Verzeihen? Was bedeutet das in der Buddhismus-Logik?

  • Elke:
    accinca:


    Wenn es so wäre, dann gibt es keinen Erwachten und kein Ende des Leidens.


    Tja, hin und wieder lohnt es sich, Überzeugungen infrage zu stellen.


    Genau, wenn sie nicht heilsam ist, dann sollte man das. Aber erzähle das mal
    einem eingefleischten Monotheisten.

  • Elke:


    Und ein "Erwachter" hat das nie und nimmer mehr? Erscheint mir sehr unrealistisch. Eher wird er wie unsereins für den Rest seiner Tage sich mit Begehren und Anhaftung auseinandersetzen müssen und es wird ihm mal mehr, mal weniger gelingen. Ein "Erwachter" wird ja wohl nicht zum Übermenschen. Er mag bewusster sein, das ja, sein Begehren schneller registrieren als andere, ihm nicht nachgeben. Aber haben wird er es.


    Genau so ist es, ein Erwachter ist frei von Begehren, da der Albtraum ist vorbei. So unterscheidet der Buddha ja auch bei den Stromeingetretenen. Und es kann natürlich sein, dass es noch "Ecken" gibt, an die er/sie noch nicht herangekommen ist und die es dann zu be-Achten gilt. Allein das Be-Achten und Auf-Merken genügen schon.


    Woher ich das weiß? Sobald Du auch nur ansatzweise entsprechende Erfahrungen gemacht hast, siehst Du, wie es funktioniert. Du siehst, dass es möglich ist, Du erahnst die weiteren Wirkungen, sobald Du Fortschritte auf diesem Pfad machst. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber ein Schwarm Schwalben zeigt an, dass er nahe ist. Genau so erlebe ich meinen Fortschritt. Genau so kann jemand auch frei werden von Süchten und es ficht ihn/sie nicht mehr an, ob jemand Alkohol trinkt oder kifft. Genau so fühlt es sich an, wenn jemand frei davon ist. Und er/sie wird sich hüten, jemals wieder Alkohol anzurühren. Genau so wenig wie ein Befreiter aus Jux und Dollerei, aus Übermut oder um sich zu prüfen, einfach mal etwas Gemeines tut oder sagt. Er/sie wird sich hüten, jemals wieder in alte Muster zu verfallen. Da taucht überhaupt nicht mehr der Wunsch auf. Das kann man auch gut feststellen, wenn man in früheren Zeiten gerne mit anderen über andere getratscht (so wie ich) und dies sich aus Überzeugung abgewöhnt hat. Man wird Widerwillen empfinden bei dem Gedanken mitzutratschen, man wird sich abwenden.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Monikadie4.:

    Das kann man auch gut feststellen, wenn man in früheren Zeiten gerne mit anderen über andere getratscht (so wie ich) und dies sich aus Überzeugung abgewöhnt hat. Man wird Widerwillen empfinden bei dem Gedanken mitzutratschen, man wird sich abwenden.


    Man kann auch "mittratschen" und andere Aspekte mit in die Diskussion tragen.Zum Beispiel: Liebende Güte, Mitgefühl oder Mitfreude.
    Dann kann man die Diskussion vielleicht in eine andere Richtung lenken und muss nicht gleich flüchten.

  • Sherab Yönten:
    Monikadie4.:

    Das kann man auch gut feststellen, wenn man in früheren Zeiten gerne mit anderen über andere getratscht (so wie ich) und dies sich aus Überzeugung abgewöhnt hat. Man wird Widerwillen empfinden bei dem Gedanken mitzutratschen, man wird sich abwenden.


    Man kann auch "mittratschen" und andere Aspekte mit in die Diskussion tragen.Zum Beispiel: Liebende Güte, Mitgefühl oder Mitfreude.
    Dann kann man die Diskussion vielleicht in eine andere Richtung lenken und muss nicht gleich flüchten.


    Ja, natürlich Sherab, auch das habe ich gemacht, denn da es KollegInnen waren, hielt ich es für meine Pflicht, etwas dagegen zu setzen bzw. möglicherweise eine Wende herbeizuführen. Ist aber Jahre her, war lediglich während meiner beruflichen Tätigkeit ein Thema. Denn jetzt gibt es in meiner näheren Umgebung keinerlei Tratscher mehr.


    Das Beispiel war aber nicht der Schwerpunkt in meinem Beitrag, sondern mir ging es anhand eines alltäglichen Beispiels darum aufzuzeigen, dass eine begehrliche Angewohnheit wie z.B. Hintertragen und Schwätzen durchaus verschwinden kann, ohne dass dieses Begehren jemals wieder auftaucht.
    _()_

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  • Monikadie4.:

    Das Beispiel war aber nicht der Schwerpunkt in meinem Beitrag, sondern mir ging es anhand eines alltäglichen Beispiels darum aufzuzeigen, dass eine begehrliche Angewohnheit wie z.B. Hintertragen und Schwätzen durchaus verschwinden kann, ohne dass dieses Begehren jemals wieder auftaucht.


    Das hängt dann aber eher mit Deinen veränderten persönlichen Rahmenbedingungen zusammen, oder ? Früher Arbeitnehmerin, eingebunden in einer sozialen Unternehmensstruktur und heute vermutlich glückliche Rentnerin, die ihre Freiheiten genießt ?


    Viel schwieriger ist es doch, eine begehrliche Angewohnheit aufzugeben, die unabhängig von solchen Rahmenbedingungen ist, was weiß ich: Zum Beispiel den Genuss auf Schokolade.


    Monikadie4.:

    Denn jetzt gibt es in meiner näheren Umgebung keinerlei Tratscher mehr.


    Das freut mich für Dich sehr und macht mich ein wenig neidisch :oops:

  • Sherab Yönten:
    Monikadie4.:

    Das Beispiel war aber nicht der Schwerpunkt in meinem Beitrag, sondern mir ging es anhand eines alltäglichen Beispiels darum aufzuzeigen, dass eine begehrliche Angewohnheit wie z.B. Hintertragen und Schwätzen durchaus verschwinden kann, ohne dass dieses Begehren jemals wieder auftaucht.


    Das hängt dann aber eher mit Deinen veränderten persönlichen Rahmenbedingungen zusammen, oder ? Früher Arbeitnehmerin, eingebunden in einer sozialen Unternehmensstruktur und heute vermutlich glückliche Rentnerin, die ihre Freiheiten genießt ?


    Das verstehe ich nicht. Die Rahmenbedingungen haben sich zwar geändert, aber meine persönliche Veränderung begann bereits noch während meiner Berufstätigkeit. Um noch ein anderes Beispiel heranzuführen: Ich hatte auch als Christin bereits den Wunsch, diese unheilsame Angewohnheit abzulegen. Das gelang mir aber nicht, weil die Motivation nicht die gleiche ist wie im Buddhismus. Erst durch die Einsicht in die Notwendigkeit "des Übens im Nicht-Hintertragen" und die geschickten Mittel wurde dies für mich möglich.


    Und auch das Schokoladeessen ist doch nur dann ein Problem, wenn es zur Gewohnheit wird.


    OT
    Das hat mit Freiheit als "glücklicher" Rentnerin überhaupt nichts zu tun, denn auch hier hätte ich jetzt viel mehr "Freunde", wenn ich daran noch Spaß hätte. Im übrigen: das Rentnerdasein macht es möglich, seine Zeit unabhängiger zu gestalten und aufzustehen, wann es einem gefällt, glücklicher macht es nicht. Es ist allerdings ein großes Privileg, für das ich auch immer dankbar bin.
    _()_

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    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Das ist jetzt OT bei diesem Thema "Verzeihen…" aber die Diskussion ist schon so weit interessant für mich, dass mir etwas Senf dazu einfällt


    Die Vorstellung von einem Erwachten oder Erleuchteten, die ich immer gerne hegte, hat sich sehr stark verändert als ich die Memoiren des Zen Meisters Hakuin lesen durfte. Sein Geschimpfe und Gezeter über die Zen Schulen, gegen die er Zeit seines Lebens Position bezog, war wirklich beeindruckend. Beeindruckend menschlich. Meine Vorstellung von Erleuchtung, an der ich nicht zweifele, hat sich da ein bisschen relativiert.
    Auch die Berichte von U.G. Krishnamurti über sein "Erlebnis" - er ist kein Buddhist und hat seine "Umwandlung" zwar sehr detailliert beschrieben aber auch nie als Erleuchtung bezeichnet - haben mir zu denken gegeben. Inzwischen bin ich mir sicher, dass wir uns die Erleuchtung, sollte es sie für uns geben, niemals auch nur annähernd vorstellen können. Noch weniger halte ich es für vorstellbar, dass wir Massstäbe entwickeln können, wie Erleuchtete sein sollten.


    Vorstellungen von Erleuchtung oder Erwachen sind wie alles immer nur Vorstellungen. SEUFZ! Am besten scheint mir, sie sofort zu vergessen.

  • Nicht so viele überlieferte Geschichten lesen und daran glauben, sondern die Augen aufmachen und selbst erleben, dann klappt es mit dem Erwachen besser.
    Buddha hat es erlebt und hat sich für Zeitgenossen eingesetzt, viele, viele nach ihm haben es auch erlebt und sich für Menschen verdient gemacht.
    Auch heute gibt es viele Menschen die wach sind und sich für das Lindern des Leids engagieren können. Ansonsten hast Du Recht, Erleuchtung ist völlig überbewertet.

  • sati-zen:

    Erleuchtung ist völlig überbewertet.


    Bei den Dingen die in der Welt überbewertet werden können,
    steht "Erleuchtung" allerdings nicht gerade an der Spitze. Da
    werden sicher alle mögliche und ganz andere Dinge über und unterbewertet.

  • Hallo,


    ich glaube, jetzt beginne ich zu verstehen, was du überhaupt meinst.


    Frage:


    Geht verzeihen/vergeben für dich einher mit mit Straflosigkeit/Straffreiheit?


    Herzliche Grüße