Wie haltet ihr es mit der Lust ?

  • Hallo,


    ist Lust ein Maßstab für Buddhisten. Nun kann man generell natürlich nicht im Leben nur das machen worauf man Lust hat. Auf der anderen Seite denke hängt das ganze Menschentreiben an der Lebenslust und Lebensmut. Versiegt die Lust komplett kommt es zu Hypochondrie Lebensangst und letztlich wenn Sie ganz verschwindet zum Suizid.

    Wie sollte man es als Buddhist mit der Lust halten.


    Viele Grüße


    Kaiman

  • Man sollte sich um das Glück der Loslösung bemühen, das viel mehr ist als Sinnesglück und bis dahin möglichst maßhalten und nicht in Extreme verfallen.

  • "Lust" ist ein sehr zwiespältiges Wort.


    1. Einerseits bezeichnet es das Begehren - es "gelüstet" einem nach etwas. Begehren ist ein eher unangenehmer Zustand des Ungenügens- man seht sich nach etwas, was einem fehlt.
    2. Zweitens bezeichnet es einen Zustand des intensiven Erlebens - also ein sinnliches Genießen

    Das Wort "Lebenslust" schließt an zweiter Bedeutung an - man könnte es auch "Daseinsfreude" nennen.


    In der Verbindung dieser ganz unterschiedlichen Teile liegt so die Idee das Begehren zu einem glücklichen Zustand der Freude beiträgt. Und umgekehrt wenig Begehren zu einem niedergeschlagenen Zustand der "Lustlosigkeit" führt


    Der Buddhismus denkt hier vollkommen entgegengesetzt. Hier sieht man es so, dass "Begehren" nach etwas anderem zu Verdruss mit dem Hier und Jetzt beiträgt. Und ein Sein ohne Begehren und Abneigung eines ist, bei dem man ungeachtet der Unstände glücklich ist - also einen Zustand der "Daseinsfreude".

  • Ich will es für mich aktuell so ausdrücken:


    Durch den Buddha-Weg werden Gier und Lust (hoffentlich) transformiert in schöpferische Kreativität, nicht mehr der Erfolg steht im Zentrum, sondern die Freude am Tun.

    Weil die Schöpferkraft ohne Ego ist, wird das Tun sich auch heilsam auf mein Umfeld auswirken.


    Natürlich leichter gesagt als getan


    :taenzerin: :taenzer:

  • Lust ist auch immer Leidenschaft. Leidenschaft ist immer mit Festhalten an Meinungen des eigenen Egos gebunden. Meinungen sind immer gebunden an Vergangenes und hoffen auf Pläne der Zukunft.

    Lust ist das Festhalten des Egos an Sinnesschmerz oder Sinnesfreude.


    Der in der Vergangenheit empfundene Schmerz soll nicht wieder erscheinen oder erhalten werden. Geteilter Schmerz ist halber Schmerz oder gleicher Schmerz.


    Die in der Vergangenheit empfundene Freude soll wieder erscheinen und erhalten werden.

    Geteilte Freude ist doppelte Freude oder gleiche Freude.


    Ego darf all das benutzen, sollte sich bewusst werden, dass durch Loslassen alle Vergehen und als neue wiedergeboren werden.

  • Lust ist ein komplexer Begriff. Im Pali Canon gibt’s neben den Tanha ja auch die chanda. Nicht jedes Streben ist negativ zu sehen.


    Sexuelle Lust z.b. in einer konsensuellen sexuellen Beziehung gehört für mich durchaus zum Menschsein dazu und für Personen die keine Keuschheitsgelübde abgelegt haben und in der Lage sind verantwortungsvoll mit Lust umzugehen, warum nicht? Klar sollte sein dass Sex dann nicht als ersatzbefriedigung verwendet werden sollte. Regen einen die unverschämten Kollegen auf und man kommt mit masturbation runter, so hat man ja nur eine Lücke gestopft, statt zu adressieren dass man sich vielleicht nicht so schnell aufregt, Gleichmut und Verständnis übt, etc.


    So gehts bei vielem was man unter Lust oder Gelüsten einordnen kann. Alkohol, Essen, Sport, und auch Entspannungsübungen, etc.


    Wenn man sich jetzt halt in Enthaltsamkeit übt weil man einer moralischen Regel folgt, dann hat man im Prinzip weder adressiert dass man Dukkha am besten an der Wurzel packt, noch macht es irgend etwas leichter sich das schlechte Gewissen aufzuerlegen doch zu „sündigen“. Es hilft alles nichts, man muss von vorne bis hinten über die Zusammenhänge nachdenken, und dabei vor lauter Grübelei nicht die Praxis der heilsamen Handlungen vergessen.


    Keuschheit, Abstinenz von X kann dabei hilfreich sein. Aber nicht als generelle Empfehlung sondern als Schlussfolgerung mit Zweck.

  • Ha ha ha.. (: :) (:


    Kaiman , schaue hier:



    Zitat

    Es gibt sogar einen noch stärkeren Begriff, nämlich rāga, der diese Doppelbedeutung hat. Rāga, Lust, Gier, Begehren ist ja grundsätzlich ganz schlecht, aber es gibt eben auch dhamma-rāga, also Gier nach Dhamma oder Lust auf Dhamma. Und wir hatten sogar einen Mönchsfreund, der Dhammakāmo genannt wurde, was man eigentlich nur mit „geil auf Dhamma“ :rofl: übersetzen kann.


    Die Quelle:


    Paṭiccasamuppāda

    Variationen und Reflektionen zur Bedingten Zusammenentstehung

    von

    Santikaro

    BGM 2017

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Wie sollte man es als Buddhist mit der Lust halten.

    Der Palikanon äußert sich diesbezüglich sehr klar und eindeutig:

    Für das "überweltliche Glück" würde sich ein Verzicht auf sinnliche Genüsse und Lüste allemal lohnen, aber darum geht es m.E. gar nicht (zumindest nicht für "Haushälter" des 21. Jahrhunderts...).


    (Sinnes-)Lust - in Maßen! - zu genießen, ohne daran anzuhaften (und daher immer wieder - und womöglich nach mehr - zu verlangen) bereichert das Leben und ermöglicht Lebensfreude.

    (Auch der Buddha erfreute sich z.B. an der Schönheit der Natur, die er mit den Augen wahrnahm, an der Stille in der Abgeschiedenheit von Wäldern, in die er sich zurückzog....)

    Man sollte sich um das Glück der Loslösung bemühen, das viel mehr ist als Sinnesglück und bis dahin möglichst maßhalten und nicht in Extreme verfallen.

    Das hört sich sehr vernünftig an, zumal man sich immer bewusst sein sollte, dass - beispielsweise durch Alter und/oder Krankheit, Unfälle usw. - Sinnesglück sehr schnell wegbrechen kann und (weltliche) Lust zu erleben, entsprechenden Seltenheitswert bekommt, was bei "Lust-Orientierten", die an ihren Lüsten "hängen", zwangsläufig Dukkha erzeugen wird...


    Also: Mit Freude, ohne Anklammern, im Hier und Jetzt Lustvolles genießen, im Bewusstsein, dass es jederzeit beendet sein kann, es aber noch Höheres gibt - das "überweltliche Glück", nach dem zu streben sich mehr lohnt, als weltlichen Genüssen "nachzujagen"...






    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Der in der Vergangenheit empfundene Schmerz soll nicht wieder erscheinen oder erhalten werden.

    Der in der Vergangenheit empfundene Schmerz soll ... erhalten (!) werden.


    Das ist eine der seltsamsten Erscheinungen in der Menschenwelt, individuell wie kollektiv.

    Das Festhalten am Schmerz und Nichtlossenlassenwollen vom Schmerz.

    Als wäre eine schmerzhafte Geschichte, die ich mir selbst und anderen immer wieder erzähle, ein kostbarer Schatz, der um jeden Preis gehütet werden muss.


    Ist das ein Aspekt des Lust-Schmerzes ?


    :?

  • Aber sicher doch. Meine Mutter hat sich damit in den frühen Tod gebracht. Sie gab sich ganz dem Schmerz der Zurückweisung durch ihre Mutter hin und ihrem Selbstmitleid, dem „ich will so lange genießen, wie es eben geht, ich werde ja sowieso sterben.“


    Dass sie mir meine Freiheit nahm, weil ich viele ihrer Familienaufgaben übernehmen und ihr Diener zu sein hatte, war ihr vollkommen egal. Mein Glück war, dass ich das als normal angesehen habe. Es war ein großer Schreck, als sie starb, ein riesiger Verlust traf sich, mit dem vollen Bewusstsein endlich frei. Mein Rettungsanker? Ich bin Ich und nicht Helmut.

  • Mir ist zum Begriff „Lust“ zuerst die Freude eingefallen, die der Lust eigentlich am Nächsten steht. ZB ich empfinde Lust (Freude) zu spülen. Oder das Gegenteil ich empfinde Unlust (auf Grund anderer Gefühle) dafür.


    Die sexuelle Lust schließt an der eigentlichen Lust und Freude noch einmal separat an.


    Begehren hingegen sehe ich eher als irgend Etwas unbedingt (großer innerer Druck) besitzen oder haben oder bekommen zu wollen.


    Lust an sich (und die damit verbundene Freude), würde ich deshalb auch nicht als „schädlich“ oder „falsch“ im Buddhismus ansehen. Vielleicht eher das, was man damit macht. Oder machen könnte.


    Kann Freude zu schädigendem Verhalten führen?


    Dabei habe ich mich an den Gefühlsbaum aus dem Buch Narzissmus von HP Röhr orientiert. An Hand des Gefühlsbaums erkennt man auch welche anderen Gefühle Lust (Freude) behindern (können): zB Angst.


    Vielleicht hilft das allgemein bei der Orientierung und besseren Einordung von Lust:

  • Was ist Lust? Soweit ich das verstehe, ist es etwas machen wollen, um sich wohler als wohl zu fühlen.


    Ich analysiere das mal mit dem achtfachen Weg.


    Rechte Ansicht ist unrecht, denn ich fühle mich wohl, glaube aber, dass ich mich wohler fühlen könnte. Unwissenheit oder Verdrängung dass es mir wohl ist.

    Rechte Achtsamkeit ist nicht aktiv, denn ich sehe nicht, was ist, sondern das, was ich sehen möchte. Haben möchte, Lust darauf, mich anzustrengen.


    Rechte Anstrengung ist gefährdet, denn etwas über Wohl zu erreichen, Lust zu haben auf etwas, das mir mehr Wohl bringen soll, ist Stress erzeugend. Rechte Ansicht und Rechte Achtsamkeit ist schon nicht recht, das gefährdet die Entscheidung, ob sich die Anstrengung wirklich lohnt oder doch zu viel Stress macht.


  • Vielen Dank für diese Orientierung und über den „Weisen“:


    Das setzt also mehr oder weniger regelmäßige Übung (Meditation) voraus…


    Ansonsten tauchen wieder vermehrt die alten (An)Gewohnheiten (frühere falsche Konditionierungen, fehlende wahre Liebe und Mitgefühl entstanden durch Familie und Gesellschaft von Kindheit an) auf…


    So gesehen Bedarf es neben Verwirklichung von Spiritualität ggf. auch Psychotherapie für sich selbst, als auch innerhalb der gesamten Menschheit mit der man ja täglich zu tun hat, sofern man an Nachhaltigkeit und Veränderung in der Welt an sich denkt oder sich dies wünscht…


    Es war interessant auch noch einmal Auszüge aus dem Buch „Narzissmus“ zu lesen, das es nun zwanzig Jahre gibt:


    Es gibt einen sogenannten gesunden, normalen Narzissmus, der dazu dient, sein wahres Selbst entwickeln zu können, aus psychologischer Sicht. Als auch einen pathologischen Narzissmus der das wahre Selbst unterdrückt (oft wird von er/sie ist ein Narzisst gesprochen, aber wo fängt pathologischer Narzissmus an, und ist der, der behauptet, der andere wäre ein Narzisst, nicht vielleicht der mit pathologischem Narzissmuss…)


    Es ist zumindest mal hilfreich die Psychologie an sich zu verstehen. Psychologische Abwehrverhalten. Gefühle. Wie alles miteinander zusammen hängt und aufeinander wirkt. Um sich auch selbst besser zu verstehen.


    Dieses wahre Selbst gibt es genauso auf der spirituellen Ebene.

    Nur hat es dort eine andere, fast entgegengesetzt wirkende Bedeutung. S.a. („Himmel und Erde“): Befreiung von Ich und Ego.

    Während in der Psychologie Ich und Ego möglicherweise erst mal gestärkt (gesund entwickelt) werden müssen, weil man sonst mehr ein Opfer bleibt, (sich selbst und anderen gegenüber) und durch Spiritualität, möglicherweise sogar noch ein größeres wird.


    Der Author selbst erwähnt „bereits damals“ die gewissenlose Ausbeutung der Erde, negative Folgen des Kapitalismus, etc. und das er selbst kurzfristig keine Veränderung sieht oder daran glaubt:


    Sich vergeblich Zuviel Hoffnung auf eine „bessere Welt zu machen“, ist so ähnlich wie sich vergeblich zuviel Hoffnung „auf bessere Eltern zu machen“:


    Und sind somit letztendlich genauso selbstschädigend.


    Letzendlich helfen einem selbst nur gewisse Selbsterkenntnis, sich selbst besser verstehen, Erkennen und Vermeiden falscher Verhaltensweisen, Übung, Achtsamkeit, Wenn nötig Therapie, Entwicklung von Spiritualität, Wahre Liebe und Mitgefühl zu sich selbst und anderen,…


    Was kann ich selbst tun.

    Was muss ich selbst tun.

    Was nicht.

  • Wenn es mir wohl ist, gehe ich nicht in die Gefahr (aufs Eis) oder in die Verlangen-Hölle. Allerdings muss ich schon in diesen gelitten und herausgekommen sein.


    Beim Heraus hilft Meditation, um auf den Etappen Stille zu erfahren. Auch wenn ich wieder offensichtlich hineingehe, um einen Stopp der Stille zu erleben, der meine nächste Entscheidung hinauszögert. Meditation hilft, das weder Wohl noch Unwohl zu erkennen.

    Meditation ist 8 hat keine Verbindung zu den Wegteilen 1-7 noch 9 und 10. Sie ist die Stille aller Gedanken und Handlungen.


    Meditation hilft, die Lust auf etwas auszuschalten, nach der Meditation entscheide ich was angeschaltet wird.

  • Mir geht es so, dass ich, wenn ich für eine Entscheidung in die Stille, danach genau das tue, wozu ich zuvor keine Lust hatte, was mir lästig war, was ich vermeiden wollte.


    Ich brauche dann keinen Gedanken der Zustimmung mehr, ich handle einfach.

    Ein wunderbar freies Empfinden. Aber ich gebe mir diesen Raum, wenn das möglich ist.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Der Begriff „sich wohl fühlen“ und Mediation die Qualia genannt hat, hat mich auch an innere Lebensenergie (Ki) und das sie wieder frei im Körper fließen kann erinnert (neben sich wieder wohl fühlen auf Grund von bis dahin verdrängten Gefühlen - sa. Psychologie, Psycho und Traumatherapie).


    Neben dem Effekt von „Loslassen der Gedanken“. Dadurch wieder mehr innere Freiheit zu erfahren. Um anschliessend auch wieder freier für „bessere/einfachere Entscheidungen“ sein zu können…


    Irgendwie bin ich heute auch auf „Holotropes Atmen“ gestoßen, im Zusammenhang mit Transpersonale Psychologie und dessen „Begründer“ Stanislav Grov und Tummo.


    Zu Tummo gibt es hier schon einen Thread. Wo die Körpererwärmung erwähnt wird (durch Ki).


    Aber laut Wikipedia geht es dabei nicht allein nur um „Körpererwärmung“:


    Inneres Ziel dieser Geistesübung ist die gerichtete Energielenkung von innen nach außen, um so negative Gefühle, Gedanken und Haltungen durch „Verbrennen“ auszulöschen.


    Dh. es ist uU auch wichtig „wie man atmet“…


    Generell achten wir im Alltag bewusst (zu)wenig auf das Atem.

    Dabei ist bewusst zu Atmen an sich auch sehr wichtig…


    „Um sich (wieder) wohl(er) zu fühlen“…


    Hier ein Beispiel zu „Tummo Meditation“ das ich spontan gefunden habe:


    Externer Inhalt youtu.be
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    Allerdings gibt es dabei auch Risiken und Nebenwirkungen zu beachten, da sie auch (ungeahnte) Auswirkungen auf die Psyche haben kann. Die man ja schon von der Meditation an sich kennt.