Die 4 Siegel des Lamaismus aus Sicht des Theravāda

  • Die Sicht des Lamaismus werde ich anhand der Lehren des Dalai Lamas und seines Schülers Thubten Ngawang wiedergeben.


    Die Kategorie der Vier Siegel gibt es nicht im Theravāda. Vergleichbar ist die Kategorie der Drei Merkmale (tilakkhaṇa), die sich ableitet aus folgender, im Palikanon immer wieder vorkommenden, Lehrdarlegung:



    Die Vier Siegel nach dem Samādhirāja Sūtra (siehe Dalai Lama (2018): The Foundation of Buddhist Practice) sind:


    1. all conditioned phenomena are transient,
    2. all polluted phenomena are duḥkha (unsatisfactory) in nature,
    3. all phenomena are empty and selfless, and
    4. nirvāṇa is true peace.


    Oder bei Thubten Ngawang auf Deutsch:


    Thubten Ngawang (1996): Die vier Siegel des buddhistischen Lehre:

    Diese Vier Siegel, auf denen alle Erklärungen im Buddhismus basieren, lauten:


    Alle Produkte sind unbeständig.

    Alles Befleckte ist leidhaft.

    Alle Phänomene sind leer und ohne Selbst.

    Nirvāṇa, die Befreiung, ist Frieden, das endgültige Glück.


    Wichtig ist hier die Beschreibung des Zweiten Siegels: Alles Befleckte ist leidhaft. Hieraus leiten sich zwei Fragen ab: (1) Ist alles, was vergänglich ist, auch befleckt und damit leidhaft oder (2) gibt es unbeständige Produkte, die nicht befleckt sind und damit auch nicht leidhaft?


    Im obigen Auszug aus dem Anattalakkhaṇa-sutta stellen sich diese Fragen nicht. Dort leitet sich das Leiden unmittelbar aus der Unbeständigkeit der Dinge ab: wenn es unbeständig ist, ist es Leiden.


    Thubten Ngawang erklärt:


    Zitat

    „Im zweiten Siegel heißt es, daß alles Befleckte leidhaft, d.h. mit Leid verbunden ist. Alle Dinge, die wir erleben und die mit fehlerhaften Geisteszuständen wie Unwissenheit, Begierde etc. im Zusammenhang stehen, sind befleckter Natur und damit leidhaft“ {Thubten Ngawang 1996: ebenda: 4}.


    Und beim Dalai Lama:


    Zitat

    Polluted phenomena are those produced under the control of ignorance and its latencies. Because all things in cyclic existence — including our body and mind — are polluted in this way, they are said to be duḥkha, unsatisfactory by nature” {Dalai Lama 2018: The Foundation of Buddhist Practice: 30}.


    Also Dinge, die mit Unwissenheit verbunden sind, sind befleckt und leidhaft. Was ist zum Beispiel mit Buddhas Geist, der sicherlich frei von Unwissenheit ist. Hierzu sagt der Dalai Lama: „As a mind that apprehends different objects each moment, a buddha’s mind is impermanent” {Dalai Lama 2021: Courageous Compassion: 550}. Was folgt jetzt aus dieser Vergänglichkeit?


    Zitat

    the early sūtras that comprise the Fundamental Vehicle teachings state that at the time of attaining parinirvāṇa when an arhat dies, that person attains “nirvāṇa without remainder.” At that time, the continuum of the polluted mental and physical aggregates are said to cease. However, if we analyze carefully, there is no reason why the continuum of an arhat’s mind would totally cease at the time of death. There is no agent or antidote that could bring about the cessation of a continuum of consciousness. {Dalai Lama 2017: Approaching the Buddhist Path: 201}


    Der Geist eines Buddha oder Heiligen besteht nach seinem Tod, hier mit dem Begriff parinirvāṇa bezeichnet, also weiter. Wenn wir die Möglichkeit ausschließen, dass im Mahāyāna das Parinibbāṇa mit Leiden verbunden ist, dann folgt daraus, dass nicht alle unbeständigen Produkte auch befleckt und leidhaft sind. Der Lamaismus postuliert demnach eine leidfreie „Existenz“ außerhalb von saṃsāra:


    Zitat

    As soon as that person eliminates ignorance, she no longer creates polluted actions that propel cyclic existence. Her cyclic existence ceases, and that person — that mere I — attains liberation. Gradually, she can also remove the cognitive obscurations that prevent omniscience, and when this is done, that mere I attains buddhahood, the state of full awakening or non-abiding nirvāṇa, in which the person abides neither in cyclic existence nor in the personal peace of an arhat’s nirvāṇa. {Dalai Lama 2018: The Foundation of Buddhist Practice: 36}


    The five pure abodes are saṃsāric realms. These differ from both nirmāṇakāya (emanation body) pure lands — such as Amitābha Buddha’s pure land Sukhāvatī and Akṣobhya Buddha’s pure land Abhirati — and enjoyment body (saṃbhogakāya) pure lands, which are not saṃsāric realms. {Dalai Lama 2018: Saṃsāra, Nirvāṇa, and Buddha Nature: 89}


    Zusammengefasst wird dies in folgender Aussage:


    Zitat

    after a person attains parinirvāṇa — the nirvāṇa after death — the continuum of the purified aggregates exists. {Dalai Lama 2018: Saṃsāra, Nirvāṇa, and Buddha Nature: 39–40}


    Hieraus folgend gibt es zwei mögliche Schlussfolgerungen:

    1. Die „Reinen Aggregate“ sind unbedingt und daher weder unbeständig noch leidhaft oder
    2. Die „Reinen Aggregate“ sind bedingt und unbeständig, aber nicht befleckt und daher nicht leidhaft.

    Da ich nicht annehme, dass der Lamaismus Schlussfolgerung (1) lehrt, folgt daraus, dass das zweite Siegel – „alles Befleckte ist leidhaft“ – nur eine Untermenge der theravadischen Lehraussage „alle bedingten Dinge sind leidhaft“ ist. Aus diesem unterschiedlichen Verstehen von Leiden folgt, wie oben bereits gezeigt, ein anderes Verstehen vom Aufhören des Leidens, also nibbāṇa.


    In seinem Lamrim macht der Dalai Lama folgende bemerkenswerte Aussagen:


    Zitat

    changing the teachings of the Buddha that describe duḥkha, its origin, its cessation, and the path to nirvāṇa would alter the fundamental perspective and principles of the Buddhadharma, making it no longer the teachings of the Buddha. {Dalai Lama 2017: Approaching the Buddhist Path: 251}


    It is better to remain a nonbeliever than to distort the Buddha’s teachings… Some so-called Buddhists are hypocrites. They present themselves as followers of Buddha Śākyamuni, but live and think differently than he did. {Dalai Lama 2021: Courageous Compassion: 203}


    Der Dalai Lama hat es auf den Punkt gebracht, nehmen wir ihm beim Wort.


    [Da meine Darstellung des Lamaismus befleckt, also fehlerhaft, sein könnte, habe ich im Tibet-Bereich einen Faden eröffnet, um dies ggf. dort zu diskutieren. Hier in diesem Faden sollten wir uns auf eine Diskussion den Theravada betreffend beschränken.]

  • nur eine Untermenge der theravadischen Lehraussage „alle bedingten Dinge sind leidhaft“ ist.

    Ich bin weder Schriftgelehrter noch Theoretiker, was die buddhistische Lehre angeht. Aber mir scheint, Du hast einen wichtigen Teil im Theravada unterschlagen.


    "Alle bedingten Dinge sind leidhaft" ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Dukkha. Das konkrete Dukkha entsteht durch Gier, Hass, und Verblendung.

    Verblendung, weil wir die Bedingtheit und Endlichkeit ignorieren. Und Gier und Hass, weil wir wollen, dass es anders ist, selbst wenn wir die Vergänglichkeit theoretisch schon kennen.


    Ich kann im Moment keinen Unterschied zu dem sehen, dass Du "Befleckung" zitierst.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Deine Darstellung Aravind halte ich hier für falsch. Und bitte anhand von Texten der Theravada-Tradition argumentieren.


    Im Uppādā-sutta heißt es:


    Zitat

    Whether Realized Ones arise or not, this law of nature persists, this regularity of natural principles, this invariance of natural principles:


    all conditions are suffering. Sabbe saṅkhārā dukkhā.


    Das vergängliche Dinge an sich leidhaft sind, ist ein Naturgesetz. Siehe auch den Begriff 'saṅkhāra-dukkhatā', also das Leiden inhärent in bedingten Dingen.

  • Deine Darstellung Aravind halte ich hier für falsch. Und bitte anhand von Texten der Theravada-Tradition argumentieren.

    Wenn das deine Grundvoraussetzung ist, bin ich als Praktiker hier wieder raus, danke für den Hinweis.


    Willst Du mit Palitexten beweisen, dass die Theravadin die Vier Edlen Wahrheiten fälschlicherweise als Grundlage ihrer Praxis ansehen?


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Mein Problem entsteht mit "Unwissenheit" "ignorance"

    Zitat

    As soon as that person eliminates ignorance, she no longer creates polluted actions that propel cyclic existence. Her cyclic existence ceases, and that person — that mere I — attains liberation.


    Zitat

    Sobald diese Person die Unwissenheit beseitigt, erzeugt sie keine verunreinigten Handlungen mehr, die die zyklische Existenz vorantreiben. Ihre zyklische Existenz hört auf, und diese Person - dieses bloße Ich - erlangt Befreiung.

    Sobald diese Person die Verblendungen, Ausblendungen, Meinungen beseitigt, erzeugt sie keine verunreinigten Handlungen mehr, die die zyklische Existenz vorantreiben. Ihre zyklische Existenz hört auf, und diese Person - dieses bloße Ich - erlangt Befreiung.


    "und diese Person - dieses bloße Ich - erlangt Befreiung."


    "bloßes Ich" sehe ich als das Ich der Aggregate, das immer ohne mein, ich, Selbst ist. Wenn also die Verblendungen der Person beseitigt werden, dann ist dieses Ich von den Anhaftungen durch die Person befreit und kann nicht mehr verunreinigt werden, weil dieses Erkennen der Person das auf Dauer verhindert, durch nicht mehr Anhaften, der Verblendung verfallen, an den Aggregaten.


    Person ist für mich das was etwas hat, einen Namen z.B., ein Ich bin dies und das, also immer anhaftend ist, in sich selber verknüpft. Nur dann kann ein "bloßes Ich" erfahrbar sein, von dem nicht gesagt werden kann, ob es wiedergeboren wird oder nicht oder oder. Die Person erkennt seine Anhaftungen und das Ich bleibt bloß, nackt zurück.

  • ....

    Der Geist eines Buddha oder Heiligen besteht nach seinem Tod, hier mit dem Begriff parinirvāṇa bezeichnet, also weiter. Wenn wir die Möglichkeit ausschließen, dass im Mahāyāna das Parinibbāṇa mit Leiden verbunden ist, dann folgt daraus, dass nicht alle unbeständigen Produkte auch befleckt und leidhaft sind. Der Lamaismus postuliert demnach eine leidfreie „Existenz“ außerhalb von saṃsāra:

    .....

    Im Theravada werden im Allgemeinen kaum solche Überlegungen angestellt, Schlussfolgerungen gezogen und Postulate aufgestellt. Denn was mit dem Geist eines Heiligen nach dem Tod geschieht erklärt der Buddha nach der Paliüberlieferung so:


    Zitat

    Was meinst du, Vaccha; wenn vor dir ein Feuer brännte, würdest du dann wissen, daß vor dir ein Feuer brennt?» - «Ja, das würde ich wissen.» - «Wenn man dich nun fragte, woher es komme, daß dieses Feuer vor dir brennt, was würdest du antworten?» - «Ich würde antworten: es kommt daher, weil es Stroh und Holz ergriffen hat.» - «Wenn nun das Feuer vor dir erlösche, wurdest du dann wissen, daß es erloschen ist?» - «Ja, das würde ich wissen.» - «Und wenn man dich fragte, wohin dieses Feuer, nachdem es erloschen ist, gegangen sei, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden, was würdest du dann antworten?» - «Das kann man nicht sagen, Herr Gotama! Das Feuer, das brannte weil es Stroh und Holz ergriffen hatte, ist erloschen, weil es den Brennstoff verzehrt und keine andere Nahrung gefunden hat. So ist das zu erklären.» - «Ebenso, Vacchagotta, ist die Körperlichkeit, an der man einen Vollendeten erkennen konnte, vernichtet, entwurzelt wie eine Palme, so daß sie nicht wieder aufleben kann. Von der Kennzeichnung durch die Körperlichkeit befreit ist ein Vollendeter, er ist tief, unermeßlich, nicht zu erfassen wie das große Meer. Daß er wiedererscheint, kann man nicht sagen, daß er nicht wiedererscheint, kann man nicht sagen, daß er sowohl wiedererscheint als auch nicht wiedererscheint, kann man nicht sagen, daß er weder wiedererscheint noch nicht wiedererscheint, kann man nicht sagen. Auch die Empfindung, die Wahrnehmung, die unbewußten Tätigkeiten und das Bewußtsein, an denen man den Vollendeten erkennen konnte, sind vernichtet, entwurzelt wie eine Palme, so daß sie nicht wieder aufleben können. Von der Kennzeichnung durch die Empfindung, die Wahrnehmung, die unbewußten Tätigkeiten und das Bewußtsein befreit ist ein Vollendeter, er ist tief, unermeßlich, nicht zu erfassen wie das große Meer. (M.72.)


    Weiters:


    Zitat

    'Der Vollendete besteht nach dem Tode' hab' ich nicht mitgeteilt, 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tode' hab' ich nicht mitgeteilt, 'Der Vollendete besteht und besteht nicht nach dem Tode' hab' ich nicht mitgeteilt, 'Weder besteht noch besteht nicht der Vollendete nach dem Tode' hab' ich nicht mitgeteilt.

    Und warum hab' ich das, Malunkyaputto, nicht mitgeteilt? Weil es, Malunkyaputto, nicht heilsam, nicht urasketentümlich ist, nicht zur Abkehr, nicht zur Wendung, nicht zur Auflösung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Durchschauung, nicht zur Erwachung, nicht zur Erlöschung führt: darum hab' ich das nicht mitgeteilt.

    "Was aber, Malunkyaputto, hab' ich mitgeteilt?

    'Das ist das Leiden', Malunkyaputto, hab' ich mitgeteilt, 'Das ist die Leidensentwicklung' hab' ich mitgeteilt, 'Das ist die Leidensauflösung' hab' ich mitgeteilt, 'Das ist Leidensauflösung führende Pfad', hab' ich mitgeteilt. (M.63)


    Nochmal aus M.72.:


    Zitat

    'Der Vollendete besteht nach dem Tode', 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tode', 'Der Vollendete besteht und besteht nicht nach dem Tode', 'Weder besteht noch besteht nicht der Vollendete nach dem, Tode': das ist, Vaccho, eine Gasse der Ansichten, Höhle der Ansichten, Schlucht der Ansichten, ein Dorn der Ansichten, Hang der Ansichten, Garn der Ansichten, voll von Leid und Qual, Verzweiflung und Jammer, führt nicht zur Abkehr, nicht zur Wendung, nicht zur Auflösung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Durchschauung, nicht zur Erwachung, nicht zur Erlöschung. Das find' ich, Vaccho, für arg daran, um mich also dieser Anschauungen gänzlich zu begeben."

    "Bekennt nun aber Herr Gotamo irgendeine Ansicht?"

    "'Eine Ansicht', Vaccho, die kommt dem Vollendeten nicht zu. Denn der Vollendete, Vaccho, hat es gesehn: 'So ist die Form, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Unterscheidungen, so entstehen sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewußtsein, so entsteht es, so löst es sich auf.' Darum, sag' ich, ist der Vollendete durch aller Meinungen und aller Vermutungen, durch aller Ichheit und Eigenheit und Dünkelsucht Versiegung, Abweisung, Aufhebung, Ausrodung, Entäußerung ohne Hangen erlöst."


    • Offizieller Beitrag

    Das vergängliche Dinge an sich leidhaft sind, ist ein Naturgesetz. Siehe auch den Begriff 'saṅkhāra-dukkhatā', also das Leiden inhärent in bedingten Dingen.

    Vergängliche Dinge sind deshalb leidhaft,weil das Anhaften an ihnen im Allgemeinen zu Leid führt. Aber natürlich gehört auch ein Sutta, der Vinaya oder der Sangha zu den vergänglichen Artefakte bzw. Institutionen.


    "Buddha, Dharma und Sangha" - die drei Juwelen - sind in sich zwar vergänglich aber die Zuflucht zu ihnen wird als etwas gesehen, was vom Leid wegführt. Es handelt sich also um eine Zwischenkategorie von "heilsamen Sachen" von "Mitteln" die zwar selbst durchaus vergänglich sind aber statt zu mehr Leid zu führen von ihm wegführt.


    Von daher würde ich da in der Entwicklung des Buddhismus eine Tendenz sehen diese Kategorie von heilsamen Dingen - von heilsamen Mitteln - auszubauen und sie zunehmen als etwas "heiliges" - nicht beflecktes zu sehen. Ich denke schon im Theravada würden viel auf die Frage, ob sie die drei Juwelen als befleckt sehen diese verneinen und bei der Frage ob diese vergänglich sind bejahen. Oder vermute ich da falsch?


    Was dann im Mahayana,passiert ist, dass sich diese im frühen Buddhismus überschaubaren Kategorie der der geschickten Mittel ( upāya) sehr ausweitet.


    Von daher sollte man da den Angelpunkt sehen. Sehen wie man im Mahayana häufig eine Expansion der Kategorie der geschickten Mittel ( upāya) anstrebt und wie das begründet wird (Ein Reichtum an Mitteln hilft vielen Wesen).


    Aber dann auch vom Theravada aus, warum man da die Kategorien des "Heiligen" und der Hilfsmittel beschränkt.


    Ich denke es gibt da im Palikanon einige Stelle in der Formen brahmamischer Religiosität mit ihrem Reichtum an "Mitteln" ( Tieropfer, Rezitationen) kritisiert werden. Da könnte man nach außen warum Buddha gegenüber diesem Reichtum skeptisch ist.

  • Bitte Aussagen mit Zitaten belegen. Wir sind hier im Theravada-Bereich und wollen ein Thema aus Sicht der Theravada besprechen.


    Vergängliche Dinge sind deshalb leidhaft,weil das Anhaften an ihnen im Allgemeinen zu Leid führt. Aber natürlich gehört auch ein Sutta, der Vinaya oder der Sangha zu den vergänglichen Artefakte bzw. Institutionen.


    Hierzu ein Zitat aus dem Visuddhimagga: "Weil das indifferente Gefühl, genau so wie die übrigen Gebilde der drei Daseinsebenen, durch Entstehen und Vergehen bedrückt werden, darum gelten sie als das ,Leiden der Daseinsgebilde' (sankhära-dukkha)".


    Sutta, Vinaya und Sangha sind keine Dinge, sondern Begriffe (paññatti) und die können nicht leidhaft sein.


    Karunadasa, Yakupitiyage (2019): The Theravāda Abhidhamma:

    In the first place, what is called paññatti cannot be subsumed under nāma (the mental) or rūpa (the material). Hence the Nāmarūpapariccheda describes it as “nāma-rūpa-vinimmutta” — that is, distinct from both mind and matter. This is another way alluding to the fact that paññattis are not dhammas. Both paññatti and nibbāna are excluded from the domain of the five aggregates. Since paññatti refers to that which has no corresponding objective counterpart, it is also called asabhāva-dhamma — that is, dhamma without own nature. This description distinguishes it from the real factors of existence. Since sabhāva, the intrinsic nature of a dhamma, is itself the dhamma, from the point of view of this definition what is qualified as asabhāva (absence of own nature) amounts to an abhāva, a nonexistent in the final sense. {Karunadasa 2019 #2696D: 98–99}

  • Ich denke schon im Theravada würden viel auf die Frage, ob sie die drei Juwelen als befleckt sehen diese verneinen und bei der Frage ob diese vergänglich sind bejahen. Oder vermute ich da falsch?

    Ja, die drei Juwelen sind insofern nicht von Gier, Hass und Verblendung befleckt als dass sie eben der Befreiung daraus dienen. Natürlich sind sie vergänglich, wie der ganze achtfache Pfad der ja irgendwann zu Ende gegangen ist. Soweit ich das verstehe.


    Von daher sollte man da den Angelpunkt sehen. Sehen wie man im Mahayana häufig eine Expansion der Kategorie der geschickten Mittel ( upāya) anstrebt und wie das begründet wird (Ein Reichtum an Mitteln hilft vielen Wesen).


    Aber dann auch vom Theravada aus, warum man da die Kategorien des "Heiligen" und der Hilfsmittel beschränkt.


    Ich denke es gibt da im Palikanon einige Stelle in der Formen brahmamischer Religiosität mit ihrem Reichtum an "Mitteln" ( Tieropfer, Rezitationen) kritisiert werden. Da könnte man nach außen warum Buddha gegenüber diesem Reichtum skeptisch ist.

    Soweit ich das sehe ist alles da was man braucht im Theravada ohne explizite Einschränkungen des vom Buddha gelehrten. Tieropfer sind gegen das Prinzip der Gewaltlosigkeit, das Hängen an Regeln und Riten ist ein Hindernis, d.h. dass Rezitationen, ein Bad im Ganges usw. nicht zur Befreiung führen.

  • Da Dein Beitrag sich grundlegend um einen Vergleich mit den drei Merkmalen dreht, Du diese aber gar nichts nennst: wärst Du so nett, diese für die Diskussion grundlegende Information mitzuliefern und die drei Merkmale zu nennen und zu erklären? Ansonsten kann man sich nicht an dieser Diskussion beteiligen, wenn man die nicht kennt. Da es sich dabei um ein Verständnis einer Lehre des Theravada handelt, passte es an dieser Stelle.


    ( Zu Deiner Darlegung kann ich ansonsten nur betonen, dass "Lamaismus" kein Begriff für eine existierende buddhistische Schule ist und auch ansonsten der ganze Beitrag / Vergleich vom Aufbau her schief ist und keine offene Diskussionsgrundlage bietet, sondern von Anfang an die Zielsetzung hat, die Lehren des Mahayana falsch erscheinen zu lassen. Aber wenn Dir das ein Bedürfnis ist, dann ist immerhin hier das richtige Unterforum dafür ;) )

    • Offizieller Beitrag

    In dem Artikel von Berzin steht ja, dass die Unterscheidung anashrava und ashrava auf Vasubandhu zurückgeht, der ja auch andere Mahayana Schulen beinflußt hat und sogar als Zen-Patrarch geführt wird. So findet sich die Unterscheidung in anashrava und ashrava hier im Buch des kürzlich verstorbenen Thich Nhat Han der ja bestimmt vieles war, aber gewiss kein Lama.


    Von daher muss man fragen, warum diese Unterscheidung im yogacara auftaucht. Ich denke es ist deswegen weil hier Formen des Bewusstseins angenommen werden die also so subtil gesehen werden, dass sie nicht mehr verblendet sind. Wenn man so ein "unbefleckte Bewußtsein" annimmt, dann ist nachzuvollziehen, dass das dann die Idee "unbefleckte Bewußtseinsobjekte" nach sich zieht.


    Jetzt kann man wieder von der Seite des Theravada fragen, inwieweit dieses Konzept abzulehnen ist. Wird dort das Wort Dhamma nur für das verwendet was im Geist eines verblendeten Wesen auftaucht ( dann gibt es per definitionem keine "Unbefleckten" Phänomene) oder könnte man sagen, dass ein Arhat in seinem Geist "unbefleckte" dhammas hat - die als solche nicht Teil von Samsara sind? Das was auftaucht wenn Buddha auf Ananda blickt? Oder wird eine solche Spekulation als nicht zielführend verworfen?

  • Nachdem ich mangels einer Antwort mich selbst umgeschaut habe, muss ich feststellen, dass ich die drei Merkmale natürlich kenne - lediglich nicht unter diesem Namen. ;) Was daran liegt, dass sie in meiner Literatur nicht unter dem Sammel-Begriff auftauchen.


    Mir geht es hier jetzt vor allem darum, wie wir miteinander umgehen wollen, wenn sich die Sichtweisen unterscheiden. In welcher Weise unterscheiden sie sich?


    Zitat

    Im Mahayana steht – neben den universalen Gegebenheiten von Vergänglichkeit (Anicca) und Nicht-Selbst (Anatta) – nicht das durch das Wirken der drei Geistesgifte bedingte Leid (Dukkha) (Erste und zweite Edle Wahrheit), sondern Nirwana, als universaler Grund des Seins.[2]


    Im Vajrayana sind beide Ansichten in der Lehre von den „Vier Dharma-Siegeln“ vereint: Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit, Nicht-Selbst (Leerheit), Nirwana. Auch im Vajrayana gilt, dass ohne die vier grundlegenden Ansichten ein Lehrsystem nicht als buddhistisch bewertet werden kann.


    Diesen bedeutenden Unterschied zwischen Theravada und Mahayana, der hinlänglich bekannt ist, hätte man auch einfacher - und vor allem ergebnisoffener - zur Diskussion stellen können. Vor allem finde ich es merkwürdig, in einem Vergleich nicht das zu zitieren, was man als Vergleich hernimmt, sondern etwas, von dem es sich ableitet, was im Weiteren aber in der Darlegung keine weitere Bewandtnis hat.


    Also worum geht es: im Theravada ist Leid der "Grund des Seins", und Nirvana die Abkehr davon? Und im Mahayana ist Erleuchtung der Grund des Seins und Leid die Folge der Verblendung über diese Natur des Seins. Hört die Verblendung auf, ist sofort Erleuchtung da.


    Somit ist das hier lediglich die 2000. Iteration des gleichen Themas, nämlich das unterschiedliche Verständnis von Samsara und Nirvana, ohne einer Lösung näherzukommen.


    Man kann auf dem Standpunkt beharren, dass dieser Unterschied so fundamental ist, dass es sich um unterschiedliche Religionen handelt. Dafür wird man immer Argumente finden, v.a. wenn man durch die Brille der eigenen Lehre schaut. Ob das pragmatisch gesehen etwas bringt, ist eine andere Frage. Man kann aber auch auf dem Standpunkt beharren, dass dieser Unterschied nicht so fundamental ist, weil das Ziel letztlich das Gleiche ist, und nur der Weg und die Methoden anderen sind. Auch dafür kann man immer Argumente finden, v.a. wenn man durch die Brille der eigenen Lehre schaut. Warum das so ist, will ich nicht weiter ausführen, weil das zu weit in die Mahayana-Sicht abschweift, und die will ich hier nur anreißen, um mich der Grundsatzfrage anzunähern, ob ein Vergleich intellektueller Art überhaupt irgendwelche Früchte tragen kann.


    Ich kann diese Frage für mich so beantworten, dass mir überhaupt nichts daran liegt, wie man das nennt, was ich praktiziere. Mir kommt es auch auf Spitzfindigkeiten in der Deutung nicht an, zumal niemand von uns die Lehre direkt vom Buddha gehört hat.


    Ich kenne meine Praxis, ich erfahre ihre Wirkung, ich bin überzeugt davon. Wichtig wird mir so eine Benennung nur bei der Frage, wie sich die Lehre nach Außen darstellt und ob jeweils die Ausdrucksform der Lehre von denen gefunden wird, denen sie nutzt, um dem Ziel näherzukommen. (Dieser Absatz ist wohl eher typisch für die Wahrnehmung eines Mahayana-Praktizierenden.)


    Ich glaube, eine Diskussion, die seit tausenden von Jahren von größeren Geistern als uns hier geführt wird, und keine Lösung und kein Ende gefunden hat, nämlich die zwischen den verschiedenen Fahrzeugen, werden wir hier auch nicht lösen können.


    Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, wie wir mit den Unterschieden umgehen. Ich plädiere für: offen, tolerant und freundschaftlich. Die Existenz einer anderen Sichtweise hindert mich nicht daran, genau das zu praktizieren, was ich für mich als richtig erkannt habe. Das Bedürfnis, andere davon zu überzeugen, dass ihre Sichtweise, die sie für sich als richtig erkannt haben, minderwertig oder gar falsch wäre, verspüre ich nicht. Ich freue mich einfach nur, wenn jemand für sich eine befreiende und erleuchtende Lehre gefunden hat und diese auch praktiziert.

  • Eigentlich wollte ich ja in einem Thread mit dem Titel "die 4 Siegel im Lamaismus aus Sicht des Theravada" gar nicht schreiben.


    Denn bei einem Titel " die drei Wurzeln im kleinen Weg aus der reinen Sicht des Vajrajana" wäre ja auch ziemlich deutlich, das es dabei weniger um eine inhaltlich Klärung, als eher um das völlig überflüssige aufwärmen der alten Frage geht, welches Fahrzeug ist das Beste.


    Ich fahre übrigens einen Fiat und bin mir ziemlich sicher es gibt da auch besseres. Fahren tut er aber trotzdem.


    _()_

  • Bei mir ist das so das beide Ansichten eben Inspirationen enthalten um mir das Eine Fahrzeug des Buddha erschließt.

    Das Ziel nicht aus den Augen verlieren, nicht mein Leiden als allgemein zu sehen, mein Leiden überhaupt zu erkennen und mein Leiden zu vermindern bis es so klein ist, dass ich es ausreißen kann und mich dann um die restlichen Wurzeln meines Leidens zu kümmern.


    Es bleibt eigentlich nur eine wichtige Arbeit, meine Verblendungen, Meinungen, Vorstellungen und Glauben zu erkennen, um Leiden vermindern zu können. Um mein "Unwissen" brauch ich mich nicht zu kümmern, denn das zeigt sich ja erst durch mein Leiden erkennen.

  • Klasse, Ellviral, so sehe ich das auch.


    Und ich klammere mich nicht mehr fest an die eine oder andere Interpretation, denn letztlich ist alles Interpretation, wir haben ja den Buddha nicht persönlich erlebt. Wir vermuten gemäß unserem derzeitigen Stand. Wir können gar nicht anders. So meine Sicht.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • [mod]

    Bitte beachtet, dass es Himmelsbaum wohl primär um eine literaturwissenschaftliche Herangehensweise an die Fragestellung geht. Ich bin mir sicher, dass er die offenen Fragen zu noch unklaren Punkten der Vergleiche darlegen wird.[/mod]

    _()_

  • Ich habe die letzten Beiträge gemeldet, aber die Moderation sabotiert mal wieder eine themenfokussierte Diskussion. Von dem kleinen Einwurf einmal abgesehen.


    Hier in diesem Faden sollten wir uns auf eine Diskussion den Theravada betreffend beschränken.


    Theravada, Leute, Theravada. Und ein klar formuliertes Thema.


    Bei mir ist das so ...


    Interessiert hier nicht. "Im Theravada" mit Belegen und wir sind on-topic.


    Klasse, Ellviral, so sehe ich das auch...


    Dito. Wir sind hier nicht beim freien Assoziieren.


    Eigentlich wollte ich ja in einem Thread mit dem Titel "die 4 Siegel im Lamaismus aus Sicht des Theravada" gar nicht schreiben.


    Warum machst du es dann? Im Theravada-Bereich. Und weiter rollt das Rad des Off-Topic.

    Mir geht es hier jetzt vor allem darum, wie wir miteinander umgehen wollen


    Aber doch nicht in diesem Faden. Mache ein eigenes Thema auf.

  • Theravada, Leute, Theravada. Und ein klar formuliertes Thema.

    Und dieses "klar formulierte Thema" ist nicht etwa der "Lamaismus" über den man dann aus Deiner Sicht nur aus Theravada-Sicht schreiben darf, nachdem Du versuchst, ihn grundlegend abzuwerten? Dann schreib doch auch etwas über Theravada, statt Dich über eine andere Tradition auszubreiten. Dann wird die Diskussion auch einen entsprechenden Verlauf nehmen.


    Dein erster Satz des Eingangsbeitrags:

    "Die Sicht des Lamaismus werde ich anhand der Lehren des Dalai Lamas und seines Schülers Thubten Ngawang wiedergeben."


    Und wo genau ist da jetzt das klar theravadische Thema? Nach dieser Einleitung kommen 1 Satz und 4 Zeilen aus dem Theravada. Der gesamte restliche Beitrag sind Zitate und Aussagen zum von Dir irreführender Weise so genannten "Lamaismus".

  • Aber ich verstehe das, Himmelsbaum hat nur Theravada, sein Theravada und das duldet nun mal nichts anderes als Theravada. Wenn da nicht sein Versäumnis wäre, was sein Theravada ist zu klären.

    Nagut zugeben muss ich das er dem früh Buddhismus zugewandt ist, doch auch da hat es ja keine Klärung gegeben was er wirklich damit meint.

  • Hallo Himmelsbaum,


    ich wollte mit meinem Beitrag weder dich persönlich kritisieren noch wollte ich in Frage stellen , das es zwischen den verschiedenen Buddhistischen Fahrzeugen erheblichen Unterschiede gibt.

    Aber irgendwo bin ich halt Kagyu und da hatte ich halt das Bedürfniss die buddhistische Sichtweise meiner Schule ein Stück weit in Schutz zu nehmen.

    "Lamaismus" gibts nämlich vielleicht im Zoo und auch manchmal in einem guten Altenheim.;)


    - Also nichts für ungut und ich halte mich jetzt hier auch zurück.


    _()_ Phönix

  • Dein erster Satz des Eingangsbeitrags:

    "Die Sicht des Lamaismus werde ich anhand der Lehren des Dalai Lamas und seines Schülers Thubten Ngawang wiedergeben."

    Aber das ist doch reine Mahayna -Tradition, oder?

    Was, verdammt, sollte man unter dem Begriff "Lamaismus " verstehen?

    Man kann dort alles mögliche einstecken...

    Das ist doch piep-egal, wie man es alles definiert.

    Die Russen sagen dazu , die hauptsache, es wirkt, ach, oder es "fährt", wie es Phoenix sehr treffend ausdrückte.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, wie wir mit den Unterschieden umgehen. Ich plädiere für: offen, tolerant und freundschaftlich. Die Existenz einer anderen Sichtweise hindert mich nicht daran, genau das zu praktizieren, was ich für mich als richtig erkannt habe. Das Bedürfnis, andere davon zu überzeugen, dass ihre Sichtweise, die sie für sich als richtig erkannt haben, minderwertig oder gar falsch wäre, verspüre ich nicht. Ich freue mich einfach nur, wenn jemand für sich eine befreiende und erleuchtende Lehre gefunden hat und diese auch praktiziert

    Tja, das reicht mir schon. danke. sehr. @kilaya .


    Ich wollte es nur ergänzen.


    Also ich komme von Yoga-Tradition.

    Zuerst war Tao, dann Veda, dann Upanischaden, usw...

    In so vielen Werken von S. S. Saraswati man benutzt die Techniken von Buddhismus und der Verfasser macht kein Hehl draus.

    Auch Tantra -Techniken es gibt dort zur Genüge. Auch die stammen von Budddhismus. Man kann matürlich die andere Götter erschaffen,aber der Pronzip ist absolut identisch.

    Und wenn ich einfach Bhagavad-Gita lese, dann der ganzer Konzept von Mahayana ist schon drin.

    Von diesem Hintergrund das alles erinert mir eher das Trubel im Wasser-Glas.

    Der Buddhismus, egal welcher, war nichts von Himmel gefallen. Er hatte die Wurzeln doch. Und wenn man es nichts berücksichtigt, dann die ganze Diskussion macht keinen Sinn.

    War nur meine eigene Meinung.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Das leidvolle an Vergänglichkeit ist, Niemand weiß wann es passiert.


    Das ist einfach Menschlich....


    In Metta🙏

  • Das leidvolle an Vergänglichkeit ist, Niemand weiß wann es passiert.


    Das ist einfach Menschlich....


    In Metta🙏

    Zu unserem Glück wissen wir das nicht.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)