Nicht töten - Probleme in der Praxis



  • Um bei dem Stil Deiner Rede zu bleiben: "Was gibt Dir das Recht", so mit mir zu sprechen?

  • Sherab Yönten:

    Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch der "assistierte Suizid" legal


    Besser: unter bestimmten Voraussetzungen ist die Beihilfe zu Suizid straffrei. Ist aber mE eher Augenwischerei. Entscheidend ist: auch hier ist die Hilfe durch einen Arzt verboten - ob strafrechtlich oder standesrechtlich, ist nicht der entscheidende Punkt. Das heisst, es ist reine Glückssache, ob man einen Helfer findet - einen (dann auch hoffentlich halbwegs sachkundigen) Amateur, der "die Giftspritze präpariert". Vom Problem einer legalen Beschaffung des Mittels einmal ganz abgesehen.

    Deswegen sind bei solchen Amateur-Beihilfen auch eher Tabletten üblich, da ist das einfacher - 'gängig' ist Metoclopramid als Antiemetikum (um Erbrechen zu verhindern), mindestens 500 mg Diazepam (besser 750 mg) zur Herbeiführung von Tiefschlaf, mindestens 20 g Chloroquin (ein Antimalariamittel, das auch zur Rheumabehandlung eingesetzt wird). Alle drei natürlich rezeptpflichtig. Also Schmarzmarkt oder doch wieder ein Arzt, der dann ggf. der Kammer erklären muss, für welche medizinische Indikation er so etwas in solchen Mengen verschreibt. Kosten ca. 500 € - am teuersten (400 €) das Chloroquin, von dem man 5 OP braucht. Die Krankenkasse zahlt sowas garantiert nicht - und es empfiehlt sich, die Beschaffung auf mehrere Apotheken zu verteilen, sonst riskiert man, dass die Polizei mal vorbeischaut. Der Sterbende muss beim Sterben alleine gelassen werden, wenn der Helfer nicht einer möglichen Strafverfolgung wegen § 323c StGB ausgesetzt werden soll.


    Ein Arzt wird hingegen, wo er das darf (z.B. in den Niederlanden oder in Belgien) am ehesten Midazolam und dann Thiopental oder Propofol iv spritzen (beides wird in der Anästhesie eingesetzt), was in entsprechend hoher Dosierung zum Atemstillstand führt. Kosten der Medikamente ca. 50 €. Neben dem Arzt können natürlich auch Partner, Verwandte, Freunde beim Sterben zugegen sein.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Ich war mal in einigen buddhistischen Gruppen bei der damaligen Plattform "werkenntwen" unterwegs.
    Ich bin da weg, weil sich Egos mit Egos über ihre Anhaftungen stritten...und jetzt und hier...Deja Vu :eek:

    Die Ära des Lichts ist die Ankunft des Menschen in seiner Mündigkeit.
    Primum non nocere

    • Offizieller Beitrag
    Frieden-und-Freude:

    Ist Dir bewusst, was für schwere Anschuldigungen Du da erhebst, bloß weil Du etwas nicht persönlich nachvollziehen kannst?


    Du wirfst mir vor, hier öffentlich zu lügen, und zwar aus niederen Beweggründen zu lügen. "Um besser dazustehen".


    Das hat mir geholfen, mir selbst über manches Klarheit zu verschaffen.
    Ich bedanke mich bei denjenigen, die ohne persönliche Vorwürfe oder Verleumdungen daran teilgenommen haben.


    Ich bin mir sicher, dass du da nicht persönlich gemeint bist. Aber irgendwas "Brutales" ist schon in dem drin, was Spock sagt.


    Es ist ja eher so, dass man sich selber oft über seine eignen Motive gerne täuscht. Stell dir z.B vor ein naher Anghöriger von mir wäre gestorben, und ich wäre am Boden zerstört. Da würde ich ja auch gerne glauben, dass meine Trauer zu 95 % aus hehren Motiven besteht (Mitgefühl) und nur zu 5% Anhaftung und Selbstmitleid. Aber villeicht bin ich ja überhaupt nicht so nett, wie ich denke und die umgekehrten Zahlenverhältnisse sind realistisch! Wie kann ich das wissen?


    Meine Vermieterin sagte mal, sie fände es total schlimm, wenn sie Behinderte trifft, weil ihr die immer so unglaublich Leid täten in ihrem Elend. Und ihnen besser veboten werden sollte auf die Strasse zu gehen. Die Unfähigkeit Leid auszuhalten tarnt sich da als Mitgefühl. Aber wie erkennt man das?

  • Frieden-und-Freude:

    Um bei dem Stil Deiner Rede zu bleiben: "Was gibt Dir das Recht", so mit mir zu sprechen?


    Warum wechselst Du von der Sachebene auf die persönliche?


    Du fragst in einem öffentlichen buddhistischen Forum, ob Du mit Deiner Einschätzung bezüglich Karma-Samen richtig oder falsch liegst. Daraufhin habe ich (im Rahmen der Forenregeln) geantwortet, dass Du falsch liegst und versucht, das aus meinem Verständnis der Lehre heraus zu begründen. Mein "Recht" fußt also auf Deiner Ursprungshandlung.


    Yeshe

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • void:

    Meine Vermieterin sagte mal, sie fände es total schlimm, wenn sie Behinderte trifft, weil ihr die immer so unglaublich Leid täten in ihrem Elend. Und ihnen besser veboten werden sollte auf die Strasse zu gehen. Die Unfähigkeit Leid auszuhalten tarnt sich da als Mitgefühl. Aber wie erkennt man das?


    :like:


    Daher auch meine Frage, ob wir hier Buddhas unter uns haben. Das Sehen des Lebens nach dem Tod (und vor der Geburt) ist nämlich eines der letzten Dinge, in die auf dem Buddha-Pfad Einsicht erlangt wird.

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Ist ein wenig OT:


    Tulamben:

    Ich war mal in einigen buddhistischen Gruppen bei der damaligen Plattform "werkenntwen" unterwegs.
    Ich bin da weg, weil sich Egos mit Egos über ihre Anhaftungen stritten...und jetzt und hier...Deja Vu :eek:



    Da war ich auch mal :)
    Die Moderatoren sind in diesem Forum wesentlich besser aufgestellt als damals bei wkw.
    Auch wenn ich es manchmal begrüßen würde, wenn man hier konstruktiver miteinander umgehen würde!

  • Bedeutet Mitgefühl nicht auch Mitgefühl mit sich selbst zu haben? Das sollte man nicht mit Ego verwechseln! Das nicht aushalten von Leid kann schon sehr erdrückend sein, insbesondere (aber nicht nur) in der Pflege, wo es kaum mehr genügend Personal gibt, um eine patientengerechte Pflege zu organisieren.

  • Sagt immer noch nix drüber aus, wie spock, void und yeshe in der selben Situation handeln würden oder gehandelt haben. Ich finde da verbietet sich sowieso das Aburteilen.
    @ f&f:
    "Ironisch" finde ich am Klosterleben diesbezüglich schon etwas. Es gibt nämlich auch keine Landwirtschaft, die nicht tötet, und die Mönche und Nonnen leben, wenn sie Karma nicht vollständig auf sich nehmen und selbstversorgend leben, von gespendeten Nahrungsmitteln aus Garten, Hof und Landwirtschaft der "Laien". Kann man sagen, die sind "fein raus"? Vielleicht schon, allerdings soll Kloster oder Eremitentum Umstände gewährleisten, wo sich dunkles Karma nicht so intensiv manifestieren bzw. fortsetzen kann; man kann also von einem Ordinierten verlangen, wo er die besseren Umstände hat, er möge den ihn ernährenden "Laien" nicht ungefragt "Ratschläge" erteilen oder sie verurteilen, viel mehr müsste er sich um die Übung kümmern, die darauf abzielt,
    Karma aufzuheben, wie Buddha - zum Wohle aller Wesen. Warum sollte sich "Laie" und Laienordinierter hier nicht gleichermassen angesprochen fühlen ?



  • Deine Antwort war als Zurechtweisung und Belehrung formuliert, es geht also um den Stil Deiner Rede.
    Der ist einfach unzweckmäßig. Denn er provoziert mich, in derselben Art zu antworten. Und in Kürze hätten wir dann eine weitere Eskalation in einer Diskussion, die ohnehin schon unheilsame Formen annimmt.


    Darauf verzichte ich.


    Meinetwegen kannst Du Recht behalten.


    Ich bin nur in einem Punkt "neugierig":
    Versetze Dich mal in die Situation. Du bist für ein Tier verantwortlich, die Tierärztin empfiehlt dringend, es einschläfern zu lassen. Schmerzmittel sind eine langsame Form der Tötung. Und Du nimmst das Tier ohne Schmerzmittel wieder mit nach Hause und fühlst Dich nicht im geringsten für das Leiden der Katze verantwortlich, weil "Du es ihr ja nicht aktiv zufügst"?


    Denn: "Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas."


    Und Du hast durch Nichtstun die richtige Wahl getroffen?
    Und findest diese Entscheidung unproblematisch?

  • Wenn mir einer sagen würde, er hielte auch nur 10 Regeln (...16, 48, 60, 380 ) vollständig, würd ich lachen. Selbst von einem Arhat wird gesagt, er wäre zu vier(?) Dingen nicht mehr imstande, und ansonsten ?

  • Ich würde gerne eine Sache, die hier angesprochen wurde, etwas genauer auf den Punkt bringen. Es gibt mE einen deutlichen Unterschied zwischen monastischer (durch Vinaya gebundener) und Haushälterpraxis - und, verkomplizierend, einer Haushälterpraxis, die versucht, die monastische möglichst ohne Abstriche zu emulieren. Das bezeichnende Stichwort wurde schon genannt: Verantwortung. Der Vinaya-Ordinierte gibt die Verantwortung für sein Handeln an einen Regelkanon ab - er ist damit frei von jeder Verantwortung außer der gegenüber dem Vinaya. In diesem Sinn handelt er auch verantwortungslos. Und gelegentlich tun dies auch die, die sein Handeln emulieren, ohne die Verantwortung für ihr Handeln an den Vinaya abgegeben zu haben. Nicht ganz zufällig ist Ordination ein formaler und vor allem öffentlicher Schritt).


    Das kann schon ein 'Geschmäckle' vermeintlicher moralischer Überlegenheit haben - wenn etwa in Tibet Mönche und fromme Laien keine Tiere schlachten, aber keine Bedenken haben, Fleisch zu essen - vorzugsweise von muslimischen Schlachtern, weil man sich als Buddhist ja nicht die Hände schmutzig macht. Dass schon die Nachfrage nach Fleisch Tiere tötet und überdies Andere im Karma des Tötens bestärkt, spielt da keine Rolle - man tötet ja nicht direkt und unmittelbar und sieht sich daher nicht verantwortlich. Dieses Argument ist (in etwas anderer Form natürlich) auch hier in der Diskussion aufgetaucht - ich halte es für heuchlerisch (zur Klarstellung: das Argument, nicht den, der es vorgebracht hat).


    Ein Haushälter hat Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die, mit denen er seinen Haushalt teilt - ob Menschen oder Tiere. Das bedeutet, dass er sich bemüht, in deren bestem Interesse zu handeln - was natürlich impliziert, dass er selbst auch beurteilen muss, was im besten Interesse seiner Haushaltsgenossen ist. Wobei man 'Haushaltsgenossen' sehr weit fassen kann - man kann darunter durchaus auch 'alle Wesen' verstehen. Doch dies nur nebenbei. Jedenfalls ist genau diese Verantwortung und das ihr-gerecht-werden Kern der Haushälterpraxis.


    Selbstverständlich (es wurde zu Recht angemerkt) führt das zu Dilemmata - solche zu vermeiden ist ja gerade der Grund dafür, in die Haushaltslosigkeit zu gehen. In dieser Hinsicht wählt der Vinaya-Ordinierte den einfacheren Weg - um nicht zu sagen, er macht es sich einfach. Ich habe es in diesem Thread schon früher angesprochen: an den Dilemmata, die sich aus der Bemühung der Befolgung der pañcaśīla ergeben, wächst die Übung des Praktizierenden - gerade durch diese Dilemmata und die Auseinandersetzung mit ihnen werden die śikṣāpada tatsächlich zu Wegen oder Feldern der Übung. Was sie, wenn man ihnen 'verantwortunglos' einfach buchstabengetreu folgt, allenfalls in sehr viel geringerem Maße sind. Das eine ist Optimierung des Handelns durch Übung und Einsicht, das andere schlicht Konditionierung.


    Es ist, denke ich, kein Zufall, dass Buddha etwa den Kālāmern nicht empfohlen hat, den pañcaśīla als Geboten oder Gesetzen zu folgen, sondern dass er ihnen empfohlen hat, ihre Entscheidungen hinsichtlich ihrer Folgen gründlich zu überprüfen - und (was bei Verweisen auf das ‎Kālāmasutta leider häufig übersehen wird) sich in den brahmavihāra zu üben. In liebender Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut. Diese Übung ist, so denke ich, ein besserer Führer auf dem Weg als das sture, unhinterfragte Befolgen von Regeln und Geboten.


    ()

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  • Frieden-und-Freude:


    Meinetwegen kannst Du Recht behalten.


    Das interessiert mich gar nicht. Das Ding ist, dass bei schriftlicher Kommunikation Sachen oft in den falschen Hals geraten, obwohl sie eventuell ganz anders gemeint waren. Aber sei's drum


    Frieden-und-Freude:


    Ich bin nur in einem Punkt "neugierig":
    Versetze Dich mal in die Situation. Du bist für ein Tier verantwortlich, die Tierärztin empfiehlt dringend, es einschläfern zu lassen. Schmerzmittel sind eine langsame Form der Tötung. Und Du nimmst das Tier ohne Schmerzmittel wieder mit nach Hause und fühlst Dich nicht im geringsten für das Leiden der Katze verantwortlich, weil "Du es ihr ja nicht aktiv zufügst"?


    Denn: "Die Katze leidet aufgrund der Früchte ihres vergangenen Karmas."


    Und Du hast durch Nichtstun die richtige Wahl getroffen?
    Und findest diese Entscheidung unproblematisch?


    Ich hätte nicht nichts getan, ich hätte mich zu Hause um die Katze gekümmert, so gut ich kann. Und ja, das würde ich für die richtige Entscheidung halten. Und nein, ich bin nicht für das Leiden von Tieren verantwortlich, weil ich sie nicht töte(n) (lasse).


    Yeshe

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Kräm dich nich f&f. In Foren bist du gut beraten, nichts von deinen Gefühlen und "intimeren" Gedanken zu veräussern; ohne dass du in Gefahr eines Hacking läufst; es ist nicht ohne Grund so, dass viele von sich, ihren Erfahrungen und Leben wie in der dritten Person sprechen und immer schön rational daherkommen wollen, man könnte sonst sagen, sie unterliegen Täuschungen der Anhaftung an Gefühle und Gedanken, und insofern Unwissenheit. Nun weiss doch aber jeder, oder müsste, dass er unwissend ist und sollte nicht glauben, "Wissen" macht das wett. Du hast dich geöffnet, spontan, ohne Kalkül, warst aufrichtig. Da ist nix zu rechtfertigen.

  • Yeshe:

    Und nein, ich bin nicht für das Leiden von Tieren verantwortlich, weil ich sie nicht töte(n) (lasse).


    Wenn Du die Möglichkeit hast, ein konkretes Leiden an Schmerzen zu beenden und Du das nicht tust, dann bist Du für das fortgesetzte Leiden an diesen Schmerzen verantwortlich. Die fortbestehenden Schmerzen nicht beendet zu haben, ist dann Dein Karma - so wie im anderen Fall die Tötung des Tieres Dein Karma ist.


    Nicht, dass ich das kritisieren würde. Jeder handelt nur aus den ihn bestimmenden Ursachen und Bedingungen heraus und damit sind die Handlungen und die Bewertungen, die wir ihnen zuweisen, notwendig unterschiedlich. Trotzdem würde ich mich fragen, wie genau das Motiv dieser 'Tötungshemmung' aussieht. An welchem Wohl ist es orientiert?


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  • @ sudhana:(mal wieder:) :like::like:



    PS: ich glaube, du formulierst nicht immer so, dass du von möglichst vielen verstanden werden kannst, und auch so aus m zen raus halt, da denk ich manchmal: perlen vor die hühner-sorry: berliner schnauze ;)- denn ob da was von kleben bleibt (bedacht wird), weiss man ja nicht; ich hoffe nur, der eine oder andere goggelt sich die "fremdwörter" und lässt sich einiges setzen, reflektiert es iwann, denn m.M.n. lohnt sich das. _()_

  • Sudhana:


    Wenn Du die Möglichkeit hast, ein konkretes Leiden an Schmerzen zu beenden und Du das nicht tust, dann bist Du für das fortgesetzte Leiden an diesen Schmerzen verantwortlich. Die fortbestehenden Schmerzen nicht beendet zu haben, ist dann Dein Karma - so wie im anderen Fall die Tötung des Tieres Dein Karma ist.


    Nicht, dass ich das kritisieren würde. Jeder handelt nur aus den ihn bestimmenden Ursachen und Bedingungen heraus und damit sind die Handlungen und die Bewertungen, die wir ihnen zuweisen, notwendig unterschiedlich. Trotzdem würde ich mich fragen, wie genau das Motiv dieser 'Tötungshemmung' aussieht. An welchem Wohl ist es orientiert?
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    Ich argumentierte hier auf der Ebene der Silas, oder wie die Tibeter es nennen, des "Hinayana".


    Yeshe


    P.S.:
    Persönlich habe ich Tötungshemmungen, da ich mir nicht sicher bin, ob es den Wesen nach der Tötung besser geht oder nicht. Kommt es zum Beispiel nach dem Tod zur Wiederkehr in einem der Höllenbereiche, hat man gar kein Leid beendet, sondern ein ungleich größeres Leid früher zugelassen. Und ich kann persönlich nicht Absehen, was nach dem körperlichen Tod zum Beispiel einer Katze passiert (außer dass die Katze tot ist).

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • @Morpho: Danke für die Blumen. Mal grundsätzlich: die mit meiner Schreibe verbundenen Probleme sind mir bewusst. Ich habe das auch schon anders versucht (quasi eine Art Leichte Dharma-Sprache :) ), aber mich damit nicht wohlgefühlt, sondern unauthentisch. Es gibt Leute, die können das ganz wunderbar, aber ich gehöre (leider) nicht dazu. Mittlerweile sorge ich mich einfach nicht mehr darum, ob meine Schreibe auf Andere prätentiös, intellektuell kalt oder schlicht überkandidelt wirkt. So ist mir der Schnabel gewachsen oder meinetwegen auch gewuchert. Um so mehr freut es mich, wenn ich gelegentlich positives Feedback bekomme und daran merke, dass ich nicht einfach nur Monologe halte, sondern dass es Resonanz gibt ...
    :warn: no fishing for compliments, ich bitte von weiteren Beifallsbekundungen zumindest in diesem Thread Abstand zu nehmen :P

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  • Yeshe:

    Ich argumentierte hier auf der Ebene der Silas, oder wie die Tibeter es nennen, des "Hinayana".


    Argumentieren wir nicht alle hier auf der Ebene der Śīla? Für mich möchte ich das jedenfalls schon in Anspruch nehmen. Mal grundsätzlich (und vom 'normalen' Sprachgebrauch unter Buddhisten abgesehen) ist Śīla Ethik, Sittlichkeit. Ich nehme an, Du meinst hier die śikṣāpada (Pali sikkhāpada) - also die in konkrete Verhaltensregeln gefasste Śīla. śikṣāpada wird recht treffend mit 'Übungsregeln' übersetzt (wörtlich übersetzt sind es 'Schritte [in] der Übung') - was deutlich etwas Anderes ist als 'Gebote'. Dass man auch Übungsregeln nicht leichtfertig bricht, versteht sich von selbst. Der Punkt ist, ob man eine Übungsregel ausnahmsweise bricht, wenn die Übung (z.B. die in Mitgefühl, karuṇā) es erfordert. Sich da auf wörtliche Befolgung einer Regel zurückzuziehen und dies womöglich auch noch allgemeinverbindlich für die einzig richtige Konsequenz zu halten, würde ich ebenfalls als "Hinayana" bezeichnen.

    Yeshe:

    Persönlich habe ich Tötungshemmungen, da ich mir nicht sicher bin, ob es den Wesen nach der Tötung besser geht oder nicht.


    Nun - wenn das Wesen tot ist, geht es ihm überhaupt nicht irgendwie. Das ist ja das Motiv der Tötung - das Ergehen, dass sich hier auf Duhkha in einem extremen Maß reduziert hat, zu beenden.

    Yeshe:

    Kommt es zum Beispiel nach dem Tod zur Wiederkehr in einem der Höllenbereiche, hat man gar kein Leid beendet, sondern ein ungleich größeres Leid früher zugelassen.


    Ich will mich mal auf diese Argumentationsebene einlassen - nicht, dass ich ihre stillschweigenden Voraussetzungen ohne weiteres teilen würde. Nun, ich habe ja von einem konkretem Leiden geschrieben, das beendet wird - dem an starken Schmerzen, die das Leben zur Qual machen. Ansonsten hat Deine Tötung sicherlich keinen Einfluss darauf, ob es zu einer Wiederkehr in einem Höllenbereich kommt. Das hängt von den saṃskāra der Katze ab, nicht von Deinen. Wenn nun ein Wesen aufgrund Deiner Beendung seines Leidens früher in einem Höllenbereich wiederkehrt, so ändert das ja nichts an der Zeit, die zur Auflösung dieses zur Hölle führenden Karma erforderlich ist. Je früher das Wesen dort hineinkommt, um so früher kommt es auch wieder heraus. Wieso sollte es auf Grund einer von Dir ausgeführten Handlung dort länger verbleiben? Ansonsten - was ist, wenn das Wesen nun nicht in der Hölle wiederkehrt, sondern im Bereich der Menschen oder gar Devas? Eine genauso spekulative aber auch genauso plausible Annahme. Dann hältst Du gerade das auf und lässt das Wesen dafür in einem leidhafteren Existenzbereich länger Leid und Schmerzen erdulden.


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  • Es ist immer nützlich, auch extreme Positionen einmal zu prüfen.
    Mir scheint diese Position, die Du schilderst, aber nicht sehr einladend zu sein:


    Letztlich bedeutet diese Haltung den Verzicht auf jede Form eigenverantwortlichen und rationalen Handelns. Verbunden mit einer unkritischen Unterwerfung unter ein gegebenes "Gebot", das dann auch gar nicht mehr als Übung, sondern als ein religiöses Dogma aufgefasst wird.


    Begründet wird ein solcher Verzicht auf eigenverantwortliches Handeln mit einer angeblichen totalen Unkenntnis der Handlungsfolgen ("Das Leben ist komplex", "Wer weiß, ob die Katze in einem Höllenreich wiedergeboren wird" etc.).


    Kurz zum konkreten Beispiel der Katzenhaltung: Die Katze brachte uns vor 17 Jahren ein Nachbarsjunge aus einem Wurf wilder Katzen. Wir hatten in unserer ländlichen Wohngegend damals ein erhebliches Problem mit unkontrollierter Vermehrung dieser Katzen. Statt nichts zu tun, haben wir in der Nachbarschaft dafür gesorgt, die Katzen einzufangen und zu sterilieren. Und uns soweit möglich um einige der Katzen persönlich zu kümmern. So wurde erhebliches Leid verhindert. Durch Übernahme von Verantwortung.
    Wenn Katzen in größerer Anzahl frei jagen, entsteht viel Leiden bei den Vögeln. Es ist sinnvoll, das einzuschränken und die Katzen zu füttern. Schlachtabfälle entstehen ohnehin, es müssen keine Tiere extra dafür geschlachtet werden.
    Und sonstiges Engagement wird durch das Geld für Katzenfutter auch nicht verhindert.


    Insofern: Es ist durchaus möglich, mit Hilfe von vernünftigem Nachdenken und Handeln Verantwortung zu übernehmen.


    Wer das bestreitet, verbindet einen totalen Skeptizismus mit einer autoritären Ethik: einer Unterwerfung unter religiös begründete Normen, die gar nicht mehr im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden.


    Ein kompletter Rückfall hinter die Errungenschaften der Aufklärung!
    (Den Buddha halte ich weiterhin für einen Aufklärer, manchen seiner Anhänger zum Trotz. :D )


    Du bist jetzt nicht gemeint. :)


    Wie gesagt: Es ist völlig okay, solche Haltungen mal geistig auszuprobieren. Um zu sehen, wohin sie führen.


    Placet experiri ... ;)

  • 451:

    Vorab: Je aufgeklärter ich bin, um so mehr bin ich Karma-Stress ausgesetzt.


    Gegen Karma-Stress gibt es ein Rezept. Auch, wenn das gerade von mir jetzt vielleicht unerwartet kommt: sich beim Handeln vom Herz leiten lassen, nicht vom hier - wie Du sinngemäß richtig anmerkst - völlig überforderten Verstand. Was nun wiederum auch keine Empfehlung zum unreflektierten Handeln ist.


    Auf die Übung vertrauen. Ich hatte heute schon geschrieben, dass die Übungspraxis der Brahmavihāra ein zuverlässigerer Führer auf dem Weg ist, als die schematische Anwendung toter Regeln - und das gilt nach meiner Erfahrung gleichermaßen für rationale Erwägungen. Fehl- und Rückschläge einstecken und unter 'lehrreiche Erfahrung' verbuchen. Buddha sagte, der Wille / die Absicht sei das, was er karma nenne. Also richte Dein Augenmerk bei der Prüfung Deiner Handlungsoptionen vordringlich auf die Absicht, auf deren Reinheit. Die Folgen kannst Du nur unzureichend überblicken - da kommst Du ohne Vertrauen nicht aus. Was wiederum nicht bedeutet, dass man das gar nicht erst versuchen wollte. Täuschungen (und insbesondere Selbsttäuschungen) sind zahllos - und da ist nicht zuletzt Verstand hilfreich.


    Was die Komplexität angeht, so gilt: nicht bange machen lassen. Eine Kerze entzünden, um die Ecke der Welt, wo Du gerade stehst, zu erhellen. Mehr kann niemand verlangen - und schon das ist schwierig genug, wenn der Wind bläst.


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  • Sudhana:


    Nun - wenn das Wesen tot ist, geht es ihm überhaupt nicht irgendwie. Das ist ja das Motiv der Tötung - das Ergehen, dass sich hier auf Duhkha in einem extremen Maß reduziert hat, zu beenden.


    Das scheint mir wiederrum deutlich verkürzt gesehen. Wie ich vorhin schon schrieb wäre nach dieser Logik ja das reine Töten möglichst aller fühlenenden Wesen eine Methode, Samsara zu beenden.
    Auch ist Dein Gleichsetzen von Motiv und Resultat logisch nicht korrekt.

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Sudhana:


    Ich will mich mal auf diese Argumentationsebene einlassen - nicht, dass ich ihre stillschweigenden Voraussetzungen ohne weiteres teilen würde. Nun, ich habe ja von einem konkretem Leiden geschrieben, das beendet wird - dem an starken Schmerzen, die das Leben zur Qual machen. Ansonsten hat Deine Tötung sicherlich keinen Einfluss darauf, ob es zu einer Wiederkehr in einem Höllenbereich kommt. Das hängt von den saṃskāra der Katze ab, nicht von Deinen. Wenn nun ein Wesen aufgrund Deiner Beendung seines Leidens früher in einem Höllenbereich wiederkehrt, so ändert das ja nichts an der Zeit, die zur Auflösung dieses zur Hölle führenden Karma erforderlich ist. Je früher das Wesen dort hineinkommt, um so früher kommt es auch wieder heraus. Wieso sollte es auf Grund einer von Dir ausgeführten Handlung dort länger verbleiben? Ansonsten - was ist, wenn das Wesen nun nicht in der Hölle wiederkehrt, sondern im Bereich der Menschen oder gar Devas?


    ()


    Zu den letzen beiden Fragen: Ich habe keine Ahnung.
    Deswegen bin ich eben gehemmt.


    "Vier unerfaßbare Dinge gibt es, ihr Mönche, über die man nicht nachdenken sollte, über welche
    nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte. Welches sind diese vier
    Dinge?
    Die Wirkung der Taten, ihr Mönche, ist etwas Unerfaßbares, über das man nicht nachdenken sollte
    und über das nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte."
    (Anguttara Nikaya IV, 77)


    Yeshe

    Wenn ich eine Frage stelle, ist das immer als echte Frage gemeint! :vajra:

  • Yeshe:

    Das scheint mir wiederrum deutlich verkürzt gesehen. Wie ich vorhin schon schrieb wäre nach dieser Logik ja das reine Töten möglichst aller fühlenenden Wesen eine Methode, Samsara zu beenden.

    Das ist doch auch die Lösung. Oder Ich gehe in eine Einsiedelei im Wald, oder eine einsame Insel, wobei eine Insel ohne fühlende Wesen leichter zu finden ist als eine Einsiedelei ohne diese. Dies auf die Spitze treiben legt aber auch den Unsinn einer solchen Diskussion bloß.


  • Hallo 451,


    natürlich erkenne ich die Komplexität des Lebens an.


    Es ist für uns Menschen ja auch eine Überforderung, wenn wir an uns den Anspruch stellen, die Konsequenzen jeder Handlung zu erkennen, uns immer alle Handlungsalternativen bewusst zu machen und den Nutzen (bzw. die Minimierung des Schadens) rational zu berechnen.


    Deshalb gibt es Regeln: Sie reduzieren sozusagen die Komplexität. Und helfen uns bei der Orientierung unseres Handelns. Ohne dass wir immer jede Handlung reflektieren müssten.


    Wenn aber die Regeln als starre (religiöse) Gebote oder Verbote formuliert werden, ist das ebenfalls ein Problem.
    Erstens deshalb, weil aus dem Blick gerät, dass die Regel ja nur deshalb existiert, um Nutzen zu stiften bzw. Leiden zu vermeiden. In Situationen, in denen eine Regel ihre Funktion nicht erfüllt, sollte es möglich sein, sie flexibel und verantwortlich zu handhaben.
    Dafür muss man dann tatsächlich Handlungsfolgen miteinander vergleichen.


    Und zusätzlich finde ich das wichtig, was Sudhana geschrieben hat:




    Wir brauchen also (aus meiner Sicht):


    1. Übungsregeln, um mit der Komplexität des Lebens umzugehen.
    2. die Offenheit und Eigenverantwortung, um in Ausnahmesituationen Handlungsfolgen abzuwägen und
    3. eine Praxis der Brahmavihara, da der Verstand bei der Entscheidung letztlich überfordert ist.



    Das ist ein mittlerer Weg, der verschiedene Konzeptionen der Ethik praxisnah kombiniert. (Es werden sowohl Regeln, Handlungsfolgen und Dispositionen des Handelnden berücksichtigt.)


    Ich hoffe, etwas zur Klärung beigetragen zu haben.


    _()_