Liebende Güte im Alltag


  • Genau.
    Es gibt dann auch keine "guten" oder "bösen" Emotionen mehr. Auch das, was konventionell als "böse" eingestuft wird, also Zorn, Ungeduld, Angst usw. sind dann einfach nur noch Erscheinungen im Geist, die man sich und anderen nutzbar machen oder einfach vorüberziehen lassen kann.
    Das erfordert aber ständiges Beobachten und Einordnen, ständige Achtsamkeit. Und natürlich Intelligenz, diese Energien sinnvoll zu nutzen, also mit den Dämonen Tee zu trinken.


    Im Grunde ist das ganz einfach, sobald erkannt wird, wie Emotionen entstehen und wenn man sich darin übt, sich ihnen nicht auszuliefern. Erkennen, meint nicht, einfach nur rational zu erkennen, wie das abläuft, sondern als Selbsterfahrung, ergo wirklich zu wissen, worum es sich dabei handelt.


    Btw
    Was mich immer wieder staunen macht: So rätselhaft und kompliziert die Begriffe und das System der Tibeter sich erst mal anhören, sie sind im Grunde supereinfach und völlig klar, nachvollziehbar und zu verstehen.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Das ist einer der Gründe, warum ich meistens versuche, tibetisches "Fachvokabular" weitestgehend zu vermeiden. Wenn ich etwas verstanden habe (oder meine verstanden zu haben) versuche ich es in meinen Worten auszudrücken. Auch "standardisierte" westliche Übersetzungen vermeide ich, wenn sie nicht zu meinem Sprachgebrauch gehören und nicht auf Anhieb selbst-verständlich sind.


    Fachbegriffe sind immer gut geeignet, sich als "Elite" von den "Unwissenden" abzugrenzen. So sehr das manchmal hilfreich sein kann, für den Einzelnen, ist so eine Abgrenzung auf Dauer nicht unbedingt Sinn und Zweck einer mitfühlenden Lehre. ;)


    kilaya

  • Zitat

    So gesehen sind alle anderen Versuche die s. g. Liebende Güte zu entwickeln nur eine Verleumdung der eigenen Gefühle und Heuchelei.


    Eigentlich nein.
    Der Versuch dies zu entwickeln, bedeutet nicht, sich zu verleugnen.
    Es ist eine Stufe. Und ich halte sie für unverzichtbar.
    Liebende Güte ist auch immer für sich selbst zu entwickeln.
    Nicht umsonst wird das im Vajrayana zuerst betont. Die Öffnung der eigenen Sinne und des eigenen Herzens für andere Wesen, öffnet letztendlich auch das Herz für sich selbst. Die Verlagerung der Aufmerksamkeit auf das Wohl der anderen, ist sehr hilfreich im Erkennen der Ich-Illusion. Wenn ich lerne, nicht dauernd im Mittelpunkt zu stehen, dann fällt es mir leichter, von der Illusion des festen Ichs Abstand zu nehmen, weil dann damit weniger Verlustangst verbunden ist. Gleichzeitig verbessern sich so die Beziehungen und damit die eigenen Lebensumstände.


    Das ganze System ist mit lauter Feedbackschleifen durchwoben. Egal wo angesetzt wird, es wirkt sich auch die anderen Bereiche aus.


    Wenn jemand einen Sprung im Ballett lernen möchte, dann tut er erst so, als ob er der Sprung schon kann. Er übt und übt. Und natürlich ist jede Übung nur ein Fake. Dann plötzlich wird der Sprung beherrscht, und der Sprung ist echt. So ist das mit der Liebende Güte auch.
    Wenn ich zornig auf meinen Nachbarn bin und ihm am liebsten eine über die Birne hauen möchte und tue das nicht, sondern bleibe höflich und biete sogar meine Hilfe an, dann mag das erst mal scheinheilig aussehen. Aber in Wirklichkeit tue ich was Nettes, verhindere Übles und übe mich.
    Mir gegenüber muss ich ehrlich sein, und nur mir. Nicht um der Ehrlichkeit willen, sondern um der Erkenntnis willen, und wegen der Übung: Verdrängung und Selbstbetrug kann Übles nach sich ziehen. Nicht jedoch – noch – zähneknirschend dem destruktiven Impuls zu entsagen. DAS ist Askese.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Man sagt, dass es bei starken Emotionen besser ist, aus der Situation heraus zu gehen. Sich zu verstellen tut niemandem gut, auch der andere leidet darunter, wenn Zähne knirschend Hilfe angeboten wird.


    Daraus lernen bedeutet aus der Situation heraus zu gehen sowie nach der Ursache zu suchen. Die Wut, die man auf andere hat, trifft einen selbst im gleichen Maße. Wenn man sich nicht die Mühe gibt, ihre Ursache zu finden, beackert man nur die Oberfläche während sich im Innern nicht viel ändert. Und unterdrückte Wut kann leicht noch mehr Wut im Gepäck haben.

  • Es gibt aus Dzogchen-Sicht die sinnige Anleitung, es zuerst mit der Sicht zu versuchen, wenn das nicht klappt auf tantrische Mittel zu gehen und wenn das auch nicht klappt, aus der Situation raus zu gehen. Dabei soll man nicht denken, dass eine der Ebenen besser oder schlechter sei. Die höchste Methode ist immer die, die funktioniert.


    kilaya

  • Yofi:

    Man sagt, dass es bei starken Emotionen besser ist, aus der Situation heraus zu gehen. Sich zu verstellen tut niemandem gut, auch der andere leidet darunter, wenn Zähne knirschend Hilfe angeboten wird.


    Daraus lernen bedeutet aus der Situation heraus zu gehen sowie nach der Ursache zu suchen. Die Wut, die man auf andere hat, trifft einen selbst im gleichen Maße. Wenn man sich nicht die Mühe gibt, ihre Ursache zu finden, beackert man nur die Oberfläche während sich im Innern nicht viel ändert. Und unterdrückte Wut kann leicht noch mehr Wut im Gepäck haben.


    Es ist nicht immer möglich aus einer Situation rauszugehen.
    Z.B. Wenn es um Deine Kinder geht. Du kannst nicht abhauen, wenn sie was ausgefressen haben. Du musst Dich der Situation stellen und ihnen sogar oftmals helfen, weil sie das eben gerade nötiger haben als Du Deinen Seelenfrieden. Also beisst Du die Zähne zusammen und tust Deine Elternpflicht. Vielleicht musst Du Dich sogar äußerlich verstellen, wirst dem Kind Dein Unbehagen nicht auf die Nase binden. Wichtig ist die Ehrlichkeit Dir selbst gegenüber.
    Auch in der Krankenpflege kannst Du einen schwierigen Patienten nicht einfach im Stich lassen. Es gibt viele Situationen, wo das nicht möglich ist, ohne Schaden anzurichten.
    Ich würde niemals meinem Mann alle meine Emotionen zumuten, nur weil ich die gerade habe. Das ungefilterte Absondern von sämtlichen Befindlichkeiten ist enorm destruktiv. Es sind schließlich MEINE Emotionen, für die ich alleine verantwortlich bin. In den meisten Fällen ist es ohnehin meine Sicht auf die Dinge, die diese Emotionen hervorruft, nicht das Verhalten des Anderen.


    Was helfen kann, wenn die Zeit dafür vorhanden ist, ist ein kleiner Rückzug. Bei mir war das in Arbeitskonflikten der Gang auf die Toilette. Das kann schon genügen, um wieder runter zu kommen. Jeder entwickelt da seine eigenen Strategien.


    Aber all das ist keine unterdrückte Wut, nur eine, die nicht ausgelebt wird. Das ist etwas anderes. Wichtig ist auch, dass dies ein bewusster Vorgang ist, der Offenheit für eine Analyse und Selbsterforschung beinhaltet. Denn Wut – um bei diesem Beispiel zu bleiben – ist ein wichtiger Indikator für Missstände, den man nicht ignorieren sollte und für sich nutzen kann.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Irmin82:

    Hallo, als Buddhist soll man ja liebende Güte praktizieren. Ich bin einmal im Jahr zu so einem Familientreffen eingeladen und ich möchte da nicht mehr hin, weil mir die Leute schon so auf die Nerven gehen. Kann ich die auch meiden oder hat das dann was mit Stolz und anhaften am Ego zutun und ich sollte diese Situation eher als Probe sehen, um daraus zu lernen? Offen gesagt, will ich einfach nur meine Ruhe. Danke ... :doubt:


    Familie is ja wohl Konigsdisziplin. Um zu üben, muß man ja nicht gleich nackig durch's Brennessselfeld laufen... ;)

  • kilaya:

    Aus buddhistisch-tantrischer Sicht sind störende Emotionen sozusagen "vergiftete" Weisheitsenergien. Anstatt sich darum zu kümmern, sie loszuwerden, entfernt man das Gift und hat dann ein nützliches Werkzeug an der Hand. Wobei die anfänglichen Tantras von einer langsamen Umwandlung ausgehen, während die höheren Tantras von der Möglichkeit sprechen, die Emotionsenergie direkt in dem Moment umzuwandeln, in dem sie auftaucht. Dafür muss man wissen, was das "Gift" ist. Allen voran ist es die Ich-Illusion, das Ego, die Vorstellung, dass man getrennt vom anderen ist und einem immer mehr vom Kuchen gebührt. Mit der Ich-Illusion ist auch die Angst um dieses Ich verbunden, die Angst emotional verletzt zu werden.


    Hallo Kilaya,


    diese Sicht ist wirklich sehr hilfreich, das durfte ich selber erfahren. Die Emotionsenergie direkt in dem Moment umzuwandeln ist dann aber schon eine "höhere Übung", verlangt dies jedoch genau in dem emotionalen Moment Abstand zur Situation zu finden um Beobachter sein zu können - schwierig...


    LG :moon:

    Im erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. (Jack Kornfield)

  • kilaya:

    Es gibt aus Dzogchen-Sicht die sinnige Anleitung, es zuerst mit der Sicht zu versuchen, wenn das nicht klappt auf tantrische Mittel zu gehen und wenn das auch nicht klappt, aus der Situation raus zu gehen. Dabei soll man nicht denken, dass eine der Ebenen besser oder schlechter sei. Die höchste Methode ist immer die, die funktioniert.


    kilaya


    Ich bin mir nicht sicher ob jeder hier etwas mit dem Wort "Sicht" anfangen kann......
    Die Tantra Ebene hast Du ja sehr schön erklärt :)

  • kilaya:

    Das ist einer der Gründe, warum ich meistens versuche, tibetisches "Fachvokabular" weitestgehend zu vermeiden. Wenn ich etwas verstanden habe (oder meine verstanden zu haben) versuche ich es in meinen Worten auszudrücken. Auch "standardisierte" westliche Übersetzungen vermeide ich, wenn sie nicht zu meinem Sprachgebrauch gehören und nicht auf Anhieb selbst-verständlich sind.


    Das finde ich sehr lobenswert - man möchte ja dem anderen etwas vermitteln und nicht sich selbst darstellen. Und das Vermitteln klappt mit eigenen Worten meist am besten. :)

    Im erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. (Jack Kornfield)

  • Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Hi Karnataka,
    der Buddha lehrt die Analyse der Gefühle und ihr Ende.


    Ich wie nicht, was Du mit "ihr Ende" meinst.



    Hallo Doris,
    das Folgende meinte ich mit Ende. Denn von da ab, wo ich diese Zusammenhänge begriffen habe, veränderte sich meine Gefühlswelt. Insofern ist das für mich das Ende von Gefühlen, denen ich einfach so ausgeliefert zu sein scheine. Und desto mehr das in Fleisch und Blut übergeht, umso weniger schäumen Gefühle hoch. Zum Beispiel macht es mir keineswegs mehr Spaß, mit Freunden zu trinken, zu rauchen und dummes Zeugs zu quatschen. Also hat doch da ein Gefühl sein Ende gefunden, oder?


    Doris Rasevic-Benz:


    Ich würde niemals meinem Mann alle meine Emotionen zumuten, nur weil ich die gerade habe. Das ungefilterte Absondern von sämtlichen Befindlichkeiten ist enorm destruktiv.


    Zitat

    Es sind schließlich MEINE Emotionen, für die ich alleine verantwortlich bin. In den meisten Fällen ist es ohnehin meine Sicht auf die Dinge, die diese Emotionen hervorruft, nicht das Verhalten des Anderen.


    Zitat

    Aber all das ist keine unterdrückte Wut, nur eine, die nicht ausgelebt wird. Das ist etwas anderes. Wichtig ist auch, dass dies ein bewusster Vorgang ist, der Offenheit für eine Analyse und Selbsterforschung beinhaltet. Denn Wut – um bei diesem Beispiel zu bleiben – ist ein wichtiger Indikator für Missstände, den man nicht ignorieren sollte und für sich nutzen kann.


    Es geht auch mir nicht darum, Wut zu unterdrücken, sondern sie zu erkennen, möglicherweise zu entlarven oder zu nutzen, wie Du ja auch schreibst. Aber auch dieses Gefühl findet bei mir keinen Halt mehr. Denn es sind ja nicht immer Missstände, die Wut auslösen, sondern auch hier u.U. die eigenen Befindlichkeiten, z.B. die Fliege an der Wand.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Sherab Yönten:

    Ich bin mir nicht sicher ob jeder hier etwas mit dem Wort "Sicht" anfangen kann...


    Vermutlich nicht, aber das wäre dann hier eh OT ;)


    kilaya

  • Carneol:


    Die Emotionsenergie direkt in dem Moment umzuwandeln ist dann aber schon eine "höhere Übung", verlangt dies jedoch genau in dem emotionalen Moment Abstand zur Situation zu finden um Beobachter sein zu können - schwierig...


    Ein Problem ist mir dabei aufgefallen, Carneol, nämlich der Zeitfaktor. Früher hatte ich immer das Bedürfnis, so schnell wie möglich re-agieren zu können. Ich befürchtete, sonst nicht mehr "gehört" zu werden oder es würde nicht mehr passen. Jetzt lass ich mir Zeit. Ist der Zeitpunkt verstrichen, dann schaue ich nur zu und bin bis jetzt jedesmal überrascht, dass es auch ohne meine mögliche "Emotionsenergie" weitergeht. Ich sehe dann, wie ich früher re-agiert hätte und wie sinnlos das doch war. Sinnlos und unnötig schmerzhaft sowohl für den Anderen als auch für mich.


    Ich sehe die endlose Kette von unnötigen Re-Aktionen, die Wolkenkratzer von Gedankengebäuden gebildet haben, die die Vorurteile vertieft und die Lieblosigkeit erhöht haben. Und alles aus dem Gefühl heraus, es müsste gesagt oder gehandelt werden. Ich fühlte mich geradezu verpflichtet, ständig meinen Senf dazuzugeben oder vehement irgendeine Ordnung wieder herzustellen. Ich glaubte doch tatsächlich, der Andere hätte ein Recht auf meine Meinung. Durch das Schweigen sehe ich, dass es nur eine Meinung ist, die richtig oder auch falsch sein kann.


    Natürlich kommt es immer auf die Sache an bzw. auf den Fall. Ich schreibe hier nicht von Un-Recht, das mir begegnet. Da rede ich Tacheles oder handel entsprechend.
    _()_ Monika

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  • Doris Rasevic-Benz:

    Aber all das ist keine unterdrückte Wut, nur eine, die nicht ausgelebt wird. Das ist etwas anderes.


    Ja, ok.


    Zitat

    Wichtig ist auch, dass dies ein bewusster Vorgang ist, der Offenheit für eine Analyse und Selbsterforschung beinhaltet. Denn Wut – um bei diesem Beispiel zu bleiben – ist ein wichtiger Indikator für Missstände, den man nicht ignorieren sollte und für sich nutzen kann.


    Wenn es um eigene innere Misstände geht, dann ist das richtig. Ansonsten gibt es keinen Anlass dazu, aufgrund äußerer Umstände (z. B. Verhaltensweisen anderer) wütend zu werden. Das ist nur die Projektion der eigenen Angst und die Scheu davor. Egal welche Emotion gerade hoch kommt, sie hindert die Tatkraft.


    Leidbringende Emotionen sind kein guter Energielieferant, wie allein die Bezeichnung schon nahe legt. Bei aller Liebe zur Transformation, das Ziel ist, dass sie gar nicht mehr aufsteigen. Die Anleitung dazu ist keine Geheimlehre und alles, was man wissen sollte um erfolgreich üben zu können, steht u. a. in den Lehrreden.


    Grüße

  • Das mit dem Zeitfaktor ist sehr entscheidend. Eine sehr gute Übung kann sein, erstmal nicht mehr direkt zu reagieren, sondern eine Pause zwischen Reiz und Reaktion einzulegen und dann sehr bewusst zu reagieren. Die Übung kann aber auch einen Nachteil haben: dadurch dass ich teilweise erstmal gar nicht reagiert habe, hat man mich manchmal als "emotionslos" empfunden. Dabei stimmte das gar nicht: die Emotion war sehr stark und genau deswegen haben ich mir besonders viel Zeit genommen, sie anzuschauen und sich wieder auflösen zu lassen, bevor ich reagiert habe. Das ist für Leute nur sehr ungewohnt. Manchmal ist es Leuten lieber, man schreit sie mal eben zornig an, und dann ist es auch wieder gut - dann ist man für sie greifbar, verständlich - als dass man mit stoischer Ruhe ein paar Minuten später das Resultat der inneren Emotionsbetrachtung präsentiert. :moon: Auf Dauer ist es daher im Sinne der mitfühlenden Aktivität im Alltag oft besser, man reagiert eher normal emotional, aber wenn es darauf ankommt, ist man "auf den Punkt" in den Handlungen mitfühlend und verlässlich. Auf der Ebene der Sicht nimmt man im Dzogchen eher inneren Abstand von den Emotionen, während man im Essenz-Mahamudra eher das Mitgefühl mit Schwung in die spontan ausgedrückten Emotionen hineinwebt.


    Zitat

    Leidbringende Emotionen sind kein guter Energielieferant, wie allein die Bezeichnung schon nahe legt. Bei aller Liebe zur Transformation, das Ziel ist, dass sie gar nicht mehr aufsteigen. Die Anleitung dazu ist keine Geheimlehre und alles, was man wissen sollte um erfolgreich üben zu können, steht u. a. in den Lehrreden.


    Ich fände es besser, das nicht der in der Weise zu verallgemeinern. Das stimmt für eine bestimmte Ebene der Lehre. Auf anderen Ebenen ist das Ziel durchaus nicht, dass man "Emotionslos" wird. Leidbringende Emotionen sind nur so lange leidbringend, wie sie den leidbringenden Faktor enthalten. Ansonsten sind sie einfach nur Emotionen. Daran ist nichts gut oder schlecht an sich. So wie giftiges Wasser keinesfalls den Weg in meinen Körper finden sollte. Aber ohne Gift ist Wasser einfach nur Wasser.


    Und für einen Bodhisattva sind die Emotionen vor allem Lieferanten von Weisheit und wichtigen Informationen über die Situation. Sie steigen in der Situation auf, aber wenn da kein Ich ist, dann finden sie keine Klebefläche, um "meine Emotionen" zu sein. So gesehen "hat" "man" keine Emotionen mehr, aber sie sind immer noch da ;)


    kilaya

  • kilaya:
    Yofi:

    Leidbringende Emotionen sind kein guter Energielieferant, wie allein die Bezeichnung schon nahe legt. Bei aller Liebe zur Transformation, das Ziel ist, dass sie gar nicht mehr aufsteigen. Die Anleitung dazu ist keine Geheimlehre und alles, was man wissen sollte um erfolgreich üben zu können, steht u. a. in den Lehrreden.


    Ich fände es besser, das nicht der in der Weise zu verallgemeinern.


    Kilaya, du beziehst dich doch auf den Diamantweg, oder hast du es zumindest früher getan falls ich ich mich richtig erinnere. Gerade aus der Ecke stammt diese Datei, die ich schon lange kenne, und die ich nach wie vor für sehr sehr hilfeich halte:


    http://www.buddhismus-heute.de…e__25.position__3.de.html


    Es ist keine Verallgemeinerung, störende Emotionen haben in der Leerheit aller Phänomene keinen Raum, es lässt sich kein Nährboden finden, der als eine Grundlage dafür dienen könnte. Sicher wird man noch öfter rückfällig bis es irgendwann dauerhaft klappt, aber man sollte auf jeden Fall eine richtige Vorstellung und Zielsetzung haben. Emotionen, egal welcher Art, haben immer Bezug zur Ich-Wahrnehmung, wobei Gleichmut - der von Emotionen freier Zustand - eben nur unter der Bedingung der Auflösung der emotionalen Zustände greifen kann. Gefühle erkennen, durchschauen und überwinden, was ja auch bei Geistesumwandlung ganz beiläufig vonstatten geht. Auch sollte man überlegen, wenn Emotionen gelebt werden um damit andere zu beglücken - das ist auch für sie nicht hilfreich. Ja, man macht sich etwas menschlicher oder wie auch immer, aber letztendlich würde ich das als ein Zugeständnis einstufen. Sicher muss man den Weg an sich nicht gehen, ich möchte nur nicht unerwähnt lassen, dass emotionale Zustände nicht nur manchmal, sondern generell hinderlich sind, weil sie die Akzeptanz der Ich-Illusion unterstützen bzw. ihr folgen - also sich ein Kreis bildet, den man nur mithilfe einer richtige Einstellung unterbrechen kann.


    Zitat

    Das stimmt für eine bestimmte Ebene der Lehre. Auf anderen Ebenen ist das Ziel durchaus nicht, dass man "Emotionslos" wird. Leidbringende Emotionen sind nur so lange leidbringend, wie sie den leidbringenden Faktor enthalten. Ansonsten sind sie einfach nur Emotionen. Daran ist nichts gut oder schlecht an sich. So wie giftiges Wasser keinesfalls den Weg in meinen Körper finden sollte. Aber ohne Gift ist Wasser einfach nur Wasser.


    Welche Ebenen der Lehre du meinst, kannst du vielleicht noch erklären. Die Analogie würde ich so auslegen, dass man im Wasser aufgelöstes Gift nicht wieder davon trennen kann. Besser also man lässt es stehen und sucht wo anders nach reinem Wasser.


    Zitat

    Und für einen Bodhisattva sind die Emotionen vor allem Lieferanten von Weisheit und wichtigen Informationen über die Situation. Sie steigen in der Situation auf, aber wenn da kein Ich ist, dann finden sie keine Klebefläche, um "meine Emotionen" zu sein. So gesehen "hat" "man" keine Emotionen mehr, aber sie sind immer noch da ;)


    Kann ich nicht bestätigen, ich nenne mich aber auch Yofi und nicht Bodhisattva. Emotionsfreie Zustände sind nicht schwer zu erreichen, und jeder einzelne von ihnen bringt einen meilenweit vorwärts und daraus kann sich auch der Mut dazu entwickeln, Rückfälle besser zu akzeptieren. Zwei Schritte nach vorne und einer nach hinten heißt immer noch man bewegt sich vorwärts. That´s what I mean & my way.


    Grüße

  • Die Ebenen sind Tantra und Ati-Yoga. Und zwar egal in welcher Schule und Ausprägung.


    Auch auf der Seite, die Du verlinkt hast, steht nichts anderes als das was ich geschrieben habe:


    Zitat

    "Zentraler Ansatzpunkt, um mit den Störgefühlen zu arbeiten, ist also die grundlegende Unwissenheit, dieses Festhalten an dualistischer Wahrnehmung. Ist diese überwunden, sind die Störgefühle nicht nur einfach weg, sondern zeigen sich als Facetten der verschiedenen Buddhaweisheiten, offenbaren ihre innewohnenden Qualitäten." (Gerd Boll)


    Also: es geht nicht darum, die Gefühle loszuwerden, sondern sie werden durch das Loslassen der Ich-Illusion in Weisheiten transformiert bzw. zeigen sich als die Buddha-Weisheiten, die sie schon immer waren.


    Welche Gefühle im Kern welche Weisheiten sind wird dann auch an vielen Stellen ausführlich erklärt. So ist jedes der 5 Grund-Störgefühle z.B. einem Dhyani-Buddha und seiner Weisheit zugeordnet. Vairocana - Unwissenheit - Intuitives Wissen
    Amithaba - Begierde und Anhaftung - ursprüngliche Freude
    Amogasiddhi - Neid und Eifersucht - alles verbindende Weisheit
    usw.


    Manchmal wird eben mehr betont wie wichtig es ist, den Gefühlen in ihrer störenden Form nicht nachzugehen und welchen Schaden sie anrichten, manchmal wird mehr betont, dass die Essenz der Gefühle klar und rein ist. So wie mal das Leid der verwirrten Welt mehr betont wird und mal die Freude, Klarheit und Reinheit der Erleuchtung.


    Zitat

    Die Analogie würde ich so auslegen, dass man im Wasser aufgelöstes Gift nicht wieder davon trennen kann. Besser also man lässt es stehen und sucht wo anders nach reinem Wasser.


    Wenn Du das Bild unbedingt überstrapazieren willst, dann aber auch in aller Konsequenz ;) Klar hast Du die Möglichkeit, das vergiftete Wasser stehen zu lassen und nach sauberem Wasser zu suchen. Dann hiesse das aber nicht, Wasser grundsätzlich aufzugeben. Du suchst nur auf einem anderen Weg nach dem sauberen Wasser. Dann ist es durchaus möglich, je nachdem um was für ein Gift es sich handelt, Gift und Wasser wieder zu trennen. Vielleicht kann man es auch durch Zugabe einer weiteren Substanz neutralisieren. Und vielleicht kommt sogar jemand daher, und macht aus dem Gift eine Medizin. Das wären alles legitime tantrische Methoden.


    Da wir das Gift im Fall der Störgefühle kennen: es ist die dualistische Wahrnehmung, die Ich-Illusion usw. wissen wir, welche Gegenmittel wirksam sind, das Gift vom Wasser trennen können, es neutralisieren können usw. Nämlich die tantrischen Mittel, Meditation, alles was zur Einsicht in Leerheit führt.


    kilaya

  • Auch auf die Art kann man einen Zustand der Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl erreichen insofern man weiß, dass diese Methoden lediglich Hilfsmittel sind und einem dieses Ziel klar ist. Ich bin mir oft nicht so sicher, wenn ich sehe, dass so viele es auf Verdienste und angenehme Gefühle durch Praxis erreichen absehen. Jedenfalls klingt "Liebende Güte" ein wenig nach einem Überbau, eben nur nach einem Pol der Zwei-Pol-Dynamik. Ob das nun besser ist, als beides aufzugeben, daran kann man glauben oder eben nicht. Irgendwann kommt der Punkt, an dem jegliche Vorstellungen weg sind sowie auch die Anhaftung an Methoden. Dass wie du schreibst Gefühle sich in visualisierte Objekte wandeln - und danach aufgelöst werden als letzter Punkt der Visualisierung (so kenne ich das) - bedeutet auch, dass Gefühl samt aller Gegenmittel als unbeständig und nicht wirklich zu sehen sind. Die Unwirklichkeit ist auch das vorläufige Ziel, weniger der Glaube an eine Beständigkeit und Nutzbarkeit der Gefühle.


    Grüße

  • Yofi:

    Dass wie du schreibst Gefühle sich in visualisierte Objekte wandeln - und danach aufgelöst werden als letzter Punkt der Visualisierung (so kenne ich das)


    Wer schreibt das? Ich nicht ;) Gefühle tauchen auf, werden wahrgenommen und lösen sich von selbst wieder auf. Interessant ist nur, was im Moment der Wahrnehmung passiert. Klebe ich meine Illusion von einem Ich an die Energie, habe ich ein Störgefühl. Wenn ich die Leerheit der Energie erfahre, erfahre ich sie als die Weisheit, die es schon immer war.


    Zitat

    - bedeutet auch, dass Gefühl samt aller Gegenmittel als unbeständig und nicht wirklich zu sehen sind. Die Unwirklichkeit ist auch das vorläufige Ziel, weniger der Glaube an eine Beständigkeit und Nutzbarkeit der Gefühle.


    Das allemal - also Unwirklichkeit (=Leerheit). Du sagst auch, dass das Ziel ist, die Leerheit des Gefühls zu erfahren. Nur dass Du offenbar erwartest, dass auf diese Weise die Emotionen verschwinden. Die Nutzbarkeit ist nicht das eigentliche Ziel, sie ist ein Nebeneffekt: Wenn ich das Gift eh schon entfernt habe, kann ich das Wasser auch trinken. Ich kann es auch lassen. Darum geht es nicht eigentlich.


    Den von Dir beschriebenen Umgang würde ich auch kritisieren; das macht aber das eigentliche Konzept des Tantra nicht zunichte, wenn Leute es zu Beginn nicht richtig anzuwenden wissen. Trungpa Rinpoche nennt sowas "spirituellen Materialismus" wenn man seine Praxis darauf ausrichtet, irgendwas Gutes anzusammeln das man sich ins Menschsein-Portfolio kleben kann. Aber es geht ja nicht darum, Zorn mit irgendeiner aufgesetzten Liebe auszutauschen. Das wäre dualistisch.


    kilaya

  • Schön, das finde ich gut, was du schreibst, Danke.


    kilaya:

    Nur dass Du offenbar erwartest, dass auf diese Weise die Emotionen verschwinden.


    Jain, sie steigen irgendwann tatsächlich nicht mehr auf, das steht sogar irgendwo im PK, aber das kann man offen lassen. Die Natur setzt scheinbar auch hier auf Effizienz, und wenn sich das Aufsteigen nicht mehr "lohnt", weil es nicht beachtet wird, reduziert sich die Aktivität von selbst.


    Mal gucken wie es weiter geht. :) Grüße

  • Yofi:
    kilaya:

    Nur dass Du offenbar erwartest, dass auf diese Weise die Emotionen verschwinden.


    Jain, sie steigen irgendwann tatsächlich nicht mehr auf, das steht sogar irgendwo im PK, aber das kann man offen lassen. Die Natur setzt scheinbar auch hier auf Effizienz, und wenn sich das Aufsteigen nicht mehr "lohnt", weil es nicht beachtet wird, reduziert sich die Aktivität von selbst.


    Dem kann ich zustimmen, Yofi. Sie steigen einfach nicht mehr auf.
    Und das nenne ich ihr Ende.
    Genau so wie sie andererseits sich auch unendlich ausweiten können, wenn wir sie pflegen und ordentlich Energie da reinstecken, weil wir uns dann vielleicht sehr lebendig und stark fühlen.
    _()_ Monika

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    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Wenn wir die Emotionen nicht aufkommen lassen, würde das nicht auch ein ENDE von Mitgefühl bedeuten. Im Wort steckt ja schon Mit + Gefühl = Emotion.
    Ich habe die Lehre so verstanden , das egal welche Emotion oder Empfindung aufsteigt, wir
    sie nicht annehmen oder ablehnen wollen, sondern mitfühlen, An-teilnehmen.
    Das wir Emotionen nicht bewerten ist klar, aber gar keine haben ?


    LG :heart:

  • Das sehe ich auch so.
    Und wie sollten wir uns in andere einfühlen können, z.B. ihre Angst erkennen, wenn wir selber diese Emotionen nicht mehr haben?


    Dass sich in manchen Situationen bestimmte emotionale Reaktionen nicht mehr einstellen, das ist logisch und für jeden nachvollziehbar. Wir kennen das ja alle: Manchmal ändert sich unsere Haltung und Einstellung zu bestimmten Themen, und damit auch unser emotionalen Reaktionen. Was uns heute mächtig ärgert, lässt und morgen kalt.
    Ich hatte früher eine Spinnenphobie, und so was ist echt heftig, das ist Todesangst. Heute verspüre ich Spinnen gegenüber keine Angst mehr. Aber ja, immer noch verspüre ich was, nämlich die Liebe zu einem kleinen Wesen, das lebt und sich in dieser Welt behaupten möchte. Ich fühle mich mit dem Wesen verbunden und habe das Bedürfnis es zu schützen, weil ich die Angst um das Leben kenne. Und das ist eine Emotion, sogar eine starke. Das will ich auf keinen Fall missen.


    Wie schon geschrieben, Emotionen in Verbindung mit Ich-Illusion, das Gefangenensein in den Emotionen, das macht die Probleme. Ich erlebe es so, dass die Emotionen auf einer äußeren Schale stattfinden. Dort kann ich sie auch lassen, wenn ich das möchte. Und wenn sie aufsteigen und mich in einem Moment voll und ganz erfassen, so kann ich durch Achtsamkeit wieder gewahrwerden, dass sie auf eben dieser Schale stattfinden und habe die Möglichkeit mit zu entscheiden, inwieweit ich mich auf sie einlasse. Wenn das gelingt kann auftauchen was will, ich bin dann die Herrin in meinem Haus.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.