Wenn unser Glaube verächtlich gemacht wird...

  • Hi Helmut


    danke für deine Zusammenstellung. Allerdings kann ich eure Aussagen der Wiedergeburt im Madhyamaka nicht einordnen. Ich kenne vom Madhyamaka nur die Schriften des Sānlùn, d.h. zwei Schriften von Nagarjuna (darunter das MMK und das "Dvādaśadvāraśāstra") und eines von Aryadeva (das Śatakaśāstra). Alle Schriften (inkl. der Kommentare z.b. von Walleser, Brosamer und Geldsetzer), sowie der Sekundärliteratur wie z.B. von Ram A Mall enthalten keine Themen zur Wiedergeburt. Worauf bezieht ihr euch denn?

  • Ohne sich zu ärgern kann leiden an Glaube nicht erkannt werden.

    Klingt schon so, als ob man das müsste.

    Wofür erhält mein Beitrag denn den "Daumen hoch" von dir, Qualia? Denn es ist damit ja nichts erklärt.

    Hat man einen Glauben und hört andere verächtlich daüber darüber sprechen, so schweige man, um persönlich nicht unter Beschuss der Verächtlichmachung zu kommen und damit das Leiden zu vermeiden. Oder man offenbare sich, kommt unter Beschuss und leidet. Oder man offenbart, kommt unter Beschuss und leidet nicht.

  • Hallo Bosluk ,


    Quellen, die wir bei uns am Zentrum benutzen sind zum Beispiel:

    • Das Sutra vom Reiskeimling (Salistambasutra)
    • Mulamadhyamakavatara Kapitel 25 (Übersetzung Weber-Brosamer / Back)

    In Dalai Lama, Die Harvard-Vorlesungen, Herder Spektrum 1993 gibt auf den Seiten 106 ff eine zusammenfassende Darstellung, die diese beiden Texte verbindet.


    In den deutschen Übersetzungen des Sutras und von MMK taucht der Begriff Wiedergeburt nicht auf. Es wird dort von dem Eingehen in eine neue Existenz gesprochen. Das bedeutet aber Wiedergeburt.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Ohne sich zu ärgern kann leiden an Glaube nicht erkannt werden.

    Klingt schon so, als ob man das müsste.

    Wofür erhält mein Beitrag denn den "Daumen hoch" von dir, Qualia? Denn es ist damit ja nichts erklärt.

    Hat man einen Glauben und hört andere verächtlich daüber darüber sprechen, so schweige man, um persönlich nicht unter Beschuss der Verächtlichmachung zu kommen und damit das Leiden zu vermeiden. Oder man offenbare sich, kommt unter Beschuss und leidet. Oder man offenbart, kommt unter Beschuss und leidet nicht.

    Es gibt also nur eine Entscheidung im Augenblick. Der Glaube der gerade aktuell ist. Jeder Glaube der leidend macht kann nur falsch sein.

    Man muss unter seinem Glauben leiden um seine Anhaftungen loszulassen.

  • es ist keine der 6 (primären) Bewusstseinsarten, es ist deshalb auch kein operierendes oder funktionales Bewusstsein - aber genau diese Merkmale verbinden wir gemeinhin mit "Bewusstsein" oder "Geist".

    Der von Hingabe zitierte Text geht von 8 primären Bewusstseinsarten aus. Das siebte ist das Ich-Anhaften und das achte Bewusstsein das Speicherbewusstsein (Alaya). Was genau verstehst du unter funktionalem (oder operierendem) Bewusstsein?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Der von Rigpa zitierte Text geht von 8 primären Bewusstseinsarten aus. Das siebte ist das Ich-Anhaften und das achte Bewusstsein das Speicherbewusstsein (Alaya). Was genau verstehst du unter funktionalem (oder operierendem) Bewusstsein?

    Tja, dann ist aber etwas bei Rigpa durcheinander gegangen, bzw es liegt an der Zitierweise, ich hätte auch sicher in der Quelle nachgelesen, wenn diese zitiert worden wäre, dann hätte es nicht dieses Missverständnis gegeben.


    Die Überschrift lautete 8. Allem als Grundlage dienendes Bewusstsein", danach kommen zwei Ausschnitte, die sich offenbar darauf beziehen, die ich aber nicht kommentiert habe. Der nächste Ausschnitt beginnt mit "Diese ...(siebte Primärbewusstseinsart) ...", und bezog sich mit "diese" für mich auf die zuvor erwähnte "All- Basis" (ālāyavijñāna), zumal die dann genannten Merkmale (weder eine Sinneswahrnehmung, die sich auf äußere Objekte richtet, noch ist sie mit der sechsten, mentalen Wahrnehmung identisch) genau für das "Grundlagenbewußtsein" zutreffen.

    Zum manasvijnana (7te Bewusstseinsart im Cittamātra)  wollte ich garnix sagen, das ist etwa unter sankhāra/vinanna (2 u. 3. Glied Bed.Entstehens) anzusiedeln.


    Zitat

    Was genau verstehst du unter funktionalem (oder operierendem) Bewusstsein?

    Die Glieder 5-9 Im "Bedingten Entstehen"

  • Die Madhyamaka gab aber keine Antwort auf viele offene Fragen: Etwa: wie funktioniert Wiedergeburt wenn das selbst leer (śūnya) ist.

    Wiedergeburt als 3-Leben-Interpretation der 12-Glieder des bedingten Entstehens kennt nur der Theravada.

    Der Madhymaka verwirft diese Deutung und setzt das bedingte Entstehen mit der Leere gleich (MMK 24,18)

    Ich kenne daher keine Wiedergeburt im Madhymaka. Kannst du da auf deine Literatur verweisen, die du dabei im Sinn hattest?

    Ich meinte auch nichts anderes bzgl. madhyamaka. Aber yogacara betont die Wiedergeburt (wieder) (storehouse consciousness, karmische Samen etc). Ich gehe also davon aus dass die indische Gesellschaft Wiedergeburt als notwendiges, selbst-evidentes Naturgesetz sah und somit ergab sich eine Notwendigkeit für die Entwicklung von yogacāra.


    Also geht man mal von Abidhamma Theravāda aus, da wurden Dhammas mit svabha (Essenz) in Verbindung gebracht. Dann kommt nagarjuna und reißt mit der madhyamaka einiges an Weltbild ein, denn die Phänomene sind nun śunya, also ohne svabha. Damit brechen aber einige Begründungen zusammen mit denen die Vorstellung von Wiedergeburten erklärt wurden. Und in yogacāra hat man sich Gedanken gemacht wie alles doch zueinander passen könnte, śunyata und viele Leben. [anmerkung; natürlich gab es nicht nur die theravāda Vorstellung sondern zahlreiche andere Sekten].


    Ich kann auch nachvollziehen dass Helmut in der madhyamaka die Wiedergeburtslehre wieder erkennt. Denn explizit verneint wird sie definitiv nicht. Es gibt Aussagen in die man das so reininterpretieren kann (Nirvana und samsara seien nicht unterscheidbar).

  • Aber yogacara betont die Wiedergeburt (wieder) (storehouse consciousness, karmische Samen etc). Ich gehe also davon aus dass die indische Gesellschaft Wiedergeburt als notwendiges, selbst-evidentes Naturgesetz sah und somit ergab sich eine Notwendigkeit für die Entwicklung von yogacāra.

    Ich möchte gerne vorbringen, dass vielleicht zutreffend für die Zeit der Überlieferung des "Yogacara" von Indien nach Tibet war, aber nicht für die einige Jahrhunderte früher stattgefunden Überlieferung nach China (dem Sagen nach durch Bodhidharma). Weshalb ich für diese erste Überlieferungslinie gerne den Begriff Cittamatra verwende.

    Einmal editiert, zuletzt von Metta ()

  • In den deutschen Übersetzungen des Sutras und von MMK taucht der Begriff Wiedergeburt nicht auf. Es wird dort von dem Eingehen in eine neue Existenz gesprochen. Das bedeutet aber Wiedergeburt.

    Das wäre erstmal zu zeigen, bloße Behauptung reicht da nicht aus.

  • Also geht man mal von Abidhamma Theravāda aus, da wurden Dhammas mit svabha (Essenz) in Verbindung gebracht. Dann kommt nagarjuna und reißt mit der madhyamaka einiges an Weltbild ein, denn die Phänomene sind nun śunya, also ohne svabha. Damit brechen aber einige Begründungen zusammen mit denen die Vorstellung von Wiedergeburten erklärt wurden. Und in yogacāra hat man sich Gedanken gemacht wie alles doch zueinander passen könnte, śunyata und viele Leben.

    Welche wären das denn? Und warum konnte man dann die Wiedergeburt nicht mehr erklären, so dass dann Yogacara notwendig wurde?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Und warum konnte man dann die Wiedergeburt nicht mehr erklären, so dass dann Yogacara notwendig wurde?

    Ähm, was erklärt denn "das" Yogacara da? Kannst du das mal kurz skizzieren?

  • Und warum konnte man dann die Wiedergeburt nicht mehr erklären, so dass dann Yogacara notwendig wurde?

    Ähm, was erklärt denn "das" Yogacara da? Kannst du das mal kurz skizzieren?

    Die Frage müsstest du eigentlich pano stellen, der ja das Aufkommen von Yogacara damit begründet hat, dass durch Nagarjuna die Begründungen für Wiedergeburt ausgehebelt wurden.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • In den deutschen Übersetzungen des Sutras und von MMK taucht der Begriff Wiedergeburt nicht auf. Es wird dort von dem Eingehen in eine neue Existenz gesprochen. Das bedeutet aber Wiedergeburt.

    Das wäre erstmal zu zeigen, bloße Behauptung reicht da nicht aus.

    Die Zyklen der zwölf Glieder des abhängigen Entstehens laufen im eigenen Kontinuum ab und nicht außerhalb irgendwo anders. Es ist die eigene Unwissenheit, die unsere Taten motiviert und diese hinterlassen ihre Wirkungen, karmische Prägungen, im eigenen Bewusstsein. Im Todesprozess entsteht zunächst Verlangen (trsna). Dieser Faktor verstärkt sich und wird zum Ergreifen (upadana). Auf der Grundlage entsteht dann der Faktor Werden (bhava). Der Faktor Werden ist der Umstand dafür, dass es dann zur Geburt (jati) kommt. Wenn der Faktor Werden zu Ende geht, hört das jetzige Leben auf. Mit dem Faktor Geburt ist dann der erste Moment einer neue Existenz entstanden.


    Zwischen dem Faktor Werden und dem Faktor Geburt besteht dadurch ein Zusammenhang. Deshalb setzt sich unserer Kontinuum fort. Es setzt sich nicht unser körperliches Kontinuum fort, denn es zerfällt im Tode in seine materiellen Teile. Das Bewusstseinskontinuum zerfällt aber nicht wie das körperliche Kontinuum. Deshalb ist das Bewusstseinskontinuum das Kontinuum, dass sich von dem jetzigen Leben in die nächste Existenz fortsetzt hat mit all den karmischen Prägungen, die sich zum Zeitpunkt unseres Todes noch in unserem Bewusstseinskontinuum befinden.


    Entscheidend ist nicht der Begriff Wiedergeburt, sondern der Prozess, der mit diesem Begriff bezeichnet wird. Der Begriff Eingehen in eine neue Existenz ist in meinen Augen gleichbedeutend. Und dieser Prozess besteht darin, das unser anfangs- und endloses Bewusstseinskontinuum von Existenz zu Existenz weitergeht. Und so lange wir die Unwissenheit nicht überwinden, setzt sich unser Bewusstseinskontinuum in samsarischen Existenzen fort.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Das Bewusstseinskontinuum zerfällt aber nicht wie das körperliche Kontinuum.

    Und wieso nicht? Ist es beständig?

    Das hat erst einmal nichts mit Beständigkeit oder Unbeständigkeit zu tun. Die allererste Frage ist ja, hat man jemals feststellen können, dass das Bewusststeinskontinuum genauso zerfällt und sich auflöst wie das Körperkontinuum nach dem Tod?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Jeder Glaube der leidend macht kann nur falsch sein.

    Man muss unter seinem Glauben leiden um seine Anhaftungen loszulassen.

    Man wird irgendwann und irgendwie unter seinem (unerkannt) falschen Glauben leiden müssen, wodurch man erkennen kann, dass er in die Irre führt, was dazu bringen kann, einen angemessenen Glauben zu gewinnen.

    Was aber sollen denn "Anhaftungen" sein, die es gilt loszulassen?

  • Das Bewusstseinskontinuum zerfällt aber nicht wie das körperliche Kontinuum.

    Und wieso nicht? Ist es beständig?

    Das hat erst einmal nichts mit Beständigkeit oder Unbeständigkeit zu tun. Die allererste Frage ist ja, hat man jemals feststellen können, dass das Bewusststeinskontinuum genauso zerfällt und sich auflöst wie das Körperkontinuum nach dem Tod?

    Ich denke mal, Bewusstsein und Körper zerfallen in unterschiedlicher Weise.

    Der Körper braucht länger, bis alles - vor allem die Knochen - zerfallen sind. Das Bewusstsein hingegen ist ganz schnell ausgeschaltet - wie die Lampe, wenn ich den Schalter nutze. :) :idea:

    :zen:



  • Ich denke mal, Bewusstsein und Körper zerfallen in unterschiedlicher Weise.

    Der Körper braucht länger, bis alles - vor allem die Knochen - zerfallen sind. Das Bewusstsein hingegen ist ganz schnell ausgeschaltet - wie die Lampe, wenn ich den Schalter nutze. :) :idea:

    Natürlich kann man sich den Zerfall des Bewusstseinskontinuum so vorstellen. Der entscheidende Punkt ist doch, ob man nachweisen kann, dass das Bewusstseinskontinuum auf diese Weise zerfällt und dann nicht mehr gegeben ist.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Die allererste Frage ist ja, hat man jemals feststellen können, dass das Bewusststeinskontinuum genauso zerfällt und sich auflöst wie das Körperkontinuum nach dem Tod?

    Weiß Buddha das denn nicht?




    Natürlich kann man sich den Zerfall des Bewusstseinskontinuum so vorstellen.

    Ein Kontinuum bezeichnet etwas, das ununterbrochen aufeinander folgt.

  • Das Bewusstsein hingegen ist ganz schnell ausgeschaltet - wie die Lampe, wenn ich den Schalter nutze. :) :idea:

    Wie bei der Lampe kann Bewusstlosigkeit durch einen Unfall geschehen - heißt das denn, es ist für immer fort? Wir wissen aus Erfahrung, dass es ja nicht so ist, der Bewusstlose wird in der Regel irgendwann wieder bewusst. Also komplett ausgeschaltet ist es ja nicht, denn irgendwo und irgenwie ist es ja verblieben und wieder eingekehrt.

  • Ich denke mal, Bewusstsein und Körper zerfallen in unterschiedlicher Weise.

    Der Körper braucht länger, bis alles - vor allem die Knochen - zerfallen sind. Das Bewusstsein hingegen ist ganz schnell ausgeschaltet - wie die Lampe, wenn ich den Schalter nutze. :) :idea:

    Natürlich kann man sich den Zerfall des Bewusstseinskontinuum so vorstellen. Der entscheidende Punkt ist doch, ob man nachweisen kann, dass das Bewusstseinskontinuum auf diese Weise zerfällt und dann nicht mehr gegeben ist.

    Kann man den überhaupt ein Bewusstseinskontinuum nachweisen oder ist das nur eine Vorstellung im Rahmen einer bestimmten Sichtweise?

    Die Kette des bedingten Entstehens - paticcasamuppâda - beschreibt ja die Bedingungen für "Ich und Mein" - beginnend mit der Unwissenheit über die buddhistische Lehre gibt es die sankhara, die geistigen Aktivitäten, wie Absicht, Wille, Vorstellungen ... die wiederum das Bewusstsein bedingen, nämlich das Bewusstsein von Ich und Mein.

    Wenn Unwissenheit erlischt, dann auch Bewusstsein von ich und Mein, weil es hier keinen Sinn mehr gibt. Wenn dieses "Ich und Mein" - Bewusstsein weiter besteht, also Unwissenheit weiter besteht, dann wird das nicht als Bewusstsein weiter gegeben, sondern es braucht wiederum einen Unwissenden, der die Gestaltungen ergreift, sie als "Mein" z.B. wie ein Erbe annimmt und somit Leiden ergreift. Ein Kontinuum erscheint also nur wenn Verblendung/Unwissenheit gegeben ist.

    In wirklichkeit ist dieser Prozess jedoch keineswegs ein Kontinuum, denn es besteht ja immer die Chance, das "Erbe" auszuschlagen und damit dem Prozess zu unterbrechen und sogar dem ein Ende zu bereiten.

    :zen:



  • Nein, das Erbe trete ich an, sobald ich lebe. Nur wenn ich eine Totgeburt bin, habe ich das Erbe ausgeschlagen. Das Bewusstsein hat mit dem Erbe nichts zu tun, denn das passiert völlig unbewusst. Anders ist es mit dem materiellen Erbe am Ende des Lebens der Vorfahren, das kann ich bewusst ablehnen und mein Dasein als Eremit glücklicher fristen. Wie gesagt, wir befinden uns in Europa und nicht in einem asiatischen buddhistischen Kloster.