Homosexualität und Buddhismus

  • Ich frage mich, wenn man als Asexueller Mönch wird, ist man dann noch "enthaltsam"?
    Es ist ja kein Verlangen da.

    MN 64


    Dann hat man Nibbana erreicht:


    Es ist an der Zeit, Erhabener, es ist an der Zeit, Vollendeter, daß der Erhabene die fünf niedrigeren Fesseln lehrt.


    "Dann höre zu, Ānanda, und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde."


    "Ja, ehrwürdiger Herr", erwiderte der ehrwürdige Ānanda.


    Der Erhabene sagte dieses:


    "Ānanda, ein nicht unterrichteter Weltling, der die Edlen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, weilt da mit einem Herzen, das von der Persönlichkeitsansicht besessen und versklavt ist, und er versteht nicht der Wirklichkeit entsprechend, wie man der erschienenen Persönlichkeitsansicht entrinnt; und wenn jene Persönlichkeitsansicht zur Gewohnheit geworden und in ihm nicht entwurzelt worden ist, ist sie eine niedrigere Fessel.


    Er weilt mit einem Herzen, das vom Zweifel besessen und versklavt ist, und er versteht nicht der Wirklichkeit entsprechend, wie man dem erschienenen Zweifel entrinnt; und wenn jener Zweifel zur Gewohnheit geworden und in ihm nicht entwurzelt worden ist, ist er eine niedrigere Fessel.


    Er weilt mit einem Herzen, das vom Festhalten an Regeln und Ritualen besessen und versklavt ist, und er versteht nicht der Wirklichkeit entsprechend, wie man dem erschienenen Festhalten an Regeln und Ritualen entrinnt; und wenn jenes Festhalten an Regeln und Ritualen zur Gewohnheit geworden und in ihm nicht entwurzelt worden ist, ist es eine niedrigere Fessel.


    Er weilt mit einem Herzen, das von Sinnesbegierde besessen und versklavt ist, und er versteht nicht der Wirklichkeit entsprechend, wie man der erschienenen Sinnesbegierde entrinnt; und wenn jene Sinnesbegierde zur Gewohnheit geworden und in ihm nicht entwurzelt worden ist, ist sie eine niedrigere Fessel.


    Er weilt mit einem Herzen, das vom Übelwollen besessen und versklavt ist, und er versteht nicht der Wirklichkeit entsprechend, wie man dem erschienenen Übelwollen entrinnt; und wenn jenes Übelwollen zur Gewohnheit geworden und in ihm nicht entwurzelt worden ist, ist es eine niedrigere Fessel."

    (...)


    Was auch immer darin an Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewußtsein existiert, er sieht diese Zustände als vergänglich, als Dukkha, als eine Krankheit, als ein Geschwür, als einen Stachel, als ein Unglück, als Leid, als fremd, als etwas, das sich auflöst, als leer, als Nicht-Selbst [5].


    Er wendet seinen Geist von diesen Zuständen ab und lenkt ihn so zum todlosen Element: 'Dies ist das friedvolle, dies ist das höchste, nämlich die Stillung aller Gestaltungen, das Loslassen aller Vereinnahmung, die Vernichtung allen Begehrens, die Lossagung, das Aufhören, Nibbāna.

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  • In dem schön bebilderten, und aus dem PK etwas frei übersetzten, Buch von E.Saß/D.Kantowski ist unter AN X,91 eine Textstelle, die m.Mn. nach hier schön zum Thema paßt: wer unter den weltlich Genießenden zu loben ist.


    Es ist mir gerade zuviel Text um ihn aus dem Scan der Seite abzutippen, so stelle ich diesen Scan einfach mal so hier ein. (Vielleicht kann ja jemand anders zB. eine OCR anschließen um den Klartext zu bekommen, solange der Text eine legale Größenbegrenzung (Copyright!) nicht überschreitet?)


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  • Ich frage mich, wenn man als Asexueller Mönch wird, ist man dann noch "enthaltsam"?
    Es ist ja kein Verlangen da.

    Interessante Frage ;) , ich denke, dass eine asexuelle Person in anderen Bereichen (Essen, Trinken, Kleidung, Beziehungen, Vergnügungen aller Art, Besitz,...) noch genügend Verlangen spüren und sich dann in diesen in Enthaltsamkeit üben kann.

    Natürliche Asexualität erleichtert aber mit Sicherheit das zölibatäre Klosterleben.


    Artikel über Asexualität:


    Der Nichtgebrauch der Lüste | NZZ
    Menschen, die weder sexuelles Verlangen spüren noch sich sexuell betätigen, gab es immer. Der grosse amerikanische Sexualforscher Alfred C. Kinsey hat vor mehr…
    www.nzz.ch


    Zitat

    Entscheidend für eine verbindliche soziale und kulturelle Charakterisierung ist die Selbstdefinition der Betroffenen, die von sich sagen: Wir Asexuellen sind nicht auf der Suche nach sexuellen Erlebnissen, werden sexuell nicht angezogen durch andere Menschen, ob Männer oder Frauen, kennen sexuelle Erregung nur flüchtig, zeigen so gut wie kein sexuelles Verhalten (einschliesslich Selbstbefriedigung) und gehen keine sexuelle Beziehung ein. – Das freilich bedeutet nicht, dass Asexuelle keine festen Beziehungen hätten oder keinen Kinderwunsch.


    Resümee:

    100% ig "sexfrei" sind wohl die wenigsten Asexuellen und Beziehungs- oder Kinderwünsche ("Verlangen") können ebenfalls bestehen...

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • In dem schön bebilderten, und aus dem PK etwas frei übersetzten, Buch von E.Saß/D.Kantowski ist unter AN X,91 eine Textstelle, die m.Mn. nach hier schön zum Thema paßt: wer unter den weltlich Genießenden zu loben ist.

    Danke sehr, das sollte wirklich ein tolles Buch sein. Ich denke, es passt gut zum Thema:


    Zitat

    5. »Was aber Ānanda, ist die Betrachtung des Aufgebens? Da läßt der Mönch einen aufgestiegenen sinnlichen Gedanken nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt und verrichtet ihn, bringt ihn zum Schwinden. Er läßt einen aufgestiegenen Gedanken des Hasses... der Schädigung sowie (andere) jeweils aufsteigende üble, unheilsame Dinge nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt und vernichtet sie, bringt sie zum Schwinden. Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung des Aufgebens.

    6. »Was aber, Ānanda, ist die Betrachtung der Entsüchtung? Da begibt sich der Mönch in den Wald, an den Fuß eines Baumes oder in eine einsame Behausung und wägt bei sich also: 'Das ist der Friede, das ist das Erhabene, nämlich der Stillstand aller Daseinsgebilde, die Entledigung von allen Daseinssubstraten, die Gierversiegung, die Entsüchtung, das Nibbāna!' Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung Entsüchtung.

    7. »Was aber, Ānanda, ist die Betrachtung der Erlöschung? Da begibt sich der Mönch den Wald, an den Fuß eines Baumes oder in eine einsame Behausung und erwägt bei sich also: 'Das ist der Friede, das ist das Erhabene, nämlich der Stillstand aller Daseinsgebilde, die Entledigung von allen Daseinssubstraten, die Gierversiegung, die Erlöschung, das Nibbāna!' Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung der Erlöschung.

    8. »Was aber, Ānanda, ist die Betrachtung der Reizlosigkeit allen Daseins? Da überwindet der Mönch das krampfhafte Hängen an der Welt, diese beharrliche, hartnäckige Tendenz des Geistes, er wendet sich davon ab und haftet nicht daran. Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung der Reizlosigkeit allen Daseins.

    9. »Was aber, Ānanda, ist die Betrachtung der Wunschlosigkeit gegenüber allen Daseinsbildungen? Da empfindet der Mönch Entsetzen, Ekel und Abscheu vor allen Daseinsbildungen. Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung der Vergänglichkeit aller Daseinsbildungen.


    A.X.60 Die Heilung des Girimānanda - 10. Girimānanda Sutta

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ich möchte nochmal auf folgende Widersprüche der (Schrift-)Lehre hinweisen, weshalb man dort auch nicht sein Heil suchen sollte:


    1) Die Menschengeburt wird als eine eher seltene Chance bezeichnet, zu erwachen. Manchmal heißt es sogar in Zen-Schriften, wenn es einem nicht gelänge, käme die Chance nicht so schnell wieder. Dies ist natürlich eingebettet in ein Denken der Wiederkehr, an den Glauben an mehrere Existenzen, wie er sich in verschiedenen Schulen zeigt.


    2) Wer keinen sexuellen Trieb verspürt, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vermehren. Das zölibatäre Modell führt dann zum Ende der Menschheit.


    3) Es kann also dann niemand mehr die Gnade der Menschengeburt genießen und den Buddhismus praktizieren, was geradezu alle Schulen konterkariert.


    4) Demzufolge funktioniert Zölibat nur in den Schulen, wo man sich zuvorderst um sein eigenes Heil kümmert wie im Theravada. Im Zen z.B. macht es auch für den Mönch keinen Sinn, denn um die Bodhisattva-Gelübde zu erfüllen, muss menschliches Leben da sein.


    5) Da eine punktuell nur auf Zeugung ausgerichtete Lust nicht funktioniert, gibt es auch die ganze Lust, die zu keinem Nachwuchs führt. Das ist nichts anderes wie Übung, die zu nichts führt, Rezitationen, die niemanden retten, Sitzen, das nicht zur Erleuchtung führt - also der Normalzustand.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Ich möchte nochmal auf folgende Widersprüche der (Schrift-)Lehre hinweisen, weshalb man dort auch nicht sein Heil suchen sollte:

    Das ganze Leben ist voller Widersprüche, (nicht nur) insofern spiegeln die heiligen Schriften der Religionen dies auch ein Stück weit wider - und natürlich ist auch die Schriftlehre des Buddhismus davon nicht ausgenommen.


    Es geht darum, die Essenz und die Weisheit(en) der Schriften/Lehre für sich zu erfassen (dabei helfen durchaus auch Verstand/Vernunft, nicht nur das "Herz") und in heilsamer Weise zu nutzen.

    Selbstverständlich sollte man sich nicht ausschließlich auf Schriften stützen.


    (Sogar -scheinbar- einfache Märchen enthalten meist tiefe Wahrheiten, die Menschen - mit Erkenntnisgewinn - aufnehmen und von denen sie profitieren können. Nur bei oberflächlicher Betrachtung scheint es da einzig um Pädagogik zu gehen...)

    2) Wer keinen sexuellen Trieb verspürt, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vermehren. Das zölibatäre Modell führt dann zum Ende der Menschheit.

    Buddha Shakyamuni war Realist und demzufolge war ihm mit Sicherheit klar, dass Mönchtum niemals zum Aussterben/Ende der Menschheit führen würde.


    Nur ein kleiner Prozentsatz der Menschheit wählt das zölibatäre Leben, die große Mehrheit folgt Trieben und gesellschaftlichen Konventionen/Traditionen.

    (Bekanntlich ist der Fortpflanzungstrieb obendrein - neben dem Selbsterhaltungstrieb - der stärkste (An-)Trieb und Treiber der Evolution...)

    3) Es kann also dann niemand mehr die Gnade der Menschengeburt genießen und den Buddhismus praktizieren, was geradezu alle Schulen konterkariert.

    Es wird wohl immer genügend Menschen geben, die sich vermehren - nicht zuletzt auch, weil, neben dem natürlichen Bedürfnis, andere Religionen eifrig zum "Wachsen und Mehren" auffordern... ;)

    (Wir werden sicher nicht deswegen aussterben.... 8))


    4) Demzufolge funktioniert Zölibat nur in den Schulen, wo man sich zuvorderst um sein eigenes Heil kümmert wie im Theravada. Im Zen z.B. macht es auch für den Mönch keinen Sinn, denn um die Bodhisattva-Gelübde zu erfüllen, muss menschliches Leben da sein.

    Das Mönchtum im Theravada übt i.d.R. auf die - sie gern unterstützende - Bevölkerung äußerst heilsame Einflüsse aus, auch, wenn - vordergründig - das eigene Heil an erster Stelle steht.

    Friedliche Menschen strahlen Frieden aus und verbreiten ihn daher...


    Keine Angst, auch für "Zennies", die ihr Bodhisattva-Gelübde erfüllen wollen, wird es nie an Gelegenheiten mangeln. ;) :)


    5) Da eine punktuell nur auf Zeugung ausgerichtete Lust nicht funktioniert, gibt es auch die ganze Lust, die zu keinem Nachwuchs führt. Das ist nichts anderes wie Übung, die zu nichts führt, Rezitationen, die niemanden retten, Sitzen, das nicht zur Erleuchtung führt - also der Normalzustand.

    Genau, der Normalzustand der "Weltlinge", von denen sich der "edle Jünger" entsprechend abzuheben bemüht.


    Es ist ja jedem selbst überlassen, inwieweit (in welchem Maße) er die Buddha-Lehre in sein "normales" Leben "integriert" oder ob sein Leben - mit der Zeit - zur "gelebten Lehre" wird...

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)