kilaya:Alles anzeigenAus buddhistisch-tantrischer Sicht sind störende Emotionen sozusagen "vergiftete" Weisheitsenergien. Anstatt sich darum zu kümmern, sie loszuwerden, entfernt man das Gift und hat dann ein nützliches Werkzeug an der Hand. Wobei die anfänglichen Tantras von einer langsamen Umwandlung ausgehen, während die höheren Tantras von der Möglichkeit sprechen, die Emotionsenergie direkt in dem Moment umzuwandeln, in dem sie auftaucht. Dafür muss man wissen, was das "Gift" ist. Allen voran ist es die Ich-Illusion, das Ego, die Vorstellung, dass man getrennt vom anderen ist und einem immer mehr vom Kuchen gebührt. Mit der Ich-Illusion ist auch die Angst um dieses Ich verbunden, die Angst emotional verletzt zu werden.
Praktisch kann man das an einem Beispiel veranschaulichen: jemand greift einen (verbal) zornig an. Die üblichen Reaktionen wären "Fight or Flight". Hebt man aber die Trennung auf und hat man keine Angst, verletzt zu werden, kommen neue Möglichkeiten ins Spiel. Man erkennt den Zorn des Angreifenden als ungetrennt vom eigenen Zorn und der eigenen Angst. Man erkennt, dass hinter dem Zorn des anderen womöglich auch Angst steckt. Daraus entsteht auf natürliche Weise Mitgefühl. Wenn man nun noch selbst angstfrei wird, weil man erkennt, dass ein Ich, das nicht existiert, auch nicht verletzt werden kann, kann man aus der Energie des Zorns (wessen Zorn ist es nun eigentlich?) die Kraft und Klarheit beziehen, um mit der Situation richtig umzugehen.
Kurz: Zorn ohne Ego = Kraft und Klarheit
Das Grundprinzip lässt sich auf die anderen störenden Emotionen übertragen.
kilaya
Genau.
Es gibt dann auch keine "guten" oder "bösen" Emotionen mehr. Auch das, was konventionell als "böse" eingestuft wird, also Zorn, Ungeduld, Angst usw. sind dann einfach nur noch Erscheinungen im Geist, die man sich und anderen nutzbar machen oder einfach vorüberziehen lassen kann.
Das erfordert aber ständiges Beobachten und Einordnen, ständige Achtsamkeit. Und natürlich Intelligenz, diese Energien sinnvoll zu nutzen, also mit den Dämonen Tee zu trinken.
Im Grunde ist das ganz einfach, sobald erkannt wird, wie Emotionen entstehen und wenn man sich darin übt, sich ihnen nicht auszuliefern. Erkennen, meint nicht, einfach nur rational zu erkennen, wie das abläuft, sondern als Selbsterfahrung, ergo wirklich zu wissen, worum es sich dabei handelt.
Btw
Was mich immer wieder staunen macht: So rätselhaft und kompliziert die Begriffe und das System der Tibeter sich erst mal anhören, sie sind im Grunde supereinfach und völlig klar, nachvollziehbar und zu verstehen.