde damals auf der Zenforum-Mailingliste verhandelt und ein TNH-Anhänger reagierte ziemlich angepisst.


    4) Aus der vietnamesichen Gemeinde gibt es schwerwiegende Vorwürfe, die ein Rechercheprojekt in Vietnam erhärten sollte, dass die Robert Bosch Stiftung leider nicht unterstützte, u.a.: a) die Verwicklung von Mönchen in das Massaker von Hue (aufgebracht vom dortigen ehemaligen Polizeichef in einem in den USA auf Vietnamesich veröffentlichten Buch); b) TNH sollte mit Chan Khong, seiner Gefährtin, ein Kind in Vietnam haben (das ist zwar an sich alles andere als verwerflich, aber die Heuchelei wäre es).


    5) TNH hat, wie erst kürzlich ein Zeuge berichtete, Anhängern erst nach jahrelanger Teilnahme an seinen Retreats und Leben in der Gemeinschaft die Ordination bewilligt, selbst die von Laien war mit derartigen Hürden versehen; dies ist nur ein Beispiel - neben seiner Umformulierung von Regeln -, dass er sein eigenes Ding machte, seine eigene "Sekte". Auch seine Ordination von Chan Khong war nicht regelkonform, da es einen Orden gab, der die Bedingungen dafür erfüllte (etwa auf Taiwan).


    6) TNH hat dualistisch gelehrt (Paradebeispiel ist seine Warnung vor dem Fernsehen, sein Unverständnis gegenüber der Rolle von Soldaten usw.), ohne darüber entsprechend zu reflektieren, In seinen Büchern hat er oft nur sich selbst zitiert (ähnlich auch die von seinen Anhängern wild verteidigten Wikipedia-Einträge, deren Quellen sich meist auf die immer gleichen Legenden zurückführen lassen).


    7) TNH ging nicht nach Vietnam, sondern wurde gegangen. Sein Zustand nach dem Hirnschlag war: geistig erledigt. Alles andere war Propaganda von Plumvillage, und genau daran konnte man das Verkleistern und Verschönern dieser Gemeinschaft erkennen.


    8) Buchproduktion und Immobilienerwerb der Gemeinschaft haben für Millionenumsätze gesorgt; dennoch sind die Ländereien nicht unbedingt im Besitz der Gemeinschaft, sondern teils auch im Besitz Einzelner (vorwiegend - oder gar ausschließlich (?) - von Vietnamesen).


    9) TNH zeigte ein etwas wahnhaft verzerrtes Selbstbild, als er etwa George Bush mit einem Brief zu erreichen suchte. Er predigte zwar den umweltbewussten Verzicht, jettete aber permanent durch die Welt und hatte selbst einen üblen CO2-Abdruck.


    10) Es gibt konkurrierende Thien-Schulen in Vietnam, es wird auch noch Koanschulung etc. praktiziert, hier im Buddhaland war mal jemand, der für diese andere wohl zumindest in Berlin aktive Richtung warb ("Bambusschule").


    Im Einzelnen wurden dann Textpassagen und auch Mimik von TNH und sogar Chan Khong bewertet, um aufzuzeigen, dass beide seichten Buddhismus lehren, unpassende Metaphern wählen oder sogar im Einzelfall "lügen". Auch ein frühes Buch von TNH zu einem Begründer des vietn. Buddhismus wurde genauer beleuchtet.


    M.E. handelt es sich um einen Glücksritter, der im Zuge der Proteste gegen den Vietnamkrieg, durch die Fürsprache von M. Luther King u.a. und das aufflammende Interesse an Zen ein Standing gewann, das er dann geschickt zu nutzen wusste. Nach Meinung von unter 4) genannten Vietnamesen war TNH selbst von kommunistischen Kadern geschult und in dieser Zeit der verlängerte Arm kommunistischer Interessen in Vietnam. Meines Erachtens ist der Wissensstand, den seine Bücher reflektieren (ich kenne einige, und in Thailand z.B. belegt er den größten Teil der buddhistischen Regale in Buchhandlungen, wo man auch immer mal wieder auf seine Ordinierten mit den Mützen trifft), von einem gewöhnlich ausgebildeten Mönch reproduzierbar und keine darüber hinaus gehende tiefere Erkenntnis oder "Erleuchtung" erkennbar.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Der (verstorbene) Millionenspender, der zeitnah von TNH den Titel acarya verliehen bekam, war deutschsprachig (Genpo Döring und andere aus der DBU kennen den Fall), ich habe den Namen vergessen

    Ergänzend: die Rede ist hier von Chân Pháp Nhãn oder Amoghavajra Karl Schmied (Link geht zur Webseite der von ihm gegründeten GAL). Was ich nicht bestätigen kann, ist ein Zusammenhang zwischen einer größeren Spende und dem Dharmācarya-Titel (der formalen Ermächtigung, den Dharma zu lehren). Ich kann es auch nicht bestreiten - ich weiss darüber schlicht nichts.


    Ich hatte Gelegenheit, ihm drei oder vier Mal zu begegnen und war von seiner Persönlichkeit durchaus positiv beeindruckt - wie man es bei jemandem, der einem ca. 20 Jahre Praxis voraus hat, durchaus auch sein darf (oder sollte). Wobei ich schon damals nicht so leicht zu beeindrucken war ...


    Die GAL wird übrigens seit seinem Tod 2006 von seiner 2005 von TNH zur Dharmācarya ernannten Witwe Ilona Schmied 'spirituell' geleitet (was auch immer das konkret heißen mag).

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Die Liste an Vorwürfen ist lang, viele Punkte klingen schon recht hingedeichselt, etwa zur Causa Schmied findet sich er sei '1984-88 Präsident der Deutschen Buddhistischen Union, seit 1995 Ehrenrat', ohne dabei gewesen zu sein klingt das nun nicht nach 'klarer Fall', usw.


    Alles in allem verliert die Zusammenstellung an Vorwürfen doch stark an Glaubwürdigkeit, vielleicht hätten weniger Punkte mit ausführlicherer Beweisführung mehr Eindruck gemacht?


    Und dann sind da noch die immer wiederkehrenden, teils in sich wiedersprüchlichen Vorwurfsmuster:


    • Da wird man zum einen dafür kritisiert, dass die Lehre zu verwestlicht sei, und dann auch wieder, dass zu viele Vietnamesen an den Schalthebeln sitzen würden.
    • Die Lehre sei zu vereinfacht, gleichzeitig prägt sie die Regale in einem buddhistischen Land wie Thailand.
    • Zuviel Kommerz (wie stellt man sich das vor, die Mönche und Nonnen aus Plum Village gehen morgens nach Ternac (499 Einwohner) um ihre Näpfe füllen zu lassen?
    • Brief an George Bush sei "wahnhaft verzerrtes Selbstbild", mal ehrlich, gibt es schlimmere Vergehen? Die wohl überwiegende Zahl offener Briefe wird ja auch letztlich nicht für den Adressaten, sondern für den öffentlichen Diskurs formuliert. Nun ja Briefe schreiben ist sei nicht ok, um die Welt jetten sei auch nicht okay. [Flugmeilen sammeln ist unter Buddhistischer Prominenz und unter westlichen Sinnsuchern nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal].
    • "TNH hat dualistisch gelehrt" kann man kritisieren, gibt aber genug dualistisch argumentierende Buddhisten, UND die Vorwürfe sind genauso dualistisch Streckenweise.


    Ein paar Punkte fallen unter die Kategorie 'jeder ist fehlbar' (sofern sie überhaupt stichhaltig sind, und von der Recherchegüte bin ich nicht unbedingt überzeugt).


    Spaßeshalber habe ich mir mal den vietnamesischen Artikel zu seiner Person angeschaut. https://vi-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Th%C3%ADch_Nhất_Hạnh?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp und auch hier nicht viel kontroverses zu finden. Man sollte ja fast erwarten dass in Vietnam es sogar ein offizielles Interesse gibt Religiöse Würdenträger zu diskreditieren. Kann natürlich auch sein dass die PR Abteilung von Plum Village den Artikel schreibt... Spannender dann ein verlinkter Artikel https://vi-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Vụ_mâu_thuẫn_ở_tu_viện_Bát_Nhã?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp hier


    Fazit: Finde Asso-Blog nun nicht besonders überzeugend, das ergibt sich daraus dass man den Eindruck gewinnt Asso-Blog habe so gut wie jeden Kritikpunkt dem er habhaft werden konnte zusammengetragen, einige Stichproben sind - wenn nachrecherchiert - nicht besonders stimmig oder erscheinen mir überspitzt dargestellt. Zusammen mit dem Fakt dass diese Kritik ziemlich isoliert ist (also nicht von vielen anderen geteilt wird) UND nicht von einem direkt betroffenen kommt (würde nun jemand sagen 'in plum village sind mir schreckliche dinge geschehen' wäre ich eher geneigt offen zuzuhören) mache ich mir diese Kritik nicht zu eigen.


    Ah, und Skandale im europäischen Thien gibts jedoch durchaus https://www.spiegel.de/spiegel…tigt-haben-a-1208571.html


    PS: Konsumiere durchaus Plum Village Literatur, etc, würde mich nun aber wirklich nicht als "Anhänger" bezeichnen, da betreibe ich eher Cherry-Picking.

  • Ah ich finde noch einen Punkt ganz spannend an der "Wie genuin ist TNH" Debatte. Mehrmals nun schon habe ich den Eindruck gewonnen, dass TNH gerade Zen-Anhänger irritiert und ich frage mich wieso. Ich bin nicht 'tief drin' in Zen Themen aber neben den Basics (Mindfulness, 4 edle Wahrheiten, 8facher Pfad) bezieht sich TNH eher auf Taixu und Yogacara und mischt eben noch Reines-Land Buddhismus und Pali-Kanon unter. Ich kann mir vorstellen, dass das auf jemanden der mit der Untermenge des japanischem Zen der in den Westen importiert wurde, etwas seltsam wirkt und eben auch Erwartungen verletzt, die etwa eine Ayya Khema nicht verletzen konnte weil da klar war, dass sie Theravada ist.

  • Ich denke Thich Nhat Han wäre eine interessante Person um eine gute Biographie zu verfassen. Gerade die koloniale Situation in Vietnam zwischen China und Amerika, Moderne und Tradition und die Rolle eines politisierte Buddhismus dazwischen. Und wie es ihm dann - erst mit einem Forschungsstipendium dann im Exil - in den Westen verschlug und er zu einer Symbolfigur fur den Kampf gegen den Vietnamkrieg wurde und dann mitten in den 68iger Taumel geriet - mit Martin Luther King, Hippies und spirituellen Aufbruch.


    Ich denke, positiv ausgedrückt hat TNH eine sehr integrative Rolle - er ist ein Brückenbauer, der unterschiedliche Elemente einander angenähert hat. Was man negativ als eine Art Doppeldeutigkeit/

    beschreiben kann.


    So wie der Begriff der Achtsamkeit (mindfullness) bei ihm gleichzeit an den buddhistischen Sati Begriff anknüpft aber eine Bedeutungserweiterung durchmacht, so dass er utopische emanzipatorischen, ökologischen Bedeutungen mit einschließt. Und gerade im Vergleich mit der Barschen Art des japanischen Zen etwas sanftes, hippiemäsiges einschließt. Aber jede Utopie hat ja - gerade weil es in ihr so eine Distanz zwischen Anspruch und Realität gibt - eine Tendenz zu verdrängen oder sogar zu kippen.


    Um die utopischen Orte wie plum Village realisieren zu können, braucht es , Geld und Leute die sich reinhängen und viel an Organisation. Es ist eine Leistung so etwas über Jahrzehnte am Laufen zu halten. Eine charismatische Gründergestalt kann sehr inspirierend wirken und für Reichweite sorgen aber wenn man alles zentral auf eine Person ( und ihr Vertrauten) auszurichtet, dann kann dies selbst wenn es sich um jemand prinzipiell wohlwollendes und offenes handelt zu problematischen Strukturen des Personenkults und der Ankapselung kommen, denen man aktiv entgegenwirken muß.


    TNH ist offenbar einer klassischen Versuchung vieler Führungs-persönlichkeiten erlegen, nach welcher diese weit entfernt von jedem Dialog auf Augenhöhe, nur mehr Jasager um sich her dulden. Menschen mit Einwänden, Bedenken oder Kritik, wenden sich ab und die Erneuerung, Bereicherung und Korrektur seiner Person und Bewegung wird immer unmöglicher. Franz-Johannes Litsch, langjähriger Schüler TNHs, ehemaliges Mitglied des Intersein-Ordens und Hauptvertreter des engagierten Buddhismus im deutschsprachigen Raum, sieht in ihm und seinem Orden schon lange „eine immer stärkere Tendenz zu pseudoharmonischem Sektierertum, zu kritikloser Schönfärberei und realitätsferner Selbstüberschätzung.“

    Anscheinend hat Bernhard Goebel das hier sogar 2011 in einem Thread "Sektierertum, Schönfärberei und Selbstüberschätzung" thematisiert.

  • Das "wie genuin" hat mich persönlich eigentlich wenig gestört, auch wenn ich es als etwas übergriffig empfunden habe, diese doch stark persönlich geprägte (um nicht zu sagen: neben der Spur liegende) Spielart des Thien als 'Zen' zu verkaufen. Das hat schon etwas von Etikettenschwindel und ich kann verstehen, wenn Leute, die in einer 'echten' (also japanischen) Zen-Tradition stehen, da verärgert reagieren. Zumal das unter dem Etikett dann schon ein wenig nach Wellness-Buddhismus ausschaut. Für einen gestandenen (oder gesetzten) Zennie ist das schon ehrenrührig ... ;)


    Aber okay; für mich fällt das gerade angesichts der Breitenwirkung noch unter upāya. Wobei Breitenwirkung unvermeidlich eine andere Sache ist als Tiefenwirkung - auch wenn beides einander nicht notwendig ausschließt. Dazu sollte man freilich auch diesen Buddha erschlagen können, sonst wird das nix. Die häufig zu beobachtende Neigung zu Schwärmerei bei seinen Verehrern und Verehrerinnen macht das nicht gerade einfacher.


    Dazu die Randbemerkung, dass ich seine kommentierte Übersetzung des Lām tế lục (oder zenniger: Rinzai Roku) nicht sonderlich interessant finde. Seine kommentierte Übersetzung des Anapanasati Sutta hingegen halte ich für eine prima Einsteigerlektüre in die Achtsamkeitsmeditation. Seine sonstigen Bücher - es sind wohl dieselben, die auch in Thailand so wohlfeil sind - kenne ich nicht. Ich habe mir sagen lassen - kennt man eins, kennt man alle. Ansonsten habe ich mir auch mal seine Neufassung des pratimokṣa angeschaut - aus Gründen, die ich in #35 näher erläutert habe. Das sind die Sachen, die mir bei ihm sauer aufgestoßen sind. Überführung von Dana in Privateigentum unter dauerhaftem Bruch der Vinaya-Gelübde. Und dann, dass er sich vom Regime in Hanoi hat missbrauchen lassen - gegen den ausdrücklichen Wunsch der verfolgten buddhistischen Opposition in Vietnam. Es ist nur ein subjektiver Eindruck, aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass man da persönliche Eitelkeit zu Manipulationszwecken ausgenutzt hat.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Bernhard Goebel kenne ich nicht, seine hier verlinkten Texte sind mir aber offengestanden nicht zugänglich, weil seine Bezüge verklausuliert oder nicht explizit genannt sind.


    Dazu die Randbemerkung, dass ich seine kommentierte Übersetzung des Lām tế lục (oder zenniger: Rinzai Roku) nicht sonderlich interessant finde. Seine kommentierte Übersetzung des Anapanasati Sutta hingegen halte ich für eine prima Einsteigerlektüre in die Achtsamkeitsmeditation. Seine sonstigen Bücher - es sind wohl dieselben, die auch in Thailand so wohlfeil sind - kenne ich nicht. Ich habe mir sagen lassen - kennt man eins, kennt man alle

    In den letzten Monaten habe ich einiges gelesen, manches Überblättert. Die kommentierte Ānāpānasatisutta fand ich als Einteiger sehr gut dargestellt. Und danach ist mir auch aufgefallen dass sich die Meditationen in der Wortwahl stellenweise wirklich auch auf die Sutta beziehen.


    "kennt man eins, kennt man alle" ist mir wirklich etwas zu platt. Gerade die Bücher auf die sich das bezieht sind ja aus Vorträgen entstanden (sicher auch aus Transkriptionen) und oft sind es dann eben auch Bücher darüber wie sich zentrale TNH Themen wie Mindfulness, Deep listening, Interbeing im Alltag üben lassen. Also ja, revolutionäres neues wird man nicht unbedingt erwarten aber wenn man sie in dem Tempo durchliest mit dem man sie durchlesen kann, gibts genug interessantes zu entdecken.


    Von Zen ist da eigentlich auch nie die Rede, am ehesten auf Buchdeckeln, Teasern und vielleicht noch wo auf der Website.

    Überführung von Dana in Privateigentum unter dauerhaftem Bruch der Vinaya-Gelübde. Und dann, dass er sich vom Regime in Hanoi hat missbrauchen lassen - gegen den ausdrücklichen Wunsch der verfolgten buddhistischen Opposition in Vietnam. Es ist nur ein subjektiver Eindruck, aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass man da persönliche Eitelkeit zu Manipulationszwecken ausgenutzt hat.


    Von allem genannten ist die Gründung von Kapitalgesellschaften (anstelle von Rechtsformen wie Verein / Stiftung) der valideste Kritikpunkt. Da würde ich schon mehrfach überlegen vor einer Spende. Ich bin sehr gespannt wie sustainable die Organisation ist über die nächsten Jahre.

  • Leonie: Danke für die Korrektur zu Nakagawa, ich dachte zwar an den richtigen, verwechselte aber die Namen.


    Pano: Ich stimme Sudhana zu, rund um TNH entstand "Etikettenschwindel". Die Frage, wie man eine solche Organisation am Laufen halten soll, stellt sich dann nicht, wenn man nicht geil darauf ist, eine eigene Sekte zu bilden. TNH hätte sich und eine Menge Leute allein mit seinen Bucheinnahmen durchfüttern können, im Theravada gibt es eine Tradition, in Hütten zu leben, dazu muss man nicht zig Immobilien und Ländereien erwerben. Hier ist also zunächst ein Profil von TNH zu erstellen, was könnte der für ein Mensch gewesen sein, welche Ambitionen hatte er, wieso musste er einen Haufen Anhänger um sich scharren? Und da ist eine Menge Ehrgeiz und Ego erkennbar, und ich sehe in dieser Hinsicht keine großen Berührungspunkte mit dem, wie ein buddhistischer Weg aussehen sollte ("kleine Brötchen backen").


    Seine frühe Auffälligkeit in militanten Mönchskreisen legt eine geistige Nähe zu den Kommunisten nahe, was erklären könnte, dass er in Vietnam selbst in Regierungskreisen noch eine gewisse Akzeptanz genoss, auch wenn man seine zunehmend kapitalischen Alleingänge wahrscheinlich weniger guthieß. Genau das müsste mal aufwändig recherchiert werden, dazu müsste ein Insider auspacken und Dokumente herbeibringen (wie etwa auch eine Geburtsurkunde des angeblichen Kindes). Für mich ist auch das Verhalten der Sangha-Leitung stimmig, etwa Ignorieren von Vorwürfen und Schönfärberei von Biografien, wie das von Kadern gelehrt wird und z.B. in China ebenfalls beobachtet werden kann. Das sind natürlich nur Indizien, die mal jemand erhärten sollte, und ich habe mir da auch mehr aus der vietnamesichen Community erwartet. Allerdings, wenn dort tatsächlich eine beträchtliche Zahl glaubt, die vietn. Äbte im Ausland seien überwiegend von der KP in Vietnam gesteuert, dann muss man erheblich Ängste unter den Exilanten befürchten, die mir gegenüber auch formuliert wurden (siehe: Entführung (!) durch vietn. Agenten ).


    Zu anderen Kritikpunkten: Dubiose Besitzverhältnisse haben nichts mit der Verwestlichung der Lehre zu tun, es ist auch nichts gegen eine verständliche Lehre zu sagen. Die Frage ist, was gelehrt wird. In einer Diskussion ist man regelmäßig dualistisch, es geht um Pro und Contra, aber wenn ich Menschen ernsthaft vom Fernsehen abrate oder den Verzicht predige und dann dauernd um die Welt jette, mache ich einen Dualismus in der Lehre auf, was etwas anderes ist. Ich erinnere mich an einen Besuch von TNH in China, den ein dortiger Mönch kommentierte: "Das ist kein Chan (Zen)." Aber Zen war in den 60ern viel angesagter als Theravada, wo sich TNH m.E. hätte einordnen sollen. Gerade wegen seiner Theravada-Lastigkeit ist er ja in Thailand beliebt. Abgesehen davon gibt es akademische Meinungen, dass Thien als Zen-Spielart vor hunderten Jahren in Vietnam ausgestorben ist, dass also niemand mehr wirklich eine ungebrochene Verbindung dazu behaupten kann, was die vielen Mischformen auch nahe legen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Einmal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Von Thich Nhat Hanh habe ich vor Jahren einen Vortrag in München gehört. Es war ein schöner, friedvoller Rahmen, Nonnen und Mönche haben Lieder gesungen.

    Mit seinen Büchern tue ich mich eher schwer, einige haben mich beeindruckt, mit anderen konnte ich nichts anfangen.

    Eine DVD von ihm über Gehmeditation finde ich sehr schön und (mindestens) ein Buch von ihm will ich noch lesen.