Mara, bzw. "das Böse"

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich hab den Buddhismus bisher eher so wahrgenommen, dass es da viel um Eigenverantwortung geht. In den Silas heißt es ja auch "Lebendiges umzubringen, will ich mich enthalten." usw. statt "Du sollst nicht töten."


    Vorhin hab ich in der mittleren Sammlung des Tpitaka (50. Der Tadel an Mara) gelesen, dass Mara, bzw. "das Böse" Einfluss auf Menschen nimmt. Ich kenn das sonst eher nur aus der Bibel, wo dann von Satan die Rede ist, und hab das bisher eher so in die Ecke geschoben, dass das von Leuten vorgeschoben wird, die (wenig) Eigenverantwortung übernehmen wollen.


    ... und bin jetzt ein wenig erschüttert, dass ich vielleicht doch (nicht nur) gegen meinen inneren Schweinhund kämpfe. :shock:


    ... ich meine, es würde vielleicht so einiges erklären, warum gewisse Dinge in der Welt passieren.


    ... irgendwie bin ich halt gerade ein wenig demotiviert, weil ich ja nicht weiß, ob "das Böse" immer bestehen wird und wir immer dagegen anarbeiten werden müssen.


    Bisher lag mein Schwerpunkt halt eher darin, dass ich das Gefühl hatte, viel Einfluss auf mein Leben, meine Handlungen und so zu haben.


    Wie geht es Euch damit? Wie seht Ihr das?


    Ganz liebe Grüße

    Hanni

  • Hallo, Hanni,


    Mara ist für mich nichts anderes als eine personale Bezeichnung des Bösen, aber keine Person o.ä. Man sagt ja z.B. auch "Bruder Tod" und ist gewiss weit davon entfernt, den Tod für seinen realen Bruder zu halten. Mara ist ein "Name" für das Böse. Wenn Gier, Hass und Verblendung Überhand nehmen, dann ist das Böse, Mara, "da".


    "das Böse" Einfluss auf Menschen nimmt.

    Wenn der Buddha sagt, dass "Mara" Einfluss auf den Menschen nehme, sehe darin keinen üblen Bösewicht, der den Menschen verführt, sondern ich sehe das Böse, das immer auch im Menschen vorhanden ist (sonst gäbe es ja keinen Hass, keine Gier, keine Verblendung). Wenn Dich die Formulierung "Mara nimmt Einfluss auf den Menschen" stört, ersetze sie doch einfach "Das Unbewusste, das Böse im Menschen selbst, nimmt Einfluss auf ihn"...

  • Und dieses "Böse" ist natürlich auch nichts, was aus sich selbst heraus existierte. Es ist letztlich der Sog verfestigter Gewohnheitsstrukturen, menschlicher Urängste usw. usf. Nimmt man das "Ich" aus der Gleichung, hat "Böse" keinen Bezugspunkt mehr. Deswegen ist es letztlich auch wichtiger, die Erleuchtung anzustreben, als "gegen das Böse zu kämpfen". Letzteres kann nur eine Ermahnung sein, sich nicht aus Unachtsamkeit unterwegs von diesen Gewohnheiten verführen zu lassen und sich so selbst Steine in den Weg zu legen.

  • ..

    ich habe den Buddhismus bisher eher so wahrgenommen, dass es da viel um Eigenverantwortung geht. In den Silas heißt es ja auch "Lebendiges umzubringen, will ich mich enthalten." usw. statt "Du sollst nicht töten."

    Seh ich genau so. Und in diesem Sinn ist Mara dann das in mir, das mich treibt, gegen eine Verantwortbarkeit zu handeln.


    Vorhin hab ich in der mittleren Sammlung des Tpitaka (50. Der Tadel an Mara) gelesen, dass Mara, bzw. "das Böse" Einfluss auf Menschen nimmt. Ich kenn das sonst eher nur aus der Bibel, wo dann von Satan die Rede ist, und hab das bisher eher so in die Ecke geschoben, dass das von Leuten vorgeschoben wird, die (wenig) Eigenverantwortung übernehmen wollen.

    Auf der anderen Seite halte ich mich jetzt nicht für besonders anders als andere und sehe, daß diese ihrerseits mit ihrem 'Mara' kämpfen und dabei manchmal verlieren. Und so werde ich auch damit konfrontiert.


    Zum Glück bin ich bisher noch keinem ISIS Terroristen begegnet, aber Dummheit, Gier, Aggressivität anderer gehören fast zum Alltag. Natürlich begegne ich Mara (dem "Bösen") auch in dieser Gestalt.


    Jede Vorstellung von Mara ist für mich an Menschen und falsche Entscheidungen von Menschen gebunden. Eigene und die anderer. Was mich zum Teil zur buddhistischen Lehre geführt hat, war das Denken - weg von gut/böse Kategorien hin zu zielführend/nicht zielführend, hilfreich/nicht hilfreich.



    Du hast eine Sutta aus dem PK erwähnt. Es gibt hier einen eigenen Bereich für die Diskussion solcher Texte Suttenbesprechung.

    Du könntest den Text dort einstellen und fragen, wie die anderen diesen Text lesen..

  • Buddha ist vor seiner Erleuchtung Mara begegnet. Mara ist die Identifikation mit den Formen, das Ego, das falsche Selbst.

    Jesus ist in der Wüste dem Bösen begegnet. Die Identifikation durch Bewusstheit loszulassen, das ist die Wahrheit, die uns befreit.

    Wir identifizieren uns mit Formen, mit Sinneseindrücken, mit Emotionen und Gedanken.

    Entweder wir wollen etwas haben, etwas nicht haben oder wir wissen nicht ob wir etwas wollen oder nicht. Mara ist die Illusion von Geburt und Tod. Wenn eine Form geboren wird aus der Unwissenheit, dann entsteht Verlangen nach mehr Identifikation und dann die Abneigung dies wieder loszulassen. Bis zur nächsten Geburt.

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich hab den Buddhismus bisher eher so wahrgenommen, dass es da viel um Eigenverantwortung geht.

    Genau das ist einer der Gründe, warum ich mich dem Buddhismus zugewendet habe.


    Zitat

    ... und bin jetzt ein wenig erschüttert, dass ich vielleicht doch (nicht nur) gegen meinen inneren Schweinhund kämpfe. :shock:


    ... ich meine, es würde vielleicht so einiges erklären, warum gewisse Dinge in der Welt passieren.


    ... irgendwie bin ich halt gerade ein wenig demotiviert, weil ich ja nicht weiß, ob "das Böse" immer bestehen wird und wir immer dagegen anarbeiten werden müssen.


    Ist es nicht so, dass ab dem Zeitpunkt, in dem wir "das Böse" als eigenständiges Wesen außerhalb unseres Selbst sehen, wir uns fatalistisch zurücklehnen können? Was habe ich damit zu tun, dass irgendein anderes negatives Wesen für das Furchtbare in der Welt sorgt? Der "Teufel" ist nun mal da und es liegt nicht in meiner Macht, ihn abzuschaffen, also bin ich auch größtenteils aus der Verantwortung. Wenn das viele so sehen würden, bliebe alles so wie es ist.


    Für mich ist "das Böse" der Teil in uns, der nicht bereit ist das zu leben, was im jeweiligen Augenblick sinnvoll wäre und für sich und andere negative Folgen hervorruft.


    Zitat

    Bisher lag mein Schwerpunkt halt eher darin, dass ich das Gefühl hatte, viel Einfluss auf mein Leben, meine Handlungen und so zu haben.

    Ich hoffe doch, daß du zu dieser ganz wunderbaren Einstellung ganz schnell wieder zurückkehrst!

  • Ich denke, Mara ist alles, was bisher aufgezähl wurde:

    User19823:

    Für mich ist "das Böse" der Teil in uns, der nicht bereit ist das zu leben, was im jeweiligen Augenblick sinnvoll wäre und für sich und andere negative Folgen hervorruft.

    Und Mara ist das allgemeine Prinzip, dass wir alle grundsätzlich zu unheilsamen Handlungen fähig sind


    Und die Personalisierung/Visualisierung von Mara als "Person" außerhalb von uns ist IMHO ein Trick, um unsere Achtsamkeit besser lenken zu können, und Aspekte unseres Handelns zu erkennen, die sich manchmal ganz trickreich verstecken.


    Die Interpretation als "Teufel", der uns von außen verführt, entsteht meiner Meinung nach durch unseren christlich/jüdischen Background, und hat mit Buddhas Lehre nichts zu tun.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Überall wo wir Mara begegnen haben wir eine Verantwortung. In Beziehungen,in der Familie, bei Freunden, im Beruf, im Urlaub, in den Zeitungen, in der Politik, in der Religion.

    Ignoranz von unheilsamen Identifikationen aus falsch verstandener Tolleranz oder politischer Korrektheit ist sehr gefährlich. In der Türkei und Russland verhalten sich viele aus Angst und Ignoranz politisch korrekt zu ihren politischen und religiösen Führern. In Deutschland haben wir in der Vergangenheit haben wir Mara bereits als Führer gehabt und Millionen Menschen wollten sich aus Angst nur so verhalten was der Führer für politisch korrekt gehalten hat und das war ein grausamer mörderrischer Untergang und unvorstellbares Leid. Wir sind in jedem Augenblick in der Verantwortung das Böse, was eine Identifikation mit unheilsamen bedeutet zu erkennen, zu benennen und friedliche Wege zu finden dass wir uns von Mara nicht in die Versuchung bringen lassen unsere Werte wie Meinungsfreiheit zerstören lassen. Denn das Böse will die Unterwerfung durch Angst, Hass und Scham und wahre Freiheit bedeutet sich davon nicht mehr unterwerfen zu lassen.

  • Zitat

    Bisher lag mein Schwerpunkt halt eher darin, dass ich das Gefühl hatte, viel Einfluss auf mein Leben, meine Handlungen und so zu haben.


    Wie geht es Euch damit? Wie seht Ihr das?

    Hallo,


    ich denke, dass wir weit weniger Einfluss haben auf unser Leben als man vielleicht denkt bzw. an Veränderungen hart selbst arbeiten muss, weil man ja nicht nur die Gene seiner Vorfahren mitbekommt sondern auch ihre Persönlichkeiten leben in uns weiter.


    Ich habe mich selbst das oft gefragt, warum ich mir so schwer tue bestimmte Verhaltensmuster zu ändern bzw. warum ich sie überhaupt habe und wenn ich dann auf meine Vorfahren zurückschaute verstand ich, dass da doch Einiges auch von ihnen in mir "weiter besteht".


    Daher empfinde ich es heute noch immer als schwer tiefgreifende Persönlichkeitsveränderungen bzw. Verhaltensänderung umzusetzen. Also ich muss es mir wirklich erarbeiten und fast dagegen halten.


    Wofür ich auch sehr lange gebraucht habe, war zu verstehen, dass es nicht meine Aufgabe ist andere Menschen in irgendeiner Form zu versuchen zu beeinflussen, weil der Mensch ändert sich nicht, außer man selbst und diese Energie hätte ich mir einerseits sparen können und andererseits ist es auch gar nicht mein Recht.


    Aber um wieder auf den Bezug "Böse" zurückzukommen. Da wird ja oft philosophiert gibt es gut oder böse? Mir fällt es schwer, das Verhalten vieler Menschen in unserer Gesellschaft als "nicht böse" darzustellen, so bald jemand bewusst eine Handlung setzt, die einem anderen Schaden zufügt sehe ich das schon als Akt der Bösartigkeit und da fällt mir auch Mitgefühl wirklich schwer.


    In meiner Welt überwiegen leider die Erfahrungen, dass die meisten Menschen nicht heilsame Handlungen setzen. Wenn man das Glück hat sich in Kreisen zu bewegen, wo man Gleichgesinnte findet kann das sicher anders sein.


    Wobei ich leider auch erkennen musste im Laufe meines Lebens, wenn man lange genug sich in "schlechten" Kreisen befindet, dass man selbst ein Teil davon wird und wirklich durch bewusste Anstrengung sich dagegen "wehren" muss. Weil irgendwann glaubt man das, wo man sich bewegt, das sei die Normalität, ist es aber oft nicht.


    LG Son

  • Guten Morgen Ihr Lieben,


    oh wow - das sind ja viele Antworten ... und ur viele hilfreiche Gedanken dabei. ... da kann ich jetzt gar nicht auf alle(s) eingehen, ohne den Thread allzu sehr aufzublasen ... und alles nochmal zu wiederholen.


    Vielen lieben Dank Euch allen!!!


    Ganz liebe Grüße

    Hanni

  • Aber um wieder auf den Bezug "Böse" zurückzukommen. Da wird ja oft philosophiert gibt es gut oder böse? Mir fällt es schwer, das Verhalten vieler Menschen in unserer Gesellschaft als "nicht böse" darzustellen, so bald jemand bewusst eine Handlung setzt, die einem anderen Schaden zufügt sehe ich das schon als Akt der Bösartigkeit und da fällt mir auch Mitgefühl wirklich schwer.

    Hallo Son,


    ja das ist dann gleich das nächste Thema, das dem "artverwandt" ist, ... oder eine Art Unterthema, das bei mir dann auch immer wieder aufpoppt.


    Manchmal ist mir schon bewusst, dass Menschen in dem was sie tun, (irgend)einen Sinn sehen und glauben eh (für sich zumindest) mit ihren Handlungen was Gutes zu tun, obwohl es für andere und insgesamt subopitmal ist. Oder ich weiß eh, dass jetzt jemand etwas macht, weil er z.B. wenig Selbstwertgefühl hat.


    Ich tu mich dann halt auch mit dem Mitgefühl trotzdem schwer. Das gelingt mir eher bei Menschen, die bereits "gute Absichten" haben und dann trotzdem manchmal daneben hauen, denen es aber zumindest schon einmal bewusst ist. Aber wenn jemand so komplett neben der Spur ist, tu ich mich oft echt krass schwer mit dem Mitgefühl.


    ... und fang dann immer zum Überlegen an ... warum ich mich da jetzt so schwer tu ... und wie ich es trotzdem hinkriegen kann.


    Wahrscheinlich kann ich es deshalb nicht (mehr) so ganz nachvollziehen, weil ich "rechte Absicht" und "rechte Anstrengung" schon immer starkt hatte - schon mitgebracht hab und mir nicht erarbeiten musste.


    ... deshalb kann ich es anderen auch nicht erklären, wie sie das machen sollen, weil ich das wie nicht kenne.


    Ich glaub halt, dass viele auch nie erfahren haben, dass es im Leben besser läuft, wenn sie ein "sittsames Leben" führen und immer noch nicht erkannt haben, dass sie mit ihrer Einstellung trotzdem schlechter fahren, auch wenn sie glauben, dass sie Vorteile dadurch haben.


    Aber wie will man jemanden davon überzeugen, der/die eh davon überzeugt ist, eh gut und richtig zu handeln - für ihn/sie passt es ja eh, der Leidensdruck ist noch nicht hoch genug, was zu verändern. ... und der Problembesitz liegt in dem Fall bei mir (wie man im Coaching so schön sagt). ;)


    Ganz liebe Grüße

    Hanni

    • Offizieller Beitrag

    Mara ist einfach nur eine Personfikation der Tendenz, die Hoffnung und das Begehren auf etwas zu richten, was sich dann doch nur als vergänglich herausstellt, so dass man mit leeren Händen dasteht. Deswegen ist sein Beiname "Herr des Todes".

    Ob man einen Schweinehund als was inneres und was eigenes sieht oder als was allgemeines und überpersönliches ist doch nur so ein Unterschied in der Vorstellung.


    Man kann sowohl sagen, dass jeder Alkoholiker seinen eigenes Alkoholproblem hat, oder auch peronifizierter und blumiger so ausdrücken, dass alle Alkoholiker von der gleichen "Geisel Akohol" geknechtet werden. Die Frage ist jetzt, was das für den Umgang mit dem Problem bedeutet.


    Villeicht hilfte es, bei den anonymen Alkoholikern zu sehen, dass es nichts individuelles ist, sondern andere die gleichen Probleme haben und Verhaltensweisen und Emotionen, die man für sehr privat heilt, bei anderen ganz genauso aufgereteten sind. Es sich also nicht um einen eignen Schweinehund handelt mit dem man einsam und für sich kämpft, sondern um einen geminsamen Scheinehund, den andere ebenfalls intim kennen und dem man deswegen auch gemeinsam gegenübetreten kann.


    Whanni:

    Aber wenn jemand so komplett neben der Spur ist, tu ich mich oft echt krass schwer mit dem Mitgefühl.


    Wahrscheinlich kann ich es deshalb nicht (mehr) so ganz nachvollziehen, weil ich "rechte Absicht" und "rechte Anstrengung" schon immer starkt hatte - schon mitgebracht hab und mir nicht erarbeiten musste.

    Genau wie der "eigene Schweinehund" sich nicht so vom "gemeinsamen Scheinehund" unterscheidet, gibt es vielleicht keine "eigene rechte Absicht" sondern nur eine die über Mitgefühl den anderen mit einschliesst. Das ist natürlich schwerer.

  • Hallo Whanni ,

    man sollte sich beim Studieren klassischer buddhistischer Texte (z.B. Sutten des Palikanon) bewusst sein, dass diese - bei allem, was sie an damals neuen und revolutionären Gedanken formulierten - ihre Wurzeln in einem archaischen kulturellen Milieu haben; konkret der Kultur Nordindiens des 5. / 6. Jahrhunderts vor der Zeitenwende. Dies war das kulturelle Substrat der buddhistischen Lehre und es kann nicht verwundern, dass sich deutliche Spuren dieses Substrates - d.h. des in dieser Kultur verbreiteten mythologischen und kosmologischen Denkens - in den Sutten finden. Ohne sich dieser mythologisch gefärbten Sprache und der symbolischen Bilder dieses Denkens zu bedienen, wäre es Buddha und seinen Schülern gar nicht möglich gewesen, die Lehre ihren Zeitgenossen verständlich zu machen.

    So ist Buddhas Lehre in der Form, wie sie in den Sutten dargestellt wird, zwar im Kern und in ihren wesentlichen Aussagen eine psychologische und philosophische Lehre, die jedoch stark mit mythologischen und kosmologischen Komponenten vermischt ist, eben dem oben erwähnten kulturellen Substrat. Nun wäre der Buddhismus keine Weltreligion und schon gar nicht wäre er es noch heute, 2500 Jahre nach Entstehung, wenn das spezifisch 'buddhistische' der Lehre Gautama Buddhas nicht unabhängig von diesem archaischen kulturellen Substrat Bestand haben könnte bzw. wenn der buddhistische Kern der Lehre, wie sie sich z.B. im Palikanon findet, nicht auch im Kontext einer völlig anderen kulturellen Umgebung 'funktionieren' würde. Z.B. im China des 7. Jahrhunderts nach der Zeitenwende, im Japan des 13. Jahrhunderts oder heute in Westeuropa.

    Dazu bedarf es allerdings einer Anpassungsleistung, einer Akkulturation. D.h. es gilt, die spezifisch buddhistischen, überzeitlich gültigen Aussagen von den zeitgebundenen des kulturellen Substrats zu trennen bzw. die 'Versatzstücke' des kulturellen Substrats (beispielsweise die Figur des Mara) in ihrer Funktion im Kontext der Lehre zu verstehen. Das heisst konkret, den psychologisch / philosophischen Aussagegehalt etwa einer Auseinandersetzung zwischen Buddha oder wie in MN.50 eines Arhat mit der mythologischen Figur eines Mara oder auch - an anderer Stelle - eines Deva wie Brahma zu entschlüsseln. Anders gesagt: es geht darum, die eigentlich buddhistische Lehraussage in solchen Episoden zu verstehen und nicht darum, an die Existenz von Dämonen wie Mara oder von Göttern wie Brahma zu glauben.

    Zu Mara selbst: es handelt sich um einen mächtigen Dämon, eine Gestalt, die im Kontext der mythologischen sechs Existenzbereiche (Devas, Asura, Menschen, Preta / Hungergeister, Tiere und Bewohnern des Narakaloka / 'Höllen') einer niederen Klasse von Asura, den Rakshasa, zuzuordnen ist. Wie alle Wesen der sechs Existenzbereiche sind auch Asura / Rakshasa Alter, Krankheit und Tod unterworfen - sie wandern also durch die Existenzbereiche (Gati) von Samsara. Das wird gerade in MN.50 deutlich, wo Mogallana, einer der Hauptschüler Buddhas, von seiner karmischen Verbindung mit einem früheren Mara namens Dusi spricht (der 'aktuelle' Mara heisst Namuci). 'Mara' steht also nicht für eine Entität, ein beständiges Wesen, sondern eher für eine Funktion in Samsara. Diese Funktion besteht darin, andere Wesen an Samsara zu binden. Das Mittel dazu ist 'Versuchung' - und hier haben wir tatsächlich eine Parallele zum Satan der christlich-jüdischen Mythologie. Das wird besonders deutlich in der Schilderung von Buddhas Erwachen, das Mara Namuci zu verhindern sucht (der Kampf mit Mara, marayuddha) - u.a., indem er seine drei schönen Töchter Tanha, Raga und Arati vorschickt. Die Namen der Töchter (Tanha - der Durst, Raga - Verlangen und Arati - Ablehnung) verweisen nun schon sehr deutlich darauf, dass es sich um eine Allegorie handelt, um eine symbolische Darstellung eines inneren 'Kampfes'. Dabei ist Tanha das Verlangen nach angenehmen sinnlichen Erfahrungen; Raga ist der Wunsch zu werden, Ziele zu erreichen, Anerkennung und Ruhm zu finden. Arati ist der Wunsch, unangenehmen Erfahrungen zu entgehen. Das sind die 'Versuchungen' Maras. Alle drei sind sie verschiedene Formen von Verlangen, von Durst in zunehmender Subtilität: Kama-Tanha, Bhava-Tanha und Vibhava-Tanha.

    Auch der Name Mara ist - wenn auch weniger deutlich - ein 'sprechender' Name. Er ist von marati, sterben oder getötet werden, abgeleitet (vgl. auch lat. 'mori'). Eben dies verweist auf die Konsequenz der Bindung an Samsara, das die 'Funktion' von Mara ist - das immer und immer wieder wiederholte Sterben in Samsara. Mara als mythologische Gestalt ist die symbolische Verkörperung des Sterbens. Aus diesem Grund trägt Mara auch den Beinamen Papima, was man mit 'der Böse' übersetzen kann. Das 'Böse' ist hier freilich etwas Anderes als das, was im christlich-jüdischen Kontext als 'das Böse' verstanden wird.

    Zusammenfassend: man kann den buddhistischen Mythos von Mara wörtlich verstehen oder symbolisch; man kann ihn auch wörtlich und symbolisch verstehen. Letzteres war wohl zu Zeiten Buddhas (in dem damaligen kulturellen Substrat) das übliche Verständnis zumindest der breiten Masse. In unserem kulturellen Umfeld ist es hingegen eher unüblich, an die Existenz von Dämonen zu glauben bzw. sie als gegeben hinzunehmen. Da ist es eher sinnvoll, solche Mythen als Allegorien für bzw. symbolische Darstellung von psychischen (Loslösungs-)Prozessen zu verstehen. Also: es geht im Zusammenhang dieses Mythos tatsächlich um nichts anderes, als "gegen Deinen inneren Schweinehund" zu kämpfen. Mara ist Dein "innerer Schweinehund", nichts anderes, und er kann mit der Praxis des achtfachen Pfades überwunden werden. Mara ist ebensowenig ein konkret existierendes Wesen wie Dein Schweinehund, auch wenn Dir der Schweinehund so schwer im Magen liegen kann wie Mogallana Mara im Gedärm.

    Ein fundamentalistisches Wörtlich-Nehmen überlieferter Texte ist im Zusammenhang buddhistischer Lehre genau so wenig sinnvoll wie im Kontext christlicher oder islamischer 'heiliger Bücher'. Es bleibt an der Oberfläche hängen und verhindert ein tieferes Eindringen in die Texte und deren sinnentnehmendes Verstehen. Lass Dich bei diesem Eindringen und Verstehen nicht durch Deinen Mara / Schweinehund entmutigen

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  • In der Welt (Samsara) gibt es das Gute und das Böse. Es gibt beständig Freude und Leid im Wechsel. Es gibt die Kräfte der Liebe und die Kräfte des Bösen. Für mich ist das Ego und das Leid in Teil des kosmischen Systems. Es wirkt abstrakt und auch durch bestimmte Erscheinungen (Personen). Unsere Aufgabe ist es für das Gute zu wirken und eine Welt der Liebe, des Friedens und des allgemeinen Glücks aufzubauen.


    Gleichzeitig geht es in der Spiritualität darum sich über die Welt der Dualität (Gut und Böse) zu erheben und in eine Einheitssicht zu gelangen (Nirwana, in Gott leben, im Licht leben). Das geschieht durch Meditation und Gedankenarbeit (positives Denken). Dadurch kommt man zur Erleuchtung und kann unabhängig von äußerer Freude und Leid seinen inneren Frieden und sein inneres Glück bewahren.

  • Hallo Ihr Lieben,


    Sudhana: oh wow - danke Dir für Deine sehr ausführliche, aufschlussreiche Antwort!

    void, @ Nils: Danke Euch für Eure Impressionen!


    ... ja wahrscheinlich seh ich das noch viel zu sehr als "mein" an und häng mich daran auf. *lol*


    Ganz liebe Grüße
    Hanni

  • Whanni:

    .. und der Problembesitz liegt in dem Fall bei mir (wie man im Coaching so schön sagt).

    .. und der Problembesitz liegt in dem Fall bei mir (wie man im Coaching Buddhismus so schön sagt). ;)

    Liebe Grüße, Aravind.

  • Ich möchte anmerken, dass der Begriff "das Böse" eher was christlich Angehauchtes ist.


    Im Buddhismus gilt als die Ursache allen Übels "Gier, Hass & Verblendung", wobei Verblendung (= Ignoranz, die Dinge als inhärent existent zu betrachten), von den Dreien am schwierigsten zu überwinden ist. Diese falsche Sichweise ist am klebrigsten, am subtilsten und die Ursache des ganzen leidvollen Daseinskreislaufs.


    Im christlichen Sinne wird "das Böse" mehr als sowas Eigenständiges gesehen: Es sei eine negative Energie, die aus sich heraus Kraft entwickelt und die unterdrückt werden müsse. Wenn man das nicht schaffe, sei man zu schwach oder zu sündig.


    Aus buddhistischer Sicht ist das anders: man ist einfach nur zu dumm. Es fehlt einem an den richtigen Informationen oder an der Läuterung, dass man die Informationen (Wahrnehmungen) korrekt zuordnet. Man hat Wissensschleier und durch das Abarbeiten von negativem Karma sowie durch meditative Reinigungspraktiken, können sie allmählich beseitigt werden.


    So ist auch die Hölle nur ein grausamer Daseinsbereich, in dem Wesen leben, die als Hauptspekt Hass haben. Nach der Läuterung verlassen sie diesen Bereich und nehmen eine andere Daseinform in einem anderen Daseinsbereich an.


    Im Buddhismus gibt es also keine ewige Verdammnis, für niemanden. Und Mara ist nur ein Symbol, keine ewig lebende Person.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Zu Mara selbst: es handelt sich um einen mächtigen Dämon, eine Gestalt, die im Kontext der mythologischen sechs Existenzbereiche (Devas, Asura, Menschen, Preta / Hungergeister, Tiere und Bewohnern des Narakaloka / 'Höllen') einer niederen Klasse von Asura, den Rakshasa, zuzuordnen ist.

    An dieser Stelle bin ich irritiert, weil Asuras ja eigentlich Halbgötter sind während der Begriff "Dämon" für mich schwer in die 6 Daseinsbereiche einzusortieren ist. Kannst Du erklären, was "ein Dämon bei den eifersüchtigen Göttern zu suchen hat"? Oder gibt es von der Mythologie der 6 Daseinsbereiche auch verschiedene Systeme, wo diese unterschiedlich verstanden werden?

  • Ich möchte anmerken, dass der Begriff "das Böse" eher was christlich Angehauchtes ist.

    Ja. Die Nebenbedeutungen sind für uns im Westen immer vorhanden.

    Es ist unglaublich schwierig, damit umzugehen. Anhaftung und so.. :grinsen:


    Das "Böse", das "absolut Böse" - für uns hier in Deutschland gibt es 2018 immer noch keine prägnantere Darstellung in einer Person als Adolf Hitler. Ich verlinke jetzt auf einen Filmausschnitt, aber ist das von der Realität so weit entfernt? War selbst der vielleicht schlimmste Mensch, den wie uns vorstellen können nicht wenigstens manchmal so etwas wie menschlich?


    https://www.youtube.com/watch?v=z6a-S_9CQU0


    Wäre eine buddhistische Vorstellung von Metta sonst möglich?

  • Eine Hitler-Diskussion ist erfahrungsgemäß geeignet, einen Thread zum Abschmieren zu bringen. Sorry, ich möchte trotzdem bemerken, dass Hitler nie auch nur ein einziges KZ mit eigenen Augen gesehen hat.

    Er war ein mieser kleiner Schreibtischtäter.


    Aus diesem Blickwinkel war auch Hitler kein feixendes Monster sondern lediglich ein Idiot, dem man zu viel Macht überlassen hat. Auch hier stimmt es: "das Böse" = Ignoranz. Unbeständig zudem.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Eine Hitler-Diskussion ist erfahrungsgemäß geeignet, einen Thread zum Abschmieren zu bringen.

    Danke Lirum Larum


    Moderation

    Bitte vertieft das Beispiel "Hitler" nicht weiter und verwendet bei Bedarf andere Beispiele. Die Gefahr des "Abschmierens" ist in der Tat zu gross und daher möchte ich das gerade im Anfängerbereich frühzeitig abfangen. Weitere Beiträge die das Beispiel aufgreifen werden entsprechend editiert.

  • An dieser Stelle bin ich irritiert, weil Asuras ja eigentlich Halbgötter sind während der Begriff "Dämon" für mich schwer in die 6 Daseinsbereiche einzusortieren ist. Kannst Du erklären, was "ein Dämon bei den eifersüchtigen Göttern zu suchen hat"? Oder gibt es von der Mythologie der 6 Daseinsbereiche auch verschiedene Systeme, wo diese unterschiedlich verstanden werden?

    Generell sind solche Ansätze, wo ältere Mytheme in den Buddhismus übernommen wurden, nicht konsistent. So gibt es z.B. eine Inkonsistenz, die sechs Gāti und die buddhistische Kosmologie betreffend. Gemäß letzterer ist Māra 'Herrscher' des Kāmaloka, dem ja auch vier 'Himmel' und der Tāvatiṃsa- Bereich des Sumeru (Existenzbereiche von Devas) zugerechnet werden. Zwischen diesen und dem Bereich der Asura liegt dann noch der Bereich der Cātummahārājika, wo sich etliche mythologische Wesen herumtreiben, die nicht in die Gāti - Systematik passen (Kumbhāṇḍas, Gandharvas, Nāgas, Yakṣas ...). Da ist Māra offensichtlich eher als abstraktes Prinzip aufzufassen - und wenn als Personifikation, dann eher als Deva. Wird er wiederum als 'Dämon' (Rakshasa) aufgefasst, so werden diese Wesen zumeist (falls man überhaupt versucht, sie in das Schema der Gāti einzufügen) als eine Untergruppe der Asura (und zwar die bösartige) aufgefasst. Bei den Hindus wiederum (die ja auf derselben mythologischen Grundlage aufsetzen) setzen manche Gruppen Asura und Rakshasa schlicht gleich, für andere wiederum ist Māra ein Deva, da hat er den Platz des vedischen Totengottes Yama eingenommen - der sich wiederum auch im tibetischen Buddhismus findet.


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  • Eine Hitler-Diskussion ist erfahrungsgemäß geeignet, einen Thread zum Abschmieren zu bringen.

    Danke Lirum Larum


    Moderation

    Bitte vertieft das Beispiel "Hitler" nicht weiter und verwendet bei Bedarf andere Beispiele. Die Gefahr des "Abschmierens" ist in der Tat zu gross und daher möchte ich das gerade im Anfängerbereich frühzeitig abfangen. Weitere Beiträge die das Beispiel aufgreifen werden entsprechend editiert.

    Ok. Also - Mao Zedong. Mindestens 20 Millionen verhungerter Chinesen wegen einer einzelnen fehlerhaften Industalisierungskampagne...


    Sind 20 Millionen genug? Ich wette, Mao hat seine Köche gelobt, wenn die etwas besonderes gekocht hatten und es ganz aufrichtig gemeint..


    Ihr versteht das Problem anders als ich. Das 'Böse' existiert nur, soweit wir es für uns erlauben.


    @Whanni bitte entschuldige, wenn dieser Tread etwas aus dem Ruder gerät ;)

    Du hast dann gleich die Chance zu erkennen, daß wir hier mit den gleichen Uhren ticken wie alle anderen :grinsen:

  • Ich möchte anmerken, dass der Begriff "das Böse" eher was christlich Angehauchtes ist.

    Zumindest fehlt diesem Begriff im buddhistischen Kontext die moralisierende Komponente. Gerade in Bezug auf Māra ist das 'Böse' identisch mit der Fortsetzung von Alter, Krankheit und Tod bzw. die Vereitelung der Befreiung davon.


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