Soto-Zen: Kontemplation/analytische Vorgehensweisen beim Zazen?

  • Der Dialog findet sich im "Anweisungen an den Koch" - von Uchiyama kommentiert.

    Stimmt, ich erinnere mich. Uchiyama spricht auch darüber in Zen für Küche und Leben .


  • Die Antwort auf "Was ist dies?" ist hoffentlich kein kluger Einfall oder sonstiges, das sich in Worte fassen ließe.

    Nein. Es gibt darauf keine Antwort mit Worten.


    Aber ich frage mich, wie ich das dem Meister, wenn ich denn zum ersten Mal die Gelegenheit dazu bekäme, beantworten könnte, die Frage "Was ist dies?"

    Vielleicht kommt spontan eine Körperbewegung, eine Geste, eine Handlung, ein Laut. Gut, aber woher weiß der Meister, dass ich es nun so "durchdrungen" habe, dass er "zufrieden" sein kann und mir ein nächtes Koan gibt, weil dieses nun "abgeschlossen" ist? Das ist mir alles sehr rätselhaft...

    "Was ist dies?" ist kein Koan, das man beantwortet und dann ein für alle mal beiseite legt. Jetzt gibst du eine authentische, erschöpfende Antwort und im nächsten Moment ist die Frage schon wieder brandaktuell. Deswegen wird es auch als Lebenskoan bezeichnet. Für dasjenige, das den nächsten Augenblick erlebt, geht es beim "Was ist dies?" auch dann wieder genauso um Leben und Tod (im Sinne von erwacht oder verblendet). Deswegen werden alle sogenannten Nebenkoans letztendlich auch zum "Was ist dies?", denn alle zielen auf dasjenige, das schaut (hört, riecht, schmeckt, fühlt, denkt und bewusst ist).


    In der Koan-Schulung stehen dem Meister für die Prüfung seiner Schüler*innen Unmengen von Koans zur Verfügung. Es gibt sogenannte Anfängerkoans und Koans, die auf vershiedenste Weise schwerer zu durchdringen sind. Es gibt ganze Gruppen von Koans, die jeweils einen bestimmten Aspekt des Erwachens beleuchten oder auch eine bestimmte Form von Anhaftung oder Verblendung. Hast du ein Koan aus einer solchen Gruppe durchbrochen, wird der Meister dir i.d.R. andere Koans aus derselben Gruppe vorlegen, um deine Erkenntnis zu prüfen und dein Verständnis zu vertiefen. "Rätselhaft" ist dagegen mir, wie eine Meister*in beim Stillen Sitzen die Prüfung ihrer Schüler und Nachfolger vornimmt. (Das ist jetzt nicht als rhetorische Pointe zu verstehen, sondern als etwas, das mich tatsächlich schon lange interessiert).


    Wie Leonie weiter oben schrieb, kann und sollte eine Koan-Antwort mitunter auch durchaus in Form von Worten gegeben werden. Ein großer koreanischer Zen-Meister (Hae Am Sunim) pflegte seinen Schülern zu sagen: "Ich habe dir in Worten eine Frage vorgelegt - du solltest also auch in der Lage sein, sie in Worten zu beantworten!" Auch wenn die wahre Antwort nonverbal gegeben wird, ist sie doch keineswegs beliebig (so im Sinne von: "Ich mache einfach mal irgend eine verrückte Geste") sondern trifft immer genau auf den Punkt.


    Dennoch sind alle Koans so gestrickt, dass du sie vermittels dualistischem Denken nicht auflösen kannst, sondern nur über Soheits-Erfahrung. Angemessene, verbale Koanantworten sind also nicht solche, die das gedankliche Erfassen von etwas mit der Sache selbst verwechseln (wie wir es beim begrifflichen Denken normaler Weise permanent tun). Mal ein Beispiel: An einem heißen Tag irgendwo in der Wallachei triffst du auf einen völlig dehydrierten Wanderer. Du kannst ihm jetzt mit noch so treffenden Worten das Erlebnis vom Wassertrinken beschreiben - davon erlebt er nicht, wie Wasser schmeckt und seinen Durst löscht er schon gar nicht. Ihm aber mit Worten den Weg zum nächsten Wasserhahn zu weisen, wäre eine durchaus angemessene Antwort auf diesen Augenblick. Hast du selbst eine gefüllte Wasserflasche dabei, kannst du auch treffend auf nonverbale Weise Antwort geben. Nur solche wahren Antworten führten den Wanderer zum wahren Geschmack des Wassers und dazu, zum Wasser, das er trinkt, zu werden.


    So ist die Koan-Schulung. Eine Meister*in merkt halt sofort, wenn einer nur über das Wasser schwafelt.


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  • "Rätselhaft" ist dagegen mir, wie eine Meister*in beim Stillen Sitzen die Prüfung ihrer Schüler und Nachfolger vornimmt. (Das ist jetzt nicht als rhetorische Pointe zu verstehen, sondern als etwas, das mich tatsächlich schon lange interessiert).

    Legitime Fragen - ich dachte aber immer, dass es auch im Soto-Zen entweder teils Dokusans gibt oder auf jeden Fall aber regelmäßigen Austausch mit dem Lehrer/-in, so dass innerhalb von persönlichen Gesprächen dann eine Prüfung auf Reife und Verstehen erfolgen kann?


    Auf jeden Fall interessanter Input und gut zu lesender Post von dir! _()_

  • Wenn es so ist, dass ein Koan nicht mittels dualistischem Denken zu erfassen ist, gibt es auch keine Aufzeichnung irgendeines Koan. Dann ist die gesamte Koanarbeit nur ein geschicktes Mittel, das man auch weglassen kann und aufs Feldgehen und tausende Setzlinge pflanzen, dann hat man wenigstens irgendwann was im Magen. Die Arbeit die ganz wegen der Arbeit gemacht wird, ist dann wertvoller. Sich auch noch die "Zeit mit Koan" zu vertreiben, anstatt das zu tun, was jetzt wichtig ist, ist dann wirklich nur eine Anstrengung, die keinen Wert hat außer ein Ablenken von der Arbeit fürs Leben.

    Dann lieber Soto vor der Wand und die Welt/Geist und den Körper abfallen lassen.

  • Wenn es so ist, dass ein Koan nicht mittels dualistischem Denken zu erfassen ist, gibt es auch keine Aufzeichnung irgendeines Koan.

    Dogen hat ja auch 300 Koan gesammelt - das ist aber immer Sekundärliteratur. Allein von Bedeutung ist die Frage, die du dir selbst stellst und die dich vor die Wand bringt. Buddha hatte so eine Frage, Dogen hatte so eine und dieses ganze Koan-Studium ist uninteressant, wenn du dein Lebenskoan, deine Frage, nicht gefunden hast und sie nicht auflöst. Weil die chinesischen Meister das wussten, verbrannten sie gelegentlich die Sammlungen - aber das nützt ja nichts. Die Leute wollen lieber was zum Spielen und Ablenken. Und die Meister und Traditionen auch.

    :zen:

  • Wenn es so ist, dass ein Koan nicht mittels dualistischem Denken zu erfassen ist, gibt es auch keine Aufzeichnung irgendeines Koan. Dann ist die gesamte Koanarbeit nur ein geschicktes Mittel, das man auch weglassen kann und aufs Feldgehen und tausende Setzlinge pflanzen, dann hat man wenigstens irgendwann was im Magen. Die Arbeit die ganz wegen der Arbeit gemacht wird, ist dann wertvoller. Sich auch noch die "Zeit mit Koan" zu vertreiben, anstatt das zu tun, was jetzt wichtig ist, ist dann wirklich nur eine Anstrengung, die keinen Wert hat außer ein Ablenken von der Arbeit fürs Leben.

    Dann lieber Soto vor der Wand und die Welt/Geist und den Körper abfallen lassen.

    Was ist wertvoller, Koanpraxis oder Arbeit, die ganz wegen Arbeit gemacht wird? Wer mag, darf solchen Gedanken und dem Spiel des begrifflichen Denkens folgen. Den ganzen Rattenschwanz von Vorlieben, Abneigungen, bedingtem Enstehen und dem daraus erwachsenden Leiden gibt's gratis mit dazu.


    Deswegen ist die Koanfrage ja gerade eine, an der das dualistische Denken nicht andocken kann - wenn die Frage denn konsequent und konstant genug gestellt wird. Das ist so ein Augenblick, wo all deine Ängste da sind, Leiden, Verzweiflung an der Vergänglichkeit, alle Gefühle und alles wird im großen Zweifel des "Was ist dies?" in Frage gestellt. Es heißt nur genau solange "Was ist dies?" oder "Mu", solange du die Koanfrage in begrifflichem Denken verstehst. Gelingt es dir jedoch das begriffliche Denken in der ätzenden, alles zersetzenden (Koan-)Frage aufzulösen (loszulassen), dann trittst du in die nonverbale Hwadu-Praxis ein. Dann gibt es tatsächlich keine Aufzeichnungen der Koans mehr. In einem solchen namenlosen Zustand kannst du aufs Feld gehen und tausend Setzlinge pflanzen ohne je das Koan, das du selbst geworden bist, aus den Augen zu verlieren oder aus dem Herz.


    All dies gilt auch für die vielen Koans der Aufzeichnungen, denn sie sind nicht verschieden vom "Was ist dies?" und auch nicht verschieden von demjenigen, das sich die Frage stellt. Gerade weil es kein Koan gibt, wenn du es nicht erleuchtest, kann ein befreiter Mensch die vielen Koans als geschickte Mittel einsetzen, ohne von ihnen in den Dreck gezogen zu werden.


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  • In einem solchen namenlosen Zustand kannst du aufs Feld gehen und tausend Setzlinge pflanzen ohne je das Koan, das du selbst geworden bist, aus den Augen zu verlieren oder aus dem Herz.

    So wollte ich das verstanden wissen. Doch, natürlich ich wieder, wenn ich mich schon mit Koanarbeit beschäftigt habe und einfach nicht den verrückten Verstand weg bekomme, dann hilft genau diese Arbeit. Wasser holen, Holz hacken, Setzlinge setzen, Laub im anfangenden Herbst fegen, Wege mit dem Besen reinigen, die keinerlei Reinigung bedürfe.

    Klack, ein Stein gegen die Hütte, man endlich ist er weg der Koan. Schreck und Stille und noch ein Schreck STILLE!!

    Gedanke...Nein.. nicht füllen keine Verlangen nach nicht-Stille.. gehen, sitzen gehen...Still, nicht verlangen aushalten, nicht genießen, aushalten...

  • Wenn es so ist, dass ein Koan nicht mittels dualistischem Denken zu erfassen ist, gibt es auch keine Aufzeichnung irgendeines Koan. Dann ist die gesamte Koanarbeit nur ein geschicktes Mittel, das man auch weglassen kann und aufs Feldgehen und tausende Setzlinge pflanzen, dann hat man wenigstens irgendwann was im Magen. Die Arbeit die ganz wegen der Arbeit gemacht wird, ist dann wertvoller. Sich auch noch die "Zeit mit Koan" zu vertreiben, anstatt das zu tun, was jetzt wichtig ist, ist dann wirklich nur eine Anstrengung, die keinen Wert hat außer ein Ablenken von der Arbeit fürs Leben.

    Dann lieber Soto vor der Wand und die Welt/Geist und den Körper abfallen lassen.

    Auch heute noch meine Sicht.

  • Wenn es so ist, dass ein Koan nicht mittels dualistischem Denken zu erfassen ist, gibt es auch keine Aufzeichnung irgendeines Koan. Dann ist die gesamte Koanarbeit nur ein geschicktes Mittel, das man auch weglassen kann und aufs Feldgehen und tausende Setzlinge pflanzen, dann hat man wenigstens irgendwann was im Magen. Die Arbeit die ganz wegen der Arbeit gemacht wird, ist dann wertvoller. Sich auch noch die "Zeit mit Koan" zu vertreiben, anstatt das zu tun, was jetzt wichtig ist, ist dann wirklich nur eine Anstrengung, die keinen Wert hat außer ein Ablenken von der Arbeit fürs Leben.

    Dann lieber Soto vor der Wand und die Welt/Geist und den Körper abfallen lassen.

    Auch heute noch meine Sicht.

    Auch wenn du bei der Arbeit auf dem Feld bist oder gerade was kochst - ist das nichts anderes als vor der Wand sitzen und Körper-Geist abfallen lassen. Genauso ist das mit dem Koan-Studium: nichts anderes als die Arbeit in der einer ganz aufgeht.


    Es mag anfangs ein Mittel sein, um den Geist in eine Art Enge zu treiben und den Zweifel, den großen Zweifel aufsteigen zu lassen. Schon die Frage nach dem Sinn der Arbeit, wenn die Umstände deine Setzlinge auf dem Feld vernichtet haben und du nichts im Magen haben wirst, ist auch bloß ein Koan. Niemand, der ernsthaft Zen praktiziert, vertreibt sich die Zeit mit Koans. Es gibt nichts wichtigeres als das, was im gegenwärtigen Moment zu tun ist, ganz gleich, was es ist.

    :zen:

  • Auch wenn du bei der Arbeit auf dem Feld bist oder gerade was kochst - ist das nichts anderes als vor der Wand sitzen und Körper-Geist abfallen lassen. Genauso ist das mit dem Koan-Studium: nichts anderes als die Arbeit in der einer ganz aufgeht.

    Ja. Dann du bist der Koan selbst, diese Arbeit , dieses Feld, dieser Körper... usw...

    Keine Trennung, keine Dualität mehr.

    Nur das zählt, was im Monent ( wie von selbst) passiert ("auf-geht"), man sucht keinen Sinn mehr, man ist der Sinn selbst. ( des Koans, z.B.).

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Soto hats doch eigentlich gar nicht so mit Koans?

    Die Arbeit mit Koans fasste für mich Hisamatsu in seinem Grundkoan gut zusammen: Wenn alles, was du tust, nichts tut (nicht funktioniert), was tust du dann? ( “If, whatever you do, won’t do, what do you do?”)

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Besänftigt und gefasst

    Lasst uns erwachen zum wahren Selbst,

    Völlig Erbarmende werden,

    Völlig unsere Fähigkeiten nutzen,

    Wie immer es unserer Berufung entspricht;

    Das Leiden erkennen

    Von Mensch und Gesellschaft

    Und die Wurzel des Leidens;

    Die richtige Richtung erfassen,

    Wohin die Geschichte gehen soll.

    Wir reichen einander die Hände,

    Miteinander verwandt,

    Weit jenseits der Unterschiede

    Von Rasse, Nation und Klasse.

    Lasst uns voll Mitgefühl geloben,

    Dass wir unser tiefes Verlangen

    Nach Befreiung verwirklichen

    Und eine Welt gestalten,

    In der alle leben können

    In Wahrheit und Fülle.


    (Shin’ichi Hisamatsu 1889 – 1980)

    :zen:

  • Soto hats doch eigentlich gar nicht so mit Koans?

    Wie kommst Du denn auf die Idee? Die beiden wichtigsten japanischen Kōan - Sammlungen stammen von den Gründern der japanischen Sōtō - Tradition (Eihei Dōgens Kana Shōbōgenzō und Keizan Jōkins Denkōroku). Du meinst natürlich Kanna-Zen, die im Rinzai übliche Praxisform im Unterschied zum Mokushō - Zen, wie es im Sōtō üblich ist. Kōan sind jedoch ein deutlich weiteres Feld, ihr Nutzen als Werkzeug der Unterweisung ist nicht auf die 'Technik' des Kanna - Zen beschränkt.


    Wobei man das Zazen der Sōtō - Tradition durchaus auch als eine spezielle Form der Kōan - Übung verstehen kann; als Durchdringen des sich in den 'zehntausend Dingen' selbst präsentierenden Kōan (Genjōkōan). Man geht freilich nicht mit Hakuins Methode des 'Großen Zweifels' damit um, sondern etwas gelassener ... ;)

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Mein erstes Buch von Dogen war, eines das ich für Das Shobogenzo gehalten habe, die Sammlung der Koans, die Dogen benutzte. Viel später hab ich zu weiteren Texten Zugang genommen und festgestellt, dass sie alle diese Koans in Betrachtungen verpackten.

    Ohne Zazen, nach Zazen haben sie wenig Kraft. Im Rinzai ist es nicht anders.

  • @ Leonie, das ist ein wunderschönes Gedicht, danke für Das Teilen. :)


    Der Weise, der, auf Sittlichkeit gestützt,

    Den Geist entfaltet, sich in Weisheit übt,

    Ein solch entschlossener und weiser Jünger

    Mag dieses Lebens Wirrsal einst entwirren.


    (Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya).

  • Zitat

    Die beiden wichtigsten japanischen Kōan - Sammlungen stammen von den Gründern der japanischen Sōtō - Tradition (Eihei Dōgens Kana Shōbōgenzō und Keizan Jōkins Denkōroku).

    In der Soto-Schulung spielt Dogens Koan-Sammlung eine geringe Rolle. Bedeutsamer in der Praxis des japanischen Zen dürfte die Rinzai-Sammlung Shûmon Kattôshû und das Tetteki Tôsui des Soto-Meisters Genrô Ôryû aus dem 17. und 18. Jahrhundert sein.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)