Gewaltrechtfertigungen im Buddhismus

  • Hmm, ich habe mal eine ambitionierte Diskussion in dem "usenet"-forum de.soc.w.buddhismus geführt, und wegen meiner Erfahrung mit dieser Diskussion eine Kompilation der (relevanten) Beiträge als pdf erzeugt. Ich denke man findet sicherlich "über den Tag hinaus" interessante Gedanken ...Helgo-webspace:"Töten im Buddhismus" (pdf) (2007 - das ist schon lange her und ich bin ein bißchen müde - ggflls werde ich mich nicht nochmal involvieren...)

  • Buddhismus und Gewalt
    "Ebenso wie in europäischen Gesellschaften stellt auch in asiatischen Gesellschaften die Religion lediglich eine von mehreren Optionen dar, ...
    zensplitter.blogspot.com

    - die dort ursprünglich verlinkte Ausgabe 11.2 der Zeitschrift für Religionswissenschaft ist allerdings leider mittlerweile komplett hinter Paywall.

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  • Hmm, ich habe mal eine ambitionierte Diskussion in dem "usenet"-forum de.soc.w.buddhismus geführt

    Ach ja, der gute GuiDo und sein Tathagathagarbha-Buddhismus. Wobei die Icchantika - Diskussion einen interessanten Vorläufer in China hatte - da war die da aufgerührte Geschichte mit den icchantika jedenfalls schon zu Beginn des 4. Jahrhunderts geklärt. Wie auch immer, auch der Name des Hauptgesprächspartners ist mir aus der Buddhismus - Mailingliste bekannt :) ...

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  • Buddhismus - Mailingliste bekannt

    ... jetzt machste mich ja neugierig. Geht das auch andersrum? Ich hab noch das gesamte Archiv... Gib doch mal einen Tip :)

  • Besser finde ich es, nicht zu fragen oder zu sagen wie andere Menschen Gewalt rechtfertigen, denn das ist ja mit der hypothetischen Person Buddhismus gemeint, sondern auf sich selbst zu schauen.


    Da kann man Rechtfertigungen für Gewalt am besten erkennen und darüber mal meditieren, damit sich illusionierende Gedanken legen.

  • Besser finde ich es, nicht zu fragen oder zu sagen wie andere Menschen Gewalt rechtfertigen, denn das ist ja mit der hypothetischen Person Buddhismus gemeint, sondern auf sich selbst zu schauen.


    Da kann man Rechtfertigungen für Gewalt am besten erkennen und darüber mal meditieren, damit sich illusionierende Gedanken legen.

    Das Rechtfertigen von Gewalt:

    Mein Rechtfertigen meines Verstoßes gegen die Sila ist der Versuch, einen bewussten Verstoß gegen die Sila, zu relativieren.

    Umwege, Ausreden, Rechte zu finden, die den Verstoß als berechtigt erklären.


    Ich habe genommen, was nicht gegeben wurde (Gewalt) und finde Ausreden, die mein Tun begründen. Bekomme ich nur in einem meine Punkte Recht, bin ich aus dem Schneider. Mein Verstoß wird nicht sanktioniert. Das war das Ziel der Rechtfertigung meiner Gewalt.


    Die Aufgabe aller Anwälte ist genau dieses Recht geben für Gewalt aus Urteilen zu finden, damit der zu Verteidigende nicht sanktioniert wird oder wenigstens nicht so wie das Gesetz es vorschreibt.


    Geschwister streiten sich um ein Spielzeug, das eindeutig einem Geschwister gehört. Das Nehmende, dessen das nicht gegeben wurde, findet Ausreden seiner Handlung.


    Wenn dann ein Eltern nur einmal entscheidet, dass das besitzende Geschwister seinen Besitz zu teilen hat oder weil es das Ältere ist doch nachgeben soll, wird das Wegnehmende immer wieder wegnehmen, weil es sicher ist nicht sanktioniert zu werden. Wird es doch sanktioniert, wird es die Waffe des ersten Sieges verwenden und die Eltern mit ihrer vormaligen Entscheidung unter moralischen Druck setzten. „Da musste es teilen oder nachgeben!“


    Die Gewalt des einen wird immer wieder ausgeübt und die Rechtfertigungen immer ausgefeilter. Lässt eine Gesellschaft das zu, verliert der Begriff Gerechtigkeit seinen Wert und wird zu Recht haben und Recht bekommen verunstaltet.

  • Besser finde ich es, nicht zu fragen oder zu sagen wie andere Menschen Gewalt rechtfertigen, denn das ist ja mit der hypothetischen Person Buddhismus gemeint, sondern auf sich selbst zu schauen.


    Da kann man Rechtfertigungen für Gewalt am besten erkennen und darüber mal meditieren, damit sich illusionierende Gedanken legen.

    Warum entweder oder?


    Wertvoll ist doch sowohl die Selbstbeobachtung als auch in den Spiegel schauen, wenn jemand nervt, "von außen" ist manchmal anderes sichtbar als von innen, als auch gute Handlungsmethoden lernen, um nicht schweigend daneben zu stehen, wenn Gewalt passiert.

  • Besser finde ich es, nicht zu fragen oder zu sagen wie andere Menschen Gewalt rechtfertigen, denn das ist ja mit der hypothetischen Person Buddhismus gemeint, sondern auf sich selbst zu schauen.


    Da kann man Rechtfertigungen für Gewalt am besten erkennen und darüber mal meditieren, damit sich illusionierende Gedanken legen.

    Warum entweder oder?


    Ich glaube die entweder oder Frage stellst du eigentlich dir selbst. Ich schrieb nur davon was ich besser finde.


    wenn jemand nervt,


    Weil man ja so einen Satz auch schon als eine Art von Gewalt gegen andere oder das eigene Gemüt sehen kann.

  • Nein, ich habe meine Meinung dazu, im Schweigen einen Teil des Problems bei verbaler, körperlicher und sexueller Gewalt zu sehen. Meine persönliche Frage bezieht sich darauf, wie das Mundaufmachen unter dem Stichwort Deeskalation geht.

    wenn jemand nervt,


    Weil man ja so einen Satz auch schon als eine Art von Gewalt gegen andere oder das eigene Gemüt sehen kann.

    Spannende Frage, wo Gewalt anfängt. Ich setze sie früh an, stehe aber nicht dogmatisch auf der Gewaltlosigkeit, sondern sehe es so, dass es bisweilen Gewalt braucht um Schlimmeres zu verhindern.


    @Moderation: bitte hängt um statt zu löschen, wenn es euch zu OT wird. Danke!

  • Warum entweder oder?


    Ich glaube die entweder oder Frage stellst du eigentlich dir selbst. Ich schrieb nur davon was ich besser finde.

    Nein, ich habe meine Meinung dazu, im Schweigen einen Teil des Problems bei verbaler, körperlicher und sexueller Gewalt zu sehen. Meine persönliche Frage bezieht sich darauf, wie das Mundaufmachen unter dem Stichwort Deeskalation geht.


    Das kann ich nachvollziehen, aber auf dieses Handeln: Wegschauen, Schweigen, Nichtstun wenn im direkten Umfeld Gewalt gegen jemanden ausgeübt wird, der sich nicht wehren kann, wollte ich nicht eingehen. Bzw hatte ich bei meinen Zeilen anderes im Kopf.

  • da die "Lehre vom Nicht-Ich" keine Religion ist, sprechen Blinde über Farben.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • sondern auf sich selbst zu schauen.

    Richtig, die Wirzeln der Gewalt liegen im eigenen Geist, aber wir sind dran gewöhnt, das nach ausssen zu projezieren, und wieder und wieder den Sündenbock zu finden.

    So ist genau der Stil von AfD, wenn ich die Nachrichten verfolge. Kein konstruktives Programm, aber die finden immer den, der für alles verantwortlich ist. Sehr interessant, klar, für mich, dass die Leute auf diesen Leim gehen, und so der Gewalt-Potienzial und Missmut, der in den Leuten schlummert, findet das entsprechende Ventil... Echt verkehrt, wenn man darüber nachdenkt.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • sondern auf sich selbst zu schauen.

    Richtig, die Wirzeln der Gewalt liegen im eigenen Geist, aber wir sind dran gewöhnt, das nach ausssen zu projezieren, und wieder und wieder den Sündenbock zu finden.

    So ist genau der Stil von AfD, wenn ich die Nachrichten verfolge. Kein konstruktives Programm, aber die finden immer den, der für alles verantwortlich ist. Sehr interessant, klar, für mich, dass die Leute auf diesen Leim gehen, und so der Gewalt-Potienzial und Missmut, der in den Leuten schlummert, findet das entsprechende Ventil... Echt verkehrt, wenn man darüber nachdenkt.


    wie gesagt ich möchte da auf mich selber schauen und finde das besser

  • Zitat

    Ach ja, der gute GuiDo und sein Tathagathagarbha-Buddhismus.

    Schade. Irgendwann meinte Sudhana, er habe ein Seminar o.ä. zu diesem Thema besucht. Es scheint ihm nichts gebracht zu haben, denn das ist nicht "sein" Buddhismus, sondern das Verständnis des Buddha-Schoßes oder der Buddha-Natur (Tathagatagarbha) elementar im Mahayana. Dazu übersetzte ich u.a. ein wesentliches gleichnamiges Sutra und publizierte ein anderes (MPNS) von einem Dozenten, den ich in Bangkok traf.


    Eine Randbemerkung zu icchantika. Auf Japanisch wird er auch sendai oder danzengon genannt; der icchantika mit Mitgefühl - also der "Gute" - hingegen daihi sendai. Nachzulesen im "Glossary of Zen Terms" von Inagaki.


    Aus aktuellen Anlass hier noch ein Text von Kodo Sawakiaus dem Krieg, damit man sich erinnert, wie die Rhetorik war. Solche Texte oder Reden hat z.B. Brian Victoria als Beleg für faschistische Gedanken von Zen-Meistern herangezogen, und ich habe mir schon damals viel Mühe gemacht, diesen linksideologischen Unsinn, den er dem überstülpt, zu entlarven.


    Sawaki entwickelt in dem Text eine von mir anderswo als typisch relative ethische Ebene gekennzeichnete Forderung, die zugleich darüber hinausgeht, nämlich "Das eigene Leben leicht wie eine Feder opfern, Mitleid mit dem Leben der anderen haben, als wäre es das eigene". Alle Wesen, auch Feinde, würden "zu eigenen Kindern".


    Insofern ist festzuhalten, dass eine Einstellung des Faschismus und des Hasses nichts mit diesen Erläuterungen zu tun hat, sie fordern das Gegenteil. Was darüber hinaus jedoch verlangt wird, ist für viele nicht nachvollziehbar, vor allem aber nicht machbar, denn es erfordert eine stoische Haltung gegenüber dem eigenen Leben ("leicht wie eine Feder opfern"), die man sich nicht mal eben so erwirbt oder wohl gar nicht erwerben will. Die Rhetorik ist hier von den Samurai übernommen: "das Gebot schwingt das Schwert" klingt an die Lehre des Zenmeisters Takuan für Krieger an, der "gerechte Krieg" ist z.B. beim Neokonfuzianer Naganuma Muneyoshi, gest. 1690, so erklärt.


    Ich habe Verständnis, wenn man das nicht unterschreiben will, aber nicht, wenn man so tut, als würde es im Rahmen eines Zen-Übungsweges keinen Sinn machen.


    Da ignoriert man Essentielles, wie ich schon anderswo heute schrieb ("Angeln von Zen-Mönchen").


    So, und jetzt ergänze ich noch was, damit das mal klarer wird. Ich praktiziere so, wie ich es sage, und ich stehe deshalb mit meinem Namen und meiner Adresse gerade und werde gelegentlich entsprechend schon mal bedroht. Aber gewisse andere YouTuber, die körperlich weit mehr drauf haben, jünger sind und bei "Kampfmönchen" übten, verschleiern ihren Namen und Wohnort, ohne sich auch nur halb so weit herauszulehnen wie ich.


    Und darum geht es. Deshalb macht diese Praxis Sinn, und es lohnt sich, Sawaki hier zu begreifen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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  • Sorry wegen der etwas verspäteten Antwort, ich bin eher zufällig auf diese Fortsetzung des Threads gestoßen und da wir nun schon offtopic sind, dann gleich richtig ... Es geht (uns beiden) um eine Klarstellung und wenn das Thema ansonsten niemanden interessiert - auch gut. Zumindest ich bin über das Folgende hinaus nicht an einer eingehenderen Diskussion dieses Themas interessiert (jedenfalls nicht in diesem Thread), nur an der Verdeutlichung der Differenz unserer Auffassungen - mein Fehler, darauf so kryptisch anzuspielen. Entschuldigung. Jedenfalls halte ich die Abtrennung eines eigenen Threads nicht für notwendig


    Zunächst einmal zur Klarstellung: mit der Bezeichnung 'Tathāgatagarbha - Buddhismus' war von mir der Rekonstruktionsversuch einer hypothetischen buddhistischen Schulrichtung gemeint, die den Tathāgatagarbha als ātman interpretiert haben soll; ein grundsätzlich dualistischer Ansatz, der sich insbesondere im MPNV findet, das an einer Stelle die trilakṣaṇa 'spiegelverkehrt' dem Tathāgatagarbha zuweist, dieser sei nitya, sukha und ātman. Kurz gefasst: das ist Vedanta in 'buddhistischer Sprache'.


    Zitat

    Das Selbst existiert - das ist die Lehre vom "Es existiert". Es trennt sich nicht vom Leiden. Das Selbst existiert nicht - das ist die Lehre vom "Es existiert nicht". Wenn das Selbst nicht existiert, dann kann es nichts Heilsames geben, auch wenn man reine Handlungen begeht. Wenn man sagt, alle Erscheinungen sind ohne ein Selbst, ist das die Theorie von der Vernichtung. Wenn man sagt, das Selbst existiert, ist das die Theorie von der Beständigkeit. Wenn man sagt, alle Dinge sind nicht-ewig, ist das die Lehre vom "Es existiert nicht". Wenn man sagt, alle Dinge existieren, ist das die Theorie von der Beständigkeit. Wenn man sagt, alles ist Leiden, ist das "Es existiert nicht". Wenn man sagt, alle Dinge sind Glückseligkeit, ist das die Theorie von der Beständigkeit.


    Bemerkenswert hier die Denunziation der Auffassung vom anātman der dharmas als 'Vernichtungsansicht' (vibhava-dṛṣṭi). Also Mahāyāna - Mainstream ist das schon mal nicht ...


    Nun ist das MPNV auch von diesem Synkretismus abgesehen ein ausgesprochen problematischer, weil inhaltlich inkonsistenter Text. Nicht nur hinsichtlich der icchantika-Frage (ob diese ohne negative karmische Konsequenzen getötet werden können), auch hinsichtlich dieser dualistischen Auffassung, die mit nondualen Aussagen kontrastiert. Masahiro Shimoda identifizierte in dem Sutra mindestens drei unterscheidbare Überlieferungsschichten, wobei insbesondere die älteste inhaltlich deutlich mit den jüngeren beiden kontrastiert. Der Text ist eine Montage aus nicht ganz zueinander passenden Teilen.


    Die drei chinesischen Übersetzungen (das Original ist bis auf wenige Fragmente verloren) spiegeln diese Widersprüchlichkeit wider: wegen seiner Kritik an der icchantika-Lehre in Faxian / Buddhabhadras 416-418 angefertigter Übersetzung (tT.12.376) wurde Daosheng, der als Gründer der auf dem Sutra beruhenden Nirvāṇa - Schule (Niepan zong 涅盤宗) gilt, entrobt und aus dem Sangha ausgeschlossen; als die (auf einer sehr viel umfangreicheren Vorlage beruhenden) Übersetzung Dharmakṣemas (421 begonnen, TT.12.374) erschien, wurde er rehabilitiert. Die dritte Übersetzung ist eine Überarbeitung der zweiten (Dharmakṣemas).


    Als vollständige Übersetzung in eine westliche Sprache (Englisch) ist mir nur Kosho Yamamoto bekannt - die wurde ja auch für das 'Tathāgatagarbha-Buddhismusprojekt' (ich nenne es der Kürze halber mal so) von Tony Page überarbeitet und seinerzeit beworben. Sie beruht nicht direkt auf der o.g. dritten Version, sondern auf einer japanischen Übersetzung davon (Shimaji Daitō, Kokuyaku issai kyō in: Kokuyaku Daizōkyō Bd. IX, Tokyo 1918, repr. 1975) und gilt als "sehr oft ungenau" (Kritik in: Yūyama Akira, Sanskrit Fragments of the Mahāyāna Mahāparinirvāṇasūtra: Kōyasan Manuscripts, Tokyo 1981).


    Die Übersetzung Dharmakṣemas löste in China einen relativ kurzfristigen (ca. 150 Jahre) Hype aus, die schon erwähnte Nirvāṇa - Schule. Die wohl keine 'Schule' im Sinn einer Sekte war, lediglich eine Gruppe von Kommentatoren des Sutra. Der bekannteste unter ihnen, der als 'Schulgründer' geltende Daosheng wurde bereits genannt. Zukunftsträchtig war bei Daosheng etwas anderes - er ist zum einen der früheste bekannte Vertreter des später für Chan so wichtigen Subitismus und zum anderen war er für das Huayan ein Vorläufer in der Anwendung der (aus dem Konfuzianismus stammenden) tiyong-Methode (Essenz-Funktion, 體用), wobei eine Verbindung zur Tathāgatagarbha-Lehre des MPNS (insbesondere hinsichtlich 'Universalität' der Buddhanatur) nahe liegt.


    Ob und wie weit diese 'Schule' die eingangs umrissene dualistische Doktrin vertrat, ist mir nicht bekannt, zumal man vermutlich gar nicht von einer doktrinär uniformen Schule sprechen kann - das ließe sich im Zweifelsfall durch ein Studium der 509 erstellten 'Kommentarsammlung zum Großen Nirvāṇasūtra' (Daban niepan jing jijie 大般涅槃經集解 TT37.1763) feststellen. Die 71 Bände harren freilich noch der Übersetzung - wär das was?


    So oder so war der Dualismus des MPNS (im Gegensatz zur Doktrin der Universalität des Tathāgatagarbha) eine geistesgeschichtliche Sackgasse. Wegweisend für die weitere Entwicklung der Tathāgatagarbha-Idee war da vor allem Sāramatis 511 ins Chinesische übersetzte Ratnagotravibhāga-mahāyānôttaratantra-śāstra (Baoxing lun 寶性論 TT.31.1611) - von den 'Tibetern' den Brüdern Maitreya und Asaṅga zugeschrieben, was schon die Richtung andeutet: neben der Formulierung einer konsistenten Tathāgatagarbha-Doktrin anhand von (selbstverständlich sorgfältig selektierten) Zitaten aus Sutren eine Ausdeutung dieser Zitate auf Yogācāra-Basis. Zu den 'ausgewerteten' Sutren (nicht alle sind identifiziert) gehört dann auch das frühe 'Mahāyāna-Sūtra namens Tathāgatagarbha', für dessen Übersetzung ich mich sehr bedanke. Ich habe (neben anderen Texten) einen Ausdruck davon Teilnehmern als Handout im Rahmen eines Studiensesshin zur Verfügung gestellt, in dem natürlich auch über die neun Metaphern der Buddhanatur in diesem Sutra gesprochen wurde. War schön, mal einen Text nicht erst aus dem Englischen übersetzen zu müssen. Da wir gerade dabei sind: eine deutsche Übersetzung von Takasaki Jikidōs englischer Ratnagotravibhāga - Übersetzung wäre mE ein Desiderat. Auf Deutsch gibt es da nur eine grottenschlechte 'tibetische' Version ('Uttaratantraśāstra') ...


    Da gibt's ja dann außer dem Tathāgatagarbhasūtra noch ein bißchen mehr - Jñānālokalaṅkārasūtra, Anūnatva-apūrṇatva-nirdeśa-sūtra, natürlich das von Dir schon genannte Śrimālādevīsiṃhanādasūtra und last not least das MPNS. Letzteres im Ratnagotravibhāga durch Zitatauswahl deutlich 'entschärft' präsentiert - d.h. hinsichtlich anātman-Doktrin der Häresie unverdächtig.


    Das Laṅkāvatārasūtra entstand wohl zu spät (um 400), um in Zitaten noch Eingang in das Ratnagotravibhāga zu finden, aber auch hier findet sich dieselbe Tendenz der Verschmelzung von Tathāgatagarbha- und Yogācāra-Ideen. Das bildete dann die Grundlage für die eigenständige chinesische Behandlung des Themas, insbesondere in der 'Abhandlung über Buddhanatur' (*Buddha-dhātu-śāstra / Foxing lun 佛性論 TT.31.1610) und der 'Vertrauenserweckung in das Mahāyāna' (*Mahāyāna-śraddhotpādaśāstra 大乘起信論 TT.32.1666 / 1667). Ergänzend dazu wäre noch Dōgens Shōbōgenzō Busshō zu nennen. Mit dem oben umrissenen 'Tathāgatagarbha-Buddhismus' hat das alles freilich nichts zu tun.

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  • Danke für die Erläuterungen.


    Vorausgegangen war jedoch die Wendung "Guido mit seinem Tathagatagarbha-Buddhismus". Es gibt keinen solchen Tathagata-Buddhismus von Guido, wie er im Folgenden kritisiert wird, es wurde also zunächst ein Strohmann erzeugt.


    Danach wird versucht zu erläutern, wie die Sache zu sehen sei, nämlich dass es da irgendwie - das wird der Leser m.E. mitnehmen - ein falsches Verständnis gab oder zumindest eins, das sich nicht durchsetzte, und dazu noch eine mangelhafte Übersetzung.


    Die Übersetzung des MPNS von Stephen Hodge ins Deutsche, die im Übrigen ebenfalls Tony Page in Auftrag gab, findet sich ebenfalls noch im Netz, wenn man hinreichend sucht, ein Hinweis war auch hier mal im Forum.


    Die Kennzeichen des Buddha-Schoßes werden gern als beständig (nitya), uwandelbar (dhruya),und ewig (sasvata) bezeichnet.


    Hier kann man natürlich einen Dualismus konstruieren, das gilt dann aber auch für jedes Buddha-Wort. Es ist der Sprache inhärent, das sie dualistisch ist. Das eigentliche Problem ist, wie der Dualismus aufgelöst wird.


    ich frage mich also eher, was diese Dinge in der Praxis bedeuten könnten. Es geht eben nicht um das im obigen Beitrag eingeschlichene "atman" in dieser Reihung. Zumindest ist dies auch buddhologisch umstritten. Zimmermann z.B. hält diese Gleichsetzung von Substantiellem mit der Buddha-Natur im (von ihm auch übersetzten) Tathagatagarbha-Sutra für gegeben, da dort shunyata (Leere) nicht erwähnt sei. Andere halten die Buddha-Natur aber genau für einen Ausdruck dieser Leere (Näheres ist auf Wiki zusammengefasst). Mit anderen Worten, hier gilt es Uneinigkeit in der Buddhismuswissenschaft zu konstatieren.


    Auch Dogen ist dieses Problem nicht losgeworden, denn er sprach vom Karma über mehrere Zeitalter, unterstellte also in einigen seiner Texte Substantielles.


    Von daher nochmal der Hinweis darauf, dass der o.g. Guido das schon in früheren Diskussionen hier nicht tat, sondern immer wieder darauf verwies, dass man Buddha-Natur in seiner eigenen Praxis als etwas verwirklichen könnte, das nicht Selbst und dennoch ewig, unwandelbar und beständig ist.


    Dieses Koan ist wie der Hinweis, man möge Dogen doch einmal einen Tick anders lesen: Selbst Uji (Sein-Zeit), nämlich nicht als "Augenblick für Augenblick", sondern als Verwirklichung von Nur-Jetzt. Und nur in Nur- Jetzt macht die Buddha-Natur, so wie sie in jenen Sutren verhandelt wird, m. E. Sinn. Also dann, wenn man aus der Zeit herausgefallen ist.


    Anatman und Anicca hingegen machen nur Sinn, wenn man in die Zeit hineinfällt, denn nur dort ist Vergänglichkeit, die als solche entlarvt werden soll. Mit anderen Worten, Predigten über Anatman (Nicht-Selbst) und Anicca (Unbeständigkeit) zu halten geschieht paradoxerweise immer, wenn man gerade Selbst ist und etwas Beständiges (den Dhamma, die Lehre) zementieren will.


    Und ich glaube, wenn schon der Shakyamuni das nicht erkannt haben sollte, dass es einige schlaue Denker oder Versenker nach ihm taten und ihm in den Mund legten bzw. so niederschrieben, um uns auf etwas Wichtiges hinzuweisen. Es ist eines der größten Klischees des Zen, das "im Hier-und-Jetzt-Sein", das am ehesten mit den o.g. Eigenschaften der Buddha-Natur, des Tathgagatagarbha, erfasst werden kann, und eben gerade nicht mit Anicca und Anatman - denn diese sind reziproke Deutungen des Nur-Jetzt (in dem sie nämlich nicht existieren), das heißt nicht minder mangelhafte Versuche zu bewältigen, dass man aus dem Zustand des Nur-Jetzt immer wieder herausfällt (der Buddha auch, wenn er z.B. dualistisch predigt). Anders ausgedrückt: anicca und anatman sind selbst schon ein dualistisches Paar.


    Aus diesem Grund hat das Shrimala-Sutra (als ein Vertreter dieser Sutren) auch die vier Wahrheiten auf eine ganz praktische verdichtet, nämlich den Fakt, dass Leiden aufhebbar ist, also auf das Nur-Jetzt statt - wie in den anderen Wahrheiten - auf Prämissen (Leben ist Leiden), Kausalitäten (Gier etc.) und Zeitabläufe (achtfacher Pfad).


    So verstanden halte ich diese späteren Sutren also für eine ganz entscheidende und korrigierende Bereicherung der eigenen Praxis. Der Palikanon is tunzulänglich, Nagarjuna genügt nicht.


    ...


    Die icchantika-Diskussion ist eine andere. Dazu lese man dann eben Studien zur Gewalt und ihrer Begründung im Buddhismus, und man wird finden, dass sie sich gar nicht ausschließlich auf solche Textstellen bezieht, sondern noch andere Herleitungen ohne den icchantica möglich sind. Auch das wurde hier schon im Forum verhandelt.



    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    4 Mal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Gerade bin ich im Zusammenhang mit meiner oft gemachten Anmerkung, der Shakyamuni sei ja aus einem Kriegergeschlecht gekomme, nochmal auf zwei Quellen gestoßen, die eine (darum nahe liegende) Verbindung von Gewalt/Kampfkunst und Buddhismus nahelegen. Die eine ist das Lalitavistara-Sutra (Übersetzung von Lefmann1902), das Shakyamunis kriegerische Fähigkeiten beschreibt. Die andere ist die Jataka-Geschichte vom "Fünf-Waffen-Prinzen": "

    "Es war einmal ein Prinz, der in der Anwendung der

    fünf Waffen sehr geübt war. Eines Tages kehrte er von sei-

    ner Übung nach Hause und traf ein Monster, dessen Haut

    unverletzlich war."

    Das Monster ging auf ihn los, aber nichts schüchterte

    den Prinzen ein. Er schoss einen Pfeil auf es, der, ohne es

    verletzt zu haben, herunterfiel. Dann warf er seinen Speer,

    dem es jedoch nicht gelang, die dicke Haut zu durchdrin-

    gen. Dann warf er eine Stange und einen Wurfspieß, aber

    es misslang ihnen, das Monster zu verletzen. Dann be-

    nutzte er sein Schwert, aber dieses zerbrach. Der Prinz

    griff das Monster mit seinen Fäusten und Füßen an, aber

    es war zwecklos, denn das Monster umklammerte ihn mit

    seinen riesigen Armen und hielt ihn fest. Dann versuchte

    der Prinz, seinen Kopf als Waffe zu benutzen, aber es war

    vergebens.

    Das Monster sagte: „Es ist zwecklos für dich, dich zu

    widersetzen. Ich werde dich verschlingen.“ Der Prinz ant-

    wortete: „Du magst glauben, dass ich alle meine Waffen

    benutzt habe und hilflos bin, aber ich habe noch eine Waf-

    fe. Wenn du mich verschlingst, werde ich dich aus deinem

    Mageninneren heraus zerstören.“


    Die übliche Entgegnung, eine frühere Existenz als Bodhisattva sei ja noch nicht der eines Buddha gleichzustellen, hilft da nicht weiter, denn offensichtlich hat diese Gewaltbereitschaft das Buddha-Werden ja nicht verhindert.


    Interessant ist auch, dass Simhavikrîtita im Hinduismus eine Tanz-/Bewegungsform beschreibt, die man mit "Löwenspiel" übersetzen kann (und die wohl in den Löwentanz der Chinesen mündete). Sie wurde von den königlichen Ksatreya-Kriegern praktiziert.


    Im Mahayana steht derselbe Ausdruck für samadhi!

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Bin grundsätzlich der Ansicht, dass ein Leben ohne Gewalt auf der Erde nicht möglich ist, denn Gefahren, die das Leben bedrohen, gibt es, viele und sich ihrer erwehren braucht Gewalt oder es bedeutet Untergang. Der Ausspruch von Zen-Buddhisten: 'Wenn Du Buddha triffst, töte ihn.' Zeigt dies Gewalt eindeutig, die notwendig ist, um nicht anzuhaften. Ohne so einen Gewaltakt bleibt nur die Abhängigkeit vom Stärkeren übrig. So ist das Karma für nicht Anhaften positiver als der Gewaltakt negativ ist und für Abhängigkeit sowieso. Deshalb ist im gegebenen Fall die Gewalt gegen Anhaftung nicht nur legitim, sie ist notwendig in bestimmten Situationen.

  • Zitat

    Ein Soldat namens Nobushige kam zu Hakuin und fragte: "Gibt es wirklich ein Paradies und eine Hölle?" "Wer bist du?", erkundigte sich Hakuin. "Ich bin ein Samurai", antwortete der Krieger.


    "Du - ein Samurai?", rief Hakuin aus. "Was für ein Fürst würde dich als Wächter haben wollen? Dein Gesicht sieht aus wie das eines Bettlers." Nobushige wurde so wütend, dass er nach seinem Schwert griff, aber Hakuin fuhr fort: "Oh - Du hast sogar ein Schwert! Deine Waffe ist wahrscheinlich viel zu stumpf, um mir den Kopf abzuschlagen."


    Als Nobushige sein Schwert zog, bemerkte Hakuin: "Hier öffnen sich die Pforten der Hölle!" Bei diesen Worten steckte der Samurai, der die Disziplin seines Meisters erkannte, sein Schwert in die Scheide und verbeugte sich. "Hier öffnen sich die Tore des Paradieses", sagte Hakuin.

    (nach Paul Reps, Zen Flesh, Zen Bones)

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  • Zitate von anderen denkenden Menschen benutzen ist stets förderlich, man kann sich damit schmücken. Jedoch ist man für sein eigenes Leben kein bisschen klüger geworden, ohne Versuch und Irrtum zu praktizieren und selbst den Prozess der Erkenntnis zu erleben.

  • Wer durch die Erfahrungen Anderer nicht "ein bißchen klüger" werden kann oder will, dem ist auch nicht zu helfen. Bedauerlich, aber nicht zu ändern.

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  • (nach Paul Reps, Zen Flesh, Zen Bones)

    ....oder in deutsch: " Ohne Worte- ohne Schweigen" übersetzt auss'm englischen von Ulli Olvedi.... :like: