Kernholz vs. Irrlehre

  • Gedanken zur Essenz des Buddha-Dharma (Kernholz)
    und der Irrlehre von der Wiedergeburt.


    (Nichts neues unter der Sonne - aber schön komprimiert & kompakt)


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    Das Kernholz

    Alles ist im Fluss.
    Alle Phänomene unterliegen ständigem Wandel (= anicca).
    Alle Phänomene sind eingebettet in ein komplexes Netz von Bedingtheiten (Bedingtes Entstehen).


    In dieser Welt des ständigen Wandels und der Allverwobenheit ("Dies ist, weil jenes ist") gibt es keinen Raum für einen festen Wesenskern, gibt es kein dauerhaftes autonomes Selbst (= anatta).


    Der Mensch "leidet" (dukkha), weil er sich dem Wandel entgegenstemmt und er der Illusion verhaftet ist, er sei ein autonomes Ich. Er leidet, weil er von einer Welt Dauer verlangt, die nur Veränderung bieten kann und weil er sich als isoliertes, von anderen Dingen getrenntes Wesen erlebt.


    Durch "Erwachen" kann dieses Leiden an seiner Wurzel zum Verlöschen gebracht werden. "Erwachen" ist die tiefe Ein-Sicht in die Gesetzmäßigkeit des Wandels und der Allverwobenheit. Erwachen ist kein intellektueller Prozess, sondern transrationale Ein-Sicht auf einer Seinsebene jenseits aller Konzepte.


    Der Buddha hat eine Methode entwickelt, die zu dieser Art Ein-Sicht und damit zur Leidbefreiung, zum Erwachen, führen kann: den Achtfachen Pfad. Dieser verbindet Reflektion und Anleitung zu sittlichem Verhalten mit Unterweisung in meditativem Training.


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    Die Irrlehre

    In diesem Gedankengebäude findet das Konzept einer "Wiedergeburt" keinen Platz. Allenfalls im metaphorischen Sinne. "Wiedergeboren" wird im unerwachten Menschen Tag für Tag die Illusion eines dauerhaften, isolierten Selbst.


    Eine Wiedergeburt im Wortsinne (also eine erneute Geburt nach dem körperlichen Tod) ist mit dem Buddha-Dharma nicht kompatibel. Wer das Konzept "anatta" als grundlegenden Lehrinhalt begreift und akzeptiert, muss das Konzept "Wiedergeburt" konsequenterweise ablehnen.


    Wenn Person B die "Wiedergeburt" von Person A ist, so muss es zwischen den beiden Existenzen ein Bindeglied, eine Konstante, etwas Kontinuierliches geben. Der Buddha-Dharma verneint die Existenz eines solchen Bindegliedes. Es gibt nichts Konstantes, keinen Wesenskern, keinen "Karma-Träger", der von einer Existenz in eine andere wandert. Es gibt nur unpersönliche Prozesse. Diese können nicht "wiedergeboren" werden. Kurz: Wiedergeburt ist unmöglich, da es schlicht nichts gibt, was wieder-geboren werden könnte. "Man kann nicht an die Reinkarnation glauben, ohne zugleich auch an die Beständigkeit zu glauben." (Steve Hagen).


    Um diesen Widerspruch zu umgehen, sprechen manche Buddhisten von einer "nicht-persönlichen Wiedergeburt." Eine absurde Angelegenheit. Wenn nicht die gleiche Person wiedergeboren wird, wenn also keine Personalidentität zwischen Person A und B herrscht, so kann auch nicht von "Wiedergeburt" gesprochen werden, da das Bindeglied zwischen den beiden Existenzen fehlt. Eine "nicht-persönliche Wiedergeburt" - das ist schlicht keine. "Mit dem höchsten Verständnis weiß man, dass, weil niemand geboren wurde, es auch niemanden gibt, der stirbt und wiedergeboren wird. Deshalb ist die ganze Frage nach Wiedergeburt ziemlich dumm und hat mit Buddhismus überhaupt nichts zu tun." (Buddhadasa Bhikkhu, Kernholz des Bodhibaums)


    Wer von Wiedergeburt spricht, geht von einem Kontinuum aus. Auf körperlicher Ebene gibt es ganz offensichtlich kein Kontinuum. Menschen sterben. Und mit dem Tod des Körpers, erlischt auch ihr Bewusstsein (>> Bedingtes Entstehen). Somit kann auch von einem "geistigen Kontinuum" über den Tod hinaus nicht die Rede sein. "Die Wesenheit, die angeblich wiedergeboren wird, existiert nicht - sie ist nur ein Konzept! Wie könnte ein Konzept wiedergeboren werden." (Sri Nisargadatta Maharaj)


    Wenn im Palikanon dennoch von "Wiedergeburt" die Rede ist, so handelt es sich bei den entsprechenden Passagen entweder um metaphorische Ausführungen oder um spätere hinduistische Beimengungen, die mit der ursprünglichen Buddha-Lehre nicht in Einklang zu bringen sind. Wiedergeburt ist lediglich ein moralisches Konzept und keine Beschreibung der Wirklichkeit.

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Dabei sollten wir in Betracht ziehen, dass zu Buddhas Zeiten, anders als heute, die Kernlehre (anatta usw.) Haushältern & Haushälterinnen für gewöhnlich nicht gelehrt wurde. Bis auf bekannte Ausnahmen, wie Anathapindika.


    Deswegen konnte da auch für gewöhnlich kein Widerspruch wahrgenommen werden.


    Grüße


    :)

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Das stößt das Denken an seine Grenzen. Und so wird man die Frage auch nicht lösen können.


    Aber es eine Irrlehre oder ähnliches zu nennen halte ich für ungünstig.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Ich denke das Bindeglied zwischen den Wiedergeburten ist das Nirvana.


    Man muss loslassen um ins Paranirvana einzugehen. Tut man das nicht führt eben das Anhaften, die Lebensgier zu einer Wiedergeburt. Grüße gbg

  • Geronimo:

    Das stößt das Denken an seine Grenzen. Und so wird man die Frage auch nicht lösen können.


    Aber es eine Irrlehre oder ähnliches zu nennen halte ich für ungünstig.


    Ja, das dachte ich auch.
    Es ist halt immer schwierig, dinge zu behandeln, darüber zu diskutieren, von denen man denkt sie wären wahr oder unwahr.


    Es wäre sicherlich nicht passend in einen katholischen Gottesdienst zu gehen und laut zu rufen "Gott gibt es nicht, das ist nur metaphorisch gemeint" ;)


    Aber wo wenn nicht in einem buddhistischen Forum kann man solche Ansichten zum Thema Buddha-Lehre formulieren?
    Auf der einen Seite sehe ich es wie Onda. Auf der anderen Seite möchte ich auch niemand vor den Kopf stossen, der an Wiedergeburt glaubt und sich derer sicher ist und dem sie (zumindest vorläufig) weiterhilft auf dem Weg.


    In einem 1 zu 1 Gespräch ist das sicherlich einfacher. Man weiss dann in etwa wie das gegenüber denkt und wählt dann dem entsprechend seine Worte. In einem Forum gibt es dann welche die das gesagte einfach hinnehmen wie es ist ohne das es sie beeinflusst. Manche werden dem zustimmen. Manche werden es ablehnen. Manche werden sich vor den Kopf gestossen fühlen.


    Irrglaube klingt vielleicht hart, aber ich kann auch verstehen das Onda das so kompromisslos ausdrückt.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Wie erklärst du dir, Onda, dann solche Ausagen von Buddhadasa in denen er den Sterbeprozess als die letzte Chance zum Absprung bezeichnet? Wenn es nichts gäbe wovon man abspringen könnte, dann gäbe es ja auch nichts zu tun. Nimm bitte einmal hier konkret zu diesen Aussagen Stellung, da ich dich das so schon mehrmals gefragt habe ohne das du darauf eingegangen bist. Wie verträgt sich folgendes mit deiner Ansicht?


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  • Geronimo:

    Wie erklärst du dir, Onda, dann solche Ausagen von Buddhadasa in denen er den Sterbeprozess als die letzte Chance zum Absprung bezeichnet? Wenn es nichts gäbe wovon man abspringen könnte, dann gäbe es ja auch nichts zu tun. Nimm bitte einmal hier konkret zu diesen Aussagen Stellung, da ich dich das so schon mehrmals gefragt habe ohne das du darauf eingegangen bist. Wie verträgt sich folgendes mit deiner Ansicht?


    Viel interessanter ist noch das Buddhadasa als Argument gegen Wiedergeburt angeführt wird und er doch eine Empfehlung für die letzte Millisekunden vor dem körperlichen Todes gibt. Warum gibt er eine solche Empfehlung wenn doch eh keine wie auch immer geartete Folge von diesem Handeln zu erwarten ist (außer für die verbleibenden Millisekunde)...

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Geronimo:

    Wie erklärst du dir, Onda, dann solche Ausagen von Buddhadasa in denen er den Sterbeprozess als die letzte Chance zum Absprung bezeichnet?


    Ich kann dazu leider nichts sagen, da ich keine Ahnung habe, worauf Buddhadasa hier hinaus will.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein und der gleiche Autor sich einmal deutlichst ablehnend über "Wiedergeburt" äußert, um dann ein paar Seiten später das Gegenteil zu vertreten. Das macht doch keinen Sinn!


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Onda:

    Ich kann dazu leider nichts sagen, da ich keine Ahnung habe, worauf Buddhadasa hier hinaus will.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein und der gleiche Autor sich einmal deutlichst ablehnend über "Wiedergeburt" äußert, um dann ein paar Seiten später das Gegenteil zu vertreten. Das macht doch keinen Sinn!


    Und da ich nicht davon ausgehe das er nur "heiße Luft" verbreitet gehe ich eher davon aus das er falsch interpretiert wird. Ob jetzt die Sicht pro- oder contra-Wiedergeburt die Fehlinterpretation ist vermag ich nicht zu sagen. Aber als absolut eindeutigen contra Sprecher sehe ich ihn nicht.

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Ich hab jetzt den Quote "Die letzte Chance" drei mal gelesen.
    Pro Wiedergeburt ist das in meinen Augen nicht. Es geht nur und ausschließlich um einen finalen "Kniff", ins Nirvana einzugehen.
    Da das Verlöschen tlw. so eng mit der Begrifflichkeit des nicht-mehr-Wiedergeboren-werdens verwoben ist, schwingt das sicherlich für viele im "Verlöschen" mit.
    Lesen kann ich das im Text aber expressis verbis nicht.
    Die sich aufdrängende Frage, welchen Sinn das so kurz vor Toresschluss noch machen soll, drängt sich natürlich auf.
    So platt es auf einer fast pragmatischen Ebene klingen mag: "friedvoller" – ohne letzte Anhaftung an das Leben – aus dem selben scheiden.


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • Meiner Meinung nach geht es darum in dem Augenblick wo man alles verliert nicht völlig durchzudrehen.


    Ich war nicht dabei als mein Opa starb, aber mir wurde erzählt er wäre völlig ausser sich gewesen, hätte herumgeschriehen, wäre nicht er selbst gewesen und hatte wohl ziemlich extreme körperliche und vorallem auch geistige Schmerzen (Dukkha). Er hing halt sehr am Leben.


    Der Prozess des sterbens ist sicherlich einer der unangenehmsten die es gibt.
    "Was ist Leiden? ... Altern ist leiden, Krankheit ist leiden, sterben ist leiden, Kummer, schmerz, Verzweiflung ist leiden, von geliebtem getrennt sein ist leiden, mit ungeliebtem zusammensein ist leiden usw."


    Wir alle altern, wir alle werden mal krank, wir alle sterben, wir alle sind mal verzweifelt oder haben Kummer oder sind traurig oder haben körperliche Schmerzen. Aber beim sterben kommt all dies Leiden zusammen, wie ein Faustschlag ins Gesicht. Und da fragt ihr euch wozu Buddhadasa für diese letzten Momente Ratschläge gibt, wenn danach doch alles vorbei ist...?


    "Danach" ist immer alles vorbei. Es gibt ebend nur hier und jetzt. Warum werden Menschen unter Narkose operiert und nicht einfach ohne? Nach der OP ist doch der schmerz vorbei.


    Leiden ist immer nur im hier und jetzt. Deshalb hat Buddhadasa diese Tipps gegeben, um im hier und jetzt, im moment des todes, nicht zu leiden.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Maybe Buddha:

    Meiner Meinung nach geht es darum in dem Augenblick wo man alles verliert nicht völlig durchzudrehen.


    Womit wir fast an den Frage pro/contra Sterbehilfe und Selbstmord angekommen sind. Wenn es "nur" darum geht das Leben "lebenswert" zu halten macht z.B. Suizid absolut Sinn. Was soll da die Passage über den plötzlichen Tod im Artikel von Buddhadasa. Für den Betroffenen kann es nichts mehr bringen wenn es denn ein plötzlicher Tod ist und es keine Auswirkung auf die Zeit nach dem Tod hat.


    Der Buddha wollte aber doch mehr. Er wollte das Durchschauen der Ursache von dukkha und damit den Schritt Richtung Ende von dukkha. Das geht (nur) im Augenblick, und sicher auch in einem Leben. Aber nur in Ausnahmefällen. Die meisten werden dieses Leben nicht erwachen. Ist für sie die lehre Buddhas nur eine ethische? Die wahre Lehre nur etwas für eine Elite, für zufällige "Ausnahmetalente" (weil karmisch Begünstigte gibt es ohne Wiedergeburtsidee ja auch nicht)?

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Bambus:

    Die meisten werden dieses Leben nicht erwachen. Ist für sie die lehre Buddhas nur eine ethische? Die wahre Lehre nur etwas für eine Elite, für zufällige "Ausnahmetalente" (weil karmisch Begünstigte gibt es ohne Wiedergeburtsidee ja auch nicht)?


    Sehr gute Frage ;)


    ()

  • Wiedergeburt ist Dharma, Dharmas sind Wiedergeburt. Keine Frage !


    Es fragt sich halt was sich jeder einzelne unter uns unter Wiedergeburt (puna-bhava = wieder-werden, erneutes werden) genau vorstellt !
    Hier (unter-)scheiden sich die Geister so sehr, dass man sich mitunter in einem Glaubenskrieg wähnt.


    Fact ist:
    :D : "Es stellt sich vor, zu was das Selbst im Moment in der Lage ist."
    :doubt: :"Und wer bestimmt zu was es in der Lage ist ?"
    :D : "Die gegenwärtige Verwirklichung des Geistes bestimmt zu was es im Moment in der Lage ist"
    :doubt: :"Und wer bestimmt die gegenwärtige Verwirklichung des Geistes ?"
    :D : " Karma und eigene Anstrengung bestimmt die gegenwärtige Verwirklichung des Geistes"


    Buddha erkannte dies. Genau deshalb weigert er sich, sich zu Vorstellungen konkret zu äussern. Buddha lehrt nicht bestimmte Vorstellungen zu entwickeln, sondern im Gegenteil Vorstellungen zu versiegen.


    Deshalb nochmals: Wiedergeburt ist Dharma, Dharmas sind Wiedergeburt.


    Egal was es im Moment bedeutet, mach keinen grossen Wirbel drum, lass dich nicht ablenken.


    Gruss Bakram

  • Bambus:
    Maybe Buddha:

    Meiner Meinung nach geht es darum in dem Augenblick wo man alles verliert nicht völlig durchzudrehen.


    Womit wir fast an den Frage pro/contra Sterbehilfe und Selbstmord angekommen sind. Wenn es "nur" darum geht das Leben "lebenswert" zu halten macht z.B. Suizid absolut Sinn. Was soll da die Passage über den plötzlichen Tod im Artikel von Buddhadasa. Für den Betroffenen kann es nichts mehr bringen wenn es denn ein plötzlicher Tod ist und es keine Auswirkung auf die Zeit nach dem Tod hat.


    Der Buddha wollte aber doch mehr. Er wollte das Durchschauen der Ursache von dukkha und damit den Schritt Richtung Ende von dukkha. Das geht (nur) im Augenblick, und sicher auch in einem Leben. Aber nur in Ausnahmefällen. Die meisten werden dieses Leben nicht erwachen. Ist für sie die lehre Buddhas nur eine ethische? Die wahre Lehre nur etwas für eine Elite, für zufällige "Ausnahmetalente" (weil karmisch Lbegünstigte gibt es ohne Wiedergeburtsidee ja auch nicht)?


    Ich verstehe diese herangehensweise "Nirvana oder die Lehre macht keinen sinn" nicht.
    Stell dir vor du lebst dein ganzes Leben nach der Lehre und, um es mal mathematisch auszudrücken:
    linderst dein Leiden nur um 80%, aber erreichst bis zu deinem Tod nie Nibbana, also die 100%.
    Wieso sollte die Lehre dann nur für eine Elite sinnvoll sein?
    Wenn ich dir jetzt sagen würde du wirst nie Nibbana erreichen, würdest du dann mit der Lehre aufhören, weil du max. um 80% dein leid linderst, statt die 100% zu erreichen. Statt 80% leidminderung nimmst du 0% leidminderung?


    Die Lehre ist wie ein Medikament oder ein schmerzmittel.
    Wenn du schmerzen hast und in der Packung ist noch eine halbe Tablette, nimmst du dann die halbe Tablette oder sagst du "Ich nehm nur die ganze Tablette"?

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Hier die betreffende Stelle zum Unfalltod:


    Zitat

    Was macht man nun im Fall eines Unfalltodes? Wenn man zum Beispiel von einem Auto überfahren wird, ein Haus über einem zusammenfällt, man hinterrücks von einem Stier aufgespiesst oder von einer Atombombe in die Luft gesprengt wird. Wenn Ihr etwas Intelligenz besitzt, werdet Ihr sehen, dass es genau das Gleiche ist. Wenn in diesem Moment auch nur ein winziges Bisschen Bewusstheit übrig ist, müsst Ihr Euch zum rückstandslosen Erlöschen entschliessen. Dadurch, dass Ihr vorausgehend das Gefühl, dass nichts es wert ist, es zu haben oder zu sein entwickelt habt bis es völlig reibungslos und natürlich aufsteigt, werdet Ihr es in dem Sekundenbruchteil vor dem Ende in den Geist bringen können. Jemand, der vom Auto überfahren wird, stirbt nicht sofort. Es ist immer ein Zeitintervall vorhanden, und sei es nur eine Millisekunde oder ein einziger Gedankenmoment. Für die blitzartige Bewusstheit, die sich zum rückstandslosen Erlöschen entschliesst, ist das genügend Zeit.
    Was, wenn der Tod zu plötzlich, ohne Bewusstheit eintritt? Das ist dann auch das rückstandslose Erlöschen, denn wir haben uns ja in normalen Momenten darin geübt, diese Bewusstheit, dass nichts wert ist, es zu haben oder zu sein, ununterbrochen im Geist gegenwärtig gehalten. Wie ich bereits erklärt habe: wenn nichts Besonderes geschieht, übt Eure Bewusstheit, bis der Geist sich immer dem rückstandslosen Erlöschen zuneigt. Auch wenn der Körper vom Tod überrascht wird, ohne die Gelegenheit etwas zu denken oder zu fühlen, wird es zum rückstandslosen Erlöschen kommen, wenn diese Bewusstheit durchgängig gegenwärtig war. Und haben wir eine halbe Sekunde oder auch nur einen Gedankenmoment, können wir in aller Ruhe daran denken. Seid also nicht feige und fürchtet Euch nicht! Lasst nicht zu, dass Euch Feigheit und Furcht in die Quere kommen. Schreit nicht nach einem Arzt oder verlangt, dass man Euch ins Krankenhaus bringt. Fahren sie Euch hin, dann werdet Ihr halt dort sterben, warum also die verbleibende Zeit verschwenden?
    Die Menschen nennen es einen "unnatürlichen Tod" wenn jemand nicht sterben will, aber dann unerwartet oder sogar gewaltsam ums Leben kommt. Das über allem stehende Dhamma schützt nicht nur absolut gegen einen unnatürlichen Tod, es bringt einen zu nibba-na genau unter den Rädern des Autos, unter dem zusammengestürzten Haus oder in dem Haufen der Körper, die von der Nuklearexplosion verbrannt wurden. Anstelle eines gewaltsamen unnatürlichen Todes steht dann nibba-na.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Onda:
    Geronimo:

    Wie erklärst du dir, Onda, dann solche Ausagen von Buddhadasa in denen er den Sterbeprozess als die letzte Chance zum Absprung bezeichnet?


    Ich kann dazu leider nichts sagen, da ich keine Ahnung habe, worauf Buddhadasa hier hinaus will.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein und der gleiche Autor sich einmal deutlichst ablehnend über "Wiedergeburt" äußert, um dann ein paar Seiten später das Gegenteil zu vertreten. Das macht doch keinen Sinn!


    Onda


    Danke für die sehr ehrliche Antwort. Ich denke die Sache mit den Geburten ist einfach noch ein bisschen anders zu verstehen als das da irgendjemand weiterwandert...

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  • Bambus:

    Die meisten werden dieses Leben nicht erwachen. Ist für sie die lehre Buddhas nur eine ethische? Die wahre Lehre nur etwas für eine Elite, für zufällige "Ausnahmetalente" (weil karmisch Begünstigte gibt es ohne Wiedergeburtsidee ja auch nicht)?


    Hi Bambus


    das beruht auf der Annahme dass es vor dem Erwachen nur Leid gäbe


    Erwachen & Arahant werden gerne idealisiert


    dabei gibt es bis dahin auch Vorteile aus dem Buddhadhamma


    der Buddha sagte Ethik führt zu einem besseren Dasein hier&jetzt (S 55.7)


    (auch ohne Aberglauben oder Spekulation vorauszusetzen)


    :)

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    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Maybe Buddha:

    Ich verstehe diese herangehensweise "Nirvana oder die Lehre macht keinen sinn" nicht.
    Stell dir vor du lebst dein ganzes Leben nach der Lehre und, um es mal mathematisch auszudrücken:
    linderst dein Leiden nur um 80%, aber erreichst bis zu deinem Tod nie Nibbana, also die 100%.
    Wieso sollte die Lehre dann nur für eine Elite sinnvoll sein?


    Es ging mir um die Diskrepanz zwischen den (vermeintlich) verschiedenen Aussagen von Buddhadasa.


    Mir hat die Diskussion selber schon etwas gebracht. Sie interessiert mich nicht mehr wirklich :D


    Die Argumente beider "Seiten" waren hilfreiche Denkanstöße für mich. Jetzt braucht das wieder eine Weile zum Sacken. Irgendwann bin ich dann zufrieden mit "meinem" Bild und dann wieder irgendwann werfe ich es über den Haufen und forsche wieder nach. Samsara halt. Aber mit dem netten Nebeneffekt dass ein Leben ohne den Dhamma für mich immer weniger vorstellbar ist.


    Nett zum philosophiere ist die Frage trotzdem :grinsen:

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Onda:

    ... Der Mensch "leidet" (dukkha), weil er sich dem Wandel entgegenstemmt und er der Illusion verhaftet ist, er sei ein autonomes Ich. Er leidet, weil er von einer Welt Dauer verlangt, die nur Veränderung bieten kann und weil er sich als isoliertes, von anderen Dingen getrenntes Wesen erlebt. ...


    Eine schöne Idee, die aber nur wenig mit der Lehre zu tun hat, die im Palikanon beschrieben wird:


    Zitat

    "Und was, Freunde, ist die Edle Wahrheit von Dukkha? Geburt ist Dukkha; Altern ist Dukkha; Tod ist Dukkha; Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung sind Dukkha; nicht bekommen, was man sich wünscht, ist Dukkha; kurz, die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, sind Dukkha [3]."


    (Majjhima Nikāya 141: Die Darlegung der Wahrheiten - Saccavibhaṅga Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Wo siehst du da den unterschied?

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Im Palikanon steht, dass unter anderem Schmerz Dukkha ist:


    Zitat

    "Und was, Freunde, ist Schmerz? Körperlicher Schmerz, körperliches Unbehagen, schmerzhaftes, unbehagliches Gefühltes, geboren aus körperlichem Kontakt - dies wird Schmerz genannt."


    (Majjhima Nikāya 141: Die Darlegung der Wahrheiten - Saccavibhaṅga Sutta)


    Ich sehe nicht im Geringsten, wie beispielsweise Zahnschmerzen dadurch entstehen können, dass sich jemand für ein autonomes Ich hält, oder wie Zahnschmerzen dadurch vermieden werden können, dass jemand sich nicht als von anderen Dingen getrenntes Wesen erlebt. Ondas Idee von Dukkha ist einfach eine andere als die, die im Palikanon beschrieben wird. Eine andere Lehre halt.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot:

    Im Palikanon steht, dass unter anderem Schmerz Dukkha ist


    Hi Elliot. Hier ist nicht dasselbe Dukkha gemeint wie im Bedingten Entstehen.


    Dukkha heißt soviel wie "das schwer zu ertragende"


    zB ein Rad das sich schwer dreht wenn der Wagen voll beladen ist.


    Es gibt zwei Arten von Dukkha: geistiges Leid & physischer Schmerz.


    Das ist eine Eigenheit der Pali-Sprache lost in translation.


    Grüße


    :)

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Man kann sich auch ruhig immer mal wieder ins Gedächtnis rufen das der Buddha mitunter unter beträchtlichen Rückenschmerzen gelitten hat. Obwohl er schon vollkommen vom Ich befreit war, waren da trotzdem immer noch Schmerzen, die er nur in den Vertiefungen nicht mehr spürte.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)