Ego, Ich und Selbst

  • Doris Rasevic-Benz:


    Es deckt sich damit, wie ich angefangen habe zu rauchen und wie ich nach Zigaretten süchtig wurde. Da war erst Neugierde.
    Dann habe ich entdeckt, was das für Effekte hat, und die Erfahrung wiederholt. Solange bis ich süchtig wurde.


    Ich fand das früher in den 60ern chic. Es stärkte mein Selbstbewusstsein, machte mich (vor mir selbst) interessant. Später in den 90ern rauchte ich nur mit Freundinnen zusammen, die auch rauchten, weil das Quatschen zusammen mit Wein oder so sehr anregend war. Wir fühlten uns so wichtig.
    Da mein Mann rauchte, als ich vor 12 Jahren zu ihm zog, fing ich an, abends nach der Arbeit mit ihm gemeinsam zu rauchen, weil es ein Wir-Gefühl unterstützte. Irgendwann ging mir diese Abhängigkeit dermaßen auf den Keks, dass ich vor 7 Jahren von einem Tag auf den anderen damit aufhörte. Ich hatte mir zuvor täglich längere Zeit meine Haltung, wie ich dabei aussah, mein unruhiges Verhalten, mein Suchen nach Gelegenheiten zum Rauchen, den Gestank im Haus, die Wirkung auf meine Gesundheit, mein Bedürfnis, den Geschmack der Zigarette durch Kaugummi oder Süßes zu neutralisieren, angeschaut. Und konnte nur noch über mich selbst den Kopf schütteln. Plötzlich war die Kraft zum Aufhören da. Zumal ich mir klarmachte, dass es ja offensichtlich ein Kopfsache ist, denn tagsüber im Büro war es tabu und bedrängte mich auch nicht.


    Nur ein Ego kann süchtig sein - egal nach was.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Anandasa:

    Wenn man einem Haustier mehr zu essen gibt als es braucht, wird es mit der Zeit kugelrund. Warum hört es nicht auf zu essen, wenn es genug hat? Weil in der Natur nicht immer Nahrun da ist, wenn sie gebraucht wird. Ist sie mal im Überfluss da, ist man sich richtig voll um Reserven für Notzeiten zu haben. Nicht aufhören zu essen um Reserven zu bilden wird durch die Gier gesteuert.


    Später stellt man fest, dass mehr essen als man braucht gut gegen Frust und so beginnt das Rad der Gier sich zu drehen. Das ist nicht nur beim Menschen so. Bei anderen Tieren ist es das Gleiche. Habe mal einen Dokumentarfilm von einem Schimpansen gesehen, dem ein Zoowärter mal Zigaretten gegeben hat. So kann der Schimpanse mit dem Rauchen seinen Frust abbauen eingesperrt zu sein und was noch alles. Diesem Schimpansen muss jetzt immer Zigaretten gegeben werden, wenn er welche will, weil er sonst völlig ausrastet und die Wärter dann nicht mehr weiter wissen. Und so wird die Sucht immer größer.


    Das Ganze hat einmal mit Anfressen von Reserven begonnen. Doch dann kam keine Notzeit, die hätte dazugeführt, dass sich die Gier durch das Reservefressen wieder abgebaut hätte.


    Hallo lieber Anandasa,


    hier eine Erklärung aus dem Palikanon:



    Schlägt ja in eine ähnliche Kerbe wie deine Erklärung, dass es eben mit dem "sich mehr nehmen als man jetzt braucht" begonnen hat.


    Wenn man weiter liest oder auch von Anfang an, sieht man wie sich dieser Abstieg der Wesen in immer gröbere und leidhaftere Formen vollzogen hat aufgrund von Gier, Hass, Unwissenheit und Verfall der guten Sitten, laut dieser Erklärung.


    Nur mal so als Info.


    Vielleicht interessiert es ja manche oder manchen. :)


    Auf diesen Beitrag am Besten in diesem Thread eingehen, falls Bedarf besteht:


    http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=14836


    Liebe Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • Sherab Yönten:


    O.k. Demnach wären alle drei Begriffe in diesem Kontext gleichbedeutend.


    Ja, sind sie meiner Meinung nach auch. Aus dem Ich entsteht ein Selbst und daraus ein Ego- oder kann ein Ego entstehen.

  • Sherab Yönten:

    Sind diese drei Begriffe aus buddhistischer Sicht ein und dasselbe oder gibt es da Unterschiede und wenn ja welche Unterschiede sind es ?


    In den Lehrreden werden diese Begriffe unterschieden: Ich (Asmi), Selbst (Atman) und Seele (Jiva):


    Zitat


    "Bhikkhu, 'Ich bin' ist eine Vorstellung; ( ‘Asmī’ti, bhikkhu, maññitametaṃ )
    'Ich bin dies' ist eine Vorstellung; ( ‘ayamahamasmī’ti maññitametaṃ )


    (Majjhima Nikāya 140: Die Darlegung der Elemente - Dhātuvibhaṅga Sutta)

    Zitat

    "Bhikkhu, man sieht jegliche Art von Form, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, man sieht alle Form mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend:


    'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.'
    ( ‘netaṃ mama, nesoham-asmi, na meso attā’ti )


    (Majjhima Nikāya 109: Die längere Lehrrede in der Vollmond-Nacht - Mahāpuṇṇama Sutta)

    Zitat

    "Wenn die Ansicht besteht 'die Seele ist das gleiche wie der Körper' ( ‘Taṃ jīvaṃ taṃ sarīra’nti ), kann das heilige Leben nicht gelebt werden; und wenn die Ansicht besteht 'die Seele ist eine Sache und der Körper eine andere' ( ‘no aññaṃ jīvaṃ aññaṃ sarīra’nti ), kann das heilige Leben nicht gelebt werden. Ob nun die Ansicht besteht 'die Seele ist das gleiche wie der Körper' oder die Ansicht 'die Seele ist eine Sache und der Körper eine andere', es gibt Geburt, es gibt Altern, es gibt Tod, es gibt Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung, deren Vernichtung ich hier und jetzt erkläre."


    (Majjhima Nikāya 63: Die kürzere Lehrrede an Māluṅkyāputta - Cūḷamāluṅkya Sutta)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • keks:
    Sherab Yönten:


    O.k. Demnach wären alle drei Begriffe in diesem Kontext gleichbedeutend.


    Im Zen ja da Zen keine Unterscheidungen macht.
    So kann man im Zen auch auf jeden Koan antworten, die Antwort muss allerdings unmittelbar kommen ohne Grübelei, die Antwort selbst ist eher unwichtig da jede Antwort richtig ist da alle Antworten gleich sind. Für Aussenstehende sieht das dann etwas merkwürdig aus :P Wer überlegt bei einer Frage der hat noch was zu tun, so merkt man sofort ob es jemand kapiert hat oder nicht.


    Dass, was man inhaltlich auf eine Koanfrage antwortet, "eher unwichtig" und alle Antworten gleich seien, ist natürlich Unsinn und in sich selbst ein gutes Beispiel dafür, was man sich mit "Grübelei" nicht alles so zurechtlegen kann. Koanfragen sind präzise Fragen, die eine präzise Antwort implizieren. Dass diese Antwort nicht durch intellektuelles Verstehen bzw. in Form von begrifflichem Denken gefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.


    Tatsächlich kenne ich eine Zen-Schule, in der offen gelehrt wird, zögerliches Antworten sei ein Hinweis auf begriffliches Denken, was der Koanfrage nie gerecht werden könne. Das Ergebnis ist, dass viele Schüler dieser Schule als Antwort auf jede Frage geradezu reflexhaft mit der Hand auf den Boden schlagen. Das ist dann aber in aller Regel nichts anderes als ein antrainiertes Verhalten, welches mit Zen und Koanpraxis nicht mehr viel zu tun hat.


    (Zur Eingangsfrage:) In Mahayana-Schulen, die sich, wie auch Zen, auf das Diamant-Sutra beziehen, gibt es die Lehre von den vier Arten illusionärer Vorstellungen, die ein Bodhisattva nicht aufkommen lasse:


    1. Die Vorstellung von einem Selbst (Ich)
    2. Die Vorstellung vom anderen (Du)
    3. Die Vorstellung vom Lebewesen (in sich bzw. vom Ganzen abgesondert bestehende Entitäten)
    4. Die Vorstellung von einer Lebensspanne (Zeit)


    Selbst, Ich und Ego werden also nicht als bestehende Gegebenheiten, sondern als Vorstellungen betrachtet, zu Hilfe derer wir uns eine ihrem Wesen nach mit Begriffen nicht angemessen zu erfassende Wirklichkeit anzueignen versuchen. Selbsverständlich kann man diese drei Begriffe trotzdem differenzieren. Nach meinem persönlichen deutschen Sprachverständnis wäre "Selbst" eher so etwas wie mein ursprüngliches, unmittelbar gegebenes Wesen, "Ich" meine individuelle Persönlichkeit und "Ego" mein Selbstbild. Entscheidend aus Zen-Sicht ist aber, dass alle drei Begriffe natürlich nur Vorstellungen sind, die ihrem Wesen als Vorstellung nach in sich schon zwangsläufig illusionär sind und das, was unmittelbar so gegeben ist, nie angemessen werden ausdrücken können.


    _()_
    Tai

  • Elliot:

    In den Lehrreden werden diese Begriffe unterschieden: Ich (Asmi), Selbst (Atman) und Seele (Jiva):


    Wenn ich das Zitat richtig verstehe, dann ist in diesem Zusammenhang mit "Seele" aber doch wohl eher der Geist gemeint und nicht etwa das Ego.

  • Tai:

    Nach meinem persönlichen deutschen Sprachverständnis wäre "Selbst" eher so etwas wie mein ursprüngliches, unmittelbar gegebenes Wesen, "Ich" meine individuelle Persönlichkeit und "Ego" mein Selbstbild.


    Interessante Unterscheidung. Was meinst Du genau mit "ursprüngliches, unmittelbar gegebenes Wesen" (Selbst) ?


    Tai:

    Entscheidend aus Zen-Sicht ist aber, dass alle drei Begriffe natürlich nur Vorstellungen sind, die ihrem Wesen als Vorstellung nach in sich schon zwangsläufig illusionär sind und das, was unmittelbar so gegeben ist, nie angemessen werden ausdrücken können.


    Das ist nicht nur im Zen so. Im Vajrayana geht es um "Konzepte". Die Vorstellung von einem "Ich" ist ein Konzept. Dieses Konzept entsteht aus den falschen Vorstellungen heraus, dass wir scheinbar unabhängig und dauerhaft existierten.

  • Sherab Yönten:

    Was meinst Du genau mit "ursprüngliches, unmittelbar gegebenes Wesen" (Selbst) ?


    Naja, um es gegen den Begriff eines "Ichs" abzugrenzen, welches durch ein von Vorlieben und Abneigungen geprägtes Ergreifen entsteht, wäre "Selbst" so etwas wie die stets unmittelbar gegebene Wesenssubstanz; also das, was ich in jedem Augenblick bin, bevor ich die unmittelbar gegebene Wirklichkeit als dies oder jenes verstehe, bewerte und damit zu bedingtem Erleben transzendiere. Aber das ist jetzt nur so ins Blaue hineinphilosophiert. Wie schon angedeutet, glaube ich nicht daran, dass es viel bringt, Unbeschreibliches in Worte fassen zu wollen. Im (zen-)buddhistischen Kontext machen solche Erklärungen nur Sinn, solange sie Sprecher und Zuhörer dahin bringen, sich unmittelbar auf diesen 'Augenblick vor dem Denken' einzulassen.


    Sherab Yönten:

    Das ist nicht nur im Zen so ...


    Das freut mich, zu lesen.


    _()_
    Tai

  • Tai:

    .. Koanfragen sind präzise Fragen, die eine präzise Antwort implizieren. Dass diese Antwort nicht durch intellektuelles Verstehen bzw. in Form von begrifflichem Denken gefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.


    Wobei es dabei grundsätzlich immer mindestens zwei Gründe geben kann.
    Entweder man ist grundsätzlich zu doof eine Antwort zu finden oder es gibt selbstverständlich auch gar keine. :)

  • Tai:

    Koanfragen sind präzise Fragen, die eine präzise Antwort implizieren. Dass diese Antwort nicht durch intellektuelles Verstehen bzw. in Form von begrifflichem Denken gefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
    Tai


    Hmm, inwiefern sind denn die Fragen und Antworten eines Koans präzise? V.a. wenn man den begrifflich-intellektuellen Sinn weglässt?

  • Tai:

    ... und das, was unmittelbar so gegeben ist, nie angemessen werden ausdrücken können.


    Weswegen sagt man auch "Nichts" dazu sagt.
    Etwas das man sich über die Vorstellung hinaus eben nicht vorstellen kann.
    Das Problem dabei ist, daß es viele Dinge gibt die sich der Vorstellung der
    meisten Menschen entzieht, es sie aber trotzdem gibt, aber eben nicht alle.
    Wobei dann alles mit dem "Nichts" in einem Topf geschmissen wird und
    ordentlich umgerührt wird. Die Wahrheit ist, das viele vielfach nicht wissen
    was es gibt und was es nicht gibt. Da kommt dann der Glaube ins Spiel.


    Der Buddha sagte dazu:

    Zitat

    Da, ihr Mönche, erkennt der Vollendete der Wirklichkeit gemäß das Mögliche als möglich und das Unmögliche als unmöglich. Daß er aber dies erkennt, ihr Mönche, das ist eine Kraft, mit der ausgestattet der Vollendete den höchsten Platz behauptet, unter den Menschen den Löwenruf erschallen läßt und das Reich der Heiligkeit aufrichtet.


    Zitat

    "So gibt es denn, Anando,
    ein Wirken, das unmöglich ist und unmöglich erscheint;
    gibt ein Wirken, das unmöglich ist und möglich erscheint;
    gibt ein Wirken, das möglich ist und auch möglich erscheint;
    gibt ein Wirken, das möglich ist und unmöglich erscheint."

  • Sôhei:
    Tai:

    Koanfragen sind präzise Fragen, die eine präzise Antwort implizieren. Dass diese Antwort nicht durch intellektuelles Verstehen bzw. in Form von begrifflichem Denken gefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
    Tai


    Hmm, inwiefern sind denn die Fragen und Antworten eines Koans präzise? V.a. wenn man den begrifflich-intellektuellen Sinn weglässt?


    Das hängt natürlich vom jeweiligen Koan ab. Traditionell ist das Koan ja nicht nur Inhalt der (Za-)Zenpraxis, sondern zugleich ein Mittel der Schulung und Prüfung zwischen Schüler und Lehrer. Arbeitest du mit einem Lehrer (Koan-Zen-Meister), wird er oder sie dir die Frage zum jeweiligen Koan stellen und im Dokusan deine Antworten prüfen. Wenn es dich davon abgesehen interessiert, was die Frage zu einem bestimmten Koan ist, dann lässt sich sagen, dass sich diese Frage in vielen Fällen unmittelbar aus dem Sachverhalt erschließt. In Koan-Sammlungen wie etwa dem Mumonkan oder dem Bi Yän Lu taucht die Frage meist in der ein oder anderen Form in Meister Wumen's bzw. Meister Yüan-Wu's Kommentaren auf.


    Die Antwort solltest du freillich selber finden und dir von einem Koan-Zen-Meister bestätigen lassen. (Letztere findest du übrigens nicht nur in der Rinzai-Schule. Neben anderen japanischen Linien, gibt es auch eine breite und authentische Koan-Tradition in Korea, überdies in Taiwan, China mit Fragezeichen und offenbar in gewissem Ausmaß auch in Vietnam.) Du kannst dich natürlich auch an diamant wenden, der, wenn ich mich nicht täusche, vor einigen Jahren plante, eine Übersetzung in dieser, also schriftlichen Form höchst umstrittener Koan-Antworten zu veröffentlichen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in einem anderen Forum vergeblich versucht habe, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, obwohl es dann, glaube ich, aus anderen Gründen trotzdem nicht dazu kam.


    Übrigens sagt niemand, dass du den begrifflich-intellektuellen Sinn eines Koan "weglassen" sollst. Ich wüsste auch gar nicht, wie das gehen soll. Meine Überzeugung ist lediglich - und das darf wohl als eine Art Common Sense im Koan-Zen gelten - dass du die Antwort auf eine Koan-Frage nicht auf intellektuellem Weg, also durch begriffliches Denken wirst finden können.


    _()_
    Tai

  • accinca:
    Tai:

    .. Koanfragen sind präzise Fragen, die eine präzise Antwort implizieren. Dass diese Antwort nicht durch intellektuelles Verstehen bzw. in Form von begrifflichem Denken gefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.


    Wobei es dabei grundsätzlich immer mindestens zwei Gründe geben kann.
    Entweder man ist grundsätzlich zu doof eine Antwort zu finden oder es gibt selbstverständlich auch gar keine. :)


    Im Gegenteil: Wenn man grundsätzlich zu doof ist, hat man viel bessere Chancen, die Antwort zu finden. :D


  • Hallo Tai,
    danke für deine ausführliche Antwort.
    Wirklich weiter hilft sie mir aber nur recht begrenzt. So wie ich deine Antwort verstehe, sind da zwei Komponenten im Spiel:


    a) Die schriftliche Tradition, d.h. es gibt bestimmte "korrekte" Antworten auf bestimmte Fragen. Was dann ja auch zu Büchern geführt hat, in denen diese Antworten gesammelt wurden. Dabei könnte man zwar von präzise sprechen, allerdings wäre das ein reiner Formalismus (im Sinne von: auf Frage x73 passt Antwort y28 etc.).


    b) Die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler einschließlich des "Bestätigen". Aber was daran präzise sein soll, kann ich nicht erkennen. Letzten Endes basiert das ja komplett auf dem Glauben und der Selbstzuschreibung beider Akteure an das, was sie da tun.


    Damit will ich jetzt keineswegs Chan/Zen und oder die Koan-Tradition schlecht machen; ich denke das Ganze bewirkt natürlich etwas, und die zum Einsatz kommenden Mittel (Sitzen, Koan, Dokusan etc.) sind funktionierende Bestandteile davon. Aber präzise ist das meiner Meinung nach nicht.

    (Was ja okay ist. Die abendländische Pädagogik betreibt seit etwa 30 Jahren einen enormen Aufwand, um besser zu verstehen, was genau in Lehr-, Lern- und Bildungsprozessen abläuft und wie diese verbessert werden können. Und von präzisen Einsichten ist man da im Grunde genommen auch Lichtjahre entfernt. Man kann rudimentäre Faktoren isolieren, die sich förderlich im Gesamtprozess auswirken: aber eine echte Methode zum Erfolg gibt es nicht.)

  • @ Sohei:


    Ich will mich jetzt nicht am Begriff "präzis" aufhängen, ich verwende ihn hier im Sinne von "genau, klar bestimmt". Gemeint ist, dass ein Koan jeweils eine klare Frage impliziert, auf die es eine klare Antwort gibt und es keineswegs, wie keks weiter oben ausgeführt hat, quasi egal sei, was man antworte, solange es "ohne Grübelei" geschehe, da "jede Antwort richtig und alle Antworten gleich" seien.


    Dass man von dem, was man tut, besser überzeugt sein sollte, ist doch selbstverständlich und gilt sicher für alles, was in jeder wie auch immer gearteten Tradition wann auch immer vollzogen wird.


    Von einer "schriftlichen Tradition" kann bezüglich Koan-Antworten nach meiner Auffassung übrigens nicht wirklich die Rede sein. In den grob geschätzt 1000 bis 1200 Jahren, die Koan als Schulungsmittel verwendet werden (wenn viele Koan selbst auch älteren Ursprungs sind), ist es meines Wissens nur zu dieser einen, oben erwähnten, höchst umstrittenen Veröffentlichung von Antworten gekommen. Traditionell sind die Antworten stattdessen in der Übertragung zwischen Lehrer und Schüler (und nicht in schriftlicher Form) bestätigt und weitergegeben worden. Als "reinen Formalismus" würde ich das nicht bezeichnen, da jeder Schüler die Antwort auf jedes Koan ja selber finden muss. Es ist auch sicherlich nicht so, dass alle Koan verbal sprachlich beantwortet werden müssten oder könnten, aber eine solche Wischi-Waschi-Egal-Was-Du-Antwortest-Alles-Gleich-Angelegenheit, wie oben beschrieben, sind Koan eben auch wieder nicht.


    Gruß und _()_
    Tai

  • Tai:

    Wenn man grundsätzlich zu doof ist, hat man viel bessere Chancen, die Antwort zu finden


    :lol:

  • Tai:


    Von einer "schriftlichen Tradition" kann bezüglich Koan-Antworten nach meiner Auffassung übrigens nicht wirklich die Rede sein.


    Selbstverständlich gibt es seit jeher schriftliche Frage-Antwort-Kataloge, die jedem Meister für seine Praxis mit Schülern übergeben wurden und werden.

    Zitat


    In den grob geschätzt 1000 bis 1200 Jahren, die Koan als Schulungsmittel verwendet werden (wenn viele Koan selbst auch älteren Ursprungs sind), ist es meines Wissens nur zu dieser einen, oben erwähnten, höchst umstrittenen Veröffentlichung von Antworten gekommen.


    Veröffenlichungen von solchen Katalogen nutzt nichts, denn die Praxis ist eine zwischen Lehrer-Schüler und da merkt man sofort, ob da einer sich was angelesen hat. Deshalb wird auch nicht über "Lösungen" geredet, weil auch das erkannt wird im dokusan.
    Im übrigen werden Koan als Schulungsmittel erst wirklich seit Hakuin angewendet. Es war schon immer umstritten, weil es falsche Ansichten über dieses Verhältnis von Lehrer und Schüler zementiert und weil es auch gar nicht notwendig ist.

    Zitat


    Traditionell sind die Antworten stattdessen in der Übertragung zwischen Lehrer und Schüler (und nicht in schriftlicher Form) bestätigt und weitergegeben worden.


    Es wird da nichts übertragen - weder Antworten noch Geist - da ist nichts, was übertragbar ist.

    Zitat


    Als "reinen Formalismus" würde ich das nicht bezeichnen, da jeder Schüler die Antwort auf jedes Koan ja selber finden muss. Es ist auch sicherlich nicht so, dass alle Koan verbal sprachlich beantwortet werden müssten oder könnten, aber eine solche Wischi-Waschi-Egal-Was-Du-Antwortest-Alles-Gleich-Angelegenheit, wie oben beschrieben, sind Koan eben auch wieder nicht.


    Die meisten Antworten müssen gezeigt werden. Weil es auch nicht um Sprachliches geht. Und Zeigen ist immer eindeutig. Deshalb, weil es eben eindeutig ist, gibt es keine Ausflüchte oder so ein Wischi-Waschi.

  • Sherab Yönten:
    Tai:

    Wenn man grundsätzlich zu doof ist, hat man viel bessere Chancen, die Antwort zu finden


    :lol:


    Das ist eine ziemlich bescheuerte Antwort.
    Grundsätzlich sind alle verblendet und ihre Antworten kommen aus dem Nicht-Wissen. Das hat mit Klugheit oder Dummheit nichts zu tun. Beim Klugen kommt allerdings der Stolz hinzu und der kann verhindern, dass man sich auf diese Tatsache des Verblendung einlässt. Es ist nämlich eine gehörige Kränkung des Intellekts, wenn man das zugeben muss.

  • Tai:


    Ich will mich jetzt nicht am Begriff "präzis" aufhängen, ich verwende ihn hier im Sinne von "genau, klar bestimmt". Gemeint ist, dass ein Koan jeweils eine klare Frage impliziert, auf die es eine klare Antwort gibt und es keineswegs, wie keks weiter oben ausgeführt hat, quasi egal sei, was man antworte, solange es "ohne Grübelei" geschehe, da "jede Antwort richtig und alle Antworten gleich" seien.
    Tai


    Hallo Tai,


    gut, aber genau das war ja der Punkt, den ich in meiner Antwort versucht habe herauszustellen. Wenn die Klarheit von Frage und Antwort nicht darin besteht, dass man einfach nur zwei passende Puzzleteilchen zusammensteckt (egal was sie zeigen), aber auch nicht im diskursiv-begrifflichen Inhalt, dann scheint es mir in der Tat prinzipiell egal, wie die Antwort lautet - denn dann geht es gar nicht um den Inhalt der Worte im Koan und Dokusan, sondern eben um die Beziehung von Lehrer und Schüler sowie die Entwicklung mit Bestätigung, welche aber eben nicht präzise ist. Zumindest nicht präzise oder klar in dem Sinne, dass sie auch für einen Außenstehenden nachvollziehbar ist. Oder doch? Maximal würde sich das Ganze dann etwa auf dem Level der Bewertung eines Deutschaufsatzes durch einen Lehrer bewegen - natürlich gibt es gewisse Kriterien, anhand denen der Lehrer seine Beurteilung fest- und nachvollziehbar macht; aber es bleibt ein ziemlicher Interpretationsspielraum (der durchaus vier Notenstufen ausmachen kann).


    Tai:


    Dass man von dem, was man tut, besser überzeugt sein sollte, ist doch selbstverständlich und gilt sicher für alles, was in jeder wie auch immer gearteten Tradition wann auch immer vollzogen wird.
    Tai


    Hmm, das geht etwas an dem vorbei was ich gesagt habe, oder wie ich es gemeint habe (ich denke du beziehst das auf meinen Satz mit der Selbstzuschreibung). Um z.B. Chemie zu lernen und gute Noten zu bekommen, musst du aber keineswegs von Chemie überzeugt sein oder daran glauben. Überzeugtsein ist bestimmt oftmals hilfreich beim Lernen (wenn es nicht in Dogmatismus abgleitet - "Ausgleich der fünf Kräfte" bietet sich da an). Aber hier ging es mir ja auch darum, ob das Ergebnis, in dem Fall einer Koan-Bearbeitung, welches ja im Zusammenhang mit sonst nicht weiter überprüfbaren Einsichten und Erleuchtungsstufen steht, auch noch eine andere Dimension aufweist als die, welche ihm die Beteiligten selbst beimessen.

  • Zitat

    Wenn du mit einem Lehrer übst, musst du zunächst sein Verständnis erfassen.
    Was bedeutet das?
    Wenn deine Auffassung sich von seiner unterscheidet, dann sollst du zunächst deine beiseite schieben und dich ganz darauf konzentrieren, die Weisheit des Lehrers zu durchdringen.
    Ist dein Verständnis erst mit seinem gleich, kannst du in Ruhe darüber nachdenken, wo seine Stärken und Schwächen liegen, wo er recht hat und wo er irrt. Wirf dann das Schwache weg und bekräftige das Starke. Wenn du so Schritt für Schritt vorgehst, wirst du Einsicht erlangen.


    Taigu Ryôkan, Ich spiele auf dem Buddha-Weg

  • Sherab Yönten:
    Elliot:

    In den Lehrreden werden diese Begriffe unterschieden: Ich (Asmi), Selbst (Atman) und Seele (Jiva):


    Wenn ich das Zitat richtig verstehe, dann ist in diesem Zusammenhang mit "Seele" aber doch wohl eher der Geist gemeint und nicht etwa das Ego.


    Nein, Jiva bedeutet eher Seele als Geist. Vor allem im Jainismus:


    Zitat

    Der Jainismus geht davon aus, dass sich in der Welt zwei Prinzipien gegenüberstehen: Geistiges und Ungeistiges. Das Geistige beruht auf einer unendlichen Anzahl individueller Seelen (Jiva). Das Ungeistige umfasst die fünf Kategorien: Bewegung, Ruhe, Raum, Stoff und Zeit. Alles Stoffliche ist beseelt, nicht nur Menschen und Tiere, sondern auch Pflanzen oder Wasser.
    Der spirituelle Aufbau des jainistischen Universums.


    Die ursprüngliche Reinheit und Allwissenheit der Seele (Jiva) wird jedoch durch feinstoffliche Substanzen, die als Folge von Karma eindringen, getrübt. Der Jiva lässt sich nach dem jeweiligen Reinheitsgrad durch farbliche, olfaktorische, haptische sowie geschmackliche Abstufungen kategorisieren, wobei z. B. das mögliche Farbspektrum des Jiva von Schwarz, Dunkelblau über Taubengrau, Feuerrot, Gelb bis Weiß reicht. So attestiert eine gelbe Geistesmonade dem Träger ausgeglichene Wesenszüge. Jedwede karmische Tat, ob intentionell oder nicht, zwingt zum Verbleib im Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara), bis alles Karma getilgt ist.[2] Eine Reinigung der Seele wird im Jainismus durch sittliche Lebensweise und strenge Askese erreicht. Ist eine Seele von allen Verunreinigungen befreit, so steigt sie in den höchsten Himmel auf, um dort in ruhiger Seligkeit zu verharren. Dieses Stadium erreichen jedoch nicht alle Seelen. Die sogenannten abhavya jivas („unfähige Seelen“) können aufgrund ihrer natürlichen Veranlagung nie aus dem Samsara befreit werden.


    (https://de.wikipedia.org/wiki/Jainismus#Philosophie)


    Zur Zeit des Buddha hießen die Jains noch Niganthas:



    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Tai:

    Das Ergebnis ist, dass viele Schüler dieser Schule als Antwort auf jede Frage geradezu reflexhaft mit der Hand auf den Boden schlagen. Das ist dann aber in aller Regel nichts anderes als ein antrainiertes Verhalten ...


    Hierzu bekam ich per p.m. noch folgenden Hinweis:


    Zitat

    Das Schlagen auf den Boden meint ja das Abschneiden aller Gedanken, Gefühle, Meinungen.


    :D


    Ich mach auf jeden Fall 3 Gasshos vor denen, die das tun oder ernsthaft versuchen.


    _()_
    Tai

  • Sôhei:

    Zumindest nicht präzise oder klar in dem Sinne, dass sie auch für einen Außenstehenden nachvollziehbar ist.


    Du sagst es! Genau deshalb geht es ja darum, die Antwort klar zu verwirklichen, nicht aber darum, sie von außen her nachzuvollziehen.


    _()_
    Tai

  • Tai:
    Sôhei:

    Zumindest nicht präzise oder klar in dem Sinne, dass sie auch für einen Außenstehenden nachvollziehbar ist.


    Du sagst es! Genau deshalb geht es ja darum, die Antwort klar zu verwirklichen, nicht aber darum, sie von außen her nachzuvollziehen.


    _()_
    Tai


    Hmm, vielleicht willst du nicht drauf eingehen, vielleicht verstehst du auch nicht worum es mir geht.


    Wie soll den eine klare Verwirklichung vonstatten gehen, wenn sie nicht in der Form und nicht im Inhalt liegt?
    Das klingt mir doch sehr nach Beliebigkeit.

  • Tai:

    @ Sohei:


    Ich will mich jetzt nicht am Begriff "präzis" aufhängen, ich verwende ihn hier im Sinne von "genau, klar bestimmt". Gemeint ist, dass ein Koan jeweils eine klare Frage impliziert, auf die es eine klare Antwort gibt und es keineswegs, wie keks weiter oben ausgeführt hat, quasi egal sei, was man antworte, solange es "ohne Grübelei" geschehe, da "jede Antwort richtig und alle Antworten gleich" seien.


    Als Zennie betrachtet man alle Worte als Konstruktionen des Geistes. Auch eine Tasse die im Schrank steht ist ein Konstrukt solange sie nicht direkt vor einem steht. Im Zen "befreit" man sich von wilden Konstrukten die die Gehirntätigkeit aufrecht erhalten weil man weiss, dass es zu nichts führt dauernd zu denken. Aus dieser Sichtweise und dass alles aus ein und dem selben Geist entsteht ist jede Antwort und sei es nur ein Ohrenklappern die richtige Antwort.