Rationalität und Gefühl

  • Stero:
    Yofi:

    ... und der Weg zum Entsagen und Aussteigen hat sich auch bei uns bewährt.


    Staatlicherseits für Hartz 4 Empfänger, ja. ;)


    Und man denke nur an die Altersarmut heute wie auch schon in früheren Zeiten.
    Das ist aber nicht "Entsagung"! Entsüchtigung ist Entsagung.
    Und der Nachfolger entsagt den übelsten, unheilsamsten Dingen zuerst.
    Wer aber ohne sein Mindestmaß an Weisheit ist, der ist dafür blind.
    -

  • Gedanken, Gefühle und Emotionen werden auch in den Schulen, die sich zum Mahayana zählen, als unbeständig betrachtet. Die Guten haben und die Schlechten verwerfen wollen gehört dem Leid der Bedingtheit an. Hält man sich an Silas, hat man kein Problem damit. Sittenregeln und Gedanken/Gefühle/Emotionen sind also voneinander getrennt zu halten.


    http://www.buddhismus-heute.de…e__30.position__9.de.html


    Die Frage danach, welchen Sinn für uns EQ hat, findet man übrigens auch in dem Artikel.


    Yofi

  • Yofi:

    Gedanken, Gefühle und Emotionen werden auch in den Schulen, die sich zum Mahayana zählen, als unbeständig betrachtet.


    Zweifellos.Sie sind wie Alles anitya / anicca unterworfen. Aber das ist ja auch gar nicht das Problem, oder? Das Problem entsteht ja erst, wenn ein sich als abgetrenntes Ich (miss)verstehender intentionaler Prozess versucht, sich anitya entgegenzustemmen.


    Yofi:

    Die Guten haben und die Schlechten verwerfen wollen gehört dem Leid der Bedingtheit an.


    Wenn das "Leid der Bedingtheit", wie Du es nennst, nicht überwunden werden könnte, warum dann eine buddhistische Praxis? Wie lässt sich die Bedingtheit überwinden? Durch Ausrichtung unserer Intentionalität. Es mag einen gangbaren Weg geben, der über Zurückweisung der "Guten" wie der "Schlechten" führt und dadurch Bedingtes nicht erstehen lässt. Wodurch aber ist das Beschreiten dieses Weges bedingt? Wer weist zurück? Wenn es kein atman ist, muss es etwas Bedingtes sein. Kann Bedingtes alles Bedingte (es selbst eingeschlossen) überwinden? Wenn ja - wenn also Bedingtes alles Bedingte überwinden kann - für welche Art von Bedingtem gilt dies? Offensichtlich für durch heilsame Bedingungen Bedingtes. Und da vergessen wir mal nicht, dass "Gutes" und "Schlechtes" nichts anderes als Bezeichnungen für "Heilsames" und "Unheilsames" sind.


    Trotzdem - das Lotossutra erkennt diesen Teil des "einen Fahrzeugs" (Ekayana) ja auch durchaus an und ich habe weder Grund noch ein Interesse daran, die Wirksamkeit dieses 'Fahrzeugs' zu bestreiten. Wie ich schon schrieb - es entspricht eben nicht meinem Verständnis eines 'mittleren Weges'.


    Yofi:

    Hält man sich an Silas, hat man kein Problem damit. Sittenregeln und Gedanken/Gefühle/Emotionen sind also voneinander getrennt zu halten.


    Das heisst, die Sila ohne Intention zu üben. Genau das ist auch Teil der Bodhisattva-Praxis, die allerdings umfassender ist - sie schließt auch die brahmavihara als die Praxis der Sila begleitende heilsame Emotion ('emotionale Haltung' i.S.V. einer nicht-rationalen, diese - also die rationale - ergänzenden Geisteshaltung) mit ein, ohne sich durch ein Objekt der Emotion zu binden, an ihm anzuhaften. Das ist eine Grundlehre des Mahayana - ein entsprechendes Zitat aus dem Diamantsutra habe ich kürzlich schon unserem Freund accincya genannt, von dem ich übrigens immer noch auf eine Antwort auf meine Frage warte, warum sich seines Erachtens Buddha eigentlich bemüßigt gefühlt hat zu lehren wenn nicht durch mahakaruna.


    Yofi:

    http://www.buddhismus-heute.de…e__30.position__9.de.html


    Die Frage danach, welchen Sinn für uns EQ hat, findet man übrigens auch in dem Artikel.


    Mag sein. Aber ich lese die Zeitschrift der Fankurve des dänischen * schon eine ganze Weile nicht mehr - genauer: seit ich mir ein (zugegeben ganz persönliches) Urteil darüber gebildet habe.


    ()


    * diesmal nicht kilaya, sondern der Selbstzensur zum Opfer gefallen

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana:

    Problem entsteht ja erst, wenn ein sich als abgetrenntes Ich (miss)verstehender intentionaler Prozess versucht, sich anitya entgegenzustemmen.


    Ja, so könnte man es sicher auch beschreiben.
    Man könnte aber auch ganz einfach sagen:
    Problem entsteht ja erst, wenn Bedürfnisse, Wünsche, Begehren usw., sich anitya entgegen stemmt.

  • Darüber wollte ich auch gerade schreiben.


    Sudhana:
    Yofi:

    Gedanken, Gefühle und Emotionen werden auch in den Schulen, die sich zum Mahayana zählen, als unbeständig betrachtet.


    Zweifellos.Sie sind wie Alles anitya / anicca unterworfen. Aber das ist ja auch gar nicht das Problem, oder? Das Problem entsteht ja erst, wenn ein sich als abgetrenntes Ich (miss)verstehender intentionaler Prozess versucht, sich anitya entgegenzustemmen.


    Unbeständig bedeutet leidbringend, s. anicca, dukkha, und das Problem der Intentionalität bezüglich des 'Ich/getrennt von etwas' dauert bis in die höchsten Erreichungszustände an. Deshalb wäre es illusionär an der Version der Reinen Intention festzuhalten bzw. von ihr auszugehen. Die Auflösung der Geistestrübungen kann man nur dann in Gang bringen, wenn sie erkannt und akzeptiert werden.


    Was mit Rationalität und Emotionslosigkeit im buddhistischen Sinne gemeint ist, kann ich dir, nachdem du selbst den Hinweis auf brahma-vihāra gebracht hast, an diesem Text ganz einfach erklären:


    http://www.palikanon.com/visuddhi/vis09_5.htm


    Nehmen wir das Beispiel karunā (Mitleid) und die „Abirrung“ Kummer, die jeder von uns sicher gut kennt.


    "Das Merkmal des Mitleids besteht in der das Leiden stillenden Tätigkeit, sein Wesen im Nichtdulden des Leidens der anderen, seine Äußerung im Freisein von Grausamkeit, seine Grundlage im Erkennen der Hilflosigkeit der von Leiden Überwältigten, sein Erfolg in Stillung der Grausamkeit, seine Abirrung im Entstehen von Kummer."


    Diese Abirrung steht also für eine störende Emotion. Aber auch eine Emotion, die wir für freudig halten wie z. B. die Vergnügtheit (Abirrung von Mitfreude) ist aufgrund des Wandels (anicca) leidhaft. Es besteht also nicht der geringste Grund dafür, daran festzuhalten und die Intention kann es nur eine richtige geben: Leidbefreiung.


    mettā, karunā, muditā, upekkhā – kann man auch nicht direkt als Gefühl (leidhaft, freudig, neutral) bezeichnen, es sind Zustände, die der Weisheit und dem Mitgefühl des reinen Geistes entspringen, sie sind also sein Verweilungszustand. Sicher kann man auch andere Begriffe dafür verwenden, ich hoffe man kann meine Ausdruckweise trotzdem verstehen und über eventuelle Abweichungen der Auffassung hinweg sehen.


    Yofi

  • Suddhana:

    Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna, das als vereinheitlichte Praxis mit der Sila-Praxis der Gefühlshaltung der brahmavihara verschmilzt.


    Vorausgesetzt man hält an Gleichmut fest, und da sehe ich kein Gefühl, keine Emotion und auch keine Intention, die zusätzlich als notwendig erachtet werden sollten.


    Suddhana:

    Und da vergessen wir mal nicht, dass "Gutes" und "Schlechtes" nichts anderes als Bezeichnungen für "Heilsames" und "Unheilsames" sind.


    Vergessen wir aber auch nicht, dass die "Ich"-Intention noch lange bei dieser Unterscheidung eine viel größere Rolle als uns lieb ist spielen wird.


    Yofi

  • Ja, stimmt.


    Nachtrag:


    Yofi:
    Suddhana:

    Und da vergessen wir mal nicht, dass "Gutes" und "Schlechtes" nichts anderes als Bezeichnungen für "Heilsames" und "Unheilsames" sind.


    Vergessen wir aber auch nicht, dass die "Ich"-Intention noch lange bei dieser Unterscheidung eine viel größere Rolle als uns lieb ist spielen wird.


    Yofi


    In dem Sinne verstehe ich auch Shinjinmei


    "Der höchste Weg ist nicht schwer,
    wenn du nur aufhörst zu wählen.
    Wo weder Liebe noch Haß,
    ist alles offen und klar."


    Oder auch anders übersetzt: "Ohne Unterscheidung"


    Yofi

  • Zitat


    Diese Abirrung steht also für eine störende Emotion. Aber auch eine Emotion, die wir für freudig halten wie z. B. die Vergnügtheit (Abirrung von Mitfreude) ist aufgrund des Wandels (anicca) leidhaft. Es besteht also nicht der geringste Grund dafür, daran festzuhalten und die Intention kann es nur eine richtige geben: Leidbefreiung


    Die Abirrung ist immer ein verlassen der Mitte...
    Mitgefühl ja....Mitleiden Nein....
    Mitfreude ja.... Zu viel davon und es es kippt in Richtung Vergnügtheit ( da kommt dann Hysterie hinzu)
    Gleichmut ja..... Aber unwissende Gleichgültigkeit ist auch nicht gut...Das wäre dann eben zu wenig an Emotion.


    Die Mitte verhält sich ein bisschen so, wie das Auge des Sturms. Da kommen die Emotionen zur Ruhe... Aber wie das Auge des Sturms auch Teil des Sturms ist, ist auch diese Ruhe nicht emotionslos, sondern befindet sich eben in Mitten der Emotionen.

  • Es ist sehr schwer diese Konditionierung durchzubrechen, weil sie letztendlich das Existenzielle berührt, den Wunsch nach Beständigkeit. Er kann nicht erfüllt werden, darum die Unsicherheit und Unwohlsein, aber die tiefgehende Erkenntnis, dass Beständigkeit nicht das Ziel und die vermeintliche Rettung sein kann, bedingt die Freiheit von der Annahme diesen Wunch formulieren zu müssen.


    Yofi

  • sudhana:

    Zitat

    Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna, das als vereinheitlichte Praxis mit der Sila-Praxis der Gefühlshaltung der brahmavihara verschmilzt.


    Merkwürdiger Satz für einen Zennie. Prajna ist ja immer intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'. Wenn der Säugling seine Mutter am Geruch erkennt dann ist das Prajna, und eine Mutter 'versteht' was ihr Baby benötigt um zufrieden zu sein, dann ist das auch Prajna, wenn dem Wissenschaftler unverhofft die Lösung "im Schlaf" einfällt, nach dem er vom Grübeln gelassen hat, auch. Ein Meister versteht ohne sich bemühen zu müssen, aber klar und unmissverständlich auf dieselbe Weise, aber er 'versteht' die universelle Gesetzmäßigkeit ( Dharma ), sein Wesen, das Wesen der Phänomene, versteht es in jedem Moment recht zu handeln.


    Wenn unsere Einsichtsfähigkeit gewöhnlich hinreichend wäre, bräuchten wir uns nicht mit der Lehre beschäftigen und sei es wir hören nur wie und warum zu sitzen sei und nehmen für uns ein Vorbild an, und 'Handlung und Wirkung' mag für uns temporär nachvollziehbar sein, aber nur beschränkt, ansonsten würde „Vernunft“ genügen, sich dem Unheilsamen zu enthalten, nicht alleine weil es Stress und Leiden beschert, und das ist uns ja auch nicht grad offen kundig , sondern auch, weil wir erkennen könnten, dass es die Klärung des Geistes behindert wenn wir Unheilsamen nachgeben.


    Also, entweder sind wir nicht vernünftig und klug genug, oder, was warscheinlicher ist, Verstand und Vernunft sind generell unzulängliche Sachen.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Zitat

    Also, entweder sind wir nicht vernünftig und klug genug, oder, was warscheinlicher ist, Verstand und Vernunft sind generell unzulängliche Sachen.


    Ich denke Vernunft und Verstand sind einfach nur Vernunft und Verstand. Unzulänglichkeit entsteht erst, bedingt durch die Erwartungen die man an etwas stellt.

  • Yofi:

    Unbeständig bedeutet leidbringend, s. anicca, dukkha,


    Das empfinde ich als unzulässige Simplifizierung. Sicherlich stehen anitya (und - nicht zu vergessen - anatman) zu duhkha in einem Bedingungsverhältnis, aber sie sind nicht identisch - falls Du das mit "bedeutet" gemeint haben solltest. Anitya bedeutet anitya, duhkha bedeutet duhkha. Wenn kein Irrtum (avidya) bezüglich der Seinsmerkmale anitya und anatman besteht, dann sind die Bedingungen für duhkha entfallen, weil damit auch die Bedingung für upadana, das Ergreifen und Anhaften, entfällt. Damit ist der der gesamte Konditionalnexes (pratityasamutpada) aufgelöst. Hier ist die Metapher von der 'Kette' (wechselseitig) bedingten Entstehens sehr treffend: ein Glied aus dieser Kette herausgelöst, sprengt die gesamte Kette. Duhkha gehört zu dieser Kette (nidana 11 und 12), jedoch nicht anitya und anatman. Dafür avidya, Nicht-Wissen (1. nidana) - was positiv formuliert eine inadäquate Sichtweise (drsti / ditthi) von anitya und anatman ist.


    Yofi:

    und das Problem der Intentionalität bezüglich des 'Ich/getrennt von etwas' dauert bis in die höchsten Erreichungszustände an. Deshalb wäre es illusionär an der Version der Reinen Intention festzuhalten bzw. von ihr auszugehen. Die Auflösung der Geistestrübungen kann man nur dann in Gang bringen, wenn sie erkannt und akzeptiert werden.


    Was mit Rationalität und Emotionslosigkeit im buddhistischen Sinne gemeint ist, kann ich dir, nachdem du selbst den Hinweis auf brahma-vihāra gebracht hast, an diesem Text ganz einfach erklären:


    http://www.palikanon.com/visuddhi/vis09_5.htm


    Der Text (ist der Hinweis erlaubt, dass es ein nichtkanonischer ist?) ist mir einigermaßen vertraut. Was die Erläuterung der brahmavihara angeht (einschließlich Funktion, Praxis usw.) ziehe ich allerdings Upatissa Theras Vimuttimagga Buddhaghosas Text (der stark am älteren Vimuttimagga ausgerichtet ist) vor. Nicht nur, weil Upatissas Arbeit Eingang in den chinesischen Tripitaka fand (durch Sanghapalas Übersetzung zu Beginn des 6. Jahrhunderts - was diesen Text übrigens zu einem kanonischen macht) und für die ostasiatische Rezeption der brahmavihara eine bedeutende Rolle gespielt hat (Buddhaghosas Visuddhimagga hingegen keine) sondern auch, weil Upatissa das Thema eingehender behandelt. Was den Zusammenhang von brahmavihara und dhyana / jhana angeht, so wiederholt Buddhaghosa im wesentlichen (unter Hinzufügung des Systems der 5 jhana) Upatissas Ausführungen.


    Was Du nun hier machst:

    Yofi:

    Nehmen wir das Beispiel karunā (Mitleid) und die „Abirrung“ Kummer, die jeder von uns sicher gut kennt ..... usw.


    - Du referierst über die "Abirrungen" - aber diskreditiert denn die Existenz von Irr- und Abwegen und die Möglichkeit, auf solche zu geraten, den richtigen Weg? Wohl kaum - ich habe den Eindruck, hier geht Deine Argumentation an der Sache vorbei. Niemand hat ja hier den 'Abirrungen' von den brahmavihara das Wort geredet. Oder verstehe ich da nur nicht, worauf Du hinaus willst?


    Wo allerdings der entscheidende Dissens zwischen Upatissa / Buddhaghosa und der mahayanischen Auffassung liegt (und wo ich diesen beiden von mir sehr geschätzten Älteren nicht folgen mag), das ist die Art, wie die brahmavihara auf ein Objekt, nämlich "die Wesen", bezogen werden. Ich zitiere mal aus Upatissa Theras Ausführungen zu metta, weil der Dissens da deutlich wird:

    Zitat

    "Frage: Was sind die Wurzeln, die Manifestation, Erfüllung, Nicht-Erfüllung und das Objekt von liebender Güte (metta)?
    Antwort: [...] Was ist ihr "Objekt"? Wesen sind ihr "Objekt".
    Frage: Das ist falsch. Im absoluten Sinn gibt es kein Wesen. Warum wird dann gesagt, Wesen seien ihr Objekt?
    Antwort: Aufgrund von Unterschieden in Fähigkeiten, in gewöhnlicher Sprache, wird gesagt, dass es Wesen gibt. Nun, die Bodhisatta und Mahasatta entwickeln liebende Güte zu allen Wesen."


    Dieser kurze Ausschnitt scheint nahezulegen, "Bodhisatta und Mahasatta" verstünden aufgrund "von Unterschieden in Fähigkeiten" nicht die Nicht-Wesenhaftigkeit (anatman) der Wesen. Man vergleiche dazu die oft zitierte Passage des Vajraccheddika-Sutra ('Diamantsutra'):

    Zitat

    "Als der ehrwürdige Subhuti so gesprochen hatte, sprach der von der Welt Geehrte zu ihm: [...] Ich werde dir sagen, wie jemand, der den Pfad der Bodhisattvas betreten hat, sich verhalten sollte; wie er voran schreiten sollte und wie er seine Gedanken zügeln sollte.’ [...] Jeglicher, o Subhuti, der hier den Pfad der Bodhisattvas betreten hat, muss seine Gedanken so gestalten: So viel Wesen es in dieser Welt des Daseins gibt [...], alle diese müssen von mir in der vollkommenen Welt der Auslöschung erlöst werden. Und dennoch, wenn so unermesslich viele Wesen erlöst wurden, wurde doch kein einziges Wesen erlöst. Und warum? Wenn, o Subhuti, ein Bodhisattva dem Gedanken eines Wesens anhinge, könnte er nicht Bodhisattva genannt werden. Und warum? Weil, o Subhuti, niemand ein Bodhisattva genannt werden sollte, für den der Gedanke eines Wesens, der Gedanke des Lebens oder der Gedanke einer Person existiert."


    Ich denke, das macht deutlich, dass in Upatissas Darstellung von "Bodhisatta und Mahasatta"-Praxis zumindest ein ganz entscheidender Punkt fehlt (unterschlagen wird?). Es geht in der Bodhisattvapraxis um die Entwicklung einer heilsamen Geisteshaltung, die jedoch kein Objekt postuliert, auf das sie gerichtet ist, das sie ergreift und an dem sie anhaftet. Vor allem nicht das vermeintliche eigene Wesen zu ihrem Objekt macht, was der Kern der Heilsamkeit dieser Geisteshaltung ist. Der Fokus dieser Praxis wird initialisierend von der 'eigenen' Befreiung, der Befreiung des 'eigenen Wesens' genommen und dadurch entsteht Raum für die Einsicht in die Nicht-Substantialität dessen, was 'Wesen' zu sein scheinen - und nur so wird Befreiung, wird Auflösung von avidya ja erst möglich.


    Diese Ablösung der Praxis von einem (jedem) Objekt der Praxis ist die Auflösung einer Antinomie: Wenn es keine Wesen gibt, so gibt es auch kein duhkha. Nur die 'kognitive Fehlhaltung', die 'Sicht' (drsti) von Wesen (atman) und die Sicht von Dauer (nitya), bedingt duhkha. Wenn Upatissa Thera sagt: "Aufgrund von Unterschieden in Fähigkeiten, in gewöhnlicher Sprache, wird gesagt, dass es Wesen gibt" so lässt sich mit gleichem Recht sagen "Aufgrund von Unterschieden in Fähigkeiten, in gewöhnlicher Sprache, wird gesagt, dass es duhkha gibt." Nun ist duhkha aber keine bloße Einbildung, sondern konkrete Erfahrung, die mit avidya in einem Bedingungszusammenhang steht. Diese Ablösung der Praxis von einem (jedem) Objekt der Praxis - anders formuliert: von der Ausrichtung der Intentionalität der Praxis auf Objekte - ermöglicht ihre Aufrechterhaltung als nichtintentionale Praxis. Anders stünde die Praxis selbst ihrer Intention - Einsicht in anatman - im Wege.

    Yofi:

    mettā, karunā, muditā, upekkhā – kann man auch nicht direkt als Gefühl (leidhaft, freudig, neutral) bezeichnen, es sind Zustände, die der Weisheit und dem Mitgefühl des reinen Geistes entspringen, sie sind also sein Verweilungszustand. Sicher kann man auch andere Begriffe dafür verwenden, ich hoffe man kann meine Ausdruckweise trotzdem verstehen und über eventuelle Abweichungen der Auffassung hinweg sehen.


    Ich habe ein kleines Problem mit dem Begriff "reiner Geist" bzw. bin ich mir nicht so recht sicher, was Du darunter verstanden haben möchtest. Aus Mahayana-Sichtweise (genauer gesagt handelt es sich um einen in der Yogacara-Philosophie entwickelten Begriff) verstehe ich darunter nirvikalpa-jnana. Ob es im Theravada ein Pendant dazu gibt, ist mir nicht bekannt. Jnana (Pali ñāṇa) dürfte ja vertraut sein; nirvikalpa-jnana ist 'Kognition ohne Konstruktion einer Vorstellung', also unmittelbare (d.h. nicht-duale) Kognition ohne die intentionale Aktivität des Ergreifens (upadana), insbesondere ohne die gestaltende Aktivität des samskaraskandha. Diese kognitive Haltung (oder dieser kognitive Zustand) ist mE in der Tat untrennbar verbunden mit den brahmavihara. Ob man das 'große Mitgefühl' anders als das 'kleine Mitgefühl' nun nicht mehr als 'Gefühl' bezeichnen sollte, halte ich für eine müßige Überlegung. Ich stimme Dir jedoch insofern zu, dass es eher nur ein anderer Aspekt der nicht-dualen Kognition ist - der Kognition der Ungetrenntheit alles Seins. Da ist allerdings auch schon der Ausdruck 'Mitgefühl' irreführend - fallen doch 'Fühlendes' und 'Mit-Fühlendes' in eins zusammen.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Yofi:

    In dem Sinne verstehe ich auch Shinjinmei


    Ich weiss nicht, ob Du den entsprechenden Thread im Zen-Unterforum verfolgt hast. Es geht da nicht um "Liebe und Hass" sondern um die kilesa lobha und dosa. Ich bezweifle, dass Du 'lobha' mit 'Liebe' übersetzen würdest. Ist halt schwierig, wenn philologische Argumente einem persönlichen Verständnis widersprechen - da stützt man sich dann lieber auf eine Fehlübersetzung, wenn die gerade besser 'passt'.


    ()

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  • Morpho:

    Wenn unsere Einsichtsfähigkeit gewöhnlich hinreichend wäre, bräuchten wir uns nicht mit der Lehre beschäftigen und sei es wir hören nur wie und warum zu sitzen sei und nehmen für uns ein Vorbild an, und 'Handlung und Wirkung' mag für uns temporär nachvollziehbar sein, aber nur beschränkt, ansonsten würde „Vernunft“ genügen, sich dem Unheilsamen zu enthalten, nicht alleine weil es Stress und Leiden beschert, und das ist uns ja auch nicht grad offen kundig , sondern auch, weil wir erkennen könnten, dass es die Klärung des Geistes behindert wenn wir Unheilsamen nachgeben.


    Also, entweder sind wir nicht vernünftig und klug genug, oder, was warscheinlicher ist, Verstand und Vernunft sind generell unzulängliche Sachen.


    Verstand und Vernuft wären genau die richtigen Mittel, allerding verlieren sie ihre Funktion insofern sie von emotionalen Prozessen überlagert werden.

  • Morpho:

    sudhana:

    Zitat

    Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna, das als vereinheitlichte Praxis mit der Sila-Praxis der Gefühlshaltung der brahmavihara verschmilzt.


    Merkwürdiger Satz für einen Zennie.


    Ach weisst Du - solche Etiketten haben mich nie groß gekümmert. Wenn Du mich in eine Schublade stecken willst, bitte. Aber gib nicht mir die Schuld, wenn Du das Gefühl hast, die Schublade ist die verkehrte. Übrigens: schon Dogen hat sich gegen die Unterstellung gewehrt, er lehre 'Zen' ...

    Morpho:

    Prajna ist ja immer intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'.


    Nein. Prajna ist das Resultat von Erkenntnis. Was Du meinst, ist Jnana - das ist eine Erkenntnisquelle. Vernunft ist ebenfalls eine Erkenntnisquelle. Und zwar in der Regel die einzige, die dem, der den edlen achtfachen Pfad betritt, zur Verfügung steht (und daran ändert sich auch eine ganze Weile erst einmal nichts) und aus der er die Rechte Ansicht (samyagdrsti) und Rechte Absicht (samyaksamkalpa) schöpft, die ihn zum Betreten des Pfades und dann zum Weitergehen veranlasst. Dass samyagdrsti und samyaksamkalpa zum Praxisaspekt Prajna zusammengefasst werden, ist Dir sicher bekannt.


    Ich weiss nicht, ob es Leute gibt, die zum Buddhadharma finden wie ein Säugling zu ihrer Mutter. Schön, wenn dem so sein sollte. Ich weiss aber, dass es Leute gibt, die aufgrund von Vernunfterkenntnis zum Buddhadharma gefunden haben.

    Morpho:

    Ein Meister versteht ohne sich bemühen zu müssen, aber klar und unmissverständlich auf dieselbe Weise, aber er 'versteht' die universelle Gesetzmäßigkeit ( Dharma ), sein Wesen, das Wesen der Phänomene, versteht es in jedem Moment recht zu handeln.


    Mir scheint, du hast mit einer ganzen Menge Projektionen zu kämpfen, was 'Meister' so alles verstehen und wie sie es verstehen sollen. Wenn Du Ratschlägen zugänglich wärest, würde ich Dir empfehlen, Dich darum zu kümmern, was Du verstehst und wie Du es verstehst, statt über das Verständnis von Meistern zu spekulieren. Ich für meinen Teil beschränke mich auf die Spekulation, dass die auch nur mit Wasser kochen.

    Morpho:

    Also, entweder sind wir nicht vernünftig und klug genug, oder, was warscheinlicher ist, Verstand und Vernunft sind generell unzulängliche Sachen.


    "Generell unzulänglich" ist "intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'" auch. Sabbe sankhara dukkha. Mein Hund ist ziemlich begabt, was "intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'" angeht. Für sonderlich weise würde ich ihn deswegen nicht halten. Dazu ist er schlicht zu unvernünftig.


    ()

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  • Sudhana:
    Yofi:

    Unbeständig bedeutet leidbringend, s. anicca, dukkha,


    Das empfinde ich als unzulässige Simplifizierung.


    Viel einfacher: Das Leid der Veränderung (3 Arten des Leidens)


    Sudhana:

    Was die Erläuterung der brahmavihara angeht (einschließlich Funktion, Praxis usw.) ziehe ich allerdings Upatissa Theras Vimuttimagga Buddhaghosas Text (der stark am älteren Vimuttimagga ausgerichtet ist) vor.


    Das kannst du gerne verlinken oder zitieren.


    Sudhana:

    Was Du nun hier machst:

    Yofi:

    Nehmen wir das Beispiel karunā (Mitleid) und die „Abirrung“ Kummer, die jeder von uns sicher gut kennt ..... usw.


    - Du referierst über die "Abirrungen" - aber diskreditiert denn die Existenz von Irr- und Abwegen und die Möglichkeit, auf solche zu geraten, den richtigen Weg? Wohl kaum - ich habe den Eindruck, hier geht Deine Argumentation an der Sache vorbei. Niemand hat ja hier den 'Abirrungen' von den brahmavihara das Wort geredet. Oder verstehe ich da nur nicht, worauf Du hinaus willst?


    Die Abirrungen stehen für Emotionen, die hier zur Diskussion in bezug zur Rationalität stehen. Das habe ich hier geschrieben:


    Zitat

    Was mit Rationalität und Emotionslosigkeit im buddhistischen Sinne gemeint ist, kann ich dir, nachdem du selbst den Hinweis auf brahma-vihāra gebracht hast, an diesem Text ganz einfach erklären:


    http://www.palikanon.com/visuddhi/vis09_5.htm


    ~


    Zitat

    Diese Ablösung der Praxis von einem (jedem) Objekt der Praxis - anders formuliert: von der Ausrichtung der Intentionalität der Praxis auf Objekte - ermöglicht ihre Aufrechterhaltung als nichtintentionale Praxis. Anders stünde die Praxis selbst ihrer Intention - Einsicht in anatman - im Wege.



    Es gibt keine genaue Anleitung, die ihn so beschreiben würde, dass ein anderer sie verstehen kann - mit der Ausnahme der schriftlichen oder mündlichen Überlieferungen. Ferner gesagt - wir unterhalten uns über den Geist und seine Aktivität, über etwas, was kein Objekt und auch kein Subjekt sein kann, über die Einsicht in den eigenen Geist, weniger über eine Interaktion zwischen existierenden/nicht existierenden Objekten. Die Einsicht wird an sehr vielen Stellen der Theravada- sowie Mahayana-Literatur ausgiebig beschrieben, ein eigenes Konzept ist dafür m. E. gar nicht erforderlich.



    Zitat
    Yofi:

    mettā, karunā, muditā, upekkhā – kann man auch nicht direkt als Gefühl (leidhaft, freudig, neutral) bezeichnen, es sind Zustände, die der Weisheit und dem Mitgefühl des reinen Geistes entspringen, sie sind also sein Verweilungszustand. Sicher kann man auch andere Begriffe dafür verwenden, ich hoffe man kann meine Ausdruckweise trotzdem verstehen und über eventuelle Abweichungen der Auffassung hinweg sehen.


    Ich habe ein kleines Problem mit dem Begriff "reiner Geist" bzw. bin ich mir nicht so recht sicher, was Du darunter verstanden haben möchtest. Aus Mahayana-Sichtweise (genauer gesagt handelt es sich um einen in der Yogacara-Philosophie entwickelten Begriff) verstehe ich darunter nirvikalpa-jnana. Ob es im Theravada ein Pendant dazu gibt, ist mir nicht bekannt. Jnana (Pali ñāṇa) dürfte ja vertraut sein; nirvikalpa-jnana ist 'Kognition ohne Konstruktion einer Vorstellung', also unmittelbare (d.h. nicht-duale) Kognition ohne die intentionale Aktivität des Ergreifens (upadana), insbesondere ohne die gestaltende Aktivität des samskaraskandha. Diese kognitive Haltung (oder dieser kognitive Zustand) ist mE in der Tat untrennbar verbunden mit den brahmavihara. Ob man das 'große Mitgefühl' anders als das 'kleine Mitgefühl' nun nicht mehr als 'Gefühl' bezeichnen sollte, halte ich für eine müßige Überlegung. Ich stimme Dir jedoch insofern zu, dass es eher nur ein anderer Aspekt der nicht-dualen Kognition ist - der Kognition der Ungetrenntheit alles Seins. Da ist allerdings auch schon der Ausdruck 'Mitgefühl' irreführend - fallen doch 'Fühlendes' und 'Mit-Fühlendes' in eins zusammen.


    Was du nach Theravada erklärt haben möchtest, habe ich nicht verstanden. Vielleicht kannst du das etwas verständlicher zum Ausdruck bringen.


    Yofi

  • Sunu:

    Ich denke Vernunft und Verstand sind einfach nur Vernunft und Verstand. Unzulänglichkeit entsteht erst, bedingt durch die Erwartungen die man an etwas stellt.


    Nur keine falsche Bescheidenheit an den Tag gelegt....

  • sudhana:

    Zitat

    Mein Hund ist ziemlich begabt, was "intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'" angeht.


    Das kann nicht sein, weil er es nicht 'versteht'. Gleichzeitig: Sein Wesen, die Teile und das Ganze. Er läuft nur dem Knochen hinterher, angeführt von seinem Hunde-Karma.

  • Morpho:

    sudhana:

    Zitat

    Mein Hund ist ziemlich begabt, was "intuitiv-unmittelbares 'Verstehen'" angeht.


    Das kann nicht sein, weil er es nicht 'versteht'. Gleichzeitig: Sein Wesen, die Teile und das Ganze. Er läuft nur dem Knochen hinterher, angeführt von seinem Hunde-Karma.


    Vielleicht erzähle ich mal, wenn ich entsprechend aufgelegt bin, wie man gemeinsam mit einem Hund praktiziert. Ich praktiziere übrigens auch mit einer Katze - chararakterlich ein sehr viel schwierigerer Fall (schwer gestörte Kindheit), aber nach vier Jahren machen wir in letzter Zeit gute Fortschritte. Gegentlich praktizieren wir gemeinsam auch zu dritt. Okay, da ist ein bißchen Schau dabei - aber das Lächeln der Leute, die mich mit Hund und Katze spazierengehen sehen, ist es mir wert.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Schein bar haben viele Katzen eine "gestörte" Kindheit. :) Vielleicht machen die auch einfach nur ihr Ding.

  • Ellviral:

    ]Schein bar haben viele Katzen eine "gestörte" Kindheit. :) Vielleicht machen die auch einfach nur ihr Ding.


    Nun ja - sie war ausgesetzt worden, streunte drei Monate im Nachbardorf herum. Ihr Alter etwa ein Jahr, wenn Frühjahrskatze, oder eine deutlich unterentwickelte Herbstkatze mit anderthalb. Schon mit Fell bedeckte OP-Narbe; vermutlich bereits im Alter von sieben oder acht Monaten sterilisiert, jedenfalls viel zu früh. Hyperaggressiv und vermutlich deswegen irgendwo weit weg von zu Hause aus dem Auto geworfen. Dass man beim Spielen die Krallen eingezogen lässt, hat sie erst nach zwei Jahren allmählich bei uns gelernt - vermutlich auch noch zu früh aus dem Wurf genommen, wo Katzen mit anderen spielen lernen. Ich glaube nicht, dass das alles so "ihr Ding" war.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sunu:

    Ich denke Vernunft und Verstand sind einfach nur Vernunft und Verstand. Unzulänglichkeit entsteht erst, bedingt durch die Erwartungen die man an etwas stellt.


    ja, wenn du keine Erwartungen an deine Vernunft und deinen Verstand hast, dann werden dir deine Vernunft und dein Verstand niemals unzulänglich erscheinen. Dann wirst du allerdings auch nichts unternehmen, um Inkapazitäten auf diesen Gebieten zu beseitigen.

  • Stero:
    Sunu:

    Ich denke Vernunft und Verstand sind einfach nur Vernunft und Verstand. Unzulänglichkeit entsteht erst, bedingt durch die Erwartungen die man an etwas stellt.


    ja, wenn du keine Erwartungen an deine Vernunft und deinen Verstand hast, dann werden dir deine Vernunft und dein Verstand niemals unzulänglich erscheinen. Dann wirst du allerdings auch nichts unternehmen, um Inkapazitäten auf diesen Gebieten zu beseitigen.


    Wenn ich von einem Flaschenöffner erwarte, dass er mich in die nächste Stadt fährt, dann wird sich der Flaschenöffner dafür als unzulänglich herausstellen.
    Wenn ich von ihm erwarte, dass ich eine Flasche mit ihm öffnen kann.... Dann kann diese Erwartung voraussichtlich erfüllt werden.
    Vernunft und Verstand sind Produkte der Evolution, geeignet um sich damit das überleben in der Welt zu sichern...
    Nicht dafür geeignet um eine mutmaßliche universelle Gesetzmäßigkeit damit zu ergründen.